Das “Mystische” und das “Unaussprechliche” – Wittgensteins Einsichten

Von den Tatsachen zur Mystik
Hinweise von Christian Modehn
Anläßlich des 125. Geburtstages (26.4.) und des 60. Todestages (29.4.) von Ludwig Wittgenstein (1889-1951).

Ludwig Wittgenstein ist ein Philosoph, der „aus dem Rahmen“ üblicher Bilder vom Philosophen fällt. Aus reichem Hause stammend, verschenkt er sein Erbe. Er sucht vielfältige Lebens –und Arbeitswelten, er war u.a. Architekt und er arbeitete als Gärtner, er war Grundschullehrer und Professor, er lehrte in Cambridge und liebte die Einsamkeit in dem selbst entworfenen Haus in den Wäldern Norwegens… (Welche inhaltliche Beziehung gibt es zwischen der Hütte Wittgensteins in Norwegen und der Hütte Heideggers im Schwarzwald? Dies wäre eine spannende Frage).

Ludwig Wittgenstein legt allen Wert auf Klarheit und Eindeutigkeit der Sprache und damit des Denkens. Damit will er Wahnvorstellungen und Sinnloses als solches freilegen: „Alles, was der Philosoph tun kann, ist, Götzen zu zerstören. Und das heißt, keinen neuen Götzen, etwa in der = Abwesenheit eines Götzen =, zu schaffen“.
In einem Brief an Bertrand Russell schreibt er: „Die Hauptsache für mich ist die Theorie über das, was durch Sätze gesagt (und gedacht) wird und was nicht durch Sätze ausgedrückt, sondern nur gezeigt werden kann“.
Sinnvoll sagbar/denkbar ist für Wittgenstein nur, was sich als Tatsachen der Welt präsentiert.

In diesem Bemühen hat er kein philosophisches System geschaffen, sondern eher Essays, manche sagen Fragmente, hinterlassen, die klar Grenzen ziehen zwischen dem Sagbaren/ Denkbaren und dem Nicht Sagbaren/Denkbaren. Dieses kann die Philosophie nur „bedeuten“, also aufzeigen und sehen lassen, ohne es eindeutig besprechbar zu machen. Dieses ist das „Unaussprechbare“.

Für Wittgenstein ist das Mystische die Einsicht: Dass es die Welt gibt. Auf dieses nicht begründbare und besprechbare DASS kommt es an. Wittgenstein hat dieses DASS in das Zentrum seines Denkens gestellt, wenn er etwa von den Grenzen der empirischen Wissenschaften spricht. Naturwissenschaft kann nur das Wie der Welt beschreiben, sie kann aber das Gegebensein der Welt, dieses DASS, nicht philosophisch erklären.

„Für Wittgenstein folgt das Mystische aus der Begrenztheit von Denk- – und Sagbarkeit…. Das Mystische ist das Andere des Logischen des Denkbaren, des Sagbaren“ , schreibt Chris Bezzel, in: Wittgenstein, Stuttgart 2007, S. 75. In seinem Tractatus (6.45) schreibt Wittgenstein: „Das Gefühl der Welt als begrenztes Ganzes ist das mystische“. Es geht also um ein „gefühlvolles“ Sehen des Ganzen der Welt, dieses Ganze ist nicht mehr sagbar, sondern es kann nur „bedeutet“, also gezeigt werden, und dabei zeigt sich dieses Ganze als das Unaussprechliche.

Wenn man diese Erkenntnis auf die gelebte Form der Religion überträgt, kommt der Theologe Kurt Studhalter zu der Einsicht: „Philosophie hat zu beschreiben, wie religiöse Menschen in welchem Lebenskontext reden. Sie hat darauf zu achten, wie religiöse Ausdrücke gebraucht werden, in welchem „Sprachspiel“, in welcher „Lebensform“ (in: Ludwig Wittgensein, Junius Verlag, 2011, zur Wittgenstein Ausstellung im Schwules Museum Berlin , S. 134).
Kurt Studhalter erinnert auf Seite 135 an eine Tagebuch Notiz Wittgensteins: „An einen Gott glauben, heißt die Frage nach dem Sinn des Lebens verstehen. An einen Gott glauben, heißt sehen, dass es mit den Tatsachen der Welt noch nicht abgetan ist“.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.