Die Legionäre Christi – ein machtvoller Orden in der Krise

Die Konkurrenz zum OPUS DEI: Und genauso reich und einflussreich:

Die Legionäre Christi

Publik-Forum Nr. 12 26.6.2009
»Delikate Zeiten«

Die schrecklichen Taten des Ordensgründers werfen dunkle Schatten auf die katholische Ordensgemeinschaft der Legionäre Christi. Jetzt schickt Rom eine Untersuchungskommission.  Die definitiven Namen der seit Mitte Juli 2009 vom Papst berufeneen 5 “Visitatoren”  siehe am Ende dieses Beitrags. 

Von Christian Modehn
Die schrecklichen Taten des Ordensgründers Marcial Maciel

Die engsten Freunde von Papst Johannes Paul II. werden jetzt auf Anordnung von Benedikt XVI. überprüft: Päpstliche Gesandte – jeweils ein Bischof aus Mexiko, den USA, aus Spanien und Italien  – »visitieren« eine der mächtigsten und reichsten geistlichen Gemeinschaften weltweit, den Orden der Legionäre Christi.

Dogmatische Fragen stehen dabei nicht zur Debatte. Der »Legion«, wie sie populär genannt wird, ist jegliche eigene Lehrmeinung fremd. Die Überprüfung gilt der Lebenspraxis, das heißt dem moralischen Zustand des Ordens. Er ist in zwanzig Ländern der Erde mit 2800 Mitgliedern vertreten, Tendenz steigend. 65 000 Laien arbeiten als Gemeinschaft Regnum Christi (Reich Christi) mit der Legion zusammen. Diese Bewegung ist eine der treuesten Förderer der päpstlichen Weltjugendtage oder der katholischen Welt-Familien-Treffen. In ihren über 170 Schulen und neun Universitäten ist die Legion aufs Engste mit konservativen politischen und ökonomischen Eliten verbunden, vor allem in Mexiko, Chile und Spanien. Und: Sie bekämpft die Befreiungstheologie mit dem Gegenentwurf einer »teologia de la prosperidad«, einer Theologie des Wohlstands, die den Reichen erklärt, ihr üppiges Leben sei gottgewollt.

Die Legion und ihr Regnum Christi durchleben jetzt allerdings »delikate Zeiten«: So formuliert es die Nummer zwei im Vatikan, Kardinal Tarcisio Bertone. Delikat sind die Zeiten, weil der hoch verehrte »Vater«, wie die Legionäre sagen, der mexikanische Ordensgründer Marcial Maciel, nun auch noch ein leibhaftiger Vater ist: Anfang Februar, ein Jahr nach seinem Tod am 30. Januar 2008, schrieb die New York Times, dass der Priester »mindestens« Vater einer Tochter sei. Redescristianas, der theologische Internetauftritt in Spanien, meldet, die Legionärstochter solle an der Universität der Legion in Madrid studiert haben. Ihre Mutter, so berichtet ein Ex-Legionär, sei eine verheiratete und sehr reiche Spanierin. Offenbar wolle sie an der Erbschaft des begüterten Paters und Vaters teilhaben, vermutet Patricio Cerda, ebenfalls ein kenntnisreicher Ex-Legionär.

Ein anderer, der Buchautor Alejandro Espinosa, bezeichnete Maciel in einem Interview mit dem mexikanischen Radio Trece als einen »sexuellen Vielfraß«. Neun Frauen nannte er namentlich – mehrere davon reiche Witwen –, mit denen Maciel etwas gehabt habe. Eine venezolanische Erdölmagnatin habe dem Pater eine Luxusresidenz im französischen Cannes geschenkt. Und die superreiche Flora Baragan de Garza habe ihm laut deren Tochter fünfzig Millionen US-Dollar geschenkt; danach habe er die Liebhaberin und Gönnerin verlassen.

Diese delikaten Veröffentlichungen zeigen, welche Geldquellen der Orden auftun konnte. Darüber ist zumindest in Amerika und Spanien einiges bekannt; in der katholischen Kirche wird darüber aber gern geschwiegen – was nicht verwunderlich ist.

Erstaunlicher ist vielmehr, dass Maciel das weibliche Geschlecht nicht verschmähte. Denn in der Öffentlichkeit war er immer als »Knabenliebhaber«, als Päderast, bekannt: Seit 1997 berichteten acht ehemalige Legionäre Christi, die heute als Professoren oder Diözesanpriester arbeiten, wie sie selbst als Kinder und Jugendliche von ihrem »Vater« Marcial Maciel sexuell missbraucht wurden. Ihre Berichte wurden als Bücher publiziert. Die sexuellen Verfehlungen des pädophilen Priesters sind so umfassend, dass sich jetzt eine eigene DVD (»Vows of Silence«) dem Thema widmet. Außerdem gibt es eigene Foren und Internetauftritte der Opfer wie www.exlc.org oder www.exlcesp.com.

Die Vorwürfe wurden von Macial immer entschieden zurückgewiesen. Er sprach von einem Komplott und sah sich als »ungerecht leidender Prophet«.

Der Streit um die Frage seiner Schuld ist dazu angetan, die weiterer Legionäre zu verdecken. Der Psychoanalytiker Fernando Gonzalez, der Opfer sexuellen Missbrauchs behandelt, erklärte am 17. Februar dieses Jahres in einem Interview mit dem mexikanischen Blog milyunamascaras: »Der Ex-Legionär Patricio Cerda hat ein Dossier erarbeitet, aus dem hervorgeht, dass in der Legion ein Netz von Pädophilen besteht. Maciel konnte die vielen Jahre als Pädophiler im Orden nur überleben, weil er Komplizen hatte. Maciel verwies immer wieder auf die guten Früchte, also die äußeren Leistungen des Ordens, aber im Grunde ist das eine Betrugsgeschichte«, so Gonzalez.

Am erstaunlichsten im »Fall Maciel« bleibt die enge Freundschaft mit Papst Johannes Paul II. Eine Tatsache, die Joseph Ratzinger noch als Kardinal gegenüber einem Missbrauchsopfer zugeben musste: »Ich kann in Ihrem Fall nichts tun«, so berichtet Fernando Gonzalez, »denn Maciel ist ein persönlicher Freund des Papstes, er hat ihm viel Vermögen gegeben.«

Johannes Paul II. weigerte sich, die Leidensgeschichten der Opfer Maciels wahrzunehmen. Er ignorierte auch die Tatsache, dass schon einmal, im Jahr 1956, derart gravierende Vorwürfe gegen Maciel erhoben wurden, dass sich der Vatikan damals genötigt sah, ihn für knapp zwei Jahre aller Ämter zu entbinden. Damals wurde er nicht nur der Päderastie, sondern auch des Drogenkonsums angeklagt.

Johannes Paul II. hatte den obersten Legionär samt Orden in jeder denkbaren Weise gefördert. Beobachter fragten sich schon damals, ob der Papst nur deswegen so viel Zuneigung für Maciel zeige, weil die Legion viele junge Priester stellt und kritiklos dem Lehramt folgt. Wie auch immer: Maciel gehörte zum engeren Beraterkreis von Johannes Paul II. und organisierte dessen Reisen nach Mexiko. Er durfte sich mit Zustimmung der Kurie »Generaldirektor« nennen und wurde vom Papst als Teilnehmer zu allen wichtigen Bischofssynoden in Rom berufen. Seine Legion durfte 1999 in Rom die päpstliche Universität Regina Apostolorum eröffnen, die zum Beispiel Tagungen für angehende Exorzisten veranstaltet, um sie die Methoden der Teufelsaustreibung zu lehren. Die Legion kann in einem eigenen riesigen Haus in Rom Priester aus der ganzen Welt aufnehmen und sie »spirituell formen«. Ihr Pressedienst Zenit verbreitet von Rom aus in vielen Sprachen die päpstliche Botschaft.

Dank päpstlicher Hilfe konnte die Legion so richtig aufblühen. Und das zu einer Zeit, da die Weltöffentlichkeit über die pädophilen Praktiken Maciels bereits informiert war. Aber das päpstlich abgesegnete Ordensgelübde, niemals etwas Negatives über die Legion zu sagen, machte aus dem Orden einen Club der Verschwiegenen. Papst Johannes Paul II. pries im Jahr 2001 in einer Predigt einmal mehr den »geschätzten Gründer« und lobte die Legionäre ausdrücklich: »Dabei seht ihr schweigend über die Fehler der anderen hinweg! Ihr stellt vielmehr deren positive und nützliche Taten heraus. Möge euch der Herr diese Geisteshaltung bewahren …«

Doch der Ruf des Ordensgründers war inzwischen in der Weltöffentlichkeit derart verheerend, dass der Nachfolger Johannes Pauls II. im Papstamt, Benedikt XVI., nicht umhinkam, schon 2005 eine Untersuchung des Ordens anzuordnen. Sein Gesandter war Prälat Charles Scicluna. Dessen Recherchen, so berichten »Vatikanologen«, seien so erschütternd gewesen, dass sich Benedikt XVI. genötigt sah, den greisen Generaldirektor Maciel aus dem Verkehr zu ziehen. Über seinen neuen Chef der obersten Glaubensbehörde, Kardinal William Levada, »bat« Benedikt am 26. Mai 2006 Pater Marcial, sich völlig aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen und sich nur dem Gebet zu widmen.

Dieser erzwungene Rückzug ist als indirektes Eingeständnis der Schuld des Generaldirektors zu werten. Doch über Details ließ der Papst öffentlich nichts verlauten; an einen internen Prozess gegen den mutmaßlichen Knabenschänder wurde gar nicht erst gedacht. So könnten die Legionäre bis heute sagen, sie wüssten eigentlich nicht, warum dieser Rückzug befohlen worden sei, schrieb die französische Tageszeitung La Croix am 9. Februar.

Ganz in diesem Sinne erwähnte der jetzige Generaldirektor des Ordens, Álvaro Corcuera, die Vergehen Maciels mit keinem Wort, als er seinen Mitgliedern die offizielle Visitation durch die römischen Gesandten ankündigte. Er ist sogar der Meinung, mit dem befohlenen Rückzug Maciels seien, so wörtlich, »schwerwiegende Tatsachen zum Abschluss« gebracht worden. Mit anderen Worten: Die Visitation gelte gar nicht den pädophilen Verbrechen, sondern bloß einem in Klerikerkreisen nicht ungewöhnlichen Kavaliersdelikt: der Kindeszeugung.

Ob der Orden nach der päpstlichen Visitation um »Auflösung gebeten« wird, ist ungewiss. Doch die ersten prominenten Legionäre verlassen bereits das sinkende Schiff. Einer von ihnen ist Pater Thomas Berg aus New York. Er empfiehlt eine komplette Neugründung. Nur so sei es möglich, die schreckliche Vergangenheit irgendwann wirklich hinter sich lassen zu können.

Elemente zur Biografie Marcial Maciels
Von C.M.

Marcial Maciel, der Gründer, wurde am 10. März 1920 in dem Dorf Cotija de la Paz in Mexiko geboren. Im Alter von 15 Jahren trat er in ein Priesterseminar ein, bis zu seiner Priesterweihe 1944 musste er mehrfach die Seminare wechseln „wegen allerlei Verdächtigungen“, wie seine Oberen zweideutig sagten. Schon als 16 Jähriger fühlte er sich berufen, einen eigenen Orden zu gründen. 1941 hat er als Seminarist bereits 13 Knaben zwischen 12 und 13 Jahren um sich gesammelt in einer eigener „apostolischen Schule“, sie tragen bereits als Kinder Klerikergewänder. Die Jungen begannen 1945 ihr Noviziat. Ihr Novizenmeister Maciel wurde erst im selben Jahr zum Priester geweiht. Bei einer Begegnung mit Papst Pius XII. 1946 soll dieser empfohlen haben: “Nennen Sie Ihre Gemeinschaft die Legionäre Christi und kümmern sie sich um die Mission der Führungseliten“. Gegen die offizielle römische Errichtung dieses Ordens 1948 in Cuernava, Mexiko, gab es massiven Widerstand z.B. vonseiten der  Jesuiten in Spanien. Sie setzten durch, dass die offizielle Approbationsurkunde vom Vatikan wieder zurückgezogen wurde. Aber dieses Verbot erreichte den zuständigen mexikanischen Bischof zwei Tage zu spät, er hatte den Orden längst „approbiert“.  Maciel war nun offiziell der erste Legionär. Erst 1983 approbierte Johannes Paul II. offiziell die Konstitutionen des Ordens, in denen die Mitglieder sich z.B. in einem Gelübde verpflichten, nichts Negatives nach außen dringen zu lassen. Das Geburtshaus des Gründers wurde schon zu seinen Lebzeiten als Gedenkstätte und prachtvolles Exerzitienhaus herausgeputzt. „Überhaupt war Maciel für uns ein außergewöhnliche Held, wie ein Mythos, den man auf ein Podest setzte“, berichtet der Ex- Legionär Steven Fichter.  Am 30. Januar 2008 ist Maciel in den USA verstorben. Bei seiner Bestattung in seinem Dorf Cotija sei kein Vertreter des Vatikans dabei gewesen, berichten die Zeitungen.

Die Legion in Deutschland
Von C.M.

Die Legionäe Christi haben ein Noviziat für Ordenskandidaten in Bad Münstereifel, dort befindet sich jetzt auch ein neu gegründetes Knabenseminar für 12 bis 13 Jährige Jungen, von Kardinal Meisner ausdrücklich unterstützt. Er hat auch das Legionärs – Zentrum in Düsseldorf, direkt am Flughafen, gefördert. Dort haben sie auch einen Kindergarten. Die Legionäre arbeiten von dort aus bundesweit. Sie leiten Exerzitien, in Kölner Gemeinden treten sie vermehrt auf. Sie sind Mitarbeiter bei dem konservativen Radio Horeb, Referenten bei der konservativen Konkurrenz zu den Katholikentagen, dem „Forum deutscher Katholiken“: „Fürst Löwenstein, der immer durch die Kongresse führt,  ist eng verbunden mit Regnum Christi. Und Christiana von Habsburg Löwenstein, die Schwester von Fürst Löwenstein, ist auch Mitglied in Regnum Christi“, betont Hubert Gindert, der Sprecher des Forums. Die Legionäre arbeiten manchmal mit dem „Bund katholischer Unternehmer“ zusammen. Ein Regnum Christi Mitglied arbeitet an führender Stelle beim Hilfswerk „Kirche in Not“.

Die Visitatoren:

Bischof Ricardo Watti von Urquidi,  Tepic, Mexico;  Erzbischof Charles Chaput, von Denver, Colorado, USA;  Erzbischof Ricardo Ezzati Andrellocon  von Concepcion, Chile;
Bischof  Giuseppe Versaldi von Alexandria, Italien. Und Bischof Ricardo Blazquez Perez von Bilbao, Spanien.