Religionen gegen Homo-Ehe

Im Kampf gegen die „Homo-Ehe“ bildet sich eine immer breitere Koalition „religiöser Menschen”

So viel Übereinstimmung ist selten: Da unterschreiben ein Kardinal, ein Ober – Rabbiner, ein Imam sowie führende Geistliche der griechisch-orthodoxen, der anglikanischen, der lutherischen, der methodistischen und der armenisch-apostolischen Kirche ein gemeinsames Dokument. Es soll „die“ Ehe schützen. Das Motto: „Die Ehe ist nur als  Verbindung von einem Mann und einer Frau möglich“.  Veröffentlicht wurde der Text im Februar 2007 in Lyon, Frankreich. Darin wenden sich die monotheistischen Religionen gegen einen gemeinsamen Feind: Die „Homo Ehe“, und schlimmer noch, die Adoption von Kindern durch „Homopaare“. “Verheerende Konsequenzen“ werden beschworen, „die Menschheit werde durcheinander geraten“, wenn „Homosexuelle Partnerschaften“ denen der heterosexuellen Mehrheit rechtlich gleichgestellt werden. Eigentlich müsste die Welt schon längst untergegangen sein, denn allein in Frankreich wachsen –laut zuverlässigen Schätzungen – bereits mindestens 50.000 Kindern in Familien auf, in denen es nur zweimal „Papi“ oder nur zweimal „Mami“ gibt. Die Ausbreitung solcher Zustände sollte der neue Staatspräsident (Wahl am 22. April) unbedingt verhindern, fordern die Führer der monotheistischen Religionen.
Siegreich ist die katholische Lobby-Arbeit in Italien: Dort hat die neue Mitte-Links-Regierung unter Romano Prodi Ende Februar 2007 beschlossen, das Projekt einer rechtlichen Anerkennung unverheiratet zusammenlebender Paare (also auch der Homo-Paare) nicht weiter zu bearbeiten. Der Vorsitzende der italienischen Bischofskonferenz Kardinal Ruini hatte die Regierung Mitte Februar gewarnt, „Homosexuellen einen Platz im öffentlichen Recht eben durch die rechtliche Anerkennung zu gewährleisten“. Politiker folgen wieder geistlichen Weisungen.
Weltweit machen die Kirchen in enger freundschaftlicher Zusammenarbeit mit Orthodoxen Juden und streng-gläubigen Muslimen gegen den angeblichen „moralischen Verfall“ mobil. Bezeichnend war das Verbot der Gay-Pride in Jerusalem im November 2007: „Schwule dürfen nicht in den Straßen der Jersusalemer Altstadt demonstrieren“: Darin waren sich in Israel ausnahmsweise alle drei monotheistischen Religionen einig. Sogar der Papst hatte sich gegen diese Beschmutzung heiliger Stätten durch Schwule ausgesprochen!
Manche Beobachter sprechen zurecht von einer neuen Homo-Hatz. Die religiösen Führer wollen nicht zur Kenntnis nehmen, dass die Epoche der „klassischen Ehe des 19. Jahrhunderts“ längst zu Ende gegangen ist. Nach diesem Idealbild kümmerte sich die Frau im Haus um Herd und Kinder, der Mann sorgte „draußen“  für den Lebensunterhalt. Dieses historisch gewachsene, insofern auch „relative“  Modell der Ehe gilt unter den Führern der meisten christlichen Kirchen als DIE Ehe schlechthin. Wer neue Formen verantwortlichen Miteinanders praktiziert und auch gesetzlich schützen will, wird von den Kirchenführern attackiert. Papst Benedikt XVI. geißelte erst kürzlich wieder Theorien, die neue Formen des Zusammenlebens reflektieren. Sie seien Versuche, die „die eigene Identität der Menschheit vernichtet“. Angesichts von Homo-Ehe und Adoption von Kindern durch Homo-Eheleute geht es also um Sein oder Nichtsein der Welt!
DIE Ehe und DIE Familie, so wird uns glauben gemacht, ist gleichsam von Adam und Eva vorgegeben. „Kein Gesetzgeber kann die Norm des Schöpfers antasten“, so der Papst. Und: „Homosexualität ist eine schlimme Abirrung, sie ist in sich nicht in Ordnung“, heißt es schon in dem von Joseph Ratzinger verfassten offiziellen Römischen Katechismus von 1993.  Auch aus Afrika kommen die Proteste katholischer Bischöfe gegen den angeblichen europäischen Relativismus in Sachen Homosexualität: etwa von Bischof Augustin Misogo aus Ruanda, er  nannte die Ehen von Homosexuellen „bizarr“.. Ähnliche Worte auch aus Kanada: Kardinal Marc Ouellet (Québec), ein Freund Benedik XVI., hat verboten, dass Kinder getauft werden, die in einer Homofamilie groß werden sollen.
¬Im weiten Feld des Protestantismus tobt ein neuer Haß auf Homosexuelle:
-Der weltweite Zusammenschluß Anglikanischer Kirchen hat im Februar 2007 die mit ihr verbundene us-amerikanische Episcopal-Church in den USA aufgefordert, keine homosexuellen Bischöfe mehr zu weihen. Bis Oktober muss das feierlich versprochen werden, sonst droht die Kirchenspaltung! Die Hardliner kommen vor allem aus Afrika. Der anglikanische Erzbischof von Lagos, Nigeria, Peter Akinola, hält den homosexuellen Bischof der Episcopal Church, Gene Robinso, für „eine satanische Attacke gegen das Haus Gottes“. Es darf davon ausgegangen werden, dass der nigerianische Bischof in seiner Heimat noch nie einem Schwulen begegnet ist: Homosexualität ist dort strengstens verboten. Afrikanische Kirchenführer sind sozusagen anti-schwul ohne sichtbare Schwule! Wortwörtliche Interpretationen  angeblich schwulenfeindlicher Bibelzitate sind für den nigerianischen Bischof und seine Freunde selbstverständlich. Die Europäischen und nordamerikanischen Anglikaner sind unter Druck, weil sie ihr eigenes Verständnis von Evangelium, von der Freiheit der Christen, nicht mehr so leben dürfen, wie sie es eigentlich wollen! Jetzt wird in England offen darüber diskutiert, was denn Kircheneinheit unter diesen Bedingungen bedeutet! Ist Einheit um jeden Preis und immer oberstes Gebot? Kann „Kircheneinheit“ nicht auch als Druckmittel missbraucht werden? Eröffnet eine Trennung von fundamentalistischen Mitchristen nicht neue Wege, seinerseits unbelastet und frei weiter als Christ zu leben?
-Auch im Lutherischen Weltbund gibt es viele Stimmen, die sich gegen Segnungen von Homosexuellen-Paaren wenden. Vor allem der lutherische Erzbischof von Lettland, Janis Vangas, lehnt Kirchengemeinschaft mit Pfarrern ab, die solche Segnungen unterstützen. Beim Treffen des Lutherischen Weltbundes in Lund, Mitte März dieses Jahres, wird sich zeigen, ob auch die Lutherische Weltgemeinschaft an der Homo-Frage zu zerbrechen droht. Denn für die gastgebende Schwedische Kirche sind Segnungen von Homosexuellen inzwischen selbstverständlich!
-In der Orthodoxie hat kein Kirchenführer auch nur das geringste Verständnis für die Belange Homosexueller: Der Moskauer Patriarch hatte nichts dagegen, dass bei einer „gay-Demo“ in Moskau kürzlich orthodoxe Schlägertruppen auf die Homosexuellen einprügelten. Auch Patriarch Christodoulos von Athen möchte Homosexuelle am liebsten ins Abseits drängen. Mit ihm versteht sich Benedikt XVI. glänzend.
Diese Kirchenführer wissen, die Zeit drängt: Denn in nahezu allen Ländern Europas und Amerikas ist es nur noch eine Frage der Zeit, dass die Ehen homosexueller Menschen gesetzlich erlaubt werden. In einigen Ländern sind sie längst Realität, mit Zustimmung der überwiegenden Kreise der Bevölkerung!
Kirchenführer erleben, wie ihre letzten Bastionen schwinden, und das ist die Deutungshoheit in moralischen Fragen. Wenn es nicht mehr DIE Natur DER Ehe und DER Familie gibt, sondern ein breites pluralistisches und deswegen auch historisch relatives Spektrum, dann haben die Chefinterpreten ewiger und unwandelbarer Wahrheiten nicht  mehr viel zu sagen. Wissenschaftler sind einmal mehr entsetzt , wie zahlreiche seriöse Studien zur Situation von Kindern in sogenannten „Homofamilien“ kirchlicherseits ignoriert werden: So hat der Psychologie-Professor Olivier Vecho, Paris 440 weltweite Studien zusammengetragen, er kommt zu dem Ergebnis: „Kinder aus sogenannten Homo-Familien sind nicht mehr belastet und stärker seelisch beschädigt sind als Kinder aus traditionellen (Hetero)-Familien“.
Worauf käme es also auch für religiöse Menschen an? Alle Energien darauf verwenden, dass Familien unterschiedlicher Art in wechselseitiger Verantwortung und Verlässlichkeit miteinander leben. Getragen von Liebe und Treue und von der Freude, Kinder aufwachsen zu sehen – hin zu eigener Mündigkeit.

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