HAITI als Katastrophe. Warum die Philosophie manchmal schreit.

Haiti als Katastrophe

Philosophie muss manchmal schreien

Was kann Philosophie zur Erdbebenkatastrophe in Haiti sagen? Soll man wiederum räsonieren, wie einst nach dem Erdbeben in Lissabon ( am 1. 11.1755) über die Frage: „Wie kann Gott das zulassen“?

Mitglieder unseres „Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salons“ meinen: Jetzt keine Metaphysik, kein Aufrollen der Gottesfrage, zu betreiben;  so sehr vielleicht auch viele Verzweifelte in Haiti in ihrem religiösen Glauben fragen: „Warum hat Gott, haben die Voudou Götter, unser erbärmliches Land verlassen?“.

Wichtiger ist jetzt eine politische Philosophie zur Katastrophe in Haiti. Und diese politische Philosophie muss zu denken geben, muss fragen:

Ist das Ausmaß der jetzigen Katastrophe nicht deswegen so ungeheuerlich, weil vorher schon, unter den „normalen“ Bedingungen, katastrophale Zustände herrschten? Die Liste des Elends in Haiti ist lang: Fehlen jeder Infrastruktur; Fehlen von Bildung weitester Kreise, 80 Prozent Analphabeten; Fehlen jeglicher medizinischer Versorgung. Zu den wenigen Ärzten,  so wird berichtet, die dort ihren Dienst versehen, gehören Kubaner, gesandt vom „Sozialistischen Staat Castros“. Warum wird dies übrigens so selten in den Medien der „freien Welt“ erwähnt?  Gäbe es wenigstens eine einfache Infrastruktur, könnte wenigstens erfolgreich geholfen werden. Wer ist für diese Versäumnisse verantwortlich?

In jedem Fall:  Haiti war schon vor dem Beben eine Katastrophe. Alle Welt wusste davon. Diese permanente Katastrophe VOR der jetzigen wurde von der ganzen Welt hingenommen.

Haiti als Katastrophe ist ein Beispiel für die Ignoranz der westlichen Welt, für die Unmenschlichkeit, die krepierenden “fernen Nächsten” zu vergessen. Wer hat sich aufgeregt, dass viele tausend Haitianer Brot aus Lehm essen mussten? Dass Kinder dort wie Sklaven gehalten wurden?

Warum gab es keine strukturelle Hilfe, sondern nur Einzelspenden?  Weil Haiti nichts zu bieten hat, ökonomisch nichts zu bieten hat. Darum glaubte man, mit ein paar „Blauhelmen“ das Allerschlimmste dort zu verhindern.

Haiti ALS Katastrophe: Wir können gespannt sein, wie viele Hilfsgelder und wie viel Hilfspersonal tatsächlich für die Menschen im absoluten Elend bereit gestellt werden.

Wir empfehlen allen politisch – philosophisch Interessierten dringend, diese Hilfe nach einer Woche und später mit der Hilfe für die Tsunami Opfer in Thailand zu vergleichen!

Dort wurde aller schnellstens millionenfach geholfen. Lange Lifesendungen im Fernsehen waren selbstverständlich. In Haiti gab es noch nicht einmal Korrespondenten. Beim Tsunami waren ja „wertvolle Menschen“, dort waren Europäer umgekommen. Darf man solches sagen? Rührt da die politische Philosophie an einen geheimen Rassismus im reichen Teil der Welt?

Ermutigend ist, dass  die benachbarte Dominikanische Republik zur Hilfe bereit ist, es ist ja bekannt, dass die Haitianer in der Dominikanischen Republik nicht gerade beliebt sind, da gibt es uralte Vorurteile. Wenn jetzt Hilfe möglich ist, wäre dies ein Ende der uralten Feindseligkeiten?

Einige Mitglieder unseres Salons äußern die Befürchtung: Wird es auch nach der Katastrophe in Haiti katastrophal bleiben?  Die Menschheit, d.h. werden die Tonangebenden, die Kriege Führenden, die Manager und Spekulanten, die Banken – Sanierer mit ihren Milliarden,  sie alle., werden sie  nach den letzten Zuckungen der Nachbeben wieder bekanntermaßen andere Interessen haben?  Sie werden wohl Ihre Aufmerksamkeit darauf richten, wo „für uns“ was zu holen ist.

„Die Philosophie muss manchmal schreien“, soll Sartre einmal gesagt haben. Ob Schreien, als Argument, etwas nützt, wagen Philosophen zu bezweifeln. Sie sind Skeptiker. Sie stellen eher die Frage: Unter welchen Bedingungen kann ein Neuaufbau Haitis, kann ein Neuaufbau von Port au Prince gelingen?   Lissabon wurde ja damals recht hübsch neu errichtet, aber es gehörte eben zu Europa. Braucht Haiti vielleicht eine befristete und kontrollierte internationale Regierung, die den Neuaufbau des Landes koordiniert und überwacht?  Braucht Haiti eine Geburtenkontrolle, damit auf diesem winzigen Flecken nicht bald 12 Millionen im Elend leben?

Die religiös Begabten  und die Bibelfesten geben noch zu bedenken: „99 Prozent der Haitianer lebten vor dem Beben bereits sozial und menschlich in der Vorhölle. Jetzt haben sie die Hölle auf Erden erreicht”. Bloß: Wofür werden sie dann eigentlich bestraft, diese armen Geschöpfe Gottes? Ist es zynisch, diesen Menschen wenigstens noch einen schönen Himmel zu wünschen?