Existieren heißt einfach Dasein. Zu Sartres 30. Todestag

„Existieren heißt einfach DAsein“
Zu Jean Paul Sartres 30. Todestag (am 15. 4. 2010)

Gedenktage sind Tage zum Denken. Auch Todestage sind Denktage. Am 15. April 1980 ist Jean – Paul Sartre in Paris gestorben. Welche Fragen, welche Anregungen seines Denkens bleiben, sollten unter den neuen Bedingungen einer „Post – Postmoderne“ und eines „Postsäkularismus“ diskutiert werden? Im Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon wurden einige Fragen besprochen.

Ist Jean Paul Sartre ein „Philosoph neuen Stils“, insofern er die meisten Zeit seines Lebens als freier Schriftsteller und freier Philosoph arbeitete, d. h. ohne direkte Verpflichtungen an einer Universität als „verbeamteter Professor“? Hat diese Stellung ihm die nötige Freiheit gegeben, auf seine subjektive Art auch politisch einzugreifen, Stellung zu beziehen auf eigenes Risiko hin, kreativ zu sein in der Publizistik, etwa in der Idee für eine unabhängige Tageszeitung neuen Stils, die „Libération“, die er 1973 gründete und ein Jahr als Direktor leitete. Hat Jean – Paul Sartre Philosophen inspiriert, in dieser Freiheit zu leben? Gäbe es heute noch gesellschaftlich einen Platz für solche Philosophen, die als „Querköpfe“ und „Störenfriede“ auftreten müssten – im Sinne Sartres. Oder ist die Wirklichkeit z.B. in Deutschland und Frankreich so monoton, so „eindimensional“ geworden, dass für solche Philosophen kein Platz mehr ist?

Wichtig scheint uns ein Eindruck Peter Sloterdijks zu sein: „Sartre Philosophie ist ein Kampf gegen die Obszönität, die bürgerlich bequeme Entfremdung; er zieht ins Feld gegen den in die Wirklichkeit eingeklebten, den fertigen Menschen. Es geht darum, kein Ding zu sein: On a raison de se révolter: Wer sich auflehnt hat recht“. (in „Philosophische Temperamente, S. 131).

Ist der Atheismus Sartres aus diesem Grundmotiv der Auflehnung gegen das Fertige und Abgeschlossene und deswegen Unfreie zu verstehen? In „Die Wörter“ schreibt Sartre: „Ich brauchte (als junger Mensch) einen Weltschöpfer, man gab mir einen obersten Chef“…“Ich litt unter der Vorstellung, das Gott mich ansah“. In seinem späteren Werk wird weiter ausgeführt: Menschliche Freiheit und die Vorstellung von Gott passen nicht zusammen. Wer die Freiheit ernst nimmt, entdeckt die ganze Bodenlosigkeit des Daseins. Aber Sartre lehnt es ab, Zuflucht und Trost in einer Gottesvorstellung zu suchen. Er zog es vor, ein „endlicher Mensch“ zu bleiben und nicht der (von Sartre pathologisch gedeuteten) „Begierde“ anheim zu fallen, Gott zu sein. Der Mensch ist für Sartre wesentlich eine „nutzlose Passion“. Aber die Aufgabe bleibt, angesichts dieser Sinnlosigkeit doch etwas aus der eigenen Existenz zu machen. “Der Mensch muss sich selber immer erfinden…“ (Sartre, „Der Existentialismus ist ein Humanismus“).
Uns scheint, dass die Wirkungen der atheistischen Philosophie Sartres, auch wenn sie ihre „Quelle“ nicht bewusst kennen, sehr groß sind. Viele teilen seine Meinung: „Der Begriff Gott ist etwas Überholtes“. Und: „Ich brauchte Gott nicht, um mich selbst zu erfinden, und ich brauchte auch Gott nicht, um meinen Nächsten zu lieben“, so in Simone de Beauvoir „Die Zeremonie des Abschieds“). Die Frage bleibt: Haben sich Religionsphilosophen mit dem radikalen Atheismus Sartres so auseinandergesetzt, dass seine Fragen bleiben, aber doch deutlich wird: Der Gottesbegriff Sartres ist an eine bestimmte historische Phase der gedanklichen Entwicklung des Gottesbegriffes gebunden. Ist eine transzendente Wirklichkeit erfahrbar und denkbar, die gerade nicht, wie Sartre behauptet, autoritär und Freiheit vernichtend ist, sondern als eine freilassende und befreiende „absolute Grundlosigkeit“ gedacht wird? Der Humanismus muss keineswegs mit einem Atheismus identisch sein. Es ist nur schwer, diesen Gottesbegriff auszuarbeiten und zu vertreten angesichts kirchlicher Organisationen, die von diesem „freilassenden“ und „befreienden“ Gottesbild nicht wissen wollen.