“Wir sollen gut und gern in Deutschland leben”. CDU – Sprüche zur Wahl 2017

Deutsche sollen gut und gerne leben: Philosophische Notizen zum CDU Wahl – Programm 2017. Philosophie ist nicht nur Reflexion des Allgemeinen, der allgemeinen Vernunft, sondern gelegentlich auch konkret entschieden…

Damit eines klar ist: Wenn hier populistische Sprüche der CDU aus philosophischer Sicht kritisiert werden, dann ist die gr0ße Gefahr für die Demokratie nicht die CDU, sondern die rechtsextreme AFD. Zur AFD und dem reaktionären Christentum etwa von Frau von Storch, habe ich früher schon, am 28.4.2016, Stellung genommen. Trotzdem muss das schlichte, auf die Lage der Welt bezogene provinzielle Denken der CDU, das sich in den Sprüchen offenbart, kritisiert werden! Und sollte bei der Wahl bedacht werden…

Von Christian Modehn (Religionsphilosophischer Salon Berlin), publiziert am 14.8.2017.

Schlichter geht’s nimmer: „Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben“. Mit diesem Versprechen wagt es die Kanzlerin Angela Merkel vor der Bundestagswahl, für die CDU in der Öffentlichkeit zu werben. Dass die meisten Wahlslogans der anderen Parteien genauso oberflächlich, wenn nicht dumm sind, muss nicht eigens betont werden. Hier geht es um die CDU, die mit dem Spruch ein biederes und selbstzufriedenes Milieu bedienen will. Dass das C im Titel dieser Partei (auch der CSU) grundsätzlich nichts mit biederem Sinn und Selbstzufriedenheit zu tun haben sollte, weiß jeder, der nur etwas Ahnung hat von dem Initiator dieses universalen „C“, Jesus von Nazareth. Aber daran denkt wohl kaum noch ein CDU/CSU Politiker, dass er an die ethischen und vernünftigen Impulse dieses Jesus von Nazareth doch ein bisschen gebunden ist.

Aber das ist ein anderes Thema.

Philosophie kann, weil sie mit dem (politischen) Alltag zu tun hat, solche Sprüche wie die jetzigen der CDU im Wahl“kampf“ nicht übersehen und so einfach erdulden. Denn das “gut” in dem Slogan weist auf das zentrale philosophische Thema des guten Lebens hin, immer verstanden im Sinne eines ethisch guten Lebens. Und das “gern” auf das zentrale Thema des Lebenssinn, also des umfassend sinnvollen Lebens. Meint solches das Wahlmotto?

Philosophie muss also die einzelnen Elemente dieses Slogans, der uns überall auf den Straßen belästigt, auseinander nehmen und die Menschen ermuntern, solche kritischen Sprachanalysen selbst weiterzuführen. Dabei frage ich mich nebenbei, wo ist die große Analyse der akademischen Philosophen zum Thema? Sehr viel ist da nicht zu hören.

Die Kanzlerin will also darauf hin wirken: dass WIR in Deutschland gut und gerne leben können.

Zunächst: Wer ist das WIR?

Sind das die Hartz IV Empfänger, die allein erziehenden Mütter, die Obdachlosen? Die aus ihren vertrauten Wohnungen von Spekulanten Vertriebenen? Sind das WIR die Flüchtlinge, die in ihren Unterkünften, etwa in Sachsen, um ihr Leben bangen müssen angesichts der Brutalität der Rechtsradikalen, gegen die gerade CDU Politiker so furchtbar wenig unternehmen? Sind es die Schüler, die in maroden staatlichen Schulen unterrichtet werden, weil sich die Eltern den Besuch der teueren und in jeder Hinsicht “sauberen” evangelischen und katholischen Privatschulen nicht leisten können? Sind es die vielen, immer zahlreicher werdenden “atypischen Beschäftigungsverhältnisse”, also Menschen, die in der Leiharbeit stehen oder der Teilzeit-Arbeit oder in den Minijobs und von diesen Jobs nicht leben können? Arbeit wird so für sie zur Farce, diese Menschen sind ständigem “Rausschmiss” bedroht. Dieser zunehmende  2. Arbeitsmarkt ist bester Ausdruck des Neoliberalismus, er ist Teil der neoliberalen CDU – Politik von Angela Merkel. Dieses vollmundige WIR von Merkel bezieht sich auch in dieser Hinsicht auf ein gespaltenes WIR. Dieses gespaltene Wir wird hingenommen und es vertieft sich weiter.

Alle diese prekären und arm gemachten WIR in der nun zweifelsfrei vorhandenen Klassengesellschaft sind doch wohl allen Ernstes von der Kanzlerin nicht gemeint, dass sie gut in Deutschland leben können. Denn sonst würde sie gleich weiter sagen: Um mit euch gerecht zu leben: Wir schaffen Erbschaftssteuern und Reichensteuern, die den Namen verdienen und helfen mit dem gewonnenen Geld den oben genannten, den auch von uns, der Regierung, arm gemachten Mitbürgern. Daran ist aber nicht zu denken. Es geht ja der CDU um das gute Leben der Etablierten…

„Uns“ soll es gut gehen, weiterhin gut gehen: „Wir“, das sind also nur die Etablierten, sicher auch die Banker, die seit 2008 wieder staatlich bestens versorgt werden nach der von ihnen bewirkten katastrophalen Bankenkrise. An diese Politik zugunsten der Banken und Banker, von Angela Merkel betrieben, sollte man bei der Wahl im September 2017 denken und nicht wieder diese Person wählen, die den Namen Bankenretterin und Bankiersretterin verdient.

Wir: Das sind auch die Kreise, die immer schon zur Union hielten. Das sind auch die kleinen Leute, die auch für ihr eigenes Leben die Werte der Lebendigkeit, des Wandels, der Kritik aus Angst vor Verlusten ausgeschlossen haben. Weiter so, heißt deren Lebensphilosophie. Wohin bloß weiter in diesem ewigen Weiter so? Diese grundsätzliche Frage wird nicht gestellt.

Wer sich auf der website der CDU Zentrale zu diesem Wahlkampf Motto informiert, findet genau die Bestätigung für meine Hinweise: Es geht beim guten Leben darum, so wörtlich, „unseren Wohlstand zu sichern und auszubauen“. Es geht um also, etwas zynisch gesagt, um den guten und gesunden deutschen Bauch.

Philosophen haben unter „gutes Leben“ immer schon etwas viel Umfassenderes, Humanes, verstanden: Etwa: „Ich kann nicht frei und glücklich sein, wenn nicht dafür sorge, dass die anderen frei und glücklich sind“. Treffend sagt der Philosoph Philipp Blom in seinem neuen Buch „Was auf dem Spiel steht“ (München 2017): „Das gute Leben liegt (für diese Herrschaften des Neoliberalismus) im Wirtschaftswachstum“. Das Wirtschaftswachstum ist der oberste Gott der CDU! Aber, und das sagt auch Philipp Blom, das Wirtschaftswachstum ist de facto schon längst am Ende, weil die Ressourcen verbraucht sind. Wer sich als CDU nichts anderes einfallen lässt, ist auch ideologisch bald am Ende und dürfte verschwinden angesichts solcher Borniertheit .

Sollen wir also in diesem CDU Staat auch noch gern leben?, wie der Slogan verspricht? Warum sollen wir in diesem Deutschland der sozialen Ausgrenzung und sozialen Ungerechtigkeit (vom deutschen Waffenhandel wollen wir schweigen, ebenso von der bewusst eingesetzten Verelendung der Armen in Afrika ebenso, von der Zurückweisung von Flüchtlingen im Mittelmeer usw. usw.) gern leben? Warum also wir in diesem ethisch betrachtet eher unerfreulichen Deutschland gern leben? Die CDU Zentrale gibt uns die Antwort: Es geht darum, so wörtlich, „die innere Sicherheit zu gewährleisten. Wir als CDU setzen auf einen starken Staat… An öffentlichen Gefahrenorten werden wir den Einsatz intelligenter Videotechnik auch zu Fahndungszwecken verstärken. Wir werden dafür sorgen, dass es einheitlich hohe Sicherheitsstandards in ganz Deutschland gibt“.

Das ist die Wahrheit dieser Wahlpropaganda: Wir sollen gern in einem zunehmend deutlichen Überwachungsstaat leben wollen. Gern den starken CDU Staat lieben. So wird die Bedrohung durch fundamentalistische Islamisten instrumentalisiert für eine Beschneidung bürgerlicher Freiheiten. Philipp Blom schreibt: „Das Sammeln und die Aufbereitung persönlicher Daten (durch die staatliche und nichtstaatliche Überwachung) sind selbst ein Wirtschaftsgut und ein Milliardenmarkt, dessen Umfang nur schwer zu erfassen ist… Zahlreiche Aktivisten weisen darauf hin, dass die kommerzielle Auswertung von persönlichen Daten die individuelle Freiheit radikal einschränkt und nicht als ein Simulacrum (also ein Traumbild, Trugbild) von Freiheit übrig lässt, in dem Konsumenten sich bewegen können….“ (“Was auf dem Spiel steht, Hanser verlag, 2017, S. 136, 137). Mit anderen Worten, wir sollen der CDU zufolge gern in einem Deutschland leben, das uns Menschen auf die Rolle des Konsumenten fixiert und das unsere Freiheit begrenzt.

Die Hinweise zu Europa in dem CDU Wahlprogramm sind erschreckend von der Ökonomie dominiert, also vom Geldgewinn. Es geht nur um ein starkes wirtschaftliches Europa. Dieses starke Europa soll dann auch das ohnehin im gesamteuropäischen Zusammenhang schon ultra starke Deutschland weiter stärken. Deutschland als CDU Kraftprotz – Land, das ist diese, philosophisch, ethisch, human gesehen, blamable Perspektive der CDU.

Die Konsequenz ist klar für alle nachdenklichen Menschen, denen noch geistige Inhalte, Ideen, Philosophien, ja auch das „C“ in einem weiten und ökumenischen Sinne verstanden, wichtig für Deutschland sind: Dieses Land dieses Slogans wollen wir nicht! Der Spruch ist, philosophisch betrachtet, unsinnig und wohl auch gefährlich für eine friedliche Entwicklung dieser bedrohten Welt.

Eine treffende CDU Werbung könnte heißen: Für ein Deutschland, in dem die Armut besiegt wird. Die Reichen endlich gerecht besteuert werden. Und ein bescheidener Lebensstil aller wird im Sinne der Ökologie und der weltweiten Armutsbekämpfung gefördert.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin