Der Übermensch ist wieder da. Ein Hinweis zum Mentalitätswandel in Deutschland

Der Übermensch ist wieder da.

Ein Hinweis zum Mentalitätswandel in Deutschland, anlässlich einer Schrott-Mail zum Thema Feindesliebe.

Von Christian Modehn

„Der Übermensch“ ist wieder da und wird (wie in der Nazi-Zeit) als Vorbild und Ideal beschworen. Jene höchst umstrittene Symbol-Gestalt der Philosophie Nietzsches, die so selten im Sinne Nietzsches verstanden wird, aber so oft “populistisch“ mit Herrschaft des Stärkeren, mit Rücksichtslosigkeit „der weißen Rasse“, identifiziert wurde und wird. Weil bestimmte Leute hierzulande meinen, diesen Übermenschen als Alternative zum liebenden, toleranten, friedfertigen Menschen (im Sinne der authentischen Lehren Jesu oder Buddhas und vor allem im Sinne der Erklärung der Menschenrechte) durchsetzen zu müssen.

Dieser hässliche, absolut egoistische Herren- und Übermensch ist also wieder da! Explizit, sichtbar. Und er taucht plötzlich zwischen den Zeilen auf, in Hass und- Schrott-emails, die z.B. geschrieben werden auf einen Beitrag in unserer website zum Thema Feindesliebe im Sinne Jesu. Da schreibt ein offenbar hoch nervöser, das sieht man an der Orthografie, aber offenbar nicht verwirrter älterer Mann dem Redakteur dieser website zum genannten Beitrags zur Feindesliebe: Ich zitiere jetzt wörtlich, und diese Worte sollte man trotz ihrer hässlichen und beleidigenden Polemik einmal wahrnehmen als einen Ausdruck für heutiges Denken in Deutschland im Jahr 2016: „Ich bin nur noch enttäuscht von so einer Antwort. Feinedsliebe, das ich nicht lache. Diese widerwärtigen Asylanten, die unsere Freiheit, Gewalt ausüben, Frauen verachten,  bedrohen auch noch lieben ?!. Das ist schizophren. Da liebe ich eher Zarathustra“. Soweit also die Auslassung eines Herrn, der mit Vornamen HJ. unterzeichnet, der vollständige Name ist der Redaktion bekannt.

Zarathustra ist im Sinne Nietzsches, wie jeder weiß, der Lehrer des Übermenschen. Wir wollen hier die manchmal widersprüchlichen Hinweise zum Übermenschen in der philosophischen Poesie Nietzsches nicht weiter ausführen, es ist bekannt, dass Nietzsche schon in „Jenseits von Gut und Böse“ vom Übermenschen spricht. Nur ein Hinweis des Nietzsche Spezialisten Giorgio Penzo in „Nietzsche Handbuch“, Metzler Verlag, 2000, Seite 342: „Der Übermensch kann als die Chiffre für die authentische Dimension des Menschen angesehen werden“. Also: „Der“ Übermensch ist keineswegs im Sinne Nietzsches das absolute Herrscherwesen eines europäischen Egoismus. Als ein solcher geistert er in den Köpfen und Seelen jener herum, die damit ihre Vorurteile gegen Toleranz und universale Menschlichkeit kaschieren und ideologisch ausschmücken.

Aber um die Nietzsche-Interpretation geht es hier nicht: Es geht um den Wechsel der Werte: Nicht mehr der tolerante, friedfertige selbstkritische, Notleidenden (Flüchtlingen) helfende Mensch steht als Ideal vor Augen, sondern eben der Übermensch, die Herrschergestalt, die ein Oben und ein Unten kennt. Und wertvolle von nicht-so-wertvollen Menschen unterscheidet. Und wer für biblische Werte, wie Feindesliebe, eintritt, wird von diesen Leuten diskriminiert…

copyright: Religionsphilosophischer Salon Berlin

Feindesliebe heute. Drei Fragen an Prof. Wilhelm Gräb

WEITERDENKEN:  „Liebet eure Feinde“

3 Fragen an Prof. Wilhelm Gräb, Theologe an der Humboldt-Universität Berlin

Die Fragen stellte Christian Modehn

Frankreichs Präsident Hollande hat dem IS den Krieg erklärt. Viele andere europäische Politiker sprechen heute mit einer gewissen Selbstverständlichkeit von Krieg. Der aber bedeutet bekanntlich nichts anderes als Auslöschung des Feindes. Dabei rechnen die Europäer als die „Guten“ durchaus auch mit Toten in den eigenen Reihen. Viele Europäer, manche nennen sich Christen, schließen aus, den mörderischen IS auf andere Weise als durch Krieg auszuschalten. Lassen wir die Erkenntnis beiseite, dass international agierende Terroristen nicht durch Kriege zur Vernunft gebracht werden können.

Viele hier bewegt die Frage: Was hat angesichts dieser verworrenen Kriegs-Geschehens noch das Wort Jesu Christi aus dem Matthäus Evangelium zu bedeuten: „Ich aber sage euch: Liebet eure Feinde, segnet, die euch verfluchen, tut Gutes denen, die euch hassen, bittet für die, die euch beleidigen und verfolgen“ (Mt 5, 44). Werden da nicht Utopien verbreitet? Wird Unmögliches von den Menschen verlangt und das Gesetz einer neuen Welt beschworen, die es (noch) gar nicht gibt?

Als ich vor einigen Wochen in einem der vielen Kommentare zur „Flüchtlingskrise“ las, dass nichts die gegen den „Westen“ kämpfenden Islamisten so sehr verunsichert habe wie die „Willkommenskultur“, die die deutsche Bundeskanzlerin im August vergangenen Jahres auszulösen verstanden habe, da dachte ich, ja, das ist wahr. Dem IS und der Al Qaida und all den anderen islamistischen Gewalttätern drohte das Feindbild abhanden zu kommen. Das hätte den Durchbruch zu einer Siegeschance gegenüber den Islamisten bedeuten können.

Dass man den IS und Al Qaida militärisch nicht besiegen kann, ist klar. Diese neuen, asymmetrischen Kriege lassen sich weder mit nationalen noch internationalen Streitkräften „erfolgreich“ führen. Gegen Selbstmordattentäter gibt es zudem keine Möglichkeit einer kalkulierten Verteidigung. Eine Chance, diesen Krieg, den die Islamisten in der Form eines global vernetzten Systems von Terrorakten führen, zu gewinnen oder zumindest nicht immer weiter eskalieren zu lassen, wird sich niemals durch Anwendung von Gewalt ergeben. Eine Chance auf Frieden könnte sich allenfalls dadurch eröffnen, dass der verhasste „Westen“ endlich anders reagiert als er es bislang immer getan und damit selbst an dem Feindbild gebaut hat, durch das die Islamisten sich zu ihren grausamen Terrorakten berechtigt glauben – eben in Orientierung am Ideal der Feindesliebe.

Utopisch ist es überhaupt nicht, auf einen politischen Erfolg eines Verhaltens zu setzten, wie es der Bergprediger empfohlen hat. Vielleicht ist es, wenn wir an den IS und Al Qaida denken, etwas viel verlangt, gleich von „Liebe“ zu reden. Wie sollte das auch gehen, wir kennen sie ja gar nicht persönlich, wissen überhaupt nicht, mit wem wir es da eigentlich zu tun haben. Aber dass uns aus der „islamischen Welt“ eine aus langen Erfahrungen der Erniedrigung resultierende Welle des Hasses und eine ungeahnte Aggressivität entgegenschlagen, und der Einsatz militärischer Gewalt diese immer weiter steigern werden, ist auch unbestreitbar.

Was hilft da? Eben garantiert nicht der „Krieg gegen den Terror“, sondern einzig und allein dies, was die Bundeskanzlerin zu tun unternommen hat: „Ein freundliches Gesicht zeigen“, denen Gutes zu tun, die uns hassen, für die zu bitten, die uns beleidigen und verfolgen.

Die Ethik der „Feindesliebe“ ist ganz rational, auch wenn mehr als rationale Beweggründe dazu gehören, sie auch zu befolgen, nämlich ein Herz, das zur Liebe fähig ist, ein Tun, das Böses nicht mit Bösem vergilt und Gewalt nicht mit Gegengewalt beantwortet.

Noch mal zugespitzt nachgefragt: Was wäre denn, wenn die Menschheit das Ideal der Feindesliebe völlig aufgeben und vergessen würde: Dann würde das bestialische Recht des Stärkeren schrankenlos gelten? Wie kann man als Theologe dafür sorgen, dass das jesuanische Ideal der Feindesliebe aus dem inneren religiösen Kontext befreit wird und als vernünftige, also allgemein zugängliche Maxime (der Gewaltlosigkeit) verbreitet wird?

Es ist meine tiefste Überzeugung, dass das Ideal der Feindesliebe gerade kein weltfremdes religiöses Hirngespinst darstellt, sondern aus der völlig rationalen Überlegung geboren ist, dass anders die Gewaltspiralen in der Welt nicht zu durchbrechen sind. Wo Gewalt nur mit neuer Gewalt beantwortet wird, ist kein Ende der Gewalt absehbar. Dort nur, wo das völlig Unerwartete geschickt, wie es mit der Ausrufung der „Willkommenskultur“ im letzten Sommer der Fall war, kann die Gewaltbereitschaft zumindest verunsichert und in der Folge möglicherweise sogar überwunden werden.

Gewiss kommt sie nicht sofort zum Erliegen. Im Gegenteil, sie wird sich jetzt erst recht noch einmal aufbäumen. Aber wer der – nur zu verständlichen – Versuchung widersteht, mit Gegengewalt zu antworten, sondern stattdessen die fortgesetzte Bereitschaft zur Aufnahme der Flüchtlinge erkennen lässt, hält die Option auf friedliche Konfliktlösungen offen. Statt sich von Frankreich in den Krieg gegen den IS hineinziehen zu lassen, hätte für die Kanzlerin z.B. auch die Möglichkeit bestanden, zu sagen, dass dies Deutschland finanziell überfordere, angesichts der Milliarden, die es jetzt für die Unterbringung der Flüchtlinge braucht – und außerdem, hätte sie hinzufügen können, sei dies im Kampf gegen den Terror ohnehin die wirksamere Maßnahme.

Es zeigte sich auch in der Vergangenheit (denken wir nur an Mahatma Gandhi und Nelson Mandela), dass die Feindesliebe, die Fähigkeit Böses mit Gutem zu vergelten, im Grunde der einzige Weg ist, die Todesspirale von Gewalt und Gegenwalt zum Stoppen zu bringen.

Ist das Jesus-Wort von der Feindesliebe auch eine Aufforderung, die eigene, immer schon von eigenen Feindbildern geprägte Seele zu reinigen? Also in sich selbst zu schauen, die eigene Feindseligkeit zu erkennen und zu bearbeiten: Etwa anzuerkennen: Auch „wir“, die angeblich „Guten“ (gegenüber dem bösen IS) handeln feindselig, attackieren Flüchtlingsheime, misshandeln Frauen und Minderheiten usw.? Wie dringend nötig haben wir Europäer eigentlich eine Analyse unserer eigenen Psyche, unseres eigenen „wilden“ Denkens?

Das Ideal der Feindesliebe ist überhaupt nicht irrational oder utopisch. Im Gegenteil, es ist von geradezu überwältigender, uns im Grunde überfordernder Rationalität. Es geht über unsere Kräfte. Denn niemand ist von Feindseligkeiten gegen andere frei. Feinbilder sitzen tief. Sie entstehen aus unseren Ängsten, vor allem aus der Angst zu kurz zu kommen, sich nicht durchsetzen zu können, um das eigene Lebensglück betrogen zu werden. Vielleicht ist es gar nicht nur der IS, dem gegenüber wir uns als die Guten fühlen. Vielleicht sind es auch die Leute von Pegida, die, die Flüchtlingsheime attackieren, die, die man mit geschwellter Brust auch schon einmal als „Pack“ bezeichnen darf, die, denen wir uns nicht nur moralisch überlegen meinen, sondern von denen wir glauben, dass es ganz falsch wäre, sie auch noch zu lieben.

Ist das Gebot der Feindesliebe gar so gemeint, dass wir das Böse nicht mehr Böse nennen dürfen. Nein, das gewiss nicht. Aber es warnt uns vor der Schwarz-Weiß-Malerei, hält uns dazu an, den blinden Fleck auch im eigenen Herzen bzw. den Balken auch vor den eigenen Augen zu sehen.

Es ist ja so, dass „Achsen des Bösen“ ganz schnell gezogen werden, sei es dass der IS und Al Qaida dann dort aufgereiht werden oder eben in den erbitterten Meinungskämpfen, wie sie zur Zeit bei uns im Lande toben, jeweils die anderen. Das sind für die einen die Flüchtlinge und für die anderen die, die die Flüchtlinge hier nicht haben wollen. Es ist zurzeit doch erschreckend, wie unsere Gesellschaft auseinanderdriftet und nach allen Seiten hasserfüllte Feindbilder aufgebaut werden. (Spiegel-Online lässt zum Thema „Flüchtlinge“ keine Block-Einträge mehr zu, weil sie derart unverschämt geworden sind und eine unerträgliche Polarisierung befördern.)

Ich weiß nicht, ob es etwas hilft. Aber hier kommt für mich die Religion bzw. ein Grundgedanke der christlichen Theologie ins Spiel, der von der Schuldverstrickung und Sündhaftigkeit des Menschen. Die Feindesliebe ist die Pointe christlicher Ethik und wie wir gesehen haben, kann diese Ethik zugleich als durch und durch vernünftig gelten. Es ist gut und rational nach dem Gebot der Feindesliebe zu handeln. Und das gilt es auch zu sagen, also ein Verhalten, das ihm nicht folgt, anzuklagen. Es ist in dieser „Flüchtlingskrise“ vollkommen klar, was gut und richtig (und christlich) ist. Aber wir sind das alles (gut, richtig, christlich) nicht so ohne weiteres. Wir brauchen vor allem immer Feindbilder, und seien es die Leute von Pegida, die dazu herhalten müssen, oder, von der anderen Seite, die „Gutmenschen“. Wir brauchen andere, auf die wir mit dem Finger zeigen können, damit wir selbst als die Gerechtfertigten dastehen – gerechtfertigt insbesondere vor uns selbst.

Könnte es nicht sein, dass sich an unserer Unfähigkeit zur Feindes- und Nächstenliebe zeigt, wie sehr uns der Gott fehlt, der, der den Sündern gnädig ist, der der uns in unserem Lebensrecht anerkennt, unabhängig von unseren guten Taten, der, der uns vergibt, wenn wir wieder ganz unvernünftig gehandelt und das Übel in dieser Welt nur noch schlimmer gemacht haben, der der uns vorbehaltlos liebt?

Eine Analyse unserer Psyche würde uns also bestimmt nicht schaden. Denn wir erliegen nicht nur immer wieder der Versuchung, Böses mit Bösem zu vergelten, sondern sind auch ständig darauf aus, uns selbst als die Guten hinzustellen. Und dies beides hängt eng miteinander zusammen. Denn, gerade wenn wir Böses mit Bösem vergelten, meinen wir doch in der Regel vollkommen im Recht zu sein.

Wenn wir vom Selbstrechtfertigungsdruck loskämen, dann würden wir vielleicht fähig, den blinden Fleck auch bei uns selbst zu sehen, die Feindseligkeiten, in die wir uns immer wieder hineinsteigern. Zu merken und einzugestehen, dass ein solcher Gott fehlt, einer, der die, die auf ihn ihr Sinnvertrauen setzen, zur wechselseitigen Anerkennung ihres Lebensrechtes führen könnte, damit wäre zumindest ein Anfang gemacht, dahin gehend, dass das Ideal der Feindesliebe kein frommer Wunsch bleiben muss.

 

copyright: Prof. Wilhelm Gräb und Religionsphilosophischer Salon Berlin

Zur Aktualität von Friedrich Wilhelm Joseph Schelling. Ein Beitrag von Wolfram Chemnitz

Zur Aktualität des Philosophen Friedrich Wilhelm Joseph Schelling (1775-1854):

“Schelling: Die menschliche Freiheit in der Entstehungsgeschichte der Zeiten”.

Ein Beitrag von Wolfram Chemnitz

Schelling unterscheidet zwischen einer negativen und einer positiven Philosophie, somit zwischen einer bloß betrachtenden und einer den Menschen existentiell erfassenden Philosophie.
Vor Schelling wurde der Gegensatz von Natur und Geist betrachtet. Dabei wurden „der geistigen Natur die Eigenschaften der Vernunft, des Denkens und Erkennens“ zugerechnet. Der eigentliche Gegensatz in der Philosophie soll nun, wie Schelling in seiner Schrift „Über das Wesen der menschlichen Freiheit“ erörtert, der zwischen Notwendigkeit und Freiheit sein.

Zunächst: Freiheit als ein lebendiges Vermögen ist eigentlich auf die Überwindung von Schranken angelegt, bedarf aber, um da zu sein, wie alles Existierende, der Form. Des weiteren: „Durch die Freiheit wird eine Macht außer und neben der Göttlichen behauptet. Dies steht zunächst im Gegensatz zu dem Begriff der Allmacht Gottes.“ Für Schelling ist der Mensch nicht außer, sondern in Gott. Die Tätigkeit des Menschen gehört selbst mit zum Leben Gottes. Wenn es im Prolog des Johannesevangeliums heißt: „Am Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott“, dann ist das Wort oder das menschliche Bewusstsein eine Offenbarung Gottes. „ Gott aber kann nur offenbar werden in dem, was ihm ähnlich ist: in einem freien, aus sich selbst handelnden Wesen.“

Der Begriff einer abgeleiteten Absolutheit oder Göttlichkeit ist nicht widersprechend; vielmehr ist er für Schelling der Mittelpunkt der ganzen Philosophie. Es gibt keine Unvereinbarkeit zwischen einer Immanenz in Gott und der menschlichen Freiheit. Anschaulich wir dies am Beispiel der Zeugung. So sind wir in unserer Existenz abhängig vom Zeugungsakt unserer Eltern zugleich aber selbständige und freie Persönlichkeiten.

Der seiner selbst bewusste Mensch bedarf, um sich zu erhalten und zu empfinden, einer gegenüberstehenden Welt. Frei ist der Mensch da, wo er sich in der Welt wiederzuentdecken vermag – im Anderen bei sich selbst ist. Was ist nun das Selbige im Verhältnis von Mensch und Welt? Es ist die Gott-Ebenbildlichkeit.

Gott bliebe ohne seine Offenbarung in sich verschlossen. Er offenbart sich nach Schelling in der Natur und in besonderer Weise in dem seiner selbst bewussten Menschen. Als existierender Gott kann er nicht nur rein ausfließende Liebe sein; um da zu sein, muss auch in Gott eine der ausfließenden Liebe gegenläufige Kraft wirksam sein, mithin eine auf Konzentration und Selbsterhalt gerichtete Kraft. Der Schellingsche Gott ist nicht der rein „Liebe Gott“ gemäß einer populären religiösen Vorstellung.

Ein Gott, in dem entgegen gesetzte Kräfte wirksam sind, kann nicht die höchste Spitze sein. Diese ist nach Schelling „Der Glanz des unzugänglichen Lichts, in dem Gott wohnt.“ (vgl. „Die Weltalter“).

Gott ist nach Schelling Leben, welches – wie alles Leben – in dem Zusammenspiel von Kontraktion und Extension bewegt ist.

Bereits Aristoteles hatte die Bewegtheit beseelter Kreaturen erörtert und als vorzüglichste Bewegung die Kreisbewegung genannt, zumal hier Anfang und Schluss im Vollzug mitanwesend sind. Augustinus hatte in seinen „Confessiones“, „Bekenntnissen“ – um das Verhältnis von Zeit und Ewigkeit anschaulich darzustellen – das Beispiel des Liedes angeführt. Das Lied, obwohl eine Zeitstrecke durchlaufend, ist in sich so gestimmt, dass Anfang, Verlauf und Schluss eine Einheit bilden.

Der Schellingsche Gott geht aus einer anfänglichen, bewusstlosen Alleinheit, der Vergangenheit, über in die Sphäre der Differenz, der Gegenwart, in der sich zunächst verhalten das Selbstbewusstsein bildet. Die wiederhergestellte Einheit steht als Zukunft bevor. Die religiöse Vorstellung schaut den Schellingschen Gedanken der Weltalter, in dem Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eine Dreieinigkeit bilden, in dem natürlichen Verhältnis von Vater, Sohn und Geist an. Im Sohn kommt die dunkle, unbewusste Einheit des Vaters in das Licht der Erkenntnis. In der Sphäre der Differenz, also der Gegenwart, wird der Widerstreit zwischen Licht und Finsternis ausgetragen. Die je einzelne Persönlichkeit ist in dem Verhältnis gebildet, wie es gelingt, das Unbewusste in das erkennende Bewusstsein zu erheben. Die vollkommene Auflösung dieses Widerstreits ist der Zukunft vorbehalten. Der Geist ist so die Einheit der unbewussten Einheit und des Widerspruchs.

Wie im Makrokosmos so im Mikrokosmos: Der vorgeburtliche Embryo ist selig im Zustand einer unbewussten Alleinheit. Gleichwohl aber treibt „die Lust, sich selbst zu haben“ („Weltalter“) die Geburt der besonderen Existenz hervor, in der sich allmählich ein Selbstbewusstsein entwickelt.

Schellings „Weltalter“ sind weit entfernt von dem aktuell herrschenden linearen Zeitverständnis, in dem Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft als berechenbare Zeitgrößen behandelt und dem planendem Kalkül ausgeliefert werden. Bereits der Gesang der Sirenen auf der Vorbeifahrt des Odysseus kündet von einer Abkehr vom linearen Zeitverständnis. Adorno erörtete in seiner „Dialektik der Aufklärung“ eine entsprechende Deutung. Parmenides hatte im Anfang der abendländischen Philosophie ausgeführt, dass die Meinung (doxa), Vergangenheit sei abgeschlossen und Zukunft jeweils angestückt, zu Irrtum und Verzweiflung führe. Sinngemäß sind in der Einheit des Seins bei Parmenides das Gewesene als das Wesen und die Zukunft als das Zukommende da.

Was Irrtum und Verzweiflung in der Folge eines verkehrten Zeitverständnisses konkret heißt, hatte Marx in den „Ökonomisch- philosophischen Manuskripten“ erörtert: „Die Arbeit des Proletariers hat zum Ergebnis, dass er sich in seiner Arbeit nicht bejaht, sondern verneint, nicht wohl, sondern unglücklich fühlt, keine physische und geistige Energie entwickelt, sondern seine Physis abkasteit und seinen Geist ruiniert. Der Arbeiter fühlt sich daher erst außer der Arbeit bei sich und in der Arbeit außer sich. Zu Hause ist er, wenn er nicht arbeitet, und wenn er arbeitet, ist er nicht zu Hause.“
Der Marxsche Begriff von der „schöpferischen Arbeit“ verwandelte die christliche Idee vom Schöpfergott, der Welt und Mensch nach seinem Ebenbild geschaffen hatte, in eine diesseitige Forderung. So wie die Werktätigkeit Gottes keine entfremdete war, so sollte auch der Mensch die Möglichkeit zu einer schöpferischen Arbeit erhalten, mithin sich in seiner Arbeit wiederentdecken können.

In der „mundus dei“ der mittleren Epoche war die Einheit von Arbeit und Wesen im „ora et labora“ ausgesprochen. Der Mensch sollte im „tugendhaften Handeln“ auf seinen Schöpfergott gerichtet bleiben. Der göttliche Wille war als Dogma vorgegeben.

Schelling hatte in seinen Schriften „Über das Wesen der menschlichen Freiheit“ und in „Die Weltalter“ den Zusammenhang von Freiheit und Notwendigkeit auseinandergesetzt, welcher sich nach dem oben Gesagten auch auffassen lässt als der Zusammenhang von Freiheit und Zeit. Dies nicht nach seinem eigenen Bekunden „in einer streng wissenschaftlichen, sondern in einer leicht mitteilenden Form.“

Zusammenfassung: Der Mensch findet sich zu Beginn seines Daseins gleichsam in einen Strom geworfen, dessen Bewegung eine von ihm unabhängige zu sein scheint, die er zunächst bloß leidet. Dennoch ist er nicht dazu bestimmt, sich von diesem Strom wie ein totes Objekt bloß fortziehen zu lassen: Werde, was Du bist!

Wolfram Chemnitz, M.A. Philosophie.

 

 

 

 

An Friedrich Wilhelm Joseph Schelling denken.

An Friedrich Wilhelm Joseph Schelling denken.

Am 27. JANUAR 1775 wurde der große (Religions-) Philosoph Friedrich Wilhelm Joseph Schelling in Leonberg geboren, er starb am 20.August 1854 in Bad Ragaz (CH). Er lebte auch in Berlin.

Wir wollen in unserem Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon jetzt regelmäßig an Geburtstage oder Todestage von PhilosophInnen oder philosophierenden Literaten, Künstlern, Musikern, Widerstandskämpfern und (religiösen) Dissidenten  erinnern, gerade wenn und weil sie nicht die üblichen, medial überschütteten “runden Gedenktage” haben. Sondern, sagen wir, die eckigen. Und die eckigen Gedenktage sind vielleicht viel inspirierender. CM.

Zur Aktualität des Philosophen Friedrich Wilhelm Joseph Schelling (1775-1854):

“Schelling: Die menschliche Freiheit in der Entstehungsgeschichte der Zeiten”.

Ein Beitrag von Wolfram Chemnitz

Schelling unterscheidet zwischen einer negativen und einer positiven Philosophie, somit zwischen einer bloß betrachtenden und einer den Menschen existentiell erfassenden Philosophie.
Vor Schelling wurde der Gegensatz von Natur und Geist betrachtet. Dabei wurden „der geistigen Natur die Eigenschaften der Vernunft, des Denkens und Erkennens“ zugerechnet. Der eigentliche Gegensatz in der Philosophie soll nun, wie Schelling in seiner Schrift „Über das Wesen der menschlichen Freiheit“ erörtert, der zwischen Notwendigkeit und Freiheit sein.

Zunächst: Freiheit als ein lebendiges Vermögen ist eigentlich auf die Überwindung von Schranken angelegt, bedarf aber, um da zu sein, wie alles Existierende, der Form. Des weiteren: „Durch die Freiheit wird eine Macht außer und neben der Göttlichen behauptet. Dies steht zunächst im Gegensatz zu dem Begriff der Allmacht Gottes.“ Für Schelling ist der Mensch nicht außer, sondern in Gott. Die Tätigkeit des Menschen gehört selbst mit zum Leben Gottes. Wenn es im Prolog des Johannesevangeliums heißt: „Am Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott“, dann ist das Wort oder das menschliche Bewusstsein eine Offenbarung Gottes. „ Gott aber kann nur offenbar werden in dem, was ihm ähnlich ist: in einem freien, aus sich selbst handelnden Wesen.“

Der Begriff einer abgeleiteten Absolutheit oder Göttlichkeit ist nicht widersprechend; vielmehr ist er für Schelling der Mittelpunkt der ganzen Philosophie. Es gibt keine Unvereinbarkeit zwischen einer Immanenz in Gott und der menschlichen Freiheit. Anschaulich wir dies am Beispiel der Zeugung. So sind wir in unserer Existenz abhängig vom Zeugungsakt unserer Eltern zugleich aber selbständige und freie Persönlichkeiten.

Der seiner selbst bewusste Mensch bedarf, um sich zu erhalten und zu empfinden, einer gegenüberstehenden Welt. Frei ist der Mensch da, wo er sich in der Welt wiederzuentdecken vermag – im Anderen bei sich selbst ist. Was ist nun das Selbige im Verhältnis von Mensch und Welt? Es ist die Gott-Ebenbildlichkeit.

Gott bliebe ohne seine Offenbarung in sich verschlossen. Er offenbart sich nach Schelling in der Natur und in besonderer Weise in dem seiner selbst bewussten Menschen. Als existierender Gott kann er nicht nur rein ausfließende Liebe sein; um da zu sein, muss auch in Gott eine der ausfließenden Liebe gegenläufige Kraft wirksam sein, mithin eine auf Konzentration und Selbsterhalt gerichtete Kraft. Der Schellingsche Gott ist nicht der rein „Liebe Gott“ gemäß einer populären religiösen Vorstellung.

Ein Gott, in dem entgegen gesetzte Kräfte wirksam sind, kann nicht die höchste Spitze sein. Diese ist nach Schelling „Der Glanz des unzugänglichen Lichts, in dem Gott wohnt.“ (vgl. „Die Weltalter“).

Gott ist nach Schelling Leben, welches – wie alles Leben – in dem Zusammenspiel von Kontraktion und Extension bewegt ist.

Bereits Aristoteles hatte die Bewegtheit beseelter Kreaturen erörtert und als vorzüglichste Bewegung die Kreisbewegung genannt, zumal hier Anfang und Schluss im Vollzug mitanwesend sind. Augustinus hatte in seinen „Confessiones“, „Bekenntnissen“ – um das Verhältnis von Zeit und Ewigkeit anschaulich darzustellen – das Beispiel des Liedes angeführt. Das Lied, obwohl eine Zeitstrecke durchlaufend, ist in sich so gestimmt, dass Anfang, Verlauf und Schluss eine Einheit bilden.

Der Schellingsche Gott geht aus einer anfänglichen, bewusstlosen Alleinheit, der Vergangenheit, über in die Sphäre der Differenz, der Gegenwart, in der sich zunächst verhalten das Selbstbewusstsein bildet. Die wiederhergestellte Einheit steht als Zukunft bevor. Die religiöse Vorstellung schaut den Schellingschen Gedanken der Weltalter, in dem Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eine Dreieinigkeit bilden, in dem natürlichen Verhältnis von Vater, Sohn und Geist an. Im Sohn kommt die dunkle, unbewusste Einheit des Vaters in das Licht der Erkenntnis. In der Sphäre der Differenz, also der Gegenwart, wird der Widerstreit zwischen Licht und Finsternis ausgetragen. Die je einzelne Persönlichkeit ist in dem Verhältnis gebildet, wie es gelingt, das Unbewusste in das erkennende Bewusstsein zu erheben. Die vollkommene Auflösung dieses Widerstreits ist der Zukunft vorbehalten. Der Geist ist so die Einheit der unbewussten Einheit und des Widerspruchs.

Wie im Makrokosmos so im Mikrokosmos: Der vorgeburtliche Embryo ist selig im Zustand einer unbewussten Alleinheit. Gleichwohl aber treibt „die Lust, sich selbst zu haben“ („Weltalter“) die Geburt der besonderen Existenz hervor, in der sich allmählich ein Selbstbewusstsein entwickelt.

Schellings „Weltalter“ sind weit entfernt von dem aktuell herrschenden linearen Zeitverständnis, in dem Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft als berechenbare Zeitgrößen behandelt und dem planendem Kalkül ausgeliefert werden. Bereits der Gesang der Sirenen auf der Vorbeifahrt des Odysseus kündet von einer Abkehr vom linearen Zeitverständnis. Adorno erörtete in seiner „Dialektik der Aufklärung“ eine entsprechende Deutung. Parmenides hatte im Anfang der abendländischen Philosophie ausgeführt, dass die Meinung (doxa), Vergangenheit sei abgeschlossen und Zukunft jeweils angestückt, zu Irrtum und Verzweiflung führe. Sinngemäß sind in der Einheit des Seins bei Parmenides das Gewesene als das Wesen und die Zukunft als das Zukommende da.

Was Irrtum und Verzweiflung in der Folge eines verkehrten Zeitverständnisses konkret heißt, hatte Marx in den „Ökonomisch- philosophischen Manuskripten“ erörtert: „Die Arbeit des Proletariers hat zum Ergebnis, dass er sich in seiner Arbeit nicht bejaht, sondern verneint, nicht wohl, sondern unglücklich fühlt, keine physische und geistige Energie entwickelt, sondern seine Physis abkasteit und seinen Geist ruiniert. Der Arbeiter fühlt sich daher erst außer der Arbeit bei sich und in der Arbeit außer sich. Zu Hause ist er, wenn er nicht arbeitet, und wenn er arbeitet, ist er nicht zu Hause.“
Der Marxsche Begriff von der „schöpferischen Arbeit“ verwandelte die christliche Idee vom Schöpfergott, der Welt und Mensch nach seinem Ebenbild geschaffen hatte, in eine diesseitige Forderung. So wie die Werktätigkeit Gottes keine entfremdete war, so sollte auch der Mensch die Möglichkeit zu einer schöpferischen Arbeit erhalten, mithin sich in seiner Arbeit wiederentdecken können.

In der „mundus dei“ der mittleren Epoche war die Einheit von Arbeit und Wesen im „ora et labora“ ausgesprochen. Der Mensch sollte im „tugendhaften Handeln“ auf seinen Schöpfergott gerichtet bleiben. Der göttliche Wille war als Dogma vorgegeben.

Schelling hatte in seinen Schriften „Über das Wesen der menschlichen Freiheit“ und in „Die Weltalter“ den Zusammenhang von Freiheit und Notwendigkeit auseinandergesetzt, welcher sich nach dem oben Gesagten auch auffassen lässt als der Zusammenhang von Freiheit und Zeit. Dies nicht nach seinem eigenen Bekunden „in einer streng wissenschaftlichen, sondern in einer leicht mitteilenden Form.“

Zusammenfassung: Der Mensch findet sich zu Beginn seines Daseins gleichsam in einen Strom geworfen, dessen Bewegung eine von ihm unabhängige zu sein scheint, die er zunächst bloß leidet. Dennoch ist er nicht dazu bestimmt, sich von diesem Strom wie ein totes Objekt bloß fortziehen zu lassen: Werde, was Du bist!

Wolfram Chemnitz, M.A. Philosophie.

 

 

 

 

Die Lehrer der Weisheit und die Flüchtlinge in Deutschland. Zum neuen Heft „Philosophie Magazin”

Die Lehrer der Weisheit und die Flüchtlinge in Deutschland: Zum neuen Heft „Philosophie Magazin“

Ein Hinweis von Christian Modehn

Wie die „TAZ“ am 16. Januar 2016 auf Seite 2 berichtet, hatte Wolfram Eilenberger, Chefredakteur des „Philosophie Magazin“ in Berlin, eine Art philosophische Erleuchtung: Er fand die Planung des ursprünglichen Schwerpunktthemas fürs neue Heft („Sind wir dafür geschaffen in Paaren zu leben?“) höchst unpassend angesichts der drängenden aktuellen politischen Entwicklung in Deutschland und Europa: Darum setzte er durch, dass das Thema Flüchtlinge im Mittelpunkt des Februar Heftes steht. In Abwandlung des ursprünglich vorgesehenen Themas hätte man auch sagen können: „Sind wir Deutschen und Europäer dafür geschaffen, mit vielen tausend Flüchtlingen zusammenzuleben“? Die Antwort “Ja” hätte von verschiedenen Seiten begründet werden können!

Wie auch immer: Man kann ihm und seinem Team nur gratulieren: 27 PhilosophInnen (mehr Männer als Frauen) sind also in dem Heft auf 20 Seiten, nach einer Einleitung von Wolfram Eilenberger, versammelt. Sie geben unter der großen Leitfrage „Was tun ?“ – angesichts der Flüchtlinge (in Deutschland) – Impulse zum Weiterdenken und Widersprechen, hoffentlich auch zum politischen Handeln. Nicht alle 27 Autoren sind so genannte „Fach-Philosophen“ an Universitäten, einige sind z.B. Professoren der Literaturwissenschaftler oder Politologen. Und das ist auch gut so, denn philosophische Dimensionen melden sich bekanntlich in jeder Wissenschaft und Forschung, vor allem in jedem nachdenklichen Menschen förmlich von selbst. Schade ist in unserer Sicht, dass kein Religionswissenschaftler und kein kritischer Theologen zu Wort kommt. Zeigt sich da eine traditionelle, tief sitzende Abwehr philosophisch arbeitender Journalisten, diese Ablehnung von Religionswissenschaft und kritischer Theologie? Das ließe sich und sollte sich ändern, unserer Meinung nach.

Und schade ist auch, dass kein „Engagierter“ aus der Flüchtlingshilfe, der oder die ja zweifelsfrei auch philosophierend nachdenkt, zu Wort kommt. Denn Philosophie ist sicher immer sehr viel mehr als das, was sich an den philosophischen Uni-Seminaren oder in Fachpublikationen für ein Fachpublikum von ca. 500 Buchkäufern so alles abspielt. Das Philosophie Magazin, in gewisser Weise eine Dependance des großen „Philosophie Magazine“ aus Paris, hält dagegen und vermittelt ein anderes Bild von Philosophie! Dafür sollte man diese Initiative loben. Aber schade ist auch, dass bei dem Thema kein philosophierender Mensch oder gar ein „Fachphilosoph“ aus dem arabischen Raum, und das heißt immer auch aus dem muslimischen Raum, zu Wort kommt. Abgesehen von Souleymane Bachir Diagne, New York und Lamya Kaddor, Bochum.

Aber : Diese kritischen Hinweise einmal beiseite lassend: Das Februar Heft des Philosophie-Magazin verdient alle Aufmerksamkeit allein schon des Schwerpunktthemas wegen. Nebenbei kann man sich auch u.a. mit Henri Bergson befassen und seiner Lehre vom Gedächtnis… und viele wichtige Buchempfehlungen lesen. Wir empfehlen ebenso das Buch “Aufklärung. Das deutsche 18. Jahrhundert. Ein Epochenbild” (Rowohlt Verlag Berlin ) von Steffen Martus. Besonders wichtig und zu neuem Handeln auffordernd ist sicher das ausführliche Interview mit dem französischen Philosophen und Soziologen Bruno Latour unter dem Titel:”Die Natur muss ins Parlament”. Dabei geht Bruno Latour von der Erkenntnis aus, dass die Natur nicht länger Objekt, sachliches Ding, ist; sondern Lebewesen, wie die “Große Mutter der griechischen Mythologie”. “Die Erde ist nicht leblos, unsere Umwelt besteht komplett aus Lebendigem”. Dabei bezieht sich Latour oft auf James Lovelock und dessen “Gaia-Hypothese”, ohne dass Latour dabei in eine “esoterische Position” gerät. Die Ergebnisse des Pariser Klimagipfels 2015 sieht Latour als ermutigend, wenn auch nur als ersten Schritt” (S.38). Fast noch utopisch, aber richtig, ist Latours Vorschlag, ein Parlament zu schaffen, in dem Vertreter der konfliktreichen Gebiete vertreten sind, Vertreter, die also die bedrohten Wälder, die verschmutzten Gewässer, die sich zurücknehmenden Küsten verteidigen, direkt und ständig. “Wir brauchen einen Rat, der auch die Nicht-Menschen” vertritt, also die Natur, das ist ein Parlament der Dinge=”.

Um etwas Geschmack am Heft zu machen, und um zum Lesen der Texte selbst aufzufordern, nur einige Zitate aus den Beiträgen zum Thema Flüchtlinge, Beiträge, die zu denken geben. Die Literaturwissenschaftlerin Aleida Assmann (Konstanz) schreibt im Blick auf die unsäglichen Versäumnisse der Deutschen angesichts der Judenvernichtung unter den Nazis: “Die Lehre aus der Geschichte kann nur heißen: Nie wieder ein solcher Mangel an Mitgefühl gegenüber Menschen, die am Nullpunkt ihrer Existenz angekommen sind. Weil wir genau wissen, wozu es führen kann, Menschen als fremd zu etikettieren und ihnen unsere Empathie zu entziehen…“ (S. 48). Der vielseitige, höchst interessante Philosoph Armen Avanessian (von dem wir hoffentlich noch sehr viel hören und lesen werden) schreibt: “Kriegsflüchtlinge sind Opfer einer bellizistischen Wirtschaftspolitik. Und Wirtschaftsflüchtlinge sind Opfer einer Durchsetzung geopolitischer Interessen mit anderen, „nur“ ökonomischen Mitteln“. Und Prof. Julian Nida-Rümelin (München) schreibt im Blick auf die „deutsche Leitkultur“: „Es bedarf keiner spezifisch deutschen Leitkultur, sondern einer alltäglich praktizierten Leitkultur der Humanität, des wechselseitigen Respekts, der gleichen kulturellen Anerkennung, der Akzeptanz von weltanschaulichen und kulturellen Unterschieden“.

Wir könnten uns vorstellen, dass das Heft Philosophie Magazin mit seinem Schwerpunkt „Flüchtlinge“ auch weiter die Philosophie und das Philosophieren mit den aktuellen politischen und sozialen und religiösen Fragen verbindet, damit das Hegelsche Projekt „Philosophie ist die Zeit in Gedanken erfasst“ immer neu belebt wird. Ein Schritt dahin ist mit diesem Heft gemacht.

Im August 2015 hat unser religionsphilosophische Salon einen Beitrag (als Forschungsprojekt) verfasst zum Thema “Philosophen und Theologen, die Flüchtlinge sind”, zur Lektüre klicken Sie bitte hier.

Das Philosophie Magazin erscheint in Berlin, es ist in größeren Zeitungsläden zu haben. Tel. des Verlages:

030 47377118.   email: redaktion@philomag.de

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon

 

Humanistische Credos: Bekenntnisse von HumanistInnen, AtheistInnen, Agnostikern…

Die humanistischen Credos: Bekenntnisse von HumanistInnen, AtheistInnen, Agnostikern…

Die Zeitschrift DIESSEITS vom Humanistischen Verband Deutschland (HVD) hat kürzlich (Heft 3/2015 in einem Beitrag von Arick Platzek) Ihre LeserInnen eingeladen, die persönliche, eigene Lebensauffassung aufzuschreiben und fürs öffentlich  Gespräch mitzuteilen. Die Rede ist dabei durchaus von einem CREDO, einem Bekenntnis zu den Werten, die für HumanistInnen, AtheistInnen, Agnostikern… persönlich wichtig und entscheidend sind, sozusagen “Leitlinien”, die das eigene Denken und Handeln bestimmen sollen.

Der Religionsphilosophische Salon Berlin findet diese CREDO Initiative des HVD äußerst beachtlich. Weil einmal mehr deutlich wird, dass in den Kreisen der HumanistInnen, AtheistInnen, Agnostiker … auf diese Weise die persönliche, humanistische Spiritualität ins Blickfeld rückt und anschaulich erscheint in der ganzen Vielfalt. Über die Frage einer “atheistischen Spiritualität” hat der Initiator des Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salons Berlin im Jahr 2006 mit Gita Neumann (HVD) einen Halbstunden Film fürs ERSTE (ARD) realisiert, unter dem Titel “Glauben ohne Gott” wurde er im Februar 2007 zum ersten Mal gesendet. Es war der erste Film überhaupt, der sich in der ARD mit “atheistischer Spiritualität” befasste. Seit der Zeit beschäftigt uns im Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon die Frage, wie Gespräche zwischen religiösen und nichtreligiösen Menschen heute in Berlin z.B. sinnvoll gestaltet werden können. Das Thema Spiritualität ist dabei ein Hauptthema, angestoßen auch durch die hervorragenden Bücher des Pariser (agnostischen) Philosophen André Comte-Sponville.

Nun also erfreulicherweise das CREDO Projekt des HVD. Ausdrücklich wünschte sich die Zeitschrift DIESSEITS kurze und knappe Bekenntnisse. In der Theologie Karl Rahner spricht man ja bekanntlich auch von den “Kurzformeln des Glaubens”. Wird es eines Tages einen Austausch geben über religiöse und nicht-religiöse CREDOS? Wünschenswert wäre es sicher in einer multireligiösen Stadt Berlin…Das CREDO Projekt könnte eine weitere Ermunterung sein, dass sich religiöse und nichtreligiöse Menschen begegnen, verständigen, vielleicht näher kommen. Welcher Christ “weiss” denn schon, “dass” es Gott “gibt”?  Und welcher Atheist “weiss” denn schon, dass es Gott eben nicht “gibt”?

Gita Neumann, im HVD seit vielen Jahren verantwortlich für Fragen rund um Krankheit, Patientenverfügungen und Lebensende, vor allem um selbstbestimmtes Sterben, sowie Protagonistin in dem oben genannten ARD Film “Glauben ohne Gott” schreibt ihr CREDO:

Ich glaube, dass wir dringend mehr Menschen brauchen, die
mit sich selbst und anderen im Reinen sein möchten,
ästhetische Bildung ebenso wie Zivilcourage haben,
für Geschichten und Poesie empfänglich sind,
Frieden auch im Kleinen stiften wollen,
Rechthaberei, Gewalt, Unterdrückung
und materielles Erfolgsstreben verachten.
Liebende aller Art, Zivilisierte, Wohlwollende,
die sich in unzeitgemäß scheinenden Tugenden üben,
als da sind Klugheit, Mäßigung, Anstand, Gerechtigkeit, Mut
– ja, und ebenso höflicher und achtsamer Umgang miteinander.

Gita Neumann

 

“Ich bin Charlie Hebdo”. Meinen sie wirklich, was sie da sagen?

„Ich bin Charlie“: „Je suis Charlie“.   Meinen sie wirklich, was sie sagen?

Zur Lektüre  empfohlen, ein Jahr nach der Ermordung der Journalisten und Künstler von “Charlie Hebdo”.

Veröffentlicht am 6 .1. 2016.  Zum ersten Mal veröffentlicht am 8.1.2015.

Von Christian Modehn

„Je suis Charlie“: Mit diesem Bekenntnis sind viele tausend Menschen in Frankreich seit dem Abend des 7.Januar auf die Straße gegangen. Sie wollen sich in aller Deutlichkeit solidarisieren mit den Journalisten und Künstlern der Wochenzeitung „Charlie Hebdo“, die einem grauenhaften Mord (treffender wäre das Wort „Abschlachten“) zum Opfer fielen. Das Bekenntnis „Je suis Charlie“ wird jetzt auch außerhalb Frankreichs öffentlich gebraucht: Sogar die „Berliner Morgenpost“ aus dem Hause Springer (!) setzte diesen Spruch am 8.1. auf ihre erste Seite. Will Springer den Geist der Charlie Hebdo “übernehmen”?

Natürlich ist es bewegend und großartig, wenn sich so viele Menschen und Medien mit den Hinterbliebenen und den noch lebenden Mitarbeitern der Zeitschrift solidarisieren, wenn sie sich sogar selbst mit der Zeitschrift Charlie identifizieren. Denn das ist doch wohl auch gemeint: Ich bin „Charlie Hebdo“, also: In mir lebt –sozusagen – „Charlie Hebdo“ weiter.

Wenn dieses Bekenntnis mehr sein soll als eine plötzlich aufwallende, aber alsbald wieder verschwindende Form von verwandelter Trauer und Wut, dann müssen doch die Konsequenzen eines so beachtlich-schönen Bekenntnisses deutlich werden und den Bekennern auch explizit bewusst gemacht werden:

Wer sich zu Charlie Hebdo bekennt und sich mit dem Geist dieser Zeitung identifiziert, der/die

– bekennt sich zur radikalen Form der Religionskritik, die sich öffentlich äußert und angesichts der Überflutung durch die Medien eben drastisch und auffällig zeigen muss, eben wie es Charlie Hebdo tat und wohl weiterhin auch machen wird. Religionskritik in “Charlie Hebdo” war provozierend, aber klug, sie befreite von Tabus, schuf Raum für neues Denken.

– bekennt sich zur Möglichkeit, selbst bis an die Grenze der Gotteslästerung Religionskritik zu üben. Denn leitend für die Leute von Charlie ist die Überzeugung: Den Gott als Gott (wenn es ihn denn gibt, in der Sicht der Journalisten dort) kann kein Mensch „lästern“. Gotteslästerung ist nur eine andere, zugespitzte Form, allzu menschliche Gottesbilder und allzu menschliche, d.h. schon korrupte und politisch instrumentalisierte Frömmigkeitsformen zu kritisieren. Für diese Kritik sollten auch die Frommen dankbar sein, weil sie auf den Weg eines tieferen und selbstkritischen Glaubens geführt werden. Die meisten Frommen haben bisher dafür wenig Verständnis. Selbst die Christen können nicht mit Humor auf ihre eigenen fehlgeleiteten religiösen Praktiken schauen. Sie können z.B. über ihr eigenes frommes Tun und Gehabe nicht laut lachen. Welcher Bischof lacht schon, wenn er seine Mitra aufsetzt, den Ring ansteckt und dann betulich durch die Kirche schreitet? Verärgerte Katholiken ziehen angesichts der „Lästerungen“ oft vors Gericht. Meist scheitern sie dort. Nicht weil die Rechtsprechung in einer Demokratie “atheistisch” ist, sondern weil man weiss: So furchtbar tief beleidigt sind die religiösen Menschen von Karikaturen doch nicht. Vor zwanzig Jahren haben katholische Fanatiker noch Kinosäle in Paris in Brand gesetzt, in denen der religionskritische Film „Je vous salue Marie“ gezeigt wurde. Aber die Zeit dieser christlichen Gewalt in Westeuropa ist wohl vorbei…Gewalttätig sind die Christen nur noch „geistig“, d.h. ungeistig mit rigiden sexual-ethischen Verboten.

Wer sich zu Charlie Hebdo bekennt und sich mit dem Geist dieser Zeitung identifiziert, der/die

– bekennt sich zu der Erkenntnis, dass wichtiger als konkrete Religion, wichtiger als alle Dogmen und Gebote, wichtiger als alle so genannten heiligen Schriften die MENSCHLICHKEIT ist, die uns Menschen, so unterschiedlich wir auch sind, VERBINDET und zur Gestaltung einer offenen, toleranten und demokratischen Gesellschaft aufruft. Religion und Dikatatur welcher Art auch immer sind nicht vereinbar: Auch das ist die Botschaft von “Charlie Hebdo”.

– bekennt sich zu der Aufgabe und Pflicht: Pflegen wir alle Formen der Menschlichkeit, also der Toleranz und des Respekts vor dem Leben eines jeden an erster Stelle und legen wir doch bitte einmal für mindestens 10 Jahre alle dogmatischen Streitigkeiten („Ist Gott dreifaltig oder nur einer, ist die Bibel und ist der Koran eine heilige, unantastbare Schrift“ usw) beiseite. Lassen wir doch mal den religiösen Eifer etwas ruhen! Und planen wir stattdessen eher gemeinsame Veranstaltungen zur Entwicklung der Menschlichkeit.

Wer sich zu Charlie Hebdo bekennt, „ich bin Charlie“ sagt und sich mit dem Geist dieser Zeitung identifiziert, der/die

– bekennt sich zu einer staatlichen Ordnung, in der die Menschenrechte an oberster Stelle stehen, in der die Religionen und ihr Einfluss an zweiter Stelle stehen.

– bekennt ich zu dem Auftrag, die Menschen in dieser Weise zu bilden.

– bekennt sich zu der Einsicht, dass jeder seine persönliche Frömmigkeit, so unterschiedlich auch immer, bitte eher privat oder in religiösen Räumen vor allem pflegen sollte. Immer von der Frage geleitet: Ist meine Frömmigkeit kompatibel mit den Menschenrechten, ist sie kompatibel mit der Grundtendenz des heiligen Textes, den ich verehre? Für Christen wie für Juden und Muslime könnte doch die gemeinsame Erkenntnis gelten: Unser jeweiliger Gott will vor allem Frieden auf Erden. Diese Erkenntnis ist bekannt und tausendmal theologisch belegt. Es gilt sich an diese unzweifelhafte Erkenntnis zu halten.

– bekennt sich zu dem Prinzip: Wichtiger als so genannte Gottesgesetze und Kirchengebote sind die sich ständig weiter entwickelnden Menschenrechte, die Ausdruck der Vernunft sind.

“Je suis Charlie” bedeutet: Nehmt das gemeinsame Menschliche wichtiger als das Religiöse, indem ihr auch die Geschichtlichkeit der so genannten heiligen Bücher erkennt. D.h.: Gott als Gott kann nicht sprechen. Diese Erkenntnis sollte sich in allen Religionen durchsetzen. Alle heiligen Bücher sind Menschenwerk! Und kein Mensch, auch kein Mörder im Namen Gottes, kann beanspruchen, auf der Seite Gottes zu stehen.

„Je suis Charlie“ bedeutet also: Kümmern wir uns zuerst und immer um die bessere, gerechtere Welt und Gesellschaft. Lesen wir, wenn wir uns auf Frankreich beziehen, doch bitte wieder mal Voltaire und die anderen Philosophen des siècle des lumières: Lassen wir uns den Geist der Aufklärung nicht schlecht reden von Leuten, die oft anstelle des Lichtes (Lumière = Aufklärung!) eher die schummrige Finsternis der etablierten Machthaber lieben. Die hingerichteten Journalisten von Charlie Hebdo sind ihren Weg der Aufklärung gegangen, unermüdlich, trotz aller Drohungen, aller ständigen Belastungen.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

Ein kurzes Nachwort:

Wird die große Mehrheit sich an das spontane Bekenntnis halten: „Je suis Charlie“? Schon wenige Stunden nach dem Morden gibt es Stimmen aus dem rechtsextremen Lager, die die Untaten für eigene politische Zwecke nützen wollen: Der alte „Ehrenpräsident“ des FN, Jean Marie Le Pen, spricht von einem Krieg, den die Islamisten angezettelt haben in Frankreich, und auf den man selbstverständlich reagieren müsse (Siehe Fußnote 1). Und die FN-Chefin,Tochter Marine aus der Familie des Parteiführers, möchte gar die Todesstrafe wieder einführen.

Aus dem rechten, rechtsextremen katholischen Milieu kommen Stimmen, dass doch die Zeitung „Charlie Hebdo“ und ihr Eintreten etwa für die so genannte Homo-Ehe nichts als „Zeugnis einer erschreckenden Verdorbenheit“ ist; also die Zeitung sei eigentlich moralisch und ethisch von Übel. Diese These wird ausführlich ausgebreitet in den Publikationen der katholisch-sehr konservativen Studiengruppe „Lepanto“ in Rom. Einer der dort publizierenden Autoren ist Giuseppe Nardi, mit guten Beziehungen zum Vatikan Benedikt XVI., wie Peter Wensierski 2012 im “Spiegel” schrieb, klicken Sie hier. In der Zeitschrift von “Lepanto” schreibt auch der deutsche Philosoph Robert Spaemann. Im Lepanto Zentrum arbeiten Leute, die die katholisch formulierten Gottesgesetze zu allgemeinen Gesetzen machen möchten, zur Rettung Europas vor dem „Gift des demokratischen Relativismus“, vor dem auch schon der Heilige Papst Johannes Paul II. mehrfach warnte. (Siehe Fußnote 2).

So treffen sich also die „Verteidiger der Gottesgesetze“ und letztlich die Gegner der liberalen Demokratie aus verschiedenen Religionen nach dem 7.1. 2015 in trauter partieller (!) Gemeinschaft wieder.

Nebenbei: Ein Hinweis zum Titel des katholischen Studienzentrums in Rom: Bei der Schrift von LEPANTO besiegten die Katholiken im Jahr 1571 die Muslime.

Zur weiteren Information über Charlie Hebdo und die Beziehung zu einer katholischen Zeitschrift klicken Sie hier.

Fußnote 1: Aus einem Interview mit dem Ehrenpräsidenten des Front National Jean Marie Le Pen, in „Le Figaro“ am 8.1. 2015 publiziert:  J.M. Le Pen: Dieses Attentat ist wahrscheinlich der Beginn eines Anfangs (des Krieges). Dies ist ein Teil eines Krieges, den uns der Islamismus bereitet. Die Blindheit und Taubheit unserer Führer (Politiker) seit Jahren ist wahrscheinlich verantwortlich für diese Art von Attentaten.

Frage:
Etliche Stimmen fordern jetzt die nationale Einheit. Werden Sie sich daran beteiligen?

J.M. Le Pen: Ich würde zuerst gern wissen, welches die Grenzen dieser nationalen Einheit sind. ..Normalerweise sind wir stillschweigend ausgeschlossen von dem, was man republikanische Einheit nennt… Ich habe keine Lust, die Aktion der Regierung zu unterstützen. Sie ist unfähig und nicht kohärent gegenüber dem Problem, das, evidenterweise von nahem betrachtet, die massive Immigration betrifft, worunter unser Land seit 40 Jahren leidet.

Fußnote 2: Hier ein Auszug aus einer (in unserer Sicht unsäglichen) Stellungnahme dieser rechten Katholiken, veröffentlicht in: Katholisches.info  Dieses” Magazin für Kirche und Kultur” bietet am 8.1. 2015  eine Zusammenfassung eines Beitrags von Giuseppe Nardi vom Studienzentrum “Lepanto” in Rom:

„Charlie Hebdo“ ist eine Zeitung, in der seit ihrer Gründung die Satire in den Dienst einer anarchischen und libertinen (sic, CM) Lebensphilosophie gestellt wurde. Sie kann als extreme, aber letztlich kohärente Ausdrucksform des zeitgenössischen Relativismus des Westens gesehen werden…. Eine Solidarisierung mit den Opfern ist gebotene Pflicht… Die Stiftung warnt jedoch vor einer Solidarisierung mit der Ideologie, die von den Opfern vertreten wurde. Europa dürfe sich nicht vor den falschen Karren spannen lassen….Dann fasst der Infodienst „Katholisches“ die Botschaft des Studienzentrums LEPANTO (Autor Giuseppe Nardi) zusammen:„Die Terrorgruppe, die am 7. Januar 2015 die Redaktion von „Charlie Hebdo“ massakriert hat, könne ihrerseits als extreme, aber letztlich kohärente Ausdrucksform der islamischen Welt gesehen werden. Sie habe in ihrem Mordwahn den Hass sichtbar gemacht, den der Islam gegen den Westen hege, so die Stiftung. Die schreckliche Tat nehme das Schicksal vorweg, das den Westen erwarte. Ein Westen, der unfähig sei, dem Islam die eigenen spirituellen und moralischen Ressourcen entgegenzusetzen, und der sich der Illusion hingebe, daß die Gefahren, „die sich über unserer Zukunft zusammenbrauen, dadurch abgewendet werden könnten, indem man sich dem relativistischen Denken hingibt und dem Islam mit offenen Armen begegnet“.