Lob der “Salonchristen”. Eine Korrektur.

Lob der „Salonchristen“
Eine Korrektur
Von Christian Modehn

In der Beilage zur Wochenzeitung „Die Zeit“ mit dem Titel „Christ & Welt“ berichtet Christiane Florin auf Seite 3 der Ausgabe vom 23. Mai 2013, dass Papst Franziskus sich ein „gesundes Maß an Verrücktheit“ für die katholische Kirche wünsche. Sie schreibt, immer jüngste Äußerungen von Papst Franziskus zitierend oder paraphrasierend: „Die Kirche brauche Menschen, die unbequeme Dinge sagten und sich nicht scheuten, die wohlsituierten Verhältnisse zu stören. Die Unverrückten (hingegen) stempelte er, also Papst Franziskus, zu = Salon-Christen = (ab)”.
Nun kann ich mich nur auf die in der Zeitung mitgeteilten Informationen über die päpstliche Kritik an den angeblich wohlsituierten „Salon – Christen“ beziehen. Ich finde allerdings die offenbar hier päpstlich unterstellte logische Verbindung von „Wohlsituiertheit“ und „Salon“ völlig unzutreffend. Richtig wäre es, von einer unheilvollen Verbindung von bürokratischer Struktur bzw. dem Vorrang für finanzielle Interessen innerhalb der Kirche(n) zu sprechen, wenn man denn eine freie Kirche will, die „unbequeme, also verrückte Dinge sagt“. Das muss aber noch einmal festgehalten werden: Verrückte Dinge wünscht sich nun zum ersten Mal, seit Jahrhunderten (?), ein Papst ausdrücklich und erstaunlicherweise. Aber: Wir wollen daran erinnern, dass gerade Salons verrückte Dinge -seit dem 18. Jahrhundert – sagten und auch heute sagen, also solche Dinge, die im Alltagsverstand, als gewagt betrachtet werden, zumal von den Herrschern, die sich bekanntlich Verrücktheiten verbieten im Namen von Ruhe und Ordnung. Verrückte Dinge waren in den Salons Demokratie, Menschenrechte, Religionsfreiheit, Religionskritik usw. Noch einmal: Gerade die „Salons“ waren und sind immer Orte für diese Verrücktheiten im Denken, selbstverständlich auch, wenn es sich um religiöse Fragen handelt. Ein so genanntes „Salon – Christentum“ lebt gerade von der lebendigen und Diskussion gleich berechtiger PartnerInnen. Und wir fragen uns, ob heute etwa katholische Akademien in Deutschland Orte sind, wo die hier skizzierten Verrücktheiten auch in der Theologie diskutiert werden, etwa: Nutzen und Grenzen des Papsttums, Prieterweihe für Frauen als Chance, Homoehe als Bereicherung für die Gesellschaft, ökumenisches Abendmahl praktisch erprobt, liberale Theologie als Chance usw. In unserem Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon können wir nach 5 Jahren Erfahrung bestätigen, dass gerade in einer solchen bescheidenen philosophischen Basisinitiative ungewöhnliche, in der Sicht der Hierarchie auch verrückte Dinge diskutiert wurden, etwa im Blick auf die dogmatisch erstarrten Gottesbilder oder die Kirchenbürokratie, die den Geist tötet, wie der Theologe und Jesuit Karl Rahner so treffend sagte. Wir verteidigen also das Salon – Christentum und die Salon – Christen und dort, selbstverständlich gleichberechtigt willkommen, die „Nicht christen“ oder Atheisten, Menschen, die den freien und unzensierten Disput schätzen. Also: Außerhalb der Gemeinden und in neuen, freien Zusammenschlüssen werden gerade in Salons jene Themen angesprochen, die den Hierarchen als Verrücktheiten erscheinen müssen. Und dabei wird es bleiben, zumal sich immer weniger Menschen an die dogmatischen Vorgaben ihrer Religion halten können und halten wollen. Sie können sich dann also ganz im Sinne des Papstes – endlich einmal – als die so heiß geliebten „Verrückten“ fühlen – und die Verrücktheiten im Salon formulieren. Dabei sind sie dann eigentlich die „Normalen“ und Vernünftigen, wenn man das Feld religiöser dogmatischer Erstarrungen betrachtet.
PS: In einem unserer Salons haben wir uns kürzlich mit der Frage befasst: Können Philosophen Revolutionen auslösen? Zur Lektüre eines kleinen inspirierenden Textes klicken Sie hier.

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