Hüllenlos heilig. Jesus ist nackt. Eine Ra­dio­sen­dung am 2. Weihnachtsfeiertag

Hüllenlos heilig
Jesus ist nackt
Von Christian Modehn

Eine Ra­dio­sen­dung des Hessischen Rundfunks, 2. Progr., 26. 12. 2013, um 11.30 Uhr

Wer schamhaft leben will, zeigt sich höchst ungern nackt, schon gar nicht in der Öffentlichkeit. Diese Lehre hat die „klassische“ Moral des Christentums Jahrhunderte lang verbreitet, Prüderie wurde zur Tugend.
Heute entdecken Christen und mit ihnen Theologen, was sie eigentlich ständig sahen, aber nicht wirklich wahr – nehmen wollten: Nackt liegt Jesus, „das göttliche Kind“, in der Krippe. Und die Meister religiöser Kunst zeigen, wie Maria ihr nacktes Kind auf ihrem Arm trägt. Dabei wird „die Gottesmutter“ selbst noch mit freier Brust dargestellt. Und Jesus wird fast nackt auch am Ende seines Lebens den Augen der Glaubenden zugemutet: Der elende Leib des Erlösers ist eine Provokation für allen Schönheitswahn. Franz von Assisi wusste, dass Kleider das wahre Wesen verhüllen, schöne Gewänder sind Ausdruck von Macht. Darum hat er sich im Moment seiner Bekehrung aller Kleidung entledigt. Denn er wusste: Jesus zeigt, wie in „existentieller Nacktheit“ das Menschsein besser gelingen kann, in Offenheit, Wahrhaftigkeit und Schutzlosigkeit. „Nur in dieser Nacktheit kann ich dem nackten Gott begegnen“, sagt Jesuitenpater Klaus Mertes. „Hüllenlos heilig“ heißt das Programm derer, die auch zu Weihnachten dem nackten Jesus nacheifern wollen.