Papst Benedikt XVI: “Die rechte Hand Gottes”. Noch einmal publiziert anläßlich des Films “Verteidiger des Glaubens”von Christoph Röhl

Politisch – theologische Optionen Joseph Ratzingers
Von Christian Modehn, fertig gestellt am 22. 3. 2009

1. Regensburg

„Joseph Ratzingers Bruder ist der Chef der Regensburger Domspatzen. Aber das allein könnte eigentlich kein Grund sein, von Tübingen weg zu gehen“, bemerkte der katholische Theologe Karl Rahner in der ihm eigenen Ironie (1). Tatsächlich war es nicht die Liebe zur Musik, die Professor Ratzinger dazu führte, schon nach drei Jahren, 1969, seinen Dogmatik Lehrstuhl an der Universität Tübingen aufzugeben. Es war eher die Frustration darüber, dass z. B. sein Kollege Hans Küng sehr wohl mit den rebellierenden Studenten 1968 diskutieren konnte. Dem eher schüchternen Ratzinger aber war das „rebellische Aufbegehren“ zuwider. (2) Der Wechsel nach Regensburg wurde für die weitere Zukunft zur entscheidenden Neuorientierung. Karl Rahner betont: „Ratzinger hat eingestandenermaßen eine Wendung gemacht, als er von Tübingen nach Regensburg ging“. (3) An die theologische Fakultät in Regensburg wurde er nur deswegen berufen, weil ein ursprünglich für Judaistik bestimmter Lehrstuhl dort nicht besetzt werden konnte und der freie Platz nun in katholische Dogmatik umgewidmet wurde! Den Start in Regensburg empfand er als glücklich, wie er gesteht: „So war bald wieder das rechte universitäre Fluidum gegeben, das mir für meine Arbeit so wichtig war“ (4). Sein Dogmatik – Kollege war nun der konservative Johann Auer, ein Verteidiger mittelalterlicher Theologie und Liebhaber eines von der Tradition her geprägten römischen Lehrsystems. Hans Küng bezeichnete den Umgang des Dogmatikers Auer mit der Bibel eine “neuscholastische Steinbruchexegese” (5) Aber Ratzinger war mit Auer „in inniger Freundschaft verbunden“. (6), vor allem weil beide die Kirchenväter vom 1. bis 5. Jahrhundert über alles schätzten. Ratzinger beteiligte sich sogar an Auers Lehrbuch (!) „Kleine Katholische Dogmatik“. Mit dem Umzug nach Regensburg begann für Ratzinger die intensive Mitarbeit an der „Internationalen Katholischen Zeitschrift Communio“ , an deren Gründung er im Herbst 1969 beteiligt war. (7) „Communio“ erschien 1972 als Gegenprogramm zur internationalen progressiven Zeitschrift CONCILIUM, die an einer Fortschreibung des II. Vatikanischen Reformkonzils arbeitet, zahlreiche renommierte Konzilstheologen wie Rahner, Küng, Schillebeeckx gehören zu den Gründern. Bei „Communio“ sammelten sich von Anfang konservative Denker, etwa der erklärte Rahner-Gegner und konservative Ex- Jesuit Hans Urs von Balthasar, der CSU Kultusminister Hans Maier oder der CDU Publizist Otto B. Roegele. Er war Herausgeber des bischöflichen, „linientreuen“ Rheinischen Merkurs. Auch Karl Lehmann gehört von Anfang zum COMMUNIO Kreis! War er und ist er das etwas liberale „Alibi“ dieser Zeitschrift? Wichtig ist: Von Anfang an gehörte zum engen COMMUNIO Kreis auch Jorge Medina Estevez, ein Theologe aus Santiago de Chile. 1987 wurde er Bischof von Rancagua, später von Valparaiso. Dort war er als ein enger Freund des Diktators Pinochet bekannt, den er bis zu dessen Tod öffentlich verteidigte! Als Kardinal kümmerte sich Medina in Rom später sehr wohlwollend um die Versöhnung mit den Pius Brüdern. Und ihm kam die schöne Aufgabe zu, am 19. 4. 2005 sozusagen „urbi et orbi“ mitzuteilen, dass „Josephus Ratzinger“, sein bewährter „Communio – Freund“, zum Papst gewählt wurde.
So wirken Regensburger Verbindungen bis zur Papstwahl und zur Versöhnung mit den Piusbrüdern weiter. Wichtig ist, dass schon von Regensburg aus Joseph Ratzinger über Jorge Medina Kontakte vor allem zu Jesuitenpater Roger Vekemans in Chile bekam: Er schrieb schon 1973 gegen die Befreiungstheologie in „Communio“. Vekemans, auch er ein erklärter Feind von Staatspräsident Allende und allen Linken, gehörte auch seit 1976 mit dem Adveniat Chef und Opus Dei Freund Bischof Franz Hengsbach zu dem Studienkreis Kirche und Befreiung, der gegen diese lateinamerikanische Theologie der Armen polemisierte. Die Wurzeln von Ratzingers Feindschaft gegen die Befreiungstheologie liegen in Regensburg! Der damalige, für Ratzinger „zuständige“ Regensburger Bischof Rudolf Graber war ein unumstrittener Marienverehrer (Sein Motto: „Durch Maria zu Jesus“), er bewunderte vor allem die Wunder von Fatima. Überdies war er ein Verehrer der stigmatisierten Theresa Neumann von Konnersreuth. Als „leidenschaftlicher Mahner“ vor den Übertreibungen des II. Vatikanischen Konzils gehörte er auch zu den Autoren der von Ratzinger geprägten „Communio“. Bischof Graber imponierte wohl dem Theologen Ratzinger, weil sein Bischof ein Gegner alles „Modernistischen“ war und durchaus Sympathien hatte für die neu gegründete, explizit papsttreue Zeitschrift „Der Fels“. In einem Interview mit KNA vom 28. Juli 1989 legte Ratzinger noch einmal dar, „dass es auch viel Treue und Liebe zu Rom in der Katholischen Kirche in Deutschland gibt“. Treue und Liebe zu Rom: Das heißt Liebe zum Papst, zum Vatikan, zum „Römischen“, das wurde in Regensburg schon gepflegt! Unter einem Bischof wie Rudolf Graber muss sich Professor Ratzinger recht behütet gefühlt haben. Weitere Autoren von „Communio,“ die ein internationales Netz konservativer Denker knüpfte, waren die späteren Opus Dei Freunde Prof. Nikolaus Lobkowicz und der Philosoph Robert Spaemann.
In Regensburg trat eine andere Gestalt in Ratzingers Freundeskreis: 1975 wurde Kurt Krenn, ein bislang völlig unbekannter Theologe mit extrem wenigen Publikationen, in Regensburg Ratzingers Kollege im Fach Systematische Theologie. Diese verstand Krenn vor allem als scholastische neothomistische Doktrin. Ratzinger hat mit Krenn, wie er als Papst jetzt sagt, eine „alte Verbundenheit“. Auf die Liaison Krenn – Ratzinger wird später noch hingewiesen.

2. München

Als Professor Ratzinger am 28. Mai 1977 zum Erzbischof von München und Freising geweiht wurde, setzte sich die Regensburg – Connection fort: Zu den Bischöfen, die Ratzinger „weihten“, gehörte der bereits erwähnte Bischof Graber aus Regensburg und auch Bischof Stangl aus Würzburg. Dass Bischof Stangl von Ratzinger zur Weihe in den Liebfrauendom in München eingeladen wurde, verwundert insofern nicht, als auch Stangl und Ratzinger befreundet waren. Und daran ist erstaunlich: In Stangls Diözese Würzburg war ein Jahr zuvor, am 1. 7. 1976 in Klingenberg am Main, die Studentin Anneliese Michel infolge zahlreicher Exorzismus Sitzungen an Entkräftung gestorben. Die beiden Exorzisten, die Priester Arnold Renz und Ernst Alt, wurden wegen fahrlässiger Tötung zu Haftstrafen auf Bewährung verurteilt. Bischof Stangl als der verantwortliche Oberhirte muss ja von Amts wegen jeden Exorzismus genehmigen, er aber betonte, von „allem nichts gewusst zu haben“. „Die beiden Exorzisten deckten letztendlich Joseph Stangl und seine Berater, zu denen auch der damalige Theologie-Professor Joseph Ratzinger gehört haben könnte. Denn Stangl und Ratzinger hatten eine “tiefe Beziehung” (Main-Post, 6.9.2006) zueinander. Und es wäre unwahrscheinlich, wenn der heutige Papst von dem Exorzismus ebenfalls nichts gewusst hätte“. (8). Es ist bekannt, dass Benedikt XVI. bis heute den Exorzismus ausdrücklich verteidigt. Bei seiner ersten Generalaudienz 2005 ermunterte er die versammelten Exorzisten „weiterzumachen“…
Als Erzbischof von München hatte sich Ratzinger das für ihn so typische Motto „Cooperatores Veritatis“ gewählt. Als „Mitarbeiter DER Wahrheit“ fühlte er sich seitdem nun auch von seinem bischöflichen Amt her. Er hatte nichts Eiligeres zu tun, als die schon damals weltweit umstrittene missionarisch offensiv werbende, theologisch äußerst konservative und Papst – ergebene Gemeinschaft der „Neokatechumenalen“ in seinem Erzbistum zu etablieren. Das berichtet der Neokatechumenale Führer Giuseppe Gennarini aus den USA und er fährt fort: “Als Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre hat er uns später stets geholfen und in mehreren seiner Bücher den Neokatechumenalen Weg wirklich positiv bewertet“ (9)

Als „Mitarbeiter der Wahrheit“ betonte er schon in seiner Münchner Sylvesterpredigt, dass Gehorsam die Antwort auf die Wahrheit sei, weil der christliche Glaube eindeutig sei. Das sagte er in einer allgemein erregten Situation, weil sein Tübinger Kollege Hans Küng wenige Tage zuvor durch Maßnahmen der römischen Glaubensbehörde seine Lehrbefugnis als katholischer Theologe verloren hatte. Ratzinger sagte in München: „Im hochmütigem Verzicht auf die verbindliche Wahrheit stellt sich der Mensch Christus entgegen“ ( 10) Schon damals zeigte sich der „so bedeutende Intellektuelle“ als ein heftiger Kritiker der kritischen Vernunft: “Dem kirchlichen Lehramt ist es aufgetragen, den Glauben der Einfachen gegen die Macht der Intellektuellen zu verteidigen“(11). Hier klingen spätere Vorlieben Benedikt XVI. für populäre Volksheilige an, etwa für den angeblich stigmatisierten, von vielen Beobachtern aber als Scharlatan bezeichneten Kapuziner Pater Pio in Süditalien an, und auch an den völlig anti – intellektuellen Heiligen Pfarrer von Ars in Frankreich; dieser Johannes Vianney, der sich selbst „schlicht im Denken“ nannte, wird nun im Jahre2009 von Benedikt XVI. offiziell als Vorbild aller Priester gepriesen.
Als Mitarbeiter „der“ rechten Wahrheit zeigte sich Ratzinger beim Durchgreifen gegen aufmüpfige Pfarrer: Ungehorsam und eignes Denken haben in einem autoritären Denken keinen Platz. Deswegen wollte er im Sommer 1980 den Pfarrvikar Willibald Glas aus Arget aus seinem Amt entfernen: Dieser hatte dem Aufruf des Erzbischofs widersprochen, die Gemeinden sollten großzügig für den Peterspfennig spenden: Dadurch sollten die vatikanischen Finanzen saniert werden. Pfarrer Glas widersprach: Johannes Paul II, der so unmenschlich mit den Wiederverheiratet Geschiedenen umgeht, verdiene keine Geldspende. Der Kardinal war empört. Wegen deutlicher Solidarisierung der Laien mit ihrem Pfarrer durfte dann Glas im Amt bleiben. (12)
Auch seine theologischen Abneigungen gegen progressive, angeblich linke Theologen setzte Ratzinger in München durch. Als Nachfolger des Theologieprofessors Heinrich Fries wurde von der Münchner Theologischen Fakultät der kritische und „politische Theologe“ Johann Baptist Metz aus Münster, ein Freund des Konzilstheologen Karl Rahners, vorgeschlagen. „Der Kardinal Ratzinger hat in Zusammenarbeit mit dem Kulturminister (und Communio Mitarbeiter) Hans Maier, der Metz auch nicht mochte, bewirkt, dass 1979 das Ministerium Metz bei der Berufung überging“ (13), schreibt Karl Rahner. Metz hatte schon damals seine Sympathien für die Befreiungstheologie bekundet. Hans Maier hat als Präsident der Zentralkomitees der Deutschen Katholiken lange Jahre die Entwicklung der katholischen Kirche in seinem konservativen Sinne (im Einverständnis mit Kardinal Ratzinger) geprägt. Nur 4 Jahre konnte Joseph Ratzinger als Erzbischof gewisse Erfahrungen an der kirchlichen Basis machen.

3. Rom

Als Leiter der obersten Glaubensbehörde im Vatikan seit November 1981 hat er linke, kritische Theologen und Bewegungen bekämpft und ausgegrenzt, das ist bekannt. Weniger bekannt sind seine gleichzeitigen expliziten Vorlieben für eher rechtslastige Strömungen und Theologen in Kirche und Gesellschaft. Diese „rechte Vorliebe“ kann hier nur an exemplarischen Beispielen verdeutlicht werden. Sie zeigen aber einmal mehr, wo die Interessen des Kardinal Ratzinger bzw. Papstes liegen. Wer von der „rechten Seite“ her die Kirche schützen will, kann der Moderne angemessene demokratische Formen der Mitentscheidung von Laien in der Kirche, etwa im Rahmen von Nationalsynoden, nur als „Hirngespinst“ bezeichnen, wie der kanadische Jesuit Michael Fahey (im Januar Heft von Concilium 1989, S. 84) schreibt: „Für Ratzinger ist diese Idee einer gemischten Synode als einer permanenten Form höherer Autorität in der Kirche ein ausgewachsenes Hirngespinst. Auch kann er es sich nicht denken, dass je ein Laie Autorität über eine Diözese ausüben könnte“. Aufgrund dieser tiefen Abneigung gegen das Demokratische in der Kirche kann Ratzinger nur Gruppen anerkennen, die „Rom nicht nur lieben“, wie er gern sagt, sondern die auch die klerikale Macht- Struktur und den Vatikan als ein absolutistisches System ohne jegliche Kontrolle durch das viel beschworene „Kirchenvolk“ prinzipiell unterstützen und verteidigen. Die Psyche solcher Menschen, die sich für solche Verteidigung hergeben, ist ein eigenes, viel zu wenig bearbeitetes Thema…
Als Chef der obersten Glaubensbehörde ging es ihm darum, sein eigenes Verständnis von Glauben und Theologie, von Freiheit und Autorität, in der ganzen Kirche, ja möglicherweise in der westlichen Gesellschaft durchzusetzen. Karl Rahner hat diese Haltung von Anfang kritisiert. Er schreibt im Jahr 1984: „Wichtig wäre für Ratzinger, eindeutig und klar zu unterscheiden zwischen Ratzinger als Theologen mit seinen berechtigten, vielleicht auch problematischen Eigenmeinungen, und Ratzinger als Chef der Römischen Glaubenskongregation. Das sind zwei ganz verschiedene Sachen. Es ist selbstverständlich, dass ein römischer Prälat eine bestimmte theologische Meinung hat. Trotzdem darf er sie anderen nicht amtlich aufzwingen“. (14). Tatsächlich aber hat Ratzinger gemäß seinem bischöflichen Wahlspruch als „Mitarbeiter der Wahrheit“ seine Interpretation der Wahrheit, die er als ein ewiges und festes depositum fidei (“fix und fertiges Glaubensgut“) versteht, auch mit Zwangsmaßnahmen und unter Druck durchgesetzt. Die Liste der von Ratzinger z.B. ausgestoßenen, international hochgeschätzten Theologen ist sehr lang. Noch länger ist die Liste derer, die aufgrund dieses rigiden Systems sich von der römischen Kirche befreit haben. Ratzinger hat insofern als „Befreiungstheologe“ ganz besonderer Art gewirkt.
Wie stark die Verbundenheit Ratzingers mit rechten Gruppen ist, zeigt auch die Auswahl seiner Haushälterinnen: Als Kardinal in Rom versorgten ihn Frauen der geistlichen Gemeinschaft „Das Werk“, eine Gründung von „Mutter Julia Verhaghe“ aus Flandern, 1996 beschuldigten 2 Priester aus Limburg/Niederlande diese inzwischen internationale, auch in Deutschland arbeitende Bewegung würde sich sektiererisch benehmen und ihre Mitglieder unter schweren moralischen Druck setzen bei einer mittelalterlichen Spiritualität. Der zuständige holländische Bischof Wiertz durfte die Vorwürfe nicht untersuchen, weil „Das Werk“ direkt dem Papst unterstellt ist…(siehe Volkskrant, Amsterdam, 28.8.1996).
Im päpstlichen Palast kümmern sich jetzt Frauen der ebenfalls konservativen Bewegung „Comunione e Liberazione“ ums leibliche Wohl des Papstes. Diese internationale Bewegung war früher der Motor der italienischen Christdemokraten, heute steht sie Berlusconi sehr nahe.
Im Haushalt des Papstes geht ihm sein Privatsekretär zur Hand: Prälat Georg Gänswein hat Beziehungen zum Opus Dei: Er war als Kirchenjurist einige Jahre Dozent an der römischen Opus Dei Universität. Selbst wenn er nicht zum Opus gehören sollte: Diese Universität beschäftigt zweifelsfrei nur Leute, die der Opus Dei Richtung zumindest nicht kritisch gegenüber stehen!

Was Ratzingers theologischen Vorlieben für Deutschland betrifft, so ist seine Unterstützung für das im sehr konservativen Bereich angesiedelte „Forum deutscher Katholiken“ bemerkenswert. Das „Forum“ versteht sich als Alternative zu den immerhin ökumenisch interessierten Deutschen Katholikentagen. Das Forum deutscher Katholiken organisiert seit 2001 Jahrestreffen, bei dem sich das ganze einschlägige Spektrum eines explizit römischen Katholizismus versammelt. Mit dabei sind die Legionäre Christi, die Gemeinschaft der Seligpreisungen, das Opus Dei, die Totus Tuus Bewegung, die sich der so von Rom propagierten „Gesamthingabe“ befleißigen sowie Vertreter des deutschen Hochadels, die im Regnum Christi mittun, der Laienorganisation der Legionäre Christi usw. usw. „Kardinal Ratzinger war bei unserem ersten Treffen natürlich dabei und 2005 sollte er bei uns den Schlussgottesdienst halten, aber da war er schon Papst“, berichtet der Organisator Hubert Gindert. Er ist auch Chefredakteur der dem Papst noch aus Regensburger Zeiten bekannten Monatszeitschrift „Der Fels“. Gindert fährt fort: „Ich habe natürlich Kardinal Ratzinger damals auch aufgesucht in seiner Wohnung in Pentling bei Regensburg, dort hat er mir gesagt: Mir kommt es nicht auf die große Zahl an. Mit kommt es darauf an, ob es in der Kirche missionarische Zellen gibt“. (15)
Es ist kein Wunder, dass Kardinal Ratzinger von Anfang auch die „missionarischen Zellen“ der traditionalistischen Petrus Brüder unterstützte, jene Priester, die sich 1988 von Erzbischof Lefèbvres Gruppen losgesagt haben, aber treu die alte lateinische Messe weiter feiern dürfen. In deren Priesterseminar Wigratzbad in Bayern war Kardinal Ratzinger neben den ebenfalls ultrakonservativen Kardinälen aus Österreich Groer, Stickler und Mayer gern gesehener Gast! (16)
Die tiefe Verbundenheit mit diesen Kreisen ist bei Ratzinger sicher auch in der Sehnsucht nach der gehorsamen und uniformen, in sich geschlossenen, „schönen“ Kirche der Kindheit und Jugend begründet. Aber auch harte Berechnung ist dabei: Denn die ultrakonservativen Priestergemeinschaften, wie die Petrus Brüder oder die Legionäre Christi, haben viele Priesteramtskandidaten, die mit Begeisterung ihre klerikale Identität im schwarzen Priestergewand bekennen und Gehorsam als oberste Tugend praktizieren. Diese Kreise sollen in der Sicht Ratzingers die Macht der alten klerikalen Kirche retten!

Auch in Österreich hat Kardinal Ratzinger stets auf die kleinen, absolut kirchentreuen und rechtslastigen Kreise gesetzt, etwa auf den „Linzer Priesterkreis“. Ende der 1980Jahre war Ratzinger Referent bei den jährlichen Sommerakademien in Aigen, wo er schon damals ausdrücklich die lateinische Messe verteidigte. Ständige Referenten waren die Kardinäle Scheffczyk vom Opus Dei oder der konservative Dogmatiker Prof. Anton Ziegenaus.
Schon früh ist also Ratzinger bestens mit Oberösterreich vertraut. Auch der nach heftigen Protesten zurückgetretene Linzer Weihbischof Gerhard Maria Wagner gehört diesem Priesterkreis an (17). Der Linzer Priesterkreis wurde entscheidend geprägt von Ratzingers Freund und ehemaligen Regensburger Kollegen Kurt Krenn. 1987 wurde er zur Überraschung aller Insider zum Weihbischof in Wien ernannt, offenbar hatte sein Freund Ratzinger daran mitgewirkt: „Die Wiener wunderten sich noch mehr darüber, dass dem neu ernannten Weihbischof Krenn besondere Verantwortung für die Welt der Kunst, Literatur und Wissenschaft übertragen wurde. In einem Fernsehinterview konnte er keinen einzigen zeitgenössischen österreichischen Künstler, Maler, Dichter, Bildhauer, Schriftsteller, Musiker oder Wissenschaftler nennen. Das war beunruhigend. Der wahre Grund, warum Krenn ernannt wurde, war der, ein Wachhund über die österreichische Bischofskonferenz zu sein, wo er, trotz seines Status als dienstjüngster, dadurch Gewicht bekam, dass er als einer galt, der “das Ohr des Heiligen Vaters hatte“. (18) 1991 wurde Krenn zum Bischof von Sankt Pölten ernannt: Dort konnten sich ohne römischen Widerspruch etliche spirituell extrem konservative Gruppen etablieren, die selbst aus bayerischen Diözesen wegen ihrer reaktionären Haltung vertrieben wurden, wie der Orden „Servi Jesu et Mariae“, wörtlich übersetzt „Sklaven Jesu und Mariens“. Im Ort Blindenmarkt hat dieser Orden seine Zentrale. Gründer ist der als Initiator der konservativen „Pfadfinder Europas“ bekannte ehemalige Jesuit Pater Andreas Hönisch. Über Krenns autoritäres und für die meisten Laien und Priester unerträgliches Regieren wurde vielfach berichtet, so z.B. von dem früheren Abt von Geras, Joachim Angerer (19) Nach einer Pornografie – Affäre und offensichtlicher homosexueller Kontakte zwischen Seminarleitung und Studenten in seinem Priesterseminar gab Krenn 2004 sein Bischofsamt auf. Seit der Zeit ging es ihm gesundheitlich nicht gut. Am 18.6. 2005, wenige Wochen nach seiner Papstwahl, hatte sein alter Freund und Gönner, Joseph Ratzinger, nichts Eiligeres zu tun, als ihm einen salbungsvollen Brief zu schreiben. Dieses Dokument muss allen, die unter dem Regime von Bischof Kurt Krenn gelitten haben, wie eine Ohrfeige erscheinen. Der Brief offenbart auch die (wahre?) spirituelle Dimension des gegenwärtigen Papstes: Hier nur einige Zitate aus dem handschriftlich unterzeichneten Brief: „Lieber Mitbruder! Wie ich höre, leidest du an Leib und Seele. So liegt es mir am Herzen, Dir ein Zeichen meiner Nähe zukommen zu lassen. Seit langem bete ich jeden Tag für dich! …. Unser Herr hat uns letztlich nicht durch seine Worte und Taten, sondern durch seine Leiden erlöst. Wenn der Herr dich nun gleichsam mit auf den Ölberg nimmt, dann sollst du wissen, dass du gerade so ganz tief von seiner Liebe umfangen bist und im Annehmen deiner Leiden ergänzen helfen darfst, was an den Leiden Christi noch fehlt (Kol 1, 24) Ich bete sehr darum, dass dir in allen Mühsalen diese wunderbare Gewißheit aufgeht……. Von Herzen sende ich dir meinen apostolischen Segen. In alter Verbundenheit! Dein Papst Benedikt XVI. (20).
Die Formulierungen dieses Briefes sind von einer traditionalistisch anmutenden Frömmigkeit geprägt, die ein Lefèbvre treuer Piusbruder wohl nicht anders formulieren könnte, einmal abgesehen davon, dass jeglicher kritische Hinweis auf Krenns unsägliches Verhalten fehlt, etwa seine viel besprochene Nähe zu dem rechtskonservativen Populisten Jörg Haider FPÖ. Kurt Krenn zierte sich auch nicht, ins offizielle Kondolenzbuch für diesen tödlich verunglückten Politiker zu schreiben: „Hochgeschätzte Trauerfamilie,
darf ich Ihnen mein tiefstes Mitgefühl zum so plötzlichen und unerwarteten Tod des Herrn Landeshauptmannes Dr. Jörg Haider aussprechen. Ich durfte mit ihm einige Male zusammentreffen und lernte ihn als integren Menschen und interessanten Gesprächspartner kennen… Im Gebet Ihrer gedenkend, Ihr + Kurt Krenn“ (21). Diese Worte des Ratzinger Freundes sind eine Schande, wenn man bedenkt, welche Hetzreden Haider gegen Ausländer zum Beispiel führte…
Bei seinem Besuch in Österreich ließ es sich Benedikt XVI. nicht nehmen, die ebenfalls als Hort der Tradition bekannte Klosterhochschule Heiligenkreuz bei Wien zu besuchen, die er kurz vor seinem Besuch im September 2007 noch im Januar desselben Jahres zur „Päpstlichen Hochschule“ erhoben hatte. Weihbischof Andreas Laun, extrem konservativer Theologe aus Salzburg, gehört dort zum Lehrkörper… Die Liebe Benedikts XVI. zu Heiligenkreuz hat zwei Gründe: Viel „klassischer Priesternachwuchs“ und die „ewige“, die klassische Theologie!
Manche theologischen Vorschläge Ratzingers finden dann auch Interesse im politisch explizit rechtsextremen Milieu. Das “Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW)“ hat den AULA Verlag in Graz als rechtsextrem eingestuft. Dort wurde 1998 in der von Otto Scrinzi herausgegebenen Festschrift „1848 . Erbe und Auftrag“ Ratzingers COMMUNIO Beitrag von 1995 mit dem Titel: „Freiheit und Wahrheit“ nachgedruckt. Auch wenn dieser Beitrag nicht explizit rechtsextrem ist: Erstaunlich ist es schon, wenn Herausgeber überhaupt auf den Gedanken kommen, Ratzinger in ihrem eigenen Umfeld zu präsentieren. Dem “Spiegel” liegt der Schriftverkehr des Vatikans mit dem Aula Verlag vor, aus dem hervorgeht, dass der damalige Sekretär des Kardinals, Josef Clemens, der Publikation des Aufsatzes ausdrücklich zustimmte. Der Aula Verlag hatte Arbeiten des Holocaust Leugners Walter Lüftl gelobt, woraufhin sich sogar die FPÖ vom Verlag distanzierte(22). Der Aula Verlag wirbt in seinem Internetauftritt für das umstrittene Buch über 1848 bis heute (21. 3. 2009) mit dem ausdrücklichen Hinweis „Mit einem Beitrag von Kardinal Ratzinger“. Dem Papst scheint dieser Hinweis nicht unangenehm zu sein, oder er liest nicht die internationale Presse, die seit dem 14..3. 2009 über diese Zusammenhänge berichtet.

Auch in Frankreich hat Joseph Ratzinger immer wieder bewiesen, dass er zu rechtslastigen und ultrakonservativen Gruppierungen eine besondere Nähe, wenn nicht Fürsorglichkeit hat. Typisch ist sein Bemühen um Versöhnung mit dem ursprünglich schismatischen, Lefebvre hörigen Kloster Sainte Madelaine in Le Barroux bei Avignon. 1989 kehrte das Kloster mit Abt Calvet wieder in den „römischen Mutterschoß“ zurück, weil die Mönche den Papst formal anerkannten; die alte neu-thomistische Theologie des 19. Jahrhundert wird dort weiter verbreitet und die Messe natürlich im Ritus des 16. Jahrhundert nach den Weisungen Pius V. weiterhin zelebriert. Zahlreiche Zeitungen hatten seit den 1980Jahren die engen Verbindungen von Abt Calvet mit rechtsextremen Politikern aus der Partei Front National (FN, Führer: Jean Marie le Pen) nachgewiesen. Bernard Antony, der „national- katholische“ Europa Abgeordnete dieser Partei, ist genauso eng mit dem Kloster verbunden wie der ebenfalls dem FN nahe stehende Publizist Jean Madiran. Er hat mit Abt Calvet Interviews in dem mit dem FN sympathisierenden „Radiosender Courtoisie“ geführt. Der nationale Katholik Jean Madiran hatte 1995 eine Gedenkfeier für den bekannten französischen Nazi Propagandisten Robert Brasillach (hingerichtet 1945) gehalten…
Diese Zusammenhänge waren dem „Mitarbeiter“ der offenbar nur göttlichen, nicht aber politischen „Wahrheit“ Joseph Ratzinger egal! Als diese Mönche dort ihr Messbuch nach den Weisungen des 16. Jahrhunderts herausgaben mit den entsprechenden Weisungen, am Karfreitag für die abtrünnigen Juden zu beten, schrieb Kardinal Ratzinger 1990 das Vorwort. (23) Das Messbuch ist noch heute in Klosterladen dort zu haben. Im September 1995 besucht Ratzinger als der oberste Glaubenchef das Kloster und feierte dort die Messe. Offenbar ist er dort sehr angetan, weil die vielen jungen Mönche noch die radikale Tonsur tragen und die alten Mönchsgewänder lieben. (24)
Benedikt XVI. hat am 6. September 2006 das ebenfalls im rechts außen angesiedelte „Institut du Bon Pasteur“ (Institut vom Guten Hirten) in Bordeaux zugelassen. Ein eigenes Priesterseminar „Sankt Vinzens von Paul“ wurde auf dem Besitz des Marquis de Gontaud-Biron in der Diözese Chartres erricht. Der oberste „gute Hirte“ ist der ehemalige Lefèbvre Priester Philippe Laguérie. Er hatte 1987 den rechtsextremen Politiker Le Pen offen verteidigt, als dieser behauptete es gäbe keine Gaskammern. „Die Thesen der negationistischen Professoren Roques und Faurisson, auf die sich Le Pen bezieht, sind perfekt wissenschaftlich“, meinte er damals. Pater Laguérie war Pfarrer von Saint Nicolas du Chardonnet in Paris, die seit 1977 von Traditionalisten besetzt wird, 1994 wollte Laguérie in Paris erneut eine Kirche dem Bistum Paris durch Besetzung entwenden, aber die Polizei griff diesmal ein. Er hat ein Requiem gehalten für Paul Touvier, den antisemitischen Chef der Miliz aus der Pétain Zeit. (25) Sein Mitbruder in Bordeaux ist Père de Tanoüarn, er war Mitarbeiter der rechtsextremen Zeitung „Choc du mois“ und des Le Pen Senders „Radio Courtoisie“. Jetzt sind diese Priester mit Zustimmung Benedikt XVI. wieder mit Rom vereint. Sie können nun offiziell katholisch inmitten der Kirche ihre rechtsextremen Gedanken verbreiten.
Internationale Verbindungen gibt es längst. Nur ein Beispiel: Probst Gerald Gösche von der ebenfalls mit Rom versöhnten Traditionalisten Gemeinschaft des Oratoriums Philipp Neri in Berlin (von Berlins Kardinal Sterzinsky wurde die Gründung genehmigt) gratulierte Pater Laguérie zu seiner neuen Rolle als guter Hirte in Bordeaux, Gösche hatte übrigens auch gute Beziehungen zum Kloster La Madelaine mit Abt Calvet. (26)
Auch an der Absetzung des linken, progressiven und von vielen Menschen außerhalb der Kirche hoch geschätzten Bischofs von Evreux, Jacques Gaillot im Jahr 1995, war das mit Rom versöhnte und von Ratzinger geschätzte Kloster in Le Barroux beteiligt: „Gruppen wie das Opus Dei und der Abt des Klosters in Le Barroux wurden in Rom zu meiner Sache gehört. Sie hatten sich geschworen, meine Haut zu bekommen. Jetzt haben sie sie, diese Leute haben gewonnen“ (27). Seit der Zeit seiner Degradierung und Bestrafung lebt der so beliebte Bischof Gaillot als Oberhirte des virtuellen Wüstenbistums Partenia in einem Zimmerchen im Kloster der „Väter vom Heiligen Geist“ in Paris. Und als der in die Wüste geschickte Bischof Gaillot im Oktober 2004 einen Vortrag in Bonn halten wollte, wurde ihm von Kardinal Meisner (Köln) ein Redeverbot erteilt. Vom „Kölner Stadt Anzeiger“ wurde Gaillot aus diesem Anlass die Frage gestellt: „Haben sie den Eindruck, dass Meisner versucht, Kardinal Ratzinger und vielleicht auch den Papst persönlich gegen sie zu mobilisieren?“ Da antwortete Bischof Gaillot: „Ja, das befürchte ich. Ich gehe davon aus, dass es da enge Kontakte gibt, die meine Person betreffen… meine Liberalität macht Angst“
(28)

4.
Die Beispiele für die konservativen Vorlieben Joseph Ratzingers und für seinen entschiedenen Kampf gegen alle Liberalen, Linken, freiheitlich gesinnten Katholiken könnte für viele Länder fortgesetzt werden. Interessant ist, dass er in Deutschland bislang völlig unbekannte, aber bereits machtvolle rechtslastige Orden fördert. Dazu gehört das „Instituto del Verbo Incarnato“ aus Argentinien, das inzwischen über 500 vor allem junge Mitglieder zählt. Dieser offizielle, römisch – katholische Orden ist ausdrücklich dem argentinischen Nationalismus eng verbunden. Er will „die reinen und natürlichen Werte Argentiniens“ gegen die Atheisten verteidigen. „Dieser Orden will die Gesellschaft bestimmen in Fragen der Politik, der Moral, der Erziehung“, berichtet die argentinische Soziologin Prof. Veronica Gimenez Beliveau in einem Artikel für „Courrier International“. Zahlreiche Bischöfe Argentiniens haben diesem Institut verboten, ein Priesterseminar zu eröffnen. Im Jahr 2001 fand sich Kardinal Ratzinger bereit, diesen bischöflich umstrittenen Orden in seinem eigenen Bistum Velletri-Segni in Italien anzusiedeln. Dazu muss man wissen. Kurienkardinäle sind immer auch dem Titel nach Bischöfe“ eines bestimmten Ortsbistums, so ist eben Kardinal Ratzinger Bischof von Velletri-Segni, Italien. Das „Institut vom Inkarnierten Wort“ hat darum gejubelt und so wörtlich der „Vorsehung gedankt“, als „Ihr Titularbischof“ auch noch Papst wurde (29). Die internationale Kulturzeitschrift „Courrier International“ gab ihrem Beitrag über den Orden den Titel: „Die Soldaten des Inkarnierten Wortes : wie im Mittelalter“. Inzwischen arbeiten diese jungen „dynamischen Missionare“ in vielen Ländern der Erde, darunter in Holland, Island und Grönland.

Zum Schluss muss noch auf Spanien hingewiesen werden, weil der Kampf zwischen fundamentalistischen Papst Fans und einer modernen Demokratie am heftigsten tobt. Am 28. Oktober 2007 hatte Benedikt XVI. fast 500 Opfer aus dem Spanischen Bürgerkrieg selig gesprochen, sie alle kämpften auf der „rechten Seite“, also auf Seiten des „Erzkatholiken“ und Dikators Franco. Dass es auch Priester und katholischen Laien gab, die ihr Leben im Rahmen der Volksfront gegen den Faschismus einsetzten, wurde vom Papst gen übersehen. So wurde die Seligsprechung zur späten Verklärung des Kreuzritters Franco und zur deutlichen politischen Kritik am sozialistischen Spanien von heute, wo so „gottwidrige Dinge“ passieren, wie die völlige Gleichberechtigung homosexueller Paare. Die oppositionelle „Volkspartei PP“ jubelte natürlich über diese politische Massenseligsprechung. Zwar hat Benedikt XVI. diese Zeremonie nicht selbst vorgenommen, aber sie geschah in bestem Einvernehmen mit ihm als dem Verantwortlichen für alle Selig – und Heiligsprechungen. Benedikt XVI. hat jetzt einen der heftigsten PP Anhänger und Verteidiger der „alten spanischen Ordnung“, Kardinal Canizares von Toledo, nach Rom berufen, er soll sich als oberster Chef um die „rechte Gestalt der Gottesdienste“ kümmern…Die vatikanische Bürokratie wird immer mehr zur Ansammlung sehr konservativer Kirchenfürsten und untergeordneter Prälaten, diese Entwicklung hatte unter Papst Johannes Paul II. bereits begonnen.
So schließt sich der Zirkel einer in sich abgeschotteten, antimodernen Kirche, die wesentlich von Joseph Ratzinger bestimmt wird. „Können sogenannte Sekten auch viele Millionen Mitglieder zählen“ ?, fragen sich kritische Intellektuelle im Blick auf den Zustand der römischen Kirche heute. Sie wissen natürlich, das allein schon die Frage vom „Hof“, also vom Vatikan, bestraft werden könnte…

Diese kurzen Beobachtungen zeigen: Die Liebe Joseph Ratzingers zu allem Rechtslastigen zieht sich wie ein „roter (?) Faden durch sein Leben „seit Regensburg“. Darum ist die Aufhebung der Exkommunikation der 4 traditionalistischen Bischöfe der Pius – Bruderschaft keine „Ausnahme“ und kein „Versehen“. Joseph Ratzinger wähnt sich als „Mitarbeiter DER Wahrheit“ wohl als die „rechte Hand Gottes“.

PS:
Wenn in dieser kleinen und unvollständigen Übersicht häufig das etwas plakative Wort „konservativ“ verwendet wird, so steht es in diesem Zusammenhang als Symbol für anti – feministisch, anti-emanzipatorisch, für schwulenfeindlich und eher anti-ökumenisch, und „mit Vorbehalt demokratisch usw., um dem Leser diese Aufzählungen dieser Prädikate ständig zu ersparen, verwende ich das zusammenfassende und keineswegs, wie man sah, „abgegriffene“ Symbol „konservativ“.

Quellenangaben

1) Karl Rahner, Bekenntnisse, Wien – München 1984, S. 40

2) berichtet Prof. Hermann Häring, 1968 Theologiestudent in Tübingen, in einem Interview mit dem Autor im Jahr 2007.

3) Karl Rahner, ebd.. Die gleiche Meinung hat der Theologe Wolfgang Beinert, in: „Der Theologe Joseph Ratzinger“, 1977, Kösel Verlag, S. 4.

4) Zitiert die internetzeitung tagespunkt vom 1. 9. 2006, http://www.tagespunkt.de/

5) Hans Küng, Theologie im Aufbruch 1987.

6) Ulrich Lehner, Artikel Johann Auer, siehe http://www.bautz.de/bbkl/a/auer_j.shtml

7) Joseph Ratzinger, Symposium vom 28. Mai 1992 anläßlich des 20jährigen Bestehens von COMMUNIO an der Gregoriana, Rom, S. 3

8) siehe: www.theologe.de/bischof_josef_stangl.htm

9) Zenit, Informationsdienst der Legionäre Christi, 9.1.2006

10) Süddeutsche Zeitung vom 2. 1. 1980, ein Beitrag von Rosel Termolen.

11) ebd. Ein Argument, das immer wiederkehrt: “Die sehende Sicherheit des Glaubens ist oft weit mehr zu Hause
als da, wo Reflexion großgeschrieben wie. Umgekehrt macht der Intellekt nicht immer sehend“. Ratzinger in: „Die Situation der Kirche heute“, Köln 1977, S. 24 f.

12) Hartmut Meesmann, in „Die Zeit“ vom 23. 1. 1981

13) Karl Rahner, ebd. S 42.

14) Karl Rahner, ebd. S 40f.

15) Hubert Gindert in Kaufering in einem Interview mit dem Autor 2006.

16) siehe die Internetseite der Petrusbrüder http://fssp.eu

17) Josef Bruckmoser, Salzburger Nachrichten vom 3.Februar 2009.

18) The Tablet, Katholische Wochenzeitung in London, 21. 2. 1991

19) Joachim Angerer, als progressiver Abt eines Prämonstratenser Klosters, selbst ein Krenn-Geschädigter, schrieb u.a. das Buch „Österreich nach Krenn und Co“, Wien 2000.

20) Dieser bemerkenswerte Brief ist (noch) nachzulesen unter: http://stjosef.at/bischof .k.krenn, unter der Rubrik News.

21) siehe das Jörg Haider Kondolenz Buch unter: http://kondolenz.ktn.gv.at/default.aspx?SIid=95&page=12

22) http://aula.buchdienst.at/buecher/?id=445

23) La Vie, Paris, L Hebdomadaire Chrétien d Actualité, Num. 3309, 29. Janvier 2009, S. 28.

24) Henri Tincq, Le Monde, Paris, 14. 06. 1998.

25) siehe im Internet: http://intransigeants.wordpress.com/2008/08/10/vive-labbe-laguerie/
auch
http://fr.wikipedia.org/wiki/Philippe_Lagu%C3%A9rie

26) Probst Gösche in einem Interview mit dem Autor in der Kirche St. Afra Berlin im Jahr 2003. Auf seine „freundlichen Kontakte den reaktionären Benediktinern von „Le Barroux“ wird im Internet http://www.institut-philipp-neri.de/institut immer noch verwiesen!

27) in: Elie Maréchal, L Affaire Gaillot, Paris 1995, Seite 189, das Interview fand am 5. Februar 1995 im Ersten Französischen Fernsehen TF 1 statt.

28) Harald Biskup interviewt Jacques Gaillot, Kölner Stadtanzeiger, 26.10.2004.

29) Courrier international. Hors Serie: „Au nom de Dieu. Pourquoi les religions se font la guerre.“ Mars 2007, Seite 62.

Zur Verehrung des „Instituts des Inkarnierten Wortes“ für ihren Gönner Joseph Ratzinger: Siehe auch deren Internetseite: http://www.ive.org. Die hier genannte Information findet sich unter “Noticias“ vom 4/20/2005 mit dem Titel: „El Papa Benedicto XVI era nuesto obispo titular“.

Vor 30 Jahren (am 30.6.1988) spaltete Erzbischof Marcel Lefèbvre die katholische Kirche

Warum sollen eigentlich Mitglieder einer in jeder Hinsicht reaktionären traditionalistischen Kirche wieder  “katholisch” werden?

Ein Hinweis von Christian Modehn

Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie ist kirchlich nicht gebunden, im Unterschied zur Theologie. Darum können religionsphilosophisch Fragen erörtert und Erkenntnisse angstfrei präsentiert und verbreitet werden, die nicht in den von Bischöfen und Päpsten kontrollierten katholisch theologischen Betrieb passen. Am Ende dieses Beitrags wird darauf verwiesen, dass in Buenos Aires, wo Papst Franziskus als Erzbischof einst wirkte, die Traditionalisten inzwischen offiziell als Teil des Bistums anerkannt sind. Mit Zustimmung von Papst Franziskus! ….

Seit 30 Jahren will der Vatikan die in jeder Hinsicht reaktionären Pius-Brüder (Traditionalisten) in die Papstkirche zurückholen. Warum bloß? Warum lässt man diese Leute nicht ihren eigenen Weg weiter gehen und kümmert sich nicht weiter von Rom aus um sie? Warum braucht der Papst diese reaktionären Leute? Warum interpretiert Rom den wunderbaren Satz Jesu von Nazareth „Ich will, dass alle eins seien“ (Joh., 17,21) in dem römischen Sinne, als dachte Jesus von Nazareth auch nur im entferntesten daran: „Alle sollten wieder unter die Kontrolle Roms kommen und so „eins“ sein? Dabei wollte doch Jesus nur die Verbundenheit aller Menschen mit dem Göttlichen bezeugen…

Also: Anlässlich der Erinnerung an die 30 jährige Kirchenspaltung müssen endlich einmal ganz andere Fragen diskutiert werden: Fragen nach der religiösen, klerikalen Macht, Fragen zur „Einheit“ und: Ob etwa die noch in dieser Kirche verbliebenen Katholiken wirklich die Einheit mit den allseits reaktionären Lefèbvre Leuten wollen und diese Einheiten wünschen oder sogar „brauchen“.

Vor 30 Jahren spaltete der katholische Erzbischof Marcel Lefèbvre die katholische Kirche: Er weihte vier seiner traditionalistischen, aber römisch–katholischen Priester zu Bischöfen seiner „Bewegung“, und dies ohne Erlaubnis des Papstes! So sind nun einmal die Regeln des katholischen Kirchenrechts in Fragen der Bischofsweihe: Der Papst muss alles im Griff haben, weltweit und immer…. Erzbischof Lefèbvre, der sich stets für einen Erzkatholiken, für einen Ultra–Treuen, hielt, ignorierte also mit vollem Bewusstsein das Recht der Kirche. Er wollte unbedingt über seinen Tod hinaus durch vier Bischöfe seine eigene Kirche, die Traditionalisten, fortleben lassen. Ohne Bischöfe gibt es nun mal keine katholische Kirche. Diese wollte Lefèbvre auf seine Art fördern, aber eben bewusst außerhalb des päpstlichen Einflussbereiches. Also wollte Lefèbvre eine eigene Kirche, eine neue, eine explizit traditionalistische Kirche. Diese Bischofsweihe war ein schismatischer Akt, also eine Abspaltung von “der” Kirche, später wurden die vier traditonalistischen Bischöfe auch exkommunziert!

Im theologischen Zentrum dieser traditonalistischen Kirche steht: Keine Anerkennung der Beschlüsse des 2. Vatikanischen Reformkonzils. Lefèbvre und die Seinen träumen von einer angeblich „ewigen Kirche“, die wegen historischer Unkenntnis Lefèbvres für ihn tatsächlich mit den Strukturen, Lehren und Liturgien des 16. Jahrhunderts bis hin zu Papst Pius X. identisch ist. Kirchliche Entwicklung endet also für Lefèbvre genau im Jahr 1922: Da erstirbt alles Lebendige für ihn. (Ich empfehle für ein psychologisches Verstehen der Lefèbvre Kirche das Buch von Rainer FUNK, “Frömmigkeit zwischen Haben und Sein”, Benziger verlag, 1977, antiquarisch hoffentlich noch zu haben).

Als eigene Traditionalistenkirche (so bezeichnen sie sich selbst nicht, sie sind es aber de facto) verfügen die Piusbrüder mit Bischöfen, Priestern, Klöstern, Priesterseminaren, Schulen, Altenheimen über ein weltweites Netz von über 160 Prioraten und 750 Kirchen, wo die Messe im Stil des 16. Jahrhundert gelesen wird: Der Priester flüstert ein paar Worte am Altar, die Gemeinde betet dabei den Rosenkranz. Etwa 640 Priester gehören zur Bruderschaft, die Zahl der Anhänger wird nie exakt mitgeteilt, sie liegt zwischen 600.000 und 150.000 weltweit.

Philosophisch und in meiner liberal-theologischen Sicht ist es zunächst ja überhaupt nicht schlimm, eine eigene, auch eine traditionalistische katholische Kirche zu begründen. Warum sollte man das verbieten, wenn der Glaube einiger Leute in diese Richtung geht? Problematisch ist es ja nur, wenn, wie nachweislich, Lefèbvre und seine Leute äußerst rechtslastige politische Vorlieben dokumentiert haben, etwa für den chilenischen Diktator Augusto Pinochet oder den spanischen Diktator Franco oder für Jean Marie le Pen und sein Front National..

Problematisch ist zweierlei:
Bis heute behaupten die Traditionalisten, also die bekannten Pius–Brüder, die einzig wahre katholische Kirche zu sein. Auch das können sie ja behaupten. Nur: Sie wollen eben: Der Rest, also die jetzige römische Kirche mit ca 1,2 Milliarden Mitgliedern, sollte eigentlich genauso traditionalistisch werden wie sie selbst.

Noch erstaunlicher ist: Seit der Gründung einer eigenen traditionalistisch-katholischen Kirche ist der Vatikan, der gesamte Hofstaat, die Kurie, sind also die Päpste und alle Kardinäle, in höchster Alarmstufe: Sie sagen: Es darf doch nicht sein, dass da jemand ein katholisches Konkurrenz-Unternehmen gründet. Kirchengründungen innerhalb des eigenen Feldes duldet der römische Katholizismus überhaupt nicht. Man begründet dies –exegetisch sind diese Herren dabei höchst ungebildet – mit dem Spruch Jesu „Ich will, dass alle eins seien“. Das heißt in Rom: Alle sollen eins sein in der Folgsamkeit gegenüber dem Papst.

Katholische Kirchengründer katholischer Alternativkirchen sind in Rom „das letzte“, höchst unwillkommen: Jedenfalls hatte der Papst ja auch mit dem sehr exzentrischen Erzbischof Emmanuel Milingo (heutiges Zimbabwe) zu kämpfen, der 2006 exkommuniziert wurde. Zu reden wäre von anderen Spaltungen, wie der Gründung der unabhängigen katholischen „Aglipaykirche“ auf den Philippinen mit 3 Millionen Mitgliedern heute; selbst in Lateinamerika gibt es katholische eigenständige katholische Kirchen, wie etwa die Iglesia Catolica Apostolica Columbiana! Oder man denke an die Spaltung in der Römisch – Katholischen Kirche in der Tschechoslowakei, die 1920 zur Gründung der bis heute bestehenden „Tschechoslowakischen hussitischen Kirche“ führte, diese Kirche kennt keinen Zölibatszwang, dafür aber das Priestertum der Frauen…Auch in Polen gibt es unabhängige katholische Kirchen. Das ist philosophischen oder gar protestantisch theologischem Standpunkt überhaupt nicht schlimm.

Die Liste der Spaltungen von der römisch-katholischen Kirche nach der Reformation Luthers ist lang: Darüber wird aber kaum theologisch und historisch gearbeitet: Aber es gab immer einige, die sich dem Machtanspruch Roms widersetzten! Erwähnt werden müssen auch die verschiedenen Formen der „Altkatholischen Kirche“ (in Holland seit dem 18. Jahrhundert, in Deutschland nach dem 1. Vatikanischen Konzil) usw…Sie kennen nicht das Zölibatsgesetz und rekrutieren ihre Pfarrer oft aus römisch – katholischen Priestern, die mit dem Zölibatsgesetz nicht einverstanden sind.

Das Problem ist, dass jetzt im Umfeld der Kirchengründung durch Lefèbvre wieder eine Abspaltung von Rom sichtbar wird und damit eine Schwäche in der römischen Kirche deutlich wird, kurz, dass die Macht Roms irgendwie weiter bröckelt. Und das darf nun gar nicht sein. Wobei die römischen Behörden ja auch gar nicht fragen, ob denn alle, die sich römisch katholisch heute noch in Alaska Ghana oder Indien, nennen, wirklich alle die Dogmen der Kirche so exakt glauben, wie Rom es will. Die innere Verschiedenheit des Glaubens innerhalb der 1,3 Milliarden Katholiken wird gern ignoriert. Nur die „harten Fälle“, also die schismatischen Kirchengründer, werden verfolgt.

Rom will jedenfalls ganz entschieden die Rückkehr der Traditionalisten in die offizielle Papstkirche. Dabei werden durch die Piusbrüder selbst und auch durch die vatikanischen Kirchen die Tatsachen verschleiert: Man spricht nicht offiziell von einer „traditionalistischen Kirche“. Man tut auf beiden Seiten so, als wäre man doch prinzipiell einer Meinung, speziell hinsichtlich des Papsttums im allgemeinen…

Und so sind auch seit 1988 ständig und mit viel Aufwand Versuche vom Vatikan unternommen worden, diese Traditionalistenkirche wieder mit dem jetzigen Papst zu versöhnen. Da wurden einerseits Spaltungsversuche innerhalb der Traditionalistenszene durch Rom gemacht, indem der Papst eine päpstliche Traditionalistenbruderschaft gründete mit dem Titel St. Petrus Bruderschaft; einzelne Traditionalistenklöster, wie das reaktionäre Benediktinerkloster Le Barroux in Frankreich, wurden mit dem Papst versöhnt. Die rechtsextreme Haltung der Mönche blieb davon unberührt.

Auch (manche würden noch sagen sogar) Papst Franziskus tut vieles, um diese Brüder wieder in den Schoß von Mutterkirche zurückzuholen.

Warum gibt sich der Vatikan so unglaublich viel Mühe, diese Traditionalisten wieder mit dem Papst und der gesamten Kurie zu versöhnen?

Dafür gibt es mehrere Gründe, scheinbare und reale.

Scheinbar ist: Man will in Rom unbedingt die Einheit. Und man weint in Vatikanischen Palästen förmlich, dass der so fromme Marcel Lefèbvre den Mutterschoß Rom faktisch verlassen har.

Wichtiger ist: Die katholische Kirche ist nun einmal entschieden klerikal. Jeder Orden, jede Organisation, die heute noch viele junge (zölibatäre) Priester hat, ist zunächst einmal hoch geschätzt im Vatikan. Das gilt für den obskuren Orden der Legionäre Christi, für die Neokatechumenalen, das gilt ebenso für die Piusbrüder. Wer auch immer mit welchen klerikalen Gestalten (schon im Abstand von 100 Metern in der Kleidung als Priester erkennbar) das katholische Priestertum fördert, ist absolut willkommen im Vatikan.

Um die Piusbrüder für den Papst zu gewinnen, wird alles unternommen, da gibt es eigene Kommissionen, Reisen, Beratungen, diplomatische und theologische Gesten: So erlaubte Papst Franziskus seinen römischen Katholiken, auch bei Piusbrüdern zur Beichte zu gehen oder das Sakrament der Ehe zu feiern. Man sollte einmal probeweise bei einem Piusbruder beichten, dass man als Homosexueller mit einem homosexuellen Priester sexuellen Kontakt hatte, wahrscheinlich würde der Beichtstuhl dann explodieren.

In Argentinien sind diese Piusbrüder schon so weit in das offizielle römische System einbezogen, dass sie in Buenos Aires als offizielle katholische „Vereinigung diözesanen Rechts“ gelten dürfen. Papst Franziskus hat dem zugestimmt. Was soll das? Sind das die Vorläufer der künftigen Totalen Integration dieser Leute? Warum lässt man sie nicht in Ruhe und kümmert sich selbst um Wichtigeres?

Diese ganze Versöhnungsgeschichte der Lefèbvre Kirche mit Rom hat einen neurotischen Charakter! (Quelle zu Argentinien Kathweb. Katholische Presseagentur Österreichs Kathpress, 14. April 2015, abgerufen am 19. April 2015)

Und Papst Benedikt XVI. hat sogar am 21. Januar 2009 das Exkommunikationsdekret der vier von Lefèbvre geweihten Bischöfe aufgehoben, dabei wusste Papst Ratzinger längst, dass einer der vier, Bischof Richard Williamson, seit Jahren schon die Gaskammern und den Holocaust leugnete. Diese Aufhebung der Exkommunikation der vier Traditionalistenbischöfe ist wohl nur aus der tiefen Liebe Papst Benedikts zu diesen theologisch reaktionär denkenden Kreisen zu erklären. So, wie es viele im Vatikan gibt, die die Tradition auch im Sinne Lefèbvres über alles hoch schätzen. Denn da gelten die Priester noch als die Herren der Kirche…

Die Frage ist nur: Wer will wirklich (unter den römisch – katholischen Laien und den wenigen progressiven Priestern) die Rückkehr dieser Piusbrüder in die römische Kirche?

Warum kann Rom diese in jeder Hinsicht reaktionäre Kirche Lefèbvres nicht auf sich beruhen lassen und zu anderen, dringenderen Themen kommen? Und diese vernünftig entscheiden, etwa das Priestertum der Frauen. Aber das wurde unter dem angeblich progressiven Papst Franziskus jetzt auf ewig zurückgewiesen. Diese Leute (Kardinäle etc) in Rom sind bereits von der Traditionalisten Kirche vergiftet! Sie wollen vielleicht so werden wie sie: Eine engstirnige klerikale Sekte, selbst wenn diese noch Millionen Mitglieder zählt.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

Konservative Mönche in einer konfessionslosen Gesellschaft: Das neue Zisterzienser Kloster in Neuzelle, Brandenburg

Die Mönche von Neuzelle wurden ausgebildet in einer extrem konservativen Theologie. Am 2. September 2018 eröffnen  sie offiziell ihr “Priorat”

Hinweise von Christian Modehn

Theologisch Gebildete kennen genau den Unterschied: Die katholische Kirche kann sich in einer für sie fremden und befremdlichen Kultur und Gesellschaft unterschiedlich verhalten: Sie kann sich “inkulturieren”, also Rücksicht nehmen auf die umgebende Kultur, indem sie selbst beispielsweise die eigentümliche Lebenswelt der Menschen dort versteht und achtet, also die Überzeugungen der Menschen auch als Angebot, theologisch von ihnen zu lernen, wahrnimmt; auch die Gottesdienste und Messen so gestaltet, dass die Konfessionslosen etwas verstehen und sich nicht in  eine ferne mittelalterliche Welt versetzt fühlen.

Diese Lernbereitschaft von der umgebenden Kultur pflegten etwa die Jesuiten in China, im 16. Jahrhundert; diese Lernbereitschaft lebt etwa der große tschechische Theologe Prof. Tomas Halik in Prag heute.

Ich bin der begründeten Überzeugung: Die sich jetzt in Neuzelle etablierenden Zisterzienser Mönche aus dem sehr reichen Stammkloster Heiligenkreuz bei Wien verpflanzen nur ihr nach angeblich ewigen Regeln bestimmtes Klosterleben ins säkulare Umfeld Brandenburgs.. Solche Theologen haben die Meinung: Sollen doch die Leute in unsere ferne Glaubenswelt förmlich springen, sollen sie alle ihre säkulare und demokratische Kultur vergessen und ablegen, wenn sie Katholisch werden wollen. Denn sonst würden wohl die 6 Mönche nicht 8 mal am Tag, von morgens bis abends, ihr Chorgebet, oft in lateinischer Sprache halten.  Sollen die Leute doch morgens um 6 in die kalte Kirche kommen und uns lateinische Psalmen singen hören… Dies ist ein konfrontatives Verhalten! Diese Haltung nennen heutige Theologen arrogant. Denkbar wäre doch: Die Mönche lehren die Menschen zur Stille zu finden, zu meditieren, ein paar Verse aus der Bibel oder anderen großen Weisheitsbüchern zu verstehen. Nein, solche Brücken des Dialogs werden offenbar nicht geschlagen. Die Mönche bleiben streng mittelalterlich, nach dem lebensfeindichen Motto: “Immer dasselbe,  keine Wandlung, sondern Stillstand”.

Veränderungen gibt es für diese geistlichen Herren nur im materiellen Sinne: Jetzt wollen sie sogar ein neues Klostergebäude am Rande des alten Klosterkomplexes bauen. Das Geld sei da, meint der Bischof von Görlitz.  Es sollte aber doch besser ausgegeben werden für Jugendzentren in dieser einsamen Gegend, für Gesprächsräume in vielen Städtchen und Dörfern, um dem rechtsradikalen Unfug Einhalt zu gebieten. Das wäre ein Dienst der Kirche an der Gesellschaft. Aber nein,  die Kirche investiert nicht in das lebendige Leben der Menschen dort. Sie baut den Mönchen , 6 oder vielleicht auch mal 8, ein neues schönes modernes Zuhause. Haben diese Mönche als Mönche nicht auch das übliche Armutsgelübde ausgeprochen oder haben sie es “abgelegt”, im doppelten Wortsinn. Wahrscheinlich.

Sind es Geschichten aus dem Wienerwald, die bald im brandenburgischen Ort Neuzelle erzählt werden? Wenn schon, dann bitte umfassend! Denn bisher haben sich die Medien, die offiziell kirchlichen sowieso, nicht die Mühe gemacht, das „Heimatkloster“ der neuen Mönche von Neuzelle kritisch zu untersuchen. Denn das Heimatkloster Heiligenkreuz bei Wien (in der unmittelbaren Nachbarschaft: das bekannte Mayerling mit Erinnerungen an Kronprinz Rudolf und seine Geliebte Mary) mit seiner philosophisch – theologischen Hochschule kann, theologisch betrachtet und das ist immer wissenschaftlich – kritische Betrachtung -, kaum als Beispiel für eine die heutige Gesellschaft und Kirche inspirierende Institution gelten.

Zusammenfassend gesagt: Es ist der Geist von vorgestern, der in dieser Bildungsstätte für Priester und Mönche herrscht, selbst wenn oder gerade weil sich diese Hochschule mit dem Titel „Benedikt XVI.“ schmückt. Aber die Theologie des EX- Papstes Josef Ratzinger ist ja bekanntlich auch nicht ein Inbegriff der Moderne. Ob dieser Geist von vorgestern den Brandenburgern rund um Neuzelle schließlich hilfreich ist für ihre Lebensgestaltung mit allen Problemen der Arbeitslosigkeit, Perspektivlosigkeit, AFD – Bindungen usw…. wird sich zeigen.

Fest steht jedenfalls: Am 20. August 2018 werden 6 Mönche des Zisterzienser Klosters Heiligenkreuz nach Neuzelle entsandt. Sie sollen ein leer stehendes barockes Kloster in atheistischer Umgebung neu beleben. Missionieren? Dies sicher auch. Wer wird sich darüber freuen, vielleicht über die eher folkloristisch und touristisch bedeutende Anwesenheit von 6 Mönchen auf mittelalterlichen Grund und Boden in einer barocken Kirche? Man wird sehen.

Sehr volkstümlich geben sich die Mönche aus dem Wiener Wald, wenn sie z.B. Motorräder segnen. Die teuren Zweiräder brauchen doch den Segen Gottes, damit sie dröhnend durch die Städte donnern. Technische Geräte also werden, wie so oft, offiziell kirchlich mit Weihwasser und Weihrauch, mit großem Tam Tam, gesegnet. Aber nicht aber alle Menschen, etwa homosexuelle Paare. Ausgrenzungen sind katholischerseits üblich. Dabei nennt sie sich katholisch, d.h. allumfassend. Ist sie aber de facto nicht…

Und damit sind wir bei einem der Dozenten, die an dieser Hochschule Jahre lang ihr moraltheologisches Wissen verbreiteten, nämlich Weihbischof Andreas Laun aus Salzburg. Er wandte sich kürzlich wieder gegen die Ehe von Homosexuellen: Der Segen für katholische Homosexuelle –Paare, so sagte der Heilgenkreuzer Theologe, „ist ein Segen für die Sünde. So, wie man auch kein KZ segnen darf“.

Inzwischen ist Bischof Laun altersbedingt (75 Jahre) als Dozent aus Heiligenkreuz ehrenvoll verabschiedet worden. Aber immerhin: Sein Denken hat die jungen und älteren Mönche dort geprägt. Überhaupt: Was hat eigentlich ein Amtsträger, ein Bischof, als Dozent an einer theologischen Hochschule zu suchen?

Damit sind wir bei der besonderen Konzeption von Theologie, wie sie in Heiligenkreuz betrieben wird. Es ist die Theologie, die dem großen Förderer dieser Hochschule, Papst Benedikt XVI., so wunderbar gefällt: Es ist, so wörtlich, „die kniende Theologie“, die im Gebet auf kritische Erkenntnis hofft. Ist der Titel der Hochschule „Benedikt XVI“ eine Art vorweggenommene Heiligsprechung? Oder ein implizites Nein Zu Papst Franziskus? Vielleicht! Natürlich war Ratzinger dort schon öfter zu Gast und als Papst hat er auch nicht nur kurz vorbeigeschaut.

Überhaupt scheint die Akzeptanz für Papst Franziskus in Heiligenkreuz alles andere als ausgeprägt zu sein: Gastprofessor Thomas Stark (aus St. Pölten), ein Philosoph, hatte kürzlich ein Papier unterzeichnet, das Papst Franziskus tatsächlich der Irrlehre, der Häresie, überführen wollte… Die Leitung der Kloster Hochschule Heiligenkreuz hat sich von ihrem Dozenten Stark dann distanziert, Beobachter nannten die Distanz eher halbherzig. https://diepresse.com/home/panorama/religion/5306834/Heiligenkreuz-distanziert-sich-von-Papstkritik

Schon früher fühlten sich an der Hochschule extrem – konservative Dozenten wohl, wie Robert Prantner (der FPÖ nahe stehend) und Ferdinand Holböck, die beide mit dem obskuren katholischen Engelwerk verbunden waren, das Engelwerk, gegründet von der Seherin Gabriele Bitterlich und ihrem „Kreuzorden“. Diese esoterische „Sekte“, sagen kritische theologische Beobachter, wurde dann selbst Papst Johannes Paul II. zu spinös: Das Engelwerk musste sich nach außen hin theologisch erneuern. Aber in Heiligenkreuz haben eben Engel – Werk – Leute künftige Priester ausgebildet…

Ein prominenter Erz-Konservativer unter den Dozenten von Heiligenkreuz ist Robert Prantner, er lehrte seit 1982 in der dortigen Hochschule Ethik, und dies bis 1998! In dem Jahr löste er heftige Debatten aus wegen seiner Behauptung von antisemitischen Ritualmordlegenden. Er war Anhänger des kirchlich verboteten, antisemitischen Anderl-von Rinn Kultes.

Der theologisch gebildete Insider konservativer katholischer Bewegungen, David Berger, hat in seinem Buch „Der heilige Schein“ (2010) darauf hingewiesen, dass selbst der Klu-Klux-Klan und der mit ihm verbundene „Stormfront“ sich auf Prantners antisemitischen Schwachsinn berufen. Immerhin hat der Ethik-Professor Prantner viele Zisterzienser Mönche ausbilden dürfen….(S. 97)  2002 erhielt Prantner das österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst, 1. Klasse, 1999 wurde er mit dem Stern des Päpstlichen Ritterordens des heiligen Gregors des Gr. ausgezeichnet. Welch ein „ausgezeichneter“ antisemitischer Denker im Zisterzienserstift Heiligenkreuz…

Wir können hier nur an die Fülle der objektiven Einschätzungen durch Journalisten und Theologen in Österreich erinnern. Das Magazin PROFIL schrieb zum Beispiel: „Die Heiligenkreuzer müssen sich die Einschätzungen ,konservativ, traditionalistisch und ,theologisch konventionell schon gefallen lassen. Ich weiß auch gar nicht, was sie dagegen haben“, so Pfarrer Helmut Schüller, der Sprecher der „Pfarrerinitiative“: Die Forderungen der Kirchenreformer – Abschaffung des Zölibats, Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene, Zulassung von Frauen zum Priesteramt und Stärkung der Laien – gelten in Heiligenkreuz als frevelhaftes Minderheitenprogramm“. Hingegen sagt Pater Karl Wallner vom Kloster Heiligenkreuz: „Wir wollen eine lebendige Kirche mit Freude am Glauben. Es ist nur eine kleine Gruppe, die derzeit ihren Kirchenfrust auslebt. Quelle: https://www.profil.at/oesterreich/wie-stift-heiligenkreuz-think-tank-369997

Aber bei der allgemeinen Rolle rückwärts in der römischen Kirche erstaunt es nicht, dass die Hochschule (sie besteht in irgendeiner Form seit mehr als 200 Jahren) sehr viele Studenten, meist Kandidaten fürs Priestertum, aus allen Teilen der deutschsprachigen Welt anzieht. Und dort werden Theologen und Philosophen dann zu Dozenten ernannt, die – mit Verlaub gesagt – an staatlichen Fakultäten nicht eine allzu steile Karriere machen könnten.

Jetzt sollte in Heiligenkreuz ein neuer wissenschaftlicher Start gewagt: Durch die Herausgabe eines Jahrbuches mit dem Titel: „Europa eine Seele geben“. Die Spezialistin für den katholischen Religionsphilosophen Romano Guardini, Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz, bezeichnenderweise auch sie eine Dozentin in Heiligenkreuz, hat das Jahrbuch mit-herausgegeben. Zu den Autoren dieses Buches gehören u.a. Kardinal Gerhard Ludwig Müller, nicht gerade ein Freund von Papst Franziskus und der von Papst Benedikt hoch geschätzte Sekretär, Erzbischof Georg Gänswein….Sie alle vertreten die „kniende Theologie“… Zu den Dozenten dort gehört auch der Multimillionär Dr.Dr. Peter Werner Maria Löw, er gilt in der Klosterhochschule als Honorarprofessor für Wirtschaftsphilosophie: Wikipedia berichtet über ihn: „Nach Recherchen des Manager Magazins gehörte Peter Löw im Jahr 2016 zu den 500 reichsten Deutschen (Rang 331)“.[2] (gelesen am 10.5.2018)“. Und die TAZ hat über Löw recherchiert: „Zu Multimillionären sind Löw und Vorderwülbecke mit anderen Geschäften geworden: Sie sanieren marode Unternehmen, kaufen Firmen unter Wert und veräußern sie mit sattem Gewinn – oft, nachdem sie sie verschlankt haben. Teutonia etwa. 2004 erwarb die Beteiligungsgesellschaft Arques, gegründet von Löw und Vorderwülbecke, den Kinderwagenhersteller für 100.000 Euro. Nach drei Jahren stießen sie ihn für mehr als zehn Millionen Euro ab. Eine sehr hohe Rendite, für Löw ein „normales Geschäft“. Der Oberleutnant der Reserve, Doktor in Jura und Neuerer Geschichte, besitzt mehrere Hundert Millionen Euro. Mit dem nur wenige Monate älteren Vorderwülbecke freundet sich Löw in den 80er-Jahren während des Jurastudiums in Freiburg an. Sie besuchen eine Elite-Uni im französischen Fontainebleau. 1992 gründen sie ihre erste Sanierungsholding. In den folgenden 20 Jahren erwerben und verkaufen sie mehr als 200 Unternehmen. (Quelle: http://www.taz.de/!476282/, gelesen am 10.5.2018).

Von diesem Dozenten Dr. Dr. Löw können die Mönche also lernen, was soziale Marktwirtschaft bedeutet und christliche Solidarität mit den Armen… Eine Übersicht zu den Dozenten in Heiligenkreuzz siehe: http://www.hochschule-heiligenkreuz.at/institute/lehrende/

Neu hinzugekommen zum Lehrbetrieb in Heiligenkreuz ist ein Institut für die „Theologie des Leibes“, es geht also auch um die Verteidigung der alten katholischen Sexualmoral und der einzig möglichen üblichen Hetero – Ehe, wie es der liebe Gott der Ultrafrommen vorschreibt. Dozent in diesem Leibes – Institut ist etwa der Priester Josef Spindelböck, der einst ein Vertrauter von Bischof Kurt Krenn war (auch er war ein Freund von Jörg Haider, FPÖ), Spindelböck wurde dann als Verehrer des heiligen Josefs, des ja gar nicht leiblichen Vaters Jesu, so die offizielle Theologie, Mitglied der Priestergemeinschaft „Vom heiligen Josef“… Das Institut zur Erforschung des Leibes in Heiligenkreuz ist wiederum verbunden mit dem theologischen Institut in Trumau, Gaming, auch diese Hochschule ist dem sehr konservativen Geist verpflichtet. Man sieht: Die konservative katholische Theologie zieht sich immer mehr in kircheneigene Institute zurück und meidet die staatlichen Universitäten. In privaten Hochschulen kann man halt in Ruhe das Alte unbehelligt pflegen…

“Vertreter der Uni Wien zweifelten ihrerseits wiederholt die wissenschaftlichen Standards der Heiligenkreuzer Hochschule massiv an“. (PROFIL 28.11.2013)

Man denke auch an die Worte des vorherigen Abtes Graf Henckel-Donnersmarck (er leitete das Kloster Heiligenkreuz von 1999 bis 2011): „In seinem Abschiedsinterview in der „Presse“ zeigte der Abt 2011 zumindest Neigung zu rückwärts gewandten Formulierungen: „Der Europäer hat sich durch Verhütung, Abtreibung, Ehescheidung, Gleichberechtigung anderer sexueller Lebensformen tatsächlich in einen Suizid gestürzt“ (PROFIL 28.11.2013).

Es sind also wohl alles andere als mit dem modernen Geist vertraute Mönche, die bald in Neuzelle leben werde. Haben Sie Interesse am partnerschaftlichen, lernbereiten (!) Dialog mit den vielen Atheisten und Skeptikern dort? Haben sie ökumenische Interessen, die über freundliche Worte hinausgehen?

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

 

 

Glauben als Lebenskraft: Ein Vortrag von Wilhelm Gräb über Paul Tillich

Vom 23.bis 25.März 2018 fand in der evangelischen Akademie von Hofgeismar eine Tagung statt über einen der wichtigsten Texte des Theologen und Religionsphilosophen PAUL TILLICH (1886 – 1965). „Der Mut zum Sein“ erschien 1952, das Buch fand und findet vielfache Beachtung. Denn, so Tillich, Glaube ist keine Bindung an Dogmen, sondern eher der existentiell erlebte und vollzogene MUT, das eigene Leben anzunehmen, trotz aller Widrigkeiten dieses Lebens.

Der protestantische Theologe Prof.Wilhelm Gräb hielt in Hofgeismar den Abschlussvortrag mit dem Titel „Glaube als Lebenskraft“. Sie können den Vortrag nachlesen:  Glauben-als-Lebenskraft-Tillich-Hofgeismar-Gräb.pdf

Das Buch „Der Mut zum Sein“ ist bei de Gruyter erschienen mit einem Vorwort des Theologieprofessors Christian Danz (Wien)

Karl Schlögel zum 70. Geburtstag

Ein kleines Dankeschön und ein Hinweis von Christian Modehn

Darf ich das Wort originell noch verwenden, bei der Inflation dieses Begriffes, verwendet von den vielen, die heute alle so originell oder sogar kreativ sein wollen? Ich möchte die Qualität des Originellen, im Sinne des Neues Entdecken, des Freilegens dessen, was viele sehen, aber nicht wahr-nehmen, auf Karl Schlögel doch gern beziehen. Es ist für mich und sicher viele andere Leser zweifelsfrei: Karl Schlögel hat ein umfassendes erhellendes und helles Werk hervorgebracht, stets erklärend,  gut recherchiert, gut lesbar. Er hat publiziert, vor allem durch langjähriges eigenes Erleben vertieft, zur Sowjetunion, zu Russland und zu Osteuropa. Am 7. März 2018 wird Karl Schlögel 70 Jahre alt. Ich gratuliere.

Unmöglich ist es, die ganze Vielfalt der Themen seiner Forschung zu erwähnen. Ich erinnere mich etwa an seine Studien, in „Lettre“ oder der Berliner Zeitung, über die Bahnverbindungen von Berlin – Lichtenberg nach Sibirien; Themen des Alltags, könnte man denken, aber es sind Studien, die das „Andere“ unserer Berliner Nachbarschaft erschlossen haben. Ich schätze besonders die eher dem Umfang nach kleine, aber inhaltlich große, weil anregende Studie „Archäologie des Kommunismus. Oder Russland im 20. Jahrhundert“. Mit Fotos, 111 Seiten, erschienen in der Carl Friedrich von Siemens Stiftung, München.

Um nur zwei Beispiele aus dieser Veröffentlichung zu nennen: Wer das Alltagsleben in der Sowjetunion verstehen will, sollte sich mit Schlögel für die „Kommunalkas“ interessieren, also jene sehr geräumigen, ehemals bourgeoisen Altbauwohnungen in Moskau oder Leningrad, wo bis zu 10 Familien dann lebten und leben mussten. Oder man sollte in dem genannten Buch („Archäologie des Kommunismus…) lesen, welche Rolle die Küche als kommunikativer und wohl auch oppositioneller Ort in der Zeit nach Stalin spielte. Ja, auch dies, dass für die Menschen in der Sowjetunion Reste von individueller Freiheit gab, etwa in den Datschen und während der Urlaubszeiten… Man lese die Beobachtungen über die Bedeutung der Palme (S.84) als Zierpflanze in offiziellen Gebäuden, es ist auch dieser Sinn für Details, für „Übersehenes“, mit dem Schlögel die Mentalitäten erschließt.

Schlögels Hinweise zur russischen Annexion der Krim und zu den Aggressionen gegen die Ukraine zeigen auch: Dass es in Russland heute eine „Flucht in den Ideen und Formenbestand des sowjetischen wie des imperialen Russland“ gibt. „Denkmäler, die schon einmal gestürzt und in Museumsparks gelagert wurden, sollen auf ihre Sockel zurückkehren“. Was für eine Regression. Unter Putin nehmen die Ressentiments machtvoll zu… „Für alles, was nicht funktioniert und falsch gelaufen ist“, ist der Westen ist schuld… Nur die Bürger Russlands, meint Schlögel, können aus dieser Sackgasse herausfinden. Werden sie die Kraft der gemeinsamen Opposition finden? Ist die russisch – orthodoxe Kirche heute das sprichwörtliche Opium des Volkes (Karl Marx)? Wird jemals die Zusammenarbeit der Kirche mit Putin nd Co. ein Ende haben? Ist diese Kirche überhaupt fähig zur tiefgreifenden Reform? Darüber würde ich sehr gern weitere Studien von Karl Schlögel lesen.

Copyright: Christian Modehn Religionsphilosophischer Salon Berlin

Hans Küng wird 90: Ein theologischer Meister!

Ein Hinweis von Christian Modehn –

Anlässlich des 90. Geburtstages von Hans Küng am 19. März

Ergänzung am 19.3.2018: Wie habe ich den 90. Geburtstag von Hans Küng gefeiert? Indem ich einige Sachen von ihm erneut gelesen habe. Da fällt mir auf, etwa bei der Lektüre von Küngs Buch „Umstrittene Wahrheit“ (2009): In welcher Weise sich der jetzt so hoch gelobte, beinahe heiligmäßig genannte Kardinal Karl Lehmann dem eigentlich befreundeten Theologen Hans Küng gegenüber in dem einen entscheidenden Moment (und vorher) verhalten hat. Also im Umfeld dessen, als Hans Küng 1979 der Titel “Katholischer Theologe” vom Vatikan und den deutschen Bischöfen entzogen wurde. Es ist bezeichnend, dass Küng keine Angst hat, Fakten zu nennen. Zur Diffamierung von Küng durch den Vatikan im Jahr 1979 heißt es in „Umstrittene Wahrheit“ auf Seite 598: „Wer ist für die komplexe theologische Logistik der kompetente Komplize (also für die Aberkennung des Titels Katholischer Theologe CM): Zu meiner großen Betrübnis nach seinem eigenen Zeugnis Karl Lehmann. Nach seiner Wende von der (progressiven theologischen Zeitschrift) CONCILIUM zu der (eher konservativen theologischen Zeitschrift) Communio (mit Joseph Ratzinger) war Lehmann immer mehr auf die amtskirchliche Linie eingeschwenkt. Er strebt offensichtlich das Bischofsamt an….“ Das ist Karl Lehmann ja dann auch mal gelungen.  Noch einmal bewegt mich nur als kritisch beobachtender Journalist die Frage: Was hat Kardinal Lehmann denn nun wirklich an Wirkungen seines angeblich so progressiven Handelns und Denkens hinterlassen? Oder erinnert man sich heute an ein moderates progressives Phantom, das nur bedeutsam ist, wenn man an Dyba, Meisner und die anderen Konservativen denkt.

……………Mein Text vom 22.2. 2018………………….:

Unmöglich ist es, in wenigen Worten die Leistungen von Hans Küng für die Theologie, vor allem auch für die Kultur insgesamt zu würdigen. Ja, es ging Hans Küng um die kritische Reflexion der Kulturen, auch der außereuropäischen. Er fordert angesichts der Globalisierung und der ungerechten Verhältnisse ein „Weltethos“, eine konkrete Utopie, der es zu entsprechen gilt, sollte die Menschheit überleben wollen.

Hans Küng ist tatsächlich (jetzt noch) bekannt. Seinen Namen kennt etwa in Deutschland noch beinahe jeder über 50 Jährige. Sehr fern erscheinen jedoch die Zeiten, als sich Küngs theologisch gut lesbaren Bücher in den Buchhandlungen förmlich stapelten, etwa „Christsein“ von 1974. Heute, 44 Jahre später, ist die Zeit einer öffentlich auch sichtbaren Relevanz von (katholischer) Theologie wie weggewischt. Theologie ist jetzt im Getto, die theologischen Neuerscheinungen sind marginal. Theologie hat die Bedeutung einer Alterstumwissenschaft, vergleichbar der Archäologie. In Berlin z.B. gibt es seit Jahren keine Buchhandlung mehr, die überhaupt noch Theologisches in großer Fülle und Bedeutung anbietet, wahrscheinlich gibt es auch nicht so viele nachvollziehbare Bücher mehr, die sich auf dem Niveau von Hans Küng bewegen. Esoterik gilt nun als religiös, oder treffender, spirituell. Daran sind die Kirchen, vor allem die katholische Kirche, selbst schuld, sie haben sich mit ihrem Dogmatismus und ihrer Anti – Moderne ins Abseits begeben. Zugespitzt gesagt: Nur noch die vielen katholischen Kirchenangestellten tun so, als würden sie innerlich von den offiziellen Lehren dieser Kirche bewegt sein. Sie „müssen“die formal und inhaltlich ewig selben Messen besuchen. Sie darf nur der zölibatäre Klerus feiern, das ist seine einzige verbliebene Macht, an der niemand kratzt, Hans Küng hat es erfolglos versucht.

Was ist wichtig im Lebenswerk von Hans Küng? Sehr vieles: Sicher dies: Er war im deutschen Sprachraum derjenige Meister, der Reflexion und Glauben in eine für viele Zeitgenossen nachvollziehbare (immer lesbare) Einheit gebunden hat. Wer sagt ihm jetzt dafür tausend Dank? Welcher römische Bischof, vielleicht wagt es Kardinal Lehmann? Gibt es nun ein paar Zeilen von Papst Franziskus, den Küng schätzt?

Ich jedenfalls sage Hans Küng danke. Danke für seine Bücher (etwa über Hegel!) und für seine Initiativen, zugunsten einer freien und unabhängigen katholischen Presse, etwa für „Publik Forum“. Und für seine offenen Worte zur Sterbehilfe werden ihm viele andere auch danken, oder auch für seine Dialoge über Literatur mit Walter Jens etc.

Man schaue sich die Liste von Küngs Veröffentlichungen (in wie vielen Sprachen eigentlich ?) an! Man beachte sein jetzt neu herausgegebenes Gesamtwerk, das auf 24 Bände angelegt ist. Die Gesamtausgabe erscheint im Herder Verlag, der sonst auch als Verlag der letzten Bücher von Joseph Ratzinger bekannt ist. Die Bücher beider Autoren werden sich als äußerst kontrastreiche Werke wohl in den Regalen hoffentlich etwas vertragen, die Käufer mögen um ihrer eigenen geistigen Weiterentwicklung wegen zu Küng greifen: Küng, der Mutige, der lebendig Fragende und allseits für Neues Aufgeschlossene, der Ökumenische….und Ratzinger, der ewig Zurückblickende, der Nostalgische, der Papst mit den roten Schuhen, der Ängstliche und Zauderer, Liebhaber der Väter (gemeint sind die Kirchenväter aus dem 3. und 4. Jahrhundert), dessen einzige große Tat sein Rücktritt als Papst Ende Februar 2013 war. Wird er Küng gratulieren zu seiner Lebensleistung? Das wäre ein kleines Wunder. Leider aber ist die Gesamtausgabe der Werke Küngs im Herder Verlag für normal Verdienende und damit auch für Studenten unerschwinglich teuer. Man kann durch maßlos teure Bücher auch ein Werk „einsargen“, fürs Einstauben in Bibliotheken bestimmen, ins Vergessen treiben. Wollen wir hoffen, dass alsbald preiswerte Studienausgaben folgen.

Küng ist wohl der bislang letzte umfassend gebildete katholische Theologe, ein systematischer Geist, der Mann des großen (Ent)Wurfes. Das ist überhaupt keine Frage. Andere, selbst sich verbal politisch gebende, aber nie unmittelbar politisch – praktisch engagierte katholische Theologen, sehen da eher blass aus, ihre Aufsätze sind nicht mehr als gute Essays. Fragmentarisches in allen Ehren: Küng hat sozusagen noch einmal eine religiöse „Summe“ des Christlichen (nicht des konfessionell Römisch – Katholischen) vorgelegt, selbst wenn er den politischen Ort seines eigenen Denkens meines Erachtens nicht oder zu selten reflektiert hat. Er hatte für dieses Mammutprojekt auch hervorragende Mitarbeiter, Assistenten, das wird eher selten genannt; auch sie haben mit ihrem Meister Theologiegeschichte geschrieben, man denke nur an Hermann Häring oder Karl – Josef Kuschel.

Ich will nur an einige Tatsachen erinnern, die absolut gravierend noch heute alle katholische Theologie belasten – im Zusammenhang der Theologiegeschichte von Hans Küng:

Am 18. Dezember 1979 hatte der polnische Papst Johannes Paul II. Hans Küng die kirchliche Lehrbefugnis als katholischer Theologe an der Katholisch-theologischen Fakultät der Universität Tübingen entzogen. Das heißt: Küng durfte nicht mehr an dieser Fakultät lehren und er durfte sich nicht mehr „katholischer Theologe“ (im Sinne des Vatikans und der Bischöfe) nennen. Der Grund für diese Verurteilung: Dem Vatikan und den Bischöfen gefielen die Vorschläge Küngs ganz und gar nicht, für eine insgesamt eher noch vorsichtige Neu-Interpretation des Dogmas von der Unfehlbarkeit der Päpste einzutreten. Unfehlbarkeit bezogen auf die Entscheidungen zu Glauben und Moral. An der, in römischer Sicht unwandelbaren, förmlich leblos versteinerten Formulierung der päpstlichen Unfehlbarkeit durfte nicht gerüttelt werden. Einige prominente Theologen wie Karl Rahner SJ haben damals sich sogar gegen die Neuinterpretation Küngs gewandt, und Rahner hat mit dieser (Auftrags-) Schrift (?) gegen Küng einen gewissen Zwiespalt in seinem Werk hinterlassen.Über Rahners Mut und seine gelegentlich heftig römischen Bindungen wäre eigens zu sprechen…

Wegen einer Neuinterpretation eines ohnehin schon im Moment der Formulierung hoch umstrittenen Dogmas von 1870 wurde also Hans Küng 1979 aus der sich katholisch nennenden Theologie rausgeschmissen. Diese Tatsache ist eines der gravierendsten Ereignisse in der neueren Geschichte des Katholizismus! Dieses Datum ist ein weiteres Ereignis innerhalb der Geschichte der Unfreiheit der katholischen Theologie als Wissenschaft – in einem System von Bischöfen und Päpsten, die sich ohne biblische Begründung anmaßen, Herren der Theologie zu sein. An den Fall Leonardo Boff wäre zu erinnern, an Theologen aus Indien oder Sri Lanka , die ebenfalls noch bis in unsere Tage den Furor römischer Rausschmiss -Lust durch Kardinal Ratzinger erfuhren, von feministischen Theologinnen, die degradiert wurden, wäre zu sprechen: Bis in unsere Tage übt der Vatikan eine brutale Kontrolle des Denkens aus. Der Vatikan beansprucht eine totale Sonderrolle in der Welt: Er verteidigt verbal Menschenrechte, ohne diese selbst für die eigene Kirche geltend zu lassen..Und jetzt machen zur Abwechslung reaktionäre Kardinäle den etwas aufgeschlossenen Papst Franziskus SJ theologisch fertig. Es ist eine ewige Tragödie des Ausgrenzens im Vatikan lebendig. Diese Kirche ist krank. Das hat Hans Küng auch gesagt. Die alten Herren in Rom und die Bischöfe bilden sich ein, zu viel Genaues von Gott usw. zu wissen…

Diese vatikanische Entscheidung gegen Küng 1979 hat die nachdenkliche und frei denkende, aber nicht nur akademische Welt erschüttert. Sie hat die letzten noch gut willigen Katholiken zumindest in Westeuropa und Amerika aus der Kirche getrieben bzw. den Abschied von ihr vorbereitet.

Ich will jetzt die insgesamt ja durchaus noch vorsichtige Unfehlbarkeits – Interpretation von Küng nicht wiederholen. Wichtiger ist: Durch diese akademische und religiöse (Un-)Tat des Papstes und seines klerikalen Kreises ist das Ansehen der katholischen Theologie als einer “freien Wissenschaft” (manche glaubten ja noch daran) auf einen Nullpunkt gesunken. Mit anderen Worten: Selbst wenn heute noch an staatlichen Universitäten katholische Theologie gelehrt wird, wie etwa in Deutschland, ist doch sehr die Frage: Wie kann diese Wissenschaft, die letztlich durch die Berufungspraxis der Professoren durch die Bischöfe (!) bestimmt ist, noch Wissenschaft genannt werden? Denn bei den Berufungen haben die Bischöfe in Deutschland das letzte entscheidende Wort mitzureden. Die „Exekutive“, wenn man so will, bestimmt die also „Rechtsprechung“, wenn man so will, also die Theologie. Wie wäre es, wenn das Außenministerium die Berufung aller Politologie-Professoren bestimmt? Oder das Landwirtschaftsministerium die Professoren für Ökologie und Agronomie? Das geschieht bloß in Diktaturen. Und Küng hat treffend den Vatikan eine Diktatur genannt.

Die katholische Theologie selbst an den Universitäten wird darum schnell vergleichbar den einstigen Parteihochschulen: In der DDR bestimmte die herrschende SED, wer Professor werden durfte. So ist es heute noch in der Berufung katholischer Theologen an den Universitäten und staatlich anerkannten theologischen Hochschulen. Wer da Professor wird, ist den Bischöfen zeitlebens dankbar, den Job zu haben; ist deswegen automatisch ängstlich usw… Das ist weithin die Situation katholischer Theologie heute, abgesehen von der historisch kritischen Bibelwissenschaft oder der Kirchengeschichte beispielsweise. Dass Dogmen aus alter Zeit, weil vom heutigen Wissen als falsch und als willkürliche Macht-Setzung des Klerus durchschaut, selbstverständlich auch beiseite gelegt werden können und sollten, behauptet meines Wissens kein katholischer Theologe. Er/sie  sagt es nicht, aus Angst. Dabei wäre eine dogmatische Entrümppelung dringende Tat spiritueller Befreiung. Die Ablehnung von dogmatischem Wandel durch den Vatikan hat morbide Züge, man lese bitte Erich Fromm über nekrophile Charakterstrukturen…

Was hat alles das mit Hans Küng zu tun? Sehr viel, er wagte es, an dem unsinnigen Unfehlbarkeitsdogma etwas zu kratzen. Und tut das noch heute! Nach ihm kratzte fast kein katholischer Theologe mehr an dem verheerenden, unsinnigen (auch unbiblischen) Dogma.

Küng hatte das Glück, dass der deutsche Staat ihm einen Ersatzlehrstuhl in Tübingen einrichten musste (auf Kosten auch der nicht-katholischen Steuerzahler). So macht es der deutsche Staat ja immer, wenn ein katholischer Theologieprofessor (als Priester)  der Hierarchie nicht mehr würdig genug erscheint, wenn er etwa heiratet, wie dies im Falle des Theologen und Priesters Michael Bongardt an der FU Berlin geschah. Solche „Leute“ müssen verschwinden aus den theologischen Fakultäten. Und der Staat spielt dieses unglaubliche Skandal-Spielchen noch mit. Wie lange noch? Jetzt soll ja allen Ernstes in Berlin eine katholisch – theologische Fakultät errichtet werden, eine „Parteihochschule“ mehr, fragen kritische Beobachter, die die Abhängigkeit der theologischen Forschung und Lehre von den Bischöfen kennen. Auch über diese Zusammenhänge spricht kaum jemand, auch nicht in journalistischen Kreisen…

Wie passt ein solches System noch in eine offene, demokratische Gesellschaft. Kardinal Ratzinger hatte einst empfohlen, katholische Theologie solle nur noch an Privathochschulen gelehrt werden und die Theologieprofessoren sollten beim Studium bitte schön knien. Ja, wirklich, sie sollten voller Demut knien. Aber der kritische Verstand kniet nicht.

Für Hans Küng war die Degradierung durch den Vatikan letztlich auch bei allem Schmerz für ihn selbst eine große Beförderung: Er wurde deswegen noch berühmter. Er wurde auch zum Impulsgeber einer kritischen, katholischen Bewegung, etwa der Kirche von unten.

Er hat Mut gemacht, in dieser Kirche um Reformen zu kämpfen, weil er ja selbst diese Kirche nicht verlassen wollte. Diese Empfehlungen, in der Kirche zu bleiben, als Opposition, als “Kirche von unten” etc. hat den Beteiligten viel Energie gekostet, vielleicht sinnlos verbrauchte Lebensenergie: Denn die erwarteten Reformen grundlegender Art sind ja bekanntlich ausgeblieben.  Eher schmückte sich noch die offizielle Kirche mit diesen Grüppchen der Opposition”, um die eigene angeblich Liberalität zu zeigen. Aber “Kirchenreform von unten” hat im römischen System keine Chancen! Das hat wohl auch Hans Küng jetzt auch eingesehen.

Auch Papst Franziskus bleibt bei allen ungewöhnlichen Äußerungen doch immer noch Papst. Er könnte als Papst etwa das verrückte Zölibatsgesetz aufheben, aber er tut es nicht. Er könnte das Unfehlbarkeitsdogma annullieren als Papst, aber er tut es nicht. Er könnte eine synodale Verfassung für die römische Kirche durchsetzen, aber er tut es nicht. So sind also die vielen Durchhalteparolen an so genannte progressive Katholiken, auch von Hans Küng ausgegeben, eher Aufforderungen zur Frustrationsbereitschaft, manche sprechen von Masochismus.  Aber diese Kreise sterben aus. Der Katholizismus in Europa hat die Jugend verloren, die Frauen sowieso und die Homosexuellen auch, die Arbeiter, die Akademiker, die Armgemachten usw. Das klerikale System ist hier personell fast am Ende und wird nur durch klerikale „Flüchtlinge“ aus Indien, Kongo, Nigeria oder Polen noch etwas aufrechterhalten.

Man bräuchte heute einen weiteren Hans Küng, der eine „Theologie am Ende des vatikanischen Katholizismus“ schreibt. Aber der müsste nicht nur ein freier Geist sein jenseits der Hierarchie, der müsste auch Soziologe und Psychologe sein. Solche Leute sind leider nicht in Sicht. Das Getto lebt noch und manche machen es darin bis zum Ende gemütlich! Denn das katholische Getto in Deutschland hat noch sehr viel Geld und sehr viele Immobilien etc..

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

Bischof Laun: Segen für Homosexuelle ist wie Segen für KZs.

Ein Freund von Papst Benedikt XVI. dreht durch

Ein Hinweis von Christian Modehn

… Und wieder einmal zeigt sich: Religions/Kirchenkritik ist eine Hauptaufgabe der Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie…

Der Segen für katholische Homosexuelle –Paare „ist ein Segen für die Sünde. So, wie man auch kein KZ segnen darf“: Mit diesen Worten hat der seit Oktober 2017 im altersbedingten Ruhestand (also mit 75 Jahren) lebende Weihbischof Andreas Laun von Salzburg sich gegen jegliches Ansinnen gewehrt, Bischöfe, wie Kardinal Marx, könnten in Ausnahmefällen den Segen für homosexuelle Paare zulassen, weitere Details hier lesen.

Dieser Vergleich des Theologen Laun: „Segen für Homosexuelle ist wie Segen für KZs oder Bordelle“ ist ein Riesen – Skandal für die Kirche insgesamt. Laun zeigt, welche Typen in der Hierarchie sitzen! Eine Schande für die römische Kirche, denn Bischof Laun, geboren 1942, hatte zahlreiche hohe Funktionen im Vatikan und in Salzburg (dort für die Arbeitsgruppe Familie !) inne. Er wurde 1995 vom polnischen Papst zum Weihbischof von Salzburg ernannt und war seither über Österreich hinaus tätig in Sachen „Verteidigung der uralten Moral und Dogmatik“. Schon früher hat er mit heftigen Verurteilungen um sich geschlagen, so noch 2017, als er öffentlich betonte, Homosexuelle seien gestörte und kranke Menschen. Gegen die katholische Konfliktberatung für Schwangere hat er polemisiert; er konnte förmlich tun und lassen und sagen, was er in seinem Hass von sich geben wollte: Niemand in der römischen Kirche hat ihn gebremst und abgesetzt und in ein Altersheim versetzt. Auch im deutschen Fernsehen war er Gast bei Talk Shows. Aufgrund dieser infamen Äußerungen werden ihm wieder die Talk-Show-Türen offen stehen?

Zweierlei zeigt sich, typisch, für den geistigen Zustand der römischen Kirche:

1. Solch ein Mann wie Laun kann Jahre lang Bischof sein. Er hatte also Freunde und Unterstützer im klerikalen Milieu bis in den Vatikan.

2. Es ist weiter hoch interessant, dass sich Kardinal Ratzinger als Chef der obersten Glaubenskongregation noch kurz vor seiner Wahl zum Papst 2015 lobend über das reaktionäre Kirchenblatt „Kirche heute“ aus Altötting geäußert hat, dort ist Laun als maßgeblihcer Herausgeber tätig. Darin lobt Kardinal Ratzinger nicht nur einen der Finanziers, Albert Graf von Brandenstein-Zeppelin, der durch ein Buch unter dem aktuellen Titel „Die Stellung der Gottesmutter in der Welt – und Heilsgeschichte“ hervorgetreten ist (ein Buch aus der auch Joseph Ratzinger freundlichen reaktionären Gustav Siewerth – Akademie). Mit dieser Siewerth Akademie war der Theologe Ratzinger auch verbunden, aber das ist ein anderes Thema…

Kardinal Ratzinger lobt also im Januar 2005 dieses Blatt „Kirche heute“ , auch den dort als Herausgeber wirkenden Weihbischof Laun, dessen theologisches Profil Ratzinger zweifellos gut kannte: Der oberste Glaubenswächter sagte also: „KIRCHE heute erhebt zu brennenden und unbequemen Themen die Stimme. Dies gilt etwa für Fragen des Lebensschutzes und der Förderung von Ehe und Familie. Hier hat sich vor allem Weihbischof Dr. Andreas Laun aus Salzburg mit seinen Beiträgen große Verdienste erworben“. Quelle: http://www.kath.net/news/mobile/10634

Bischof Laun war als Lebensschützer auch bei den Pro – Life Demos in Berlin dabei, in freundlicher Gesellschaft mit AFD Leuten! Später hat dann Erzbischof Koch von Berlin den Pro Life Leuten mit einem Grußwort beigestanden. Für weitere Infos zur bischöflichen Leidenschaft fürs UNgeborene Leben, hier klicken.Über die Beziehungen Launs zur FPÖ wäre weiter zu sprechen….

Man sieht also: Das ungeborene Leben ist „absoluter“ Mittelpunkt dieser Theologen, das geborene Leben, etwa der Homosexuellen darf aber nicht eigens gesegnet werden, es ist ja Sünde. Wie kann nur Gott so viel Sünde schaffen auf dieser Welt, dürfte man fragen. Nebenbei: Gesegnet werden von Priestern selbstverständlich Autos,  Handys, Pferde und allerhand Getier. Selbstverständlich macht man das! Tiergottesgottesdienste füllen die Kirchen…Der Hamburger Erzbischof hat vor kurzem das Walross Raissa im Zoo gesegtnet.

Später hat dann Bischof Laun Papst Benedikt – wie einen Freund – verteidigt, als Benedikt XVI. sich in Regensburg (am 12.9.2006) inhaltlich und formal völlig vergriffen hatte in der Einschätzung (Verurteilung) des Islams. Der ORF berichtete von der sturen, man möchte sagen auch dort schon offensichtlichen verkalkten Denkhaltung Launs:

„Bischof Laun zu Papstrede in Regensburg über bzw. gegen Muslime:
Der Salzburger Weihbischof Andreas Laun reagiert auf den jüngsten Konflikt mit einer Maßregelung des Islam. Dieser müsse als Dialogpartner “noch lernen, ruhig und sachlich zu reagieren und genau hinzuhören”, so Laun im Interview mit der Zeitung “Österreich” (Sonntag-Ausgabe). Die Reaktionen aus der islamischen Welt nach den Äußerungen des Papstes sind für Laun “unangemessen”. Er verstehe nicht, warum “der Islam mit Aggression auf einen interessanten Vortrag antwortet”. “In Kenntnis der Geschichte” seien die nunmehrigen “Behauptungen” der Muslime “merkwürdig”. Man müsse auch über manche Stellen im Koran diskutieren dürfen, so Laun. Und weiter: “Den Kreuzzügen vorausgegangen ist eine gewaltige militärische Expansion des Islam auf Kosten der Christenheit. In diesem Sinne waren die Kreuzzüge eine Reaktion und nicht ein Willkürakt.” Quelle ORF .

Der Skandal ist: Es wird deutlich und freigelegt, welche Männer die römische Kirche prägen. Es ist dieser unkontrollierte Klerikalismus, der die römische Kirche kaputt gemacht hat und kaputt macht. Es gab Proteste gegen Bischof Laun, aber es waren mutige Laien, auf die der Klerus selbstverständlich nicht hört. Das ist der Zustand der römischen Kirchen 2018! Ein Skandal folgt dem nächsten. Aber der Klerikalismus (also auch die Abwehr von Demokratie in dieser Kirche) ist und bleibt oberste, unverzichtbare Herrschaftsform.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin