Sexueller Missbrauch durch einen hochrangigen Priester im Spanien des 17.Jahrhunderts: „Der Prozess versandete“.

Eine seltene historische Studie zum traditionsreichen sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche.

Ein Hinweis von Christian Modehn

 

1. Pater Joan Nolasco Risón war Provinzial seines Ordens, der „Mercedarier“, also in einer hohen Leitungsfunktion für die spanischen Klöster. Zuvor war er Novizenmeister, zuständig für die jungen Männer, die in den Orden eintreten wollten. „Er hatte in seinem Konvent unaufhörlich und erfolgreich sexuellen Druck auf die jungen Leute ausgeübt, die ihm anvertraut waren“. Das schreibt der Historiker Rapahael Carrasco, Professor für Hispanistik an der Universität der Franche Comté (Frankreich), in seinem Beitrag „Sodomiten und Inquisitoren im Spanien des 16. und 17. Jahrhunderts“ (in dem Buch „Die sexuelle Gewalt in der Geschichte“, hg. Alain Corbin, Berlin 1992, zit. Seite 55.)

2. Als der Priester Joan Nolasco Risón 1687 wegen des sexuellen Missbrauchs an Minderjährigen und wegen Homosexualität (damals kirchlich Sodomie genannt) verhaftet wurde, geschah dies „unter größter Geheimhaltung“, betont der Autor aufgrund seiner Quellenstudien. Der angeklagte Priester hatte in seinem Kloster eine Spaltung bewirkt: Seine Komplizen, „die er anderswo auf günstigen Posten unterbrachte und die bis dahin seltsame Vorrechte genossen, auf der anderen Seite die Reinen, die Schamhaften, Empörten sowie alle, die verfolgt und tyrannisiert wurden, weil sie dem Werben des Meisters widerstanden hatten“ (ebd.)

3. Es gab einen kritischen Ordensmann aus diesem Kloster und Orden, Pater Ramirez, der dem sexuellen Missbrauch Pater Nolascos Einhalt gebieten wollte. Und was passierte? Der ganze Orden wollte den „guten Ruf“ bewahren, man beeinflusste den kritischen Pater Jeronimo Ramirez und versuchte, ihn zu überzeugen, doch bitte den prominenten Straftäter im Orden nicht zu denunzieren.

Aber, und das ist erstaunlich, die Inquisition widersetzte sich dem Wunsch des Ordens nach „Gut-Erscheinens“ und setzte einen Prozess an, bei dem auch die betroffenen Novizen vorgeladen und gehört wurden. Für den Historiker Raphael Carrazco zeigen sich da ungewöhnliche ausführliche Quellen über das Leben in den Klöstern und speziell unter Novizen im 17.jahrhundert. Aber: Wie üblich, möchte man sagen: Auch dieser Prozess „versandete im Ermittlungsverfahren: Der oberste Rat dachte, die zwangsläufig skandalöse Arznei sei schlimmer als die Krankheit. Mit anderen Worten: Gegen den Provinzial wurde juristisch nichts weiter unternommen, der „gute Ruf des Klerus sollte gerettet werden“…

4. Es gibt also einige wenige seriöse Studien von Historikern, die an einzelnen, mühsam recherchierten Beispielen zeigen: Der sexuelle Missbrauch durch Priester hat eine lange Tradition. Und wenn das so ist, dann wird erneut ein „Systemfehler“ in der Kirche offenbar. Die katholische Kirche zieht aufgrund ihres Zölibatsgesetzes immer auch Männer an, die ihre Sexualität, d.h. oft ihre Homosexualität verleugnen und in der zölibatären Kleruskirche ihre eigene Homosexualität oder auch Pädosexualität verstecken, aber auch gleichzeitig heimlich ausleben.

Mit anderen Worten: Solange das Zölibatsgesetz besteht, wird es immer wieder Männer geben, die ihre pädosexuellen Orientierungen in der Kirche als Priester ausleben wollen und können.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin