Flüchtlinge in Deutschland: Nicht länger Menschen „zweiter Klasse“
Zum Urteil des Bundesverfassungsgerichtes am 18.7.2012
Von Christian Modehn
Nun werden Flüchtlinge in Deutschland endlich mit dem nötigen Respekt behandelt: Endlich gelten Menschenrechte für sie etwas mehr als bisher. Der Religionsphilosophische Salon ist über diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 18.7.2012 sehr glücklich, denn Menschenrechte sind der Kern und das unaufgebbare Zentrum humaner Gesellschaften und Staaten. Menschenrechte drücken die „Sakralität der Person, jeder Person“ aus, wie kürzlich Hans Joas, der Philosoph, geschrieben haben. Menschenrechte sind insofern etwas –säkular – Heiliges.
Tatsache also ist, und das ist eigentlich für die Regierungen in Deutschland, die sich oft christlich nennen, äußerst blamabel: Das Bundesverfassungsgericht hat klar gestellt, dass die Flüchtlinge in Deutschland bisher unter einer offenbar bewusst einkalkulierten und gesetzlich fixierten Missachtung zu leiden hatten. Die Finanzleistungen für Menschen, die aus Verfolgung und Unterdrückung in die Freiheit flüchteten, wurden tatsächlich seit 1993 nicht mehr den Inflationsraten angepasst. Die Leistung für einen Flüchtling beträgt bis jetzt 212, 36 Euro pro Monat plus 28,50 Euro für Fahrgeld, so im Land Berlin.
Sozialverbände sprechen angesichts des Urteils von Karlsruhe zu Recht von einer „Ohrfeige für die Bundesregierung“. Es liege in der rechtlichen Missachtung der Flüchtlinge ein Verfassungsbruch vor: Kann man Schlimmeres Regierungen sagen, die sich christlich oder sozial usw. nennen? Es war offenbar populär, wenn nicht populistisch, die Rechte der Flüchtlinge zu ignorieren. Das scheint in Deutschland immer noch die Gunst der Wähler zu finden. Danach richten sich Politiker, nicht nach den Menschenrechten.
Wir fragen, wird hier einmal mehr eine gewisse Blindheit der Verantwortlichen auf mindestens einem Auge sichtbar, von der schon im Zusammenhang der Ignoranz gegenüber dem rechtsextremen Terror die Rede ist.
Wir bieten eine Presseerklärung eines verdienten Hilfswerkes an, des international tätigen Jesuiten Flüchtlingsdienstes:
Berlin, 18. Juli 2012 – Der Jesuiten-Flüchtlingsdienst fordert die Bundesregierung auf, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts unverzüglich umzusetzen. Etwa 130.000 Menschen, darunter viele so genannte „Geduldete“, müssen z.T. rückwirkend mehr Geld erhalten: Die höchsten Richter hatten heute die Leistungen für Asylsuchende und „Geduldete“ als verfassungswidrig verurteilt. Aktuell liegen die Bezüge rund 40 % unter dem Satz für die Sozialhilfe, der als menschenwürdiges Existenzminimum gilt – und das bei einem gleichzeitigen strikten Arbeitsverbot für mindestens ein Jahr, oft deutlich länger. Pater Martin Stark erklärt auch eine weitere wichtige Forderung:
„Die Bundesregierung hat schon lange angekündigt, dass sie beim Asylbewerberleistungsgesetz Handlungsbedarf sieht, aber die Anhebung herausgezögert und verschleppt. Diese unwürdige Hinhaltetaktik auf dem Rücken von Menschen, die vor Krieg, Not und Verfolgung nach Deutschland geflohen sind, haben die Richter heute endlich beendet“, so der Direktor des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes Deutschland, Martin Stark SJ. „Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass es auf die Menschenwürde keinen Rabatt gibt. Damit Flüchtlinge hier in Würde leben können, muss jetzt auch das Arbeitsverbot fallen. Die gesetzlich verordnete Ausgrenzung Asylsuchender und Geduldeter vom Arbeitsmarkt ist diskriminierend, verstößt gegen die Menschenwürde und wurde schon mehrfach von den Vereinten Nationen gerügt. Es verurteilt sie zu einem Leben in Abhängigkeit und zur Untätigkeit. Das ist seelisch extrem belastend und schürt zudem rassistische und fremdenfeindliche Vorurteile.“
Dr. Dorothee Haßkamp, Öffentlichkeitsarbeit & Fundraising
Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland
Jesuit Refugee Service (JRS)
Witzlebenstr. 30a
D-14057 Berlin
Tel.: +49-30-32 60 25 90
Fax: +49-30-32 60 25 92
dorothee.hasskamp@jesuiten-fluechtlingsdienst.de
www.jesuiten-fluechtlingsdienst.de
Noch eine ergänzende Information:
Länder, die Flüchtlinge aufgenommen haben:
(entnommen statista.com in Hamburg)
Man beachte, wie viele tausend Flüchtlinge in Ländern leben, deren Bevölkerung selbst in bitterster Armut lebt:
Pakistan: 1, 7 Millionen
Deutschland 571.000
Kenia 566.000
Jordanien 450.000
Tschad 366.000
Äthiopien 288.000
USA 264.000
Weitere aktuelle Informationen regelmäßig: The UN Refugee Agency: http://www.unhcr.de/unhcr.html
Zum Schluss weisen wir auf eine zentrale Aussage der Bibel hin; man liebt es ja heute, gerade im Zusammenhang der „Beschneidungsdiskussionen“, sich auf „Gottes Wort“ zu beziehen: Man lese etwa Leviticus (19, 33). Die Philosophin und Theologin Katharina Ceming schreibt in ihrem Buch „Ernstfall Menschenrechte“, München 2010: „Die sich immer wieder durch das Alte Testament ziehende Forderung, den Fremden gut zu behandeln, ja ihn zu lieben, wie man sich selbst liebt – wie es im Buch Leviticus heißt – hängt mit der eigenen Erfahrung des Fremdlingseins in Ägypten zusammen. Die Wahrung der Rechte des Fremden erstreckt sich sogar auf ein Asylrecht. Ein fremder Untertan, der nach Israel flieht, darf nicht an seinen Herrn ausgeliefert werden. er genießt Asylrecht und darf sich seinen Wohnort frei wählen“ (S. 78).