Brasilien: Nicht nur Fußball, sondern auch Philosophie!

In Brasilien startet die Fußball WM. Ein Grund mehr, sich für die vielfältigen Kulturen Brasiliens zu interessieren, für die Religionen natürlich auch.

Aber auch für die Philosophie dort. Zur Lektüre eines einführenden Beitrags (2013 verfasst, aber immer noch aktuell) klicken Sie hier.

Zur Vielfalt der Religionen, vor allem der Kirchen dort, klicken Sie hier.

Die “Philosophie der Befreiung”, zuerst wohl vorgeschlagen von Enrique Dussel, Argentinien/Mexiko, hat unseres Wissens in Brasilien bislang keine relevante Rolle gespielt. Nun findet ab 16. September 2014 in Porto Alegre die 2. Tagung über Befreiungsphilosophie für Brasilien statt. Für weitere Hinweise klicken Sie hier.

Wer sich für einige wichtige (allgemeine) Anregungen zur Philosophie und Theologie des Spiels und des Spielens interessiert, sollte das Interview mit Prof. Wilhelm Gräb lesen. Zur Lektüre klicken Sie bitte hier.

Brasilien heute: Kritische Bürger und die Philosophien

Brasilien heute: Kritische Bürger und die Philosophien

Von Christian Modehn

Anläßlich der Fußball WM 2014 in Brasilien machen wir noch einmal auf ein nahezu unbekanntes Thema (in Deutschland !) aufmerksam. Es ist zweifellos wichtig,  um Brasilien und die BrasilianerInnen zu verstehen, es geht um die dort auch an der Basis lebendige Philosophie. Zur Lektüre des Beitrags klicken Sie bitte hier.

Mehr Licht, mehr Aufklärung: Zur aktuellen Diskussion in Frankreich

Lumières, Aufklärung, heißt die Antwort: Zur Diskussion über den Wahl-Erfolg des FN (Le Pen) in Frankreich

Von Christian Modehn

„Ich meine, durch die Konzeption einer auf sich selbst bezogenen und in sich verschlossenen Nation und ihres Kultes einer starken Macht, steht die Partei Front National mehr Vichy nahe als den Ideen der Demokratie, die von der Philosophie der Aufklärung begründet sind. Denn Demokratie bedeutet zuerst: Humanistische und universale Prinzipien, die die Partei FN zurückweist. Wenn die Partei FN in Frankreich die Macht ergreifen würde, dann handelte es sich um ein anderes Frankreich!“ So der (heute in Tel Aviv lebende, in Przemysl geborene) Historiker Zeev Sternhell. Er erinnert in seinem neuen Buch „Histoire et Lumières. Changer le Monde par la Raison“ („Geschichte und  Aufklärung. Die Welt verändern durch die Vernunft“), erschienen bei Albin Michel, Paris, 2014, einmal mehr an die Wurzeln rechtsradikalen Denkens in Frankreich.  Sternhell ist ein Spezialist für die Geschichte Frankreich im 20. Jahrhunderts: Er betont, dass sich das Vichy Regime nur deswegen so schnell etablieren konnte und sich dann so erfolgreich durchsetzte, weil der Geist, l ésprit, vieler Franzosen schon längst antisemitisch verdorben war, vor allem auch vieler so genannter Intellektueller. „Sie waren auch vergiftet vom Hass auf die Demokratie“, so Julie Clarini in “Le Monde” vom 30.Mai 2014. Es gab in Frankreich immer schon einen lang dauernden Kampf gegen die Ideen der Aufklärung und der Philosophie Kants, gegen alles, was das Allgemeine des Menschen, aller Menschen betont, wie die Toleranz usw. Im Katholizismus Frankreichs denke man etwa an die immer noch starke Bewegung der Traditionalisten und die in allen größeren Städten vorhandenen Gemeinden der Piusbrüder. Sternhell meint: Diesen Kampf zugunsten der Aufklärung gelte es jetzt, angesichts der Erfolge des Front National bei den Europawahlen 2014,  neu zu beleben. Es geht um die Demokratie, so gebrechlich sie auch erscheint, so tief reformbedürftig sie auch ist…

Wir haben vor kurzem auf die äußerst einseitigen, eher pro-FN wirkenden Äußerungen des Philosophen Alain Finkielkraut hingewiesen.

Jetzt schlägt der Soziologe, Politologe und Historiker der „französischen Ideen“ Pierre-André Taguieff  in seinem neuesten Buch „ Du diable en politique. Réflexions sur l’antilepénisme ordinaire“  (Über den Tuefel in der Politik. Reflexionen über den  gewöhnlichen Anti – Lepenismus), erschienen 2014 in Paris, bei den CNRS Éditions, eine ungewöhnliche Variante vor, den FN und die Ideen der Familie Le Pen zu „bekämpfen“. Pierre André Taguieff meint, die Verteufelung dieser rechtsextremen Partei in der Öffentlichkeit, in den Medien usw., sollte endlich aufhören zugunsten einer gründlichen Auseinandersetzung. Dass die kritische Auseinandersetzung verstärkt werden muss, ist keine Frage. Aber für Taguieff soll sie die Voraussetzung haben, diese rechtsextreme Partei als eine Partei wie alle anderen, als eine normale Partei, zu verstehen, zu deuten, zu behandeln!  In einem Interview mit der (rechten) Tageszeitung „Le Figaro“ weist Taguieff auf die eher schlichte Erkenntnis hin, dass derjenige, der einen Verteufelnden (also die FN) seinerseits wieder verteufelt, also „die“  Medien, sich auf derselben Ebene wie der Verteufelnde bewegt. Aber haben denn „die“ Le Pen Kritiker die Partei FN immer nur verteufelt, diabolisiert, wie er sagt? Gab es und gibt es nicht gründliche Analysen zu all den Themen, die der FN propagiert, wie Ausländer-„Reduzierung“,  möglichst wenige Muslime in Frankreich, Ausstieg aus dem Euro, gegen die Technokraten, für die gute alte Familie, gegen die Homorechts usw. Wurde da vonseiten der Vernunft wirklich nur ihrerseits wieder „verteufelt“? Was soll überhaupt dieses Wort „verteufeln“ in einer laizistischen Gesellschaft wie in Frankreich, wo selbst die Katholiken kaum noch an den Teufel glauben? Ist es nicht ein gefährliches Spiel, den FN jetzt wie eine Partei neben vielen anderen Parteien betrachten zu wollen? „Völlig ent-diabolisiert, könnte der FN einen großen Teil seiner Attraktivität verlieren“, schreibt hoffend und erwartungsvoll der Politologe. Man stelle sich nur einmal vor, in der Öffentlichkeit würde Antisemitismus nicht mehr als Schande und Verbrechen bewertet, also in gewisser Weise diabolisiert, was wäre da gewonnen? Würden die Antisemiten sich eines besseren besinnen und dann hübsche Humanisten werden?

Uns scheint der Vorschlag des gelehrten Herrn Taguieff doch etwas zu kurz gedacht. Es klingt fast, wie Jean Birnbaum in Le Monde vom 30. Mai 2014 schreibt, als wolle Taguieff „den FN (und die Le Pen Clique) reinwaschen von der schlechten Reputation“.

Wir halten uns lieber an seriösere Studien zu dem durchaus bedrohlichen Phänomen FN und des Le Pen Clan, etwa an das Buch der Historikerin Valérie Igounet, „Le Front National de 1972 a nos jours”. Erschienen bei Seuil, im Juni 2014. Auf dieses Buch werden wir noch zurückkommen. Die Schlussfolgerung der Autorin nach einer Studie von 448 Seiten: „Die Partei Front National ist eine Partei der extremen Rechten, die niemals ihr Wesen verändert hat“.

Copyright: Religionsphilosophischer Salon Berlin

Religion als Rauschmittel der Erfolgreichen. Zu einem Beitrag der panafrikanischen Zeitschrift “Chimurenga Chronic”

Nigerias geldgierige Prediger und die christliche Religion als Opium

Die Zeitschrift „Chimurenga Chronic“ aus Kapstadt bietet vieles, auch Religionskritik

Von Christian Modehn

„Chimurenga Chronic“ – den Namen werden wir uns merken müssen, wenn wir an den Kulturen Afrikas Interesse haben. Und das sollten wir, weil die meisten Europäer sicher einen enormen Nachholbedarf haben an Kenntnis und Verständnis. Afrika ist der nahe liegende Nachbar Europas; ein bis jetzt meist unbeliebter, weil unbekannter Nachbar, das muss sich ändern! Bis jetzt vertreiben wir schändlicherweise, gar nicht humanistisch und schon gar nicht christlich, diese unsere Nachbarn, siehe Mittelmeer, siehe Lampedusa usw.

„Chimurenga Chronic“ bietet monatlich ausführliche Informationen online; alle drei Monate auch als Printausgabe. Die „Chronic“ ist eine großartige Kulturzeitschrift, die seit 2010 in englischer Sprache in Kapstadt erscheint, von afrikanischen Autoren ausschließlich gestaltet. Beiträge kommen aus Kamerun, Mozambique, Benin, Nigeria usw. Ein tolles Panorama! Zur website dieser Zeitschrift klicken Sie bitte hier.

Die „Chronic“ belehrt schon beim ersten Hinblick, dass es „die“ afrikanische Kultur, „den“ afrikanischen Autor usw. selbstverständlich NICHT gibt. In Afrika gibt es, wie auch sonst und überall, alles Kulturelle nur im Plural, bezogen auf ein jeweiliges Land und eine jeweilige Kultur. Es ist der „Kulturstiftung des Bundes“ (Franckeplatz 2, 06110 Halle an der Saale) sehr zu danken, dass der Nr. 22 der  (gratis zu beziehenden!) Hauszeitschrift eine deutschsprachige Ausgabe dieser „panafrikanischen Gazette“ „Chimurenga Chronic“ beigelegt ist.

Aus der Fülle der Beiträge können wir von unseren religionsphilosophischen und damit immer auch religionskritischen Interessen nur auf einen Beitrag hinweisen: Yemisi Ogbe bietet eine gründliche und kritische Reportage über die bei uns schon etwas bekannte schrille Szene der Prediger und Kirchengründer im Umfeld von Lagos,Nigeria, die alle mit einer charismatischen und pfingstlerischen Spiritualität verbunden sind. Sie erreichen vor allem Menschen des aufstrebenden Mittelstandes in ihren riesigen Kirchengebäuden, auch viele Studenten; nur etwa 15 Prozent, so Yemisi Ogbe, seien arme Leute, „die jedes Wort als bare Münze nehmen, das der Prediger von sich gibt“. Auch die anderen glauben an das Wort der feingekleideten, „diamantbesetzte Uhren tragenden“ Predigern: Sie glauben daran, wenn ihnen Wohlstand und Luxus als Gottesgeschenk verheißen wird, wenn denn die Glaubenden selbst erst mal ordentlich spenden… für den Prediger und seine Familien. „Die (theologisch kaschierte) Wohlstandsdoktrin erweist sich für die Prediger selbst als äußerst profitable Ware“, so Yemisi Ogbe.

In der „Chronic“ von April 2014, in der deutschen Ausgabe auf Seite 11, wird nur ein Ausschnitt von dem Reichtum führender Prediger in Nigeria aufgelistet. Wir erwähnen Bischof David Oyedepo, von der Kirche Living Faith World Outreach Ministry, auch Winners Chapel genannt. Dieser Herr Bischof hat ein Vermögen von 150 Millionen US Dollar „erpredigt“. Seine Kirche, The Faith Tabernacle, bietet 50.000 Frommen Betern und damit immer auch Spendern Platz. Der „Pfingst-Bischof“ besitzt eine Universität, er hat Anwesen in London und den USA, einen Verlag, eine Druckerei, vier Privatjets usw. Das Vermögen des Predigers Chris Oyakhilome wird auf 50 Millionen US Dollar geschätzt; das des Predigers Temitope Balogun Joshua auf 15 Millionen US Dollar. Er beansprucht, schwerste Krankheiten heilen zu können. Das Vermögen des Predigers und Kirchengründers Matthew Ashimolowo wird mit 10 Millionen, das Vermögen des Predigers Chris Okotie mit 10 Millionen US Dollar angegeben. Wie gesagt, das alles in einem land, in dem Menschen vor Hunger sterben. In der letztgenannten Kirche sind besonders Mitglieder der high society aus Lagos Mitglieder, auch viele Prominente aus der äußerst aktiven „Nollywood“ Filmszene. All dies ist keine Phantasie: Andere religionssoziologische Studien haben ähnliches aus Nigeria berichtet.

Diese und weitere Fakten können hübsch detailliert nachgelesen werden auf Seite 11 der deutschen Ausgabe von „Chronic“ aus Kapstadt.

Bei der Lektüre dieses Beitrags von Yemisi Ogbe mit dem Titel „Nigerias Superstar-Gottesmänner  (mit dem englischen Obertitel „Gospel Christian Porn Rap“) wird deutlich, wie tief die Religionskritik hierzulande noch auf Europa fixiert ist; wie gering offenbar die reale Bedeutung der klassischen christlichen Kirchen (Katholiken, Lutheraner, Reformierte usw.) in manchen Teilen Afrikas ist. Und wie offenbar in Lagos und Umgebung in deutlichster Form Religion als Aufputschmittel für Erfolgreiche und als Goldquelle für die Prediger verwendet und mißbraucht wird. Vom Gott der Bibel, das sei am Rande bemerkt, ist da nicht mehr die Rede. Diese Christen nehmen es offenbar hin, dass Nigeria „zu den religiösesten Ländern der Welt“ (auch innerhalb des Islam?) gehört,so religionssiologische Studien;  gleichzeitig aber steht Nigeria an zweiter Stelle aller korrupten Staaten,  so “Transparency International”. Korruption und reicher Glaube der Sehr-Reichen sind hier also in einem „vorbildlichen“ Gemisch verbunden. Und Nigeria steht an 153. Stelle (von 186 Staaten) des Human Development Index. Das reiche “Erdöl-Land” ist bettelarm, wenn man die Mehrheit der Bevölkerung betrachtet.

Wir meinen: Weniger fromme Scharlatane, weniger Religion in dem beschriebenen Sinne, mehr Aufklärung, mehr Bildung, mehr Gerechtigkeit und weniger verlogene Kirchen dieser Art würden den allermeisten bitterarmen Menschen in Nigeria sehr gut tun, all das wäre wichtiger. Wir sind gespannt, ob einmal über Religionskritik in Nigeria und anderen afrikanischen Ländern berichtet wird. Vielleicht auch in der guten Zeitschrift „Chronic“ aus Kapstadt.

copyright: christian modehn, religionsphilosophischer-salon.de