Warum sollten die USA jetzt nicht mehr Demokratie genannt werden?

Die 24. der „unerhörten Fragen“: Warum sollten die USA jetzt nicht mehr Demokratie genannt werden?
Von Christian Modehn am 14.2.2025

1,
Die Antwort ist ganz einfach: Weil diese Erkenntnis den Fakten entspricht! Weil Trump und seine Regierung jetzt die Demokratie systematisch und wohl auf längere Dauer zerstört. Und diese Erkenntnis setzt sich immer mehr durch, zumal nach der “Münchner Sicherheitskonferenz” (14., 15.2.2025) mit dem Auftritt von Vizepräsident Vance (siehe dazu Fußnote 3)

2.
Objektive Beobachter sprechen jetzt tatsächlich von einem Staatsstreich (siehe Fußnote 1) durch Trump, also konkret: Von einem hinterhältigen, systematischen Übergang einer gewählten demokratischen Regierung in eine Diktatur. Der letzte große Staatsstreich geschah in Venezuela durch Maduro 2017 (siehe Fußnote 2).
3.
Wenn die Regierung Trumps, die Exekutive, nicht mehr die für eine Demokratie immer übergeordneten Gerichtsentscheidungen respektiert, spätestens dann sollte von Staatsstreich gesprochen werden. „Am Sonntag (9.2.2025) schrieb Trump Vizepräsident J.D.Vance in einem Post: `Richtern ist es nicht erlaubt, die legitime Macht der Exekutive zu kontrollieren.` Nebenbei: Vance ist tatsächlich Absolvent der Yale – Law – School (!), er hat in den vergangenen Jahren immer wieder argumentiert, dass ein Präsident wie Trump Gerichtsurteile ignorieren sollte, die seine exekutive Macht begrenzen“ (so Amran Coen in „DIE ZEIT“, 13.2.2025, S. 6).
4.
Wenn der Staatsstreich durch Trump also total wird, was wird dann in Staat und Gesellschaft der USA passieren? Russ Miller, Verfassungsrechtler und Jura – Professor, beantwortet diese Frage in der “ZEIT” sehr ehrlich: „Nichts passiert. Die Gerichte haben schließlich keine eigenen Mittel, ihre Urteile durchzusetzen. Die Polizei untersteht der Exekutive. Das Gesetz und die Verfassung, sagt Miller, seien letztlich nur eine Tradition, eine Konvention, an die wir uns als Gesellschaft halten. Ein Mythos, der nur dann wirkt, wenn alle an ihn glauben“ (ebd.).
5.
Auf Seite 1 der “ZEIT” vom 13.2.2025 schreibt Heinrich Wefing: „Ganz offen sprechen konservative Verfassungsrechtler im Blick auf Trump Herrschaft von einer „imperial presidency“, also einer imperialen Präsidentschaft, und diese wäre das Gegenteil der klassischen Gewaltenteilung, also eine Diktatur.
6.
Dieses imperiale Denken der USA und ihrer Politiker ist spätestens seit dem Vietnam Krieg wieder allgemein bekannt und auch in Erinnerung an die Lateinamerika -Politik der USA („Zentralamerika als Hinterhof der USA“, Zusammenarbeit mit Faschisten in Chile unter Diktator Pinochet usw.). Insofern ist die imperiale Präsidentschaft von Trump nur ein zugespitzter radikaler Ausdruck des tief sitzenden imperialen Denkens vieler in den USA und vieler Politiker.
7.
Wer wird den imperialen Präsidenten Trump und seine (Milliardärs)-Clique besiegen und demokratische Strukturen wiederherstellen?
Welche Europäer können dabei helfen, wenn ringsum in Europa sich stolz „nicht – liberale Regierungen“ an der Macht halten und rechtsextreme Parteien in Europa Zuspruch erhalten? Wer wird die Demokratie – nach demokratischen Reformen der Demokratie durch Demokraten – wieder als die einzige heute mögliche vernünftige Regierungsform durchsetzen und prägen? Wo sind diese vernünftigen Kreise? In den etablierten Parteien etwa? Was wäre die noch vorhandene Demokratie ohne die demokratischen Medien? Schützen wir wenigstens noch die freien und kritischen Medien, und: nicht alle Medien in Deutschland sind freie und kritische Medien. (Man erinnere sich an die Forschungen zur BILD Zeitung des Springer Imperiums durch Günter Wallraff…)
Philosophen sollten heute für den Schutz und die Weiterentwicklung der Demokratie eintreten, das tun sie auch, aber  ihre Bücher zum Thema erreichen oft nur Minderheiten – wegen der minimalen Auflage oder der komplexen Sprache der Philosophen.
8.
Und die Kirchen? Immerhin hat Papst Franziskus am 11.2.2025 heftig die Flüchtlingspolitik der Trump – Herrschaft kritisiert und dabei vor allem Vizepräsident Vance gemeint: Er ist seit 5 Jahren heftig überzeugter Katholik und Freund traditionalistischer Theologie. Quelle: LA CROIX, Tageszeitung in Paris, 12.2.2025.

Nebenbei: Die Bischofskonferenz der USA ist gespalten: Und immer wieder ist die Frage: Kann eine bewusst und explizit nicht – demokratisch sein wollende Organisation wie die katholische Kirche glaubwürdig für Demokratie eintreten und Demokratie möglicherweise retten? Oder rettet diese Kirche im Notfall wie üblich in der Geschichte vor allem die Rechte der Kirche?

Fußnote 1.
„Als Staatsstreich wird in der Regel die Aktion einer bereits im Amt befindlichen Regierung oder von einzelnen Regierungsmitgliedern bezeichnet, die darauf abzielt, ihre Macht auf illegitime Weise zu verlängern oder zu festigen, indem sie die Institutionen und das geltende legale Prozedere untergräbt, umgeht oder gänzlich ausschaltet.“ Wikipedia gelesen am 14.2.2025

Fußnote 2:
Zum Staatsstreich in Venezuela durch Präsident Maduro am 30.3 2017: LINK.
Interessanterweise kritisierte der 2017 schon herrschende Trump die, so wörtlich, „Maduro – Diktatur“ . Quelle: LINK.

Jetzt, Februar 2025, wollen die beiden imperialen Herrscher, Trump und Maduro, ihre Beziehungen wieder einvernehmlich verbessern. Quelle. LINK 

FUßNOTE 3 am 15.2.2025:

Das Thema dieser unerhörten Frage wird ständig weiter in der Öffentlichkeit vertieft und unsere Erkenntnis wird immer wieder bestätigt: Die USA sind auf dem Weg, nicht mehr länger als eine Demokratie gelten zu können. Und das sollte man offen sagen!

Sichtbar wurde der anti-demokratische Ungeist der Trump – Herrschaft in der Rede von Vizepräsident J.D.Vance während der Münchner Sicherheitskonferenz am 14.2.2025. Sogar die „Financial Times“ kommentiert zusammenfassend, berichtet die SZ am 15./16. Februar 2025, Seite 7: „Vance hat in München eine Wahlkampfrede für die AFD gehalten.“
Und Vance hat die nicht – liberalen Regime in Europa, wie Orban, förmlich als normale Regierungen hingestellt. Unverschämt, diese Einmischung der USA, und wie hilflos die Reaktionen der demokratischen Politiker. Vance ist aufgrund seiner heftigsten (reaktionär katholisch geprägten Ideologie) wahrscheinlich noch gefährlicher als Trump. Müssen die Europäer Angst vor ihm haben? Zur Angst vor Putin kommt nun die Angst vor Trump/Vance?

In der Süddeutschen Zeitung (SZ) vom 15./16. Februar 2025 Seite 41 nennt der Publizist Hilmar Klute den Präsidenten Trump einen „Autokraten.“ Also einen Allein – Herrscher, den man auch als Diktator bezeichnen kann.
„Donald Trump hat einen Krieg gegen sein eigenen Land entfesselt.“ Und gegen den „Rest“ der Welt, schreibt Hilmar Klute.

Das Dilemma ist: Europa darf es sich wohl aus ökonomischen und militärischen Überlegungen nicht erlauben, den Diktator Trump und sein Regime explizit zu bekämpfen. Aus Gründen der universell geltenden Vernunft und der demokratischen Selbstachtung müsste es Europa (gerade auch in Verbundenheit mit der Ukraine und gegen Putin) aber wohl tun. Es ist aber zu befürchten, dass ökonomische Erwägungen – wie immer in der Politik – den obersten Stellenwert haben.

Hilmar Klute schreibt: „Wir haben die Sprache und die Attitude der Unerbittlichen (also Trump und CO ) noch nicht ganz begriffen.“

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

 

CDU/CSU sollten Christen nicht wählen!

Ein Hinweis auf eine Publikation von kath.de vom 11.2.2025
Von Christian Modehn

1.
Die CDU/CSU ist für Christen (die noch wissen, was dieser Titel eigentlich bedeutet) NICHT wählbar. Das “C” dieser beiden Parteien ist bloß noch Kulisse, Irreführung, raffiniert eingesetzter Schein, vielleicht ein Witz.

Zu dieser Erkenntnis kommt – zusammenfassend gesagt und interpretierend –  Christoph Paul Hartmann in seinem Beitrag für die website katholisch.de vom 11.2.2025, gelesen am 11.2.2025 um 14.00 Uhr. LINK.

katholisch.de ist das „Nachrichtenportal der katholischen Kirche in Deutschland“!

Der Beitrag ist sehr erhellend und unbedingt lesenswert, zumal für jene, die noch daran denken, am 23.2.2025 CDU/CSU zu wählen.

Der Beitrag von Christoph Paul Hartmann gehört zu einer Serie“Die Parteiprogramme zur Bundestagswahl“ .

Wir zitieren hier nur einige Erkenntnisse aus dieser Analyse des Parteiprogramms der Unionsparteien zu Bundestagswahl 2025.

„Mehr Markt, weniger Staat” (S. 20) und andere Floskeln bevölkern dieses Programm, in dem statt konkreter Zahlen oder Strategien markige Slogans im Mittelpunkt stehen.
„Den subsidiären Schutz (für Flüchtlinge) an sich (S. 41) wie den Familiennachzug für Menschen mit subsidiärem Schutzstatus abzuschaffen gehört ebenso zum Programm von CDU/CSU wie Asylverfahren außerhalb der EU.“
„Von muslimischen Einrichtungen erwartet die CDU/CSU dagegen eine Art Gesinnungsprüfung: Sie sollen sich zum Existenzrecht Israels und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen. (Warum sagt die CDU/CSU nicht: Nur wer sich zu den universell geltenden Menschenrechten, auch für Palästinenser, bekennt, steht auf dem Boden des Grundgesetzes? Eine ergänzende Frage von Christian Modehn)

Im Text von kath. de heißt es weiter:
„Klar wird: Der Stil der Union ist schärfer und populistischer geworden, auch auf Kosten von Minderheiten. Das zeigt sich auch beim Abschnitt über Bürgergeldempfänger (29), aus dem durchaus eine Art Generalverdacht herausgelesen werden kann. Oder ideologischen Passagen wie der Ablehnung der Gendersprache (wobei die Union nicht definiert, was diese von gendergerechter Sprache abgrenzt, die sie befürwortet).
Zur Klimapolitik schreibt kath.de in seiner Interpretation des CDU/CSU Programms: “Wir sehen in der individuellen Mobilität den Inbegriff von Freiheit und spielen deshalb unterschiedliche Verkehrsmittel nicht gegeneinander aus. Anti-Auto-Haltung, Fahrverbote für Innenstädte, das Umwidmen von Parkplätzen und ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen lehnen wir ab.” Man will aber auch weiter chemische Pestizide (S35) auf deutschen Äckern. Das Programm ist hier zwar konservativ, doch dezidiert christlich oder auf Linie der Kirchen ist es nicht.“

Zusammenfassend aus dem Kommentar von kath.de: Die Union nähert sich dem Populismus, was sich nicht zuletzt in nur sehr spärlichen konkreten Maßnahmen ablesen lässt. Christliche Werte als eigene Entität oder als Orientierung in der Sozialpolitik (um die Katholische Soziallehre geht es überhaupt nicht) bleiben außen vor. Als konservatives Merkmal sind die volkskirchlichen Reste noch Teil der Fassade, christliche Inhalte treten dagegen mehr und mehr zurück. Sie taugen nur noch zur Abgrenzung des “wir” von den “anderen”. Im Programm lässt sich nachlesen: Die Union wendet sich von der Merkel-Zeit ab und stellt ihren Kurs auf Populismus. Sie folgt damit anderen konservativen Parteien in Europa, die in der Annäherung an extreme Kräfte ihr Heil suchen. Nicht zuletzt die jüngst entschiedene Ablehnung des Unions-Kurses durch Bischöfe und kirchliche Verbände zeigt, dass sich christliche Überzeugung und die Parteien mit dem C voneinander wegbewegen.“

2.
In einem „Gemeinsamen Aufruf“ mit dem Titel “Einstehen für unsere Demokratie“ ,
unterschrieben von den Vorsitzenden der christlichen Kirchen in Deutschland zur Wahl des 21. Deutschen Bundestages am 23. Februar 2025,
ist mit keinem Wort die Rede von der lächerlichen und inzwischen völlig überflüssigen Verwendung des „C“ in der CDU und CSU.
Dieser offizielle Kirchen – Bischofs – Text enthält das übliche allgemeine BlaBla der ökumenischen „Eintracht“, der intellektuelle Gipfel der bischöflichen Erkenntnis ist: „Bitte wählen Sie Parteien, die sich für unsere Demokratie einsetzen!“
Vor der AFD wird explizit nicht gewarnt, es wird nicht gesagt: Diese Partei ist für Christen nicht wählbar. Es heißt nur in der üblichen Allgemeinheit: „Wir halten daran fest, dass Extremismus und vor allem völkischer Nationalismus mit dem Christentum nicht vereinbar sind.“

3.

Siehe auch unseren Beitrag vom 29.1.2025 zum selben Thema: LINK:

Copyright: Christian Modehn, religionsphilosophischer-salon.de

 

 

 

Warum soll der Superreichtum der Milliardäre öffentlich obszön genannt werden?

Die 23. der „Unerhörten Fragen“

Von Christian Modehn am 29.1.2025

Auch diese „unerhörte Frage“ verlangt Erläuterungen.

Zuerst eine Definition:
Obszön, aus dem Lateinischen obscenus, bedeutet schmutzig, schamlos, unanständig, die guten Normen und Werte brechend und zerstörend.
Wer sich obszön verhält, weckt bei anderen Menschen Gefühle des Ekels.
Die obszönen Superreichen wecken jedoch eher den Neid bei den vielen Millionen „Nicht – Superreichen.“ Und dieser Neid führt zur Überschuldung der „Nicht – Superreichen“. Und Überschuldung sehr vieler führt zu politischen Krisen und zur Akzeptanz von rechtsextremen Populisten.

Auch diese unerhörte Frage ist also alles andere als eine bloße theoretische – philosophische „Spielerei“.

Unsere Frage wird in der kritischen und objektiven Presse noch aktuell dokumentiert, so etwa im Tagesspiegel, 16.2.2025 bitte beachten!  LINK

Die Aussage ist: Angesichts der obszönen ungerechten Verteilung des Eigentums auch und gerade in Deutschland müssten eigentlich “die Bürger auf die Barrikaden gehen.” ….Machen sie aber nicht, weil sie sich permanent von Politikern einreden lassen: Die Grenzschließung und die Abwehr von Geflüchteten sei am dringendsten in Deutchland. Welch eine Verblendung und Irreführung.

Die Erläuterungen:

1.
Die ständige Zunahme des Reichtums der Milliardäre und Multi – Millionäre weltweit wird seit vielen Monaten ebenfalls weltweit ständig wissenschaftlich dokumentiert. Um nur von Deutschland zu sprechen: Hier leben 249 Milliardäre, es sind die Top 10 der Reichsten, und diese Herrschaften kontrollieren 67 % der Vermögenswerte. Hingegen: Die untersten HÄLFTE der Bevölkerung in Deutschland kontrolliert NUR 1 % (in Worten EIN Prozent) der Vermögenswerte.. LINK

Und Carsten Schröder u.a.: MillionärInnen unter dem Mikroskop: Datenlücke bei sehr hohen Vermögen geschlossen – Konzentration höher als bisher angenommen. In: DIW Wochenbericht 29/2020, 511-521.

Weitere Fakten zur Zunahme der Superreichen: Siehe die wichtige OXFAM Studie. 2025: Fußnote 1:
Oder auch den Hinweis der Soziologin Eva Illouz, Fußnote 2:

2.
Diese ungerechte Situation kann und darf nicht nur distanziert und neutral statistisch betrachtet oder als eine Art normale Entwicklung im Kapitalismus beschrieben werden, zu der es – angeblich – keine Alternative gibt. Soviel „Positivismus“ oder „Neutralität“ oder „liberale Großzügigkeit“ ist dem Thema absolut unangemessen: Denn hinter der Statistik verbirgt sich zunehmende Armut weitester Kreise der Bevölkerung, sie können die Miete nicht mehr zahlen, sind vom sozialen Leben ausgeschlossen, weil das Geld für Bildung und Nahrung fehlt usw., die vielen hundert weiteren Beispiele zunehmenden Elends sind bekannt. Vom Hungersterben der Millionen Menschen in der so genannten „Dritten Welt“ ganz zu schweigen, diese erbärmlichsten Menschen in Sudan, Kongo, Haiti usw. sterben auch deswegen, weil die von der reichen Welt (auch den Milliardären) gemachten Wirtschaftsbeziehungen tödlich für sie sind.

3.
Der ganz überwiegende Teil der Menschheit muss sich als Opfer verstehen, und zwar als Opfer des Superreichtums der Superreichen. Es geht also um eine Analyse und Bewertung dieses Täter – Opfer – Verhältnisses, in diesen Begriffen wurde bisher der Superreichtum der Superreichen nicht besprochen. Aber es wird Zeit, dass allgemein erkannt wird: Welchen Schaden der Superreichtum der Superreichen für die Menschheit und – ökologisch – die Welt anrichtet.

4.
Die Superreichen erzeugen durch ihr Verhalten viele Opfer, also Menschen, die unter dem Superreichtum der Superreichen leiden und zu Tode kommen (Hungersterben). Es wird Zeit, dass sich die vielen Millionen Opfer des Superreichtums der Superreichen wehren. Aber diese Herrschaften lassen sich wohl durch Fakten zu ihren Untaten nicht erreichen, sie werden sich deswegen auch nicht schämen. Da werden nur politische Aktionen der Demokraten einen Ausweg bieten. Ob die moderat und so höflich und nett von den vielen Opfern und deren Interpreten geführten Debatten etwa um „Reichensteuer“ da weiter helfen, ist sehr die Frage.

Superreiche erzeugen viele tausend Opfer:
Beispiel: Superreiche verschmutzen die Umwelt wegen ihrer monströsen Autos, ihrer Privatjets, ihrer riesigen Yachten, ihrer vielen nur selten bewohnten Luxuswohnungen in vielen Metropolen oder Villen in bestimmten „äußerst hübschen Gegenden“, Cote d Azur, Mallorca etc…). „Wer viel Geld hat, kann bestehende soziale und ökologische Missstände stabilisieren oder gar vergrößern“ (Jörg Alt). Zu den Super – Luxus-Yachten der Superreichen siehe die Studie des Soziologen Prof. Gregory Selle: LINK. Nur ein weiteres Beispiel: „Große Vermögen im Globalen Norden beruhen oft auch auf sozialer und ökologischer Ausbeutung im Globalen Süden“ (Der Sozialwissenschaftler Jörg Alt, in „Stimmen der Zeit“, Februar 2025.).

5.
Die ständige Zunahme des Reichtums der Milliardäre und Multi-Millionäre ist also ein humanes Problem. Eine Herausforderung für eine halbwegs humane Zukunft. Und das heißt: Der horrende Reichtum der Milliardäre ist auch und vor allem eine Frage der Moral zu diskutieren, des humanen Verhaltens in einer – angeblich – human-sein-wollenden Welt. Diese moralische Betrachtung des Themas ist notwendig, sie erinnert an den nun einmal nur moralisch zu nennenden Skandal, dass einige wenige in absolutem Saus und Braus leben, d.h. in ihrer Langeweile ständig „feiern“ und ihr Geld förmlich verbrennen: Aber nur mit kleinen Spenden (nämlich mal eine Million dort hin, eine andere dahin, je nach Gönnerlaune) ihrer jeden Menschen universell treffenden Verantwortung gerecht werden, also zu teilen. Die Realität des Gemeinwohls, einer der wichtigsten Werte der Menschheit, ist fast verschwunden. Und das darf nicht so bleiben. Ein Beispiel für viele: Für welchen objektiven Unsinn/Blödsinn ein erzkatholischer Millionär in Polen jetzt spendet, siehe den Bau einer monströsen Marienstatue in Polen: LINK:

6.
„CDU/CSU und FDP hatten unter dem Druck der Lobbyisten kein Interesse daran, dem Auftrag des Bundesverfassungsgerichtes von 1995 nachzukommen, Reformen der Vermögenssteuer durchzuführen,“ schreibt der Jesuit und Sozialwissenschaftler Jörg Alt in der Monatszeitschrift „Stimmen der Zeit“, Heft 2, 2025.
CDU/CSU und FDP sind also von Lobbyisten der Ultrareichen abhängig und machen in deren Sinn Politik,

7.
Der CDU/CSU und vielleicht auch der FDP ist es irgendwie dann doch noch etwas peinlich, wenn ihre Abhängigkeit von Lobbygruppen der Reichen zunehmend bekannt wird und damit die demokratische Qualität dieser Parteien auch so „ein bißchen“ in Frage steht. Lobbyabhängigkeit kann man ja schon in Lateinamerika heute nicht mehr ertragen. Im Wahlkampf Februar 2025 wird vor allem von der CDU/CSU nur von „Flüchtlingen“ von den bedrohlichen Andere und einem möglichst totalem Grenzschutz gesprochen, und nicht von Gerechtigkeit, nicht von einer gewissen Beendigung des Superreichtums der Superreichen. Diese Politik ist die Politik der Abschottung, des Sich – Verbarrikadieren in einer Festung, diese Politik hat ihre Grundlage in der Abwehr nicht nur der Superreichen, mit anderen zu teilen und eine für alle (!) humane Welt zu gestalten, in der es dann gar keine Flüchtlinge geben bräuchte.

8.
Unsere unerhörte Frage nennt den Superreichtum der Milliardäre obszön. Damit kommt eine moralische Beurteilung in die Debatte, und das ist gut so: Denn alles humane Handeln der Menschen unterliegt nicht nur rechtlichen Normen, sondern auch moralischen, d.h. universell geltenden humanen Normen.

9.
Das Verhalten von Menschen obszön zu nennen, ist Ausdruck eines kritischen humanen – moralischen Bewusstseins. In dieser „unerhörten Frage“ wird jetzt die Qualifizierung von menschlichem Handeln als obszön aus dem bislang üblichen Rahmen des Sexuellen und Pornografischen herausgenommen: Damals galt als obszön: Heftige Sexszenen im Kino, zur öffentlichen Schau dargestellte Nacktheit oder gar öffentlich gezeigter Sex. Das alles galt bis vor einigen Jahren in Deutschland als obszön. Dann wurden viele toleranter.
Jetzt aber gilt also obszön das zur Schaustellen von absolutem Luxus (Yachten!) durch Milliardäre und Multimillionäre und überhaupt das ethische Verhalten der Superreichen. Wir genießen Champagne und Kaviar in Luxusrestaurants und … vor der Tür dieser Restaurants (er)frieren die Obdachlosen. Sie bekommen beim Weggehen der Pelzmantel-Träger 1 Euro Spende … Obszön wird also zu einem politischen Begriff.

10.
Der Begriff obszön beschreibt jetzt die Zusammenarbeit der Superreichen und der Milliardäre etwa mit dem Regime von Donald Trump: „Eine kleine Gruppe extrem reicher Menschen kooperiert (mit Trump), um die Demokratie und ihre zentralen Prinzipien von Gleichheit und Schutz von Grundrechten abzuwickeln“, schreibt Nicole Deitelhoff treffend im „Tagesspiegel“ vom 27.1.2025, Seite 9.

11.
Das Verhalten der Milliardäre und der sie unterstützenden „gut bürgerlichen- christlichen“ und liberalen Parteien obszön zu nennen, ist natürlich gewagt und gefährlich: Weil ein moralischer Begriff wie obszön die ansonsten streng neutral argumentierende Debatte über Reichtum und Armut („bloß nicht den Superreichen zu nahe treten, sie haben ja so viel Macht, können sich rächen“, was ja leider, siehe Trump Aktionen stimmt) verändert zugunsten einer von Gerechtigkeit bestimmten Gesellschaft und eines gerechten demokratischen Staates. Erinnert wird hier daran, dass Demokratie und Gerechtigkeit austauschbare Werte sind. Wer Demokratie will, der will Gerechtigkeit. Wer populistisch den „Führer“ will, wählt den Niedergang der Gerechtigkeit und der Demokratie.

12.
An der Bewertung des Superreichtums als obszön festzuhalten, bringt Klarheit in die Wahrnehmung unserer heutigen so genannten demokratischen Gesellschaft. Natürlich, das ist auch eine Tatsache: Überall gibt es unmoralische Menschen, in allen Klassen und in allen Organisationen gibt es Leute, die sich obszön (nicht im sexuellen, sondern im politischen Sinne) verhalten. Aber dieses obszöne Verhalten der „kleinen Leute“ erzeugt nicht so viel Opfer wie das obszöne Verhalten der Superreichen.

13.
Dies zu sagen, ist vielleicht ungewöhnlich und und gefährlich, aber es bringt mehr Licht in die beschriebenen Verhältnisse. Die Millionäre von „tax me now“ LINK  sind leider eine Ausnahme, aber sie zeigen, wie ein gerechter Staat, wie eine gerechte Gesellschaft aussehen könnte, wenn Milliardäre human werden.

14.

Der CDU Politiker und Kanzlerkandidat Februar 2025 Friedrich Merz gehört nicht in die Gruppe der Milliardäre. Aber gehört zum erlesenen Kreis der Multi – Millionäre in Deutschland.
Darüber berichtet die TAZ (Autor: Jost Maurin) am 1.2.205 auf Seite 16.
Merz nennt sich als Multimillionär – verlogen – „Teil der gehobenen Mittelschicht“, so die TAZ. Mit dieser irreführenden Bezeichnung will der CDU Chef Merz sich den schlichteren Mittelständlern, den CDU Wählern, anbiedern, will sich ärmer machen als er ist. Nur so kann er diese „Mittelstandspartei“ führen. Die TAZ fragt bei dem Betroffenen nach “Kann sich Merz (auch Söder CSU ist Millionär) die Sorgen der kleinen Leute vorstellen?” Die TAZ schreibt: „Diese Frage der TAZ ließen Merz und Söder bis Redaktionsschluss unbeantwortet.“

Zuvor hatten schon etliche andere Medien über den Multimillionär Friedrich Merz berichtet:
„Das geschätzte Vermögen von Friedrich Merz beträgt 12 Millionen Euro.“
Quelle: LINK https://www.vermoegenmagazin.de/friedrich-merz-vermoegen/. Gelesen am 1.2.2025

„Interessanterweise fühlt sich Merz trotz seines Einkommens nicht der Oberschicht zugehörig. Er hat sein Vermöge nicht nur durch seine politische Tätigkeit, sondern auch als Lobbyist und Berater für verschiedene Firmen erworben.
Laut des Vermögensmagazins beträgt Friedrich Merz` Vermögen um die 12 Millionen Euro.2
So auch FOCUS am 13.2.2024: LINK : Gelesen am 1.2.2025.
Es ist eine Frage an Psychologen, ob diese enorme Selbstsicherheit und Arroganz von Merz (und auch Söder) auch von ihrem „Multi – Millionärsdasein“ stammt? Bei Trump sind diese Zusammenhänge ja evident.

15.
Als nächstes dringendes Thema einer unerhörten Frage steht an: Ist große Privat – Eigentum immer heilig? Ist Eigentum etwa der neue Gott? Dazu haben wir schon eine historische Vor-Studie im Blick auf Proudhon veröffentlicht: „Eigentum ist Diebstahl.“ LINK:

FUßNOTE 1. 
OXFAM: Quelle: Januar 2025 veröffentlicht: https://www.oxfam.de/system/files/documents/oxfam-factsheet-davos-2025-milliardaersmacht-beschraenken-demokratie-schuetzen.pdf
Das lesenswerte Dokument selbst lesen, hier nur ein kurzer Auszug:

„Weltweit ist im Jahr 2024 das Gesamtvermögen der Milliardär*in-
nen um zwei Billionen US-Dollar gestiegen. Ihr Vermögen wuchs
damit 2024 dreimal schneller als 2023. Das Vermögen eines*einer
Milliardär*in vergrößerte sich im Durchschnitt um zwei Millionen
US-Dollar pro Tag. Bei den reichsten zehn Milliardären waren es
sogar 100 Millionen US-Dollar pro Tag. Selbst wenn diese zehn
Milliardäre über Nacht 99 Prozent ihres Vermögens verlieren wür-
den, blieben sie Milliardäre. Im Jahr 2024 kamen insgesamt 204
neue Milliardär*innen hinzu. Dies entspricht durchschnittlich fast
vier neuen Milliardär*innen pro Woche. Damit stieg die Zahl der
Milliardär*innen gemäß Forbes-Reichenliste auf 2.769. In Deutschland stieg 2024 das Gesamtvermögen der Milliardär*in-
nen um 26,8 Milliarden US-Dollar. Es kamen neun neue Milliar-
där*innen hinzu, insgesamt sind es laut Forbes-Reichenliste 130.
Deutschland hat damit nach den USA, China und Indien die meisten Milliardär*innen.
Während Superreiche immer reicher werden, ist die Zahl der Men-
schen, die unter der erweiterten Armutsgrenze der Weltbank von
6,85 US-Dollar leben, seit 1990 unverändert bei fast 3,6 Milliarden
geblieben. Das entspricht aktuell 44 Prozent der Menschheit.
Frauen sind besonders von Armut betroffen. Weltweit müssen
733 Millionen Menschen infolge von Armut hungern – etwa 152 Mil-
lionen mehr als 2019. Die Weltbank geht davon aus, dass es mehr
als ein Jahrhundert dauern wird, die Armut zu überwinden, wenn
die derzeitigen wirtschaftlichen Wachstumsraten anhalten und
die Ungleichheit nicht abnimmt. Laut ihren Berechnungen könnte
Armut dreimal schneller beseitigt werden, wenn die Ungleichheit
verringert würde.
Viele Länder stehen vor dem Bankrott, sind durch Schulden ge-
lähmt und haben nicht die finanziellen Mittel, um Armut und
Ungleichheit zu reduzieren. Länder mit niedrigem und mittlerem
Einkommen geben im Durchschnitt 48 Prozent ihres Haushalts für
die Rückzahlung von Schulden aus. Das ist weit mehr als sie für
Bildung und Gesundheit zusammen aufwenden…..

Fußnote 2:
Fakten zum Reichtum. Eva Illouz, im Buch „Explosive Moderne“, S. 125 f.: „Mitte des 20. Jahrhunderts verdienten die Geschäftsführer großer Firmen im Schnitt 20-mal so viel wie die unter ihnen beschäftigten Arbeiter. Bei heutigen – 2024- CEOs sind es 300-mal so viel“.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin. www.religionsphilosophischer-salon.de

Alleinsein überwinden … durch Einsamkeit!

Ein provozierender, aber hilfreicher Hinweis: Einsamkeit als reflektierte Lebensform
Von Christian Modehn am 3.1.2025

Berlin – Stadt der Einsamen oder der Menschen, die allein sind, die niemanden haben? Siehe dazu Nr. 10 in diesem Hinweis.

1.
Über den Unterschied von Alleinsein und Einsamkeit muss erneut gesprochen werden. Nicht nur, weil die deutsche Sprache zwei unterschiedliche Begriffe für dieses Phänomen des „Auf sich-Selbst-Gestelltseins“ des Menschen anbietet. 2013 hatten wir zum Thema schon einige Hinweise publiziert. LINK . Nun muss aus aktuellem Anlass erneut darüber gesprochen werden: 20 Prozent der Weltbevölkerung, so das Meinungsforschungsinstitut Gallup im Jahr 2024, seien „häufig von Einsamkeit betroffen.“ (Fußnote 1). Diese Einsamkeit sei für die Betroffenen auch eine gesundheitliche Gefährdung und für den politischen und sozialen Zusammenhalt eine Belastung. „Etwa ein Drittel der Erwachsenen in Deutschland fühlt sich zumindest teilweise einsam, knapp 20 Prozent fühlen sich sogar sehr einsam.“ LINK
Dieses Phänomen, in dem Zeitungsbericht „Einsamkeit“ genannt, wird dann sozialwissenschaftlich definiert: „Unter Einsamkeit wird ein negatives Gefühl verstanden, nach dem die individuellen sozialen Beziehungen qualitativ oder quantitativ als nicht ausreichend empfunden werden. Bleibt dieses Gefühl über längere Zeiträume erhalten, können z.T. schwerwiegende psychische und physische Krankheitsbilder die Folge sein.“

2.
In der Presse wird – einer populären Üblichkeit folgend – von Einsamkeit gesprochen, wobei tatsächlich Alleinsein gemeint ist. Unsere These ist: Das weit verbreitete Alleinsein können Gesellschaft, Organisationen, der Staat überwinden helfen. Einsamkeit ist hingegen die Erfahrung und die Erkenntnis dessen, was den Menschen ausmacht, klassisch gesagt, was sein „Wesen“ ist. Um diese Einsamkeit kann sich nur jeder einzelne Mensch selbst bemühen. Dann findet er erneut in die Gemeinschaft der anderen. Schon jetzt zusammenfassend gesagt: Einsamkeit als menschliche Lebensform ist das überwundene Alleinsein. Insofern ist es wünschenswert, wenn Alleinsein zur Einsamkeit wird. Einsame Menschen sind allein.

3.
Menschen, die allein sind, sind die Alleinlebenden, diejenigen, die „niemanden (mehr) haben“, die „Allein-Stehend“ sind, oft isoliert und nicht beachtet. Sie werden inmitten so vieler Leute eher nur wie etwas Anonymes, wie eine Nummer, wahrgenommen. Alleinlebende können diese Lebensform natürlich auch vorübergehend selbst frei gewählt haben, gemeint sind in den sozialwissenschaftlichen Studien die Alleingelassenen, Abgeschiedenen und Abgeschriebenen, die Isolierten… oft wegen des Alters, des Abbruchs von Beziehungen und Freundschaften, wegen der Fremdheit in der umgebenden Kultur. Oder weil sie zu einer sexuellen Minderheit gehören in einem letztlich immer noch repressiven, oft feindlichen System.

4.
Auf diesen Unterschied zwischen Einsamkeit und Alleinsein hinzuweisen ist keine philologische oder philosophische Pedanterie oder Spitzfindigkeit, das Thema hat politische Bedeutung:
Die isolierten, die etwa wegen ökonomischer Zwänge oder persönlicher schicksalhafter Entwicklungen alleinlebenden Menschen, solche die „niemanden haben“, sind das unerfreuliche Gesicht der individualisierten Gesellschaft. Vereinzelt, allein lebende Menschen sind eben auch in ihrer Lebensenergie geschwächt, sie organisieren sich nicht, kämpfen nicht für bessere Lebensbedingungen, haben nicht die Kraft, für umfassende Gerechtigkeit einzutreten, die bei einer Reform des ökonomischen und politischen Systems auch ihnen zugute kommen könnte. Allein-Lebende sind als vereinzelte Menschen für jede Form von Staatlichkeit letztlich ungefährliche Bürger, vielleicht ist dies sogar willkommen und erwünscht, wenn auch die sozialen Kosten zur Unterstützung der depressiv gewordenen Alleinlebenden beträchtlich sein können, falls diese Menschen denn Therapieplätze überhaupt noch finden. Rebellion zugunsten besserer, kommunikativer Lebensverhältnisse sind von Alleinstehenden, Menschen die allein sind und niemanden mehr haben, nicht zu erwarten.

5.
Früher waren in Europa die Kirchengemeinden Orte, in denen sich Alleinlebende wohlfühlen konnten: Diese Orte, Gemeindezentren, Kirchen mit ihren Gruppen(veranstaltungen) verschwinden aber zunehmend. Der Grund: Weil es – etwa in der katholischen Kirche – immer weniger Pfarrer gibt, werden kommunikative Gemeindezentren geschlossen oder abgerissen. Und kein Alleinlebender (etwa älterer Mensch) protestiert gegen diese Zerstörung von Kommunikation durch klerikale Kirchenbehörden. Aber das ist ein anderes großes Thema…

6.
Was ist Einsamkeit? Allgemein und gebotener Kürze gesagt: Der einsame Mensch hat gerade im Rückzug auf sich selbst das Fühlen und Denken des Selbst geübt und dabei zu seinem eigenen individuellen Leben gefunden. Der in dieser Weise einsame Mensch ist der reife, reflektierte Mensch, der als Einsamer natürlich mit anderen lebt und sich der Gemeinschaft erfreut. Aber ehe es dahin kommt, soll die Selbst – Reflexion geübt werden. Der Philosoph Michel de Montaigne (1533-1592) hat in seinem umfangreichen Bekenntnis, „Essays“ genannt, ein Kapitel (Nr. 39 im „Ersten Buch“) der Einsamkeit gewidmet. (Fußnote 2). Montaigne brauchte den Rückzug angesichts der Belastungen und Gefährdungen durch die politischen Verhältnisse, er brauchte den Rückzug in seine Bibliothek. Und dort fand er im Alleinsein zur Einsamkeit: Sie war die Erfahrung, im reflektierten Rückzug als Mensch wesentlich zu leben, die Tiefe des Lebens zu sehen, auf den eigenen Geist zu achten und die eigene Seele zu spüren. Montaigne wollte sich als einsamer Mensch erkennen, um sich selbst annehmen zu können, er schreibt: „Es ist eine höchste und gleichsam göttliche Vollendung, sich seines eigenen Wesens redlich froh werden zu können“. Und: „Die größte Sache der Welt ist, dass man sich selbst zu gehören weiß“.

7.
Einsamkeit ist also für Philosophien, Spiritualitäten, Traditionen der Literatur und der Kunst eine produktive Lebensform, die jeder entwickeln kann. Gesprächskreise können dabei Inspirationen bieten. Dabei ist Einsamkeit kein Zustand, der einmal definitiv erreicht wird: Ein einsamer Mensch wird in Gemeinschaft leben, aber er wird sich dabei schützen vor dem ständigen Gerede und den aufgezwungen Aktivitäten durch andere. Er sucht immer wieder den Rückzug, denn nur in der Stille kann der Mensch reflektieren, nur in Ruhe kann er das tun, was für ihn wichtig ist, was ihn leben lässt: Meditieren, malen, musizieren, schreiben, sich im Nachdenken, Philosophieren üben, das immer um die entscheidende Frage geht: Wer bin ich eigentlich, wie will ich mit anderen leben, wo will ich hin, woher komme ich? Welche (falschen) Entscheidungen habe ich getroffen, wie bereite ich mich auf mein Lebens-Ende vor? Einsamkeit ist also ein Begriff, der menschliches Leben im emphatischen Sinne meint.

8.
Der Philosoph Martin Heidegger legt in seinen Vorlesungen unter dem Titel „Die Grundbegriffe der Metaphysik“ (1929) allen Nachdruck darauf, die Einsamkeit einzuüben. Und diese Übung beginnt damit, meine eigene begrenzte Lebenszeit anzunehmen, also die eigene Endlichkeit anzunehmen. Und da wird mir deutlich: Dass ich immer ein einzelner bin, einmalig für mich die Möglichkeit habe, mein eigenes Leben zu gestalten. Heidegger schreibt: „Diese Vereinzelung ist jene Vereinsamung, in der jeder Mensch allererst in die Nähe zum Wesentlichen aller Dinge gelangt, zur Welt“ (Fußnote 3.)

9.
Das Alleinsein lässt sich überwinden mit Hilfe von (Therapie-) Gruppen, durch gerechtere Sozialhilfen, bessere Wohnungen usw. Dann können alleinlebende Menschen zu einsamen Menschen, die als einsame gerade in Verbindung mit anderen leben, weil sie die Tiefe des Lebens erfahren und verstehen.
Das Einsamsein als kommunikative Lebensform lässt sich einüben durch philosophische Gesprächskreise, Lektüregruppen…
Warum kommt der Staat nicht auf die Idee, diese „Basis-initiativen“ zu fördern? Warum gibt es keinen eigenen philosophischen Studiengang mit dem Ziel: ModeratorIN von philosophischen Gesprächssalons zu werden?
Solche Gesprächskreise in aller respektierten Freiheit an vielen Orten und Stadtteilen zu fördern ist genauso wichtig und für die Menschen hilfreich wie die Finanzierung großer Opernhäuser und Theater, an deren unglaublich teuren Aufführungen nur noch die sehr wohlhabenden Leute teilnehmen (können).

10.

BERLIN – die Stadt der Einsamen oder der alleinlebenden Menschen, der Menschen also, die “niemanden haben”, niemanden kennen… Ein wichtiges Interview dazu mit dem Psychiater Mazda Adli, Berlin, im TAGESSPIEGEL vom 1.Februar 2025, Seiten B 10 und 11.  Dass auch hier, wie so oft, Einsamkeit und Alleinsein verwechselt werden und eigentlich unserer Meinung immer Alleinsein (“Niemanden-Haben, Isoliertsein …”) gemeint ist, wenn von Einsamkeit die Rede ist, finden wir bedauerlich.

Im Interview also betont der Chefarzt für Psychiatrie Mazda Adli sehr treffend: “Kaum ein Thema ist so tabulisiert wie Einsamkeit.” “Großstädte sind eher anonyme Orte”. “Einsamkeit hat einen größeren negativen Effekt auf die Lebensdauer als Rauchen, Alkoholmissbrauch oder Fettleibigkeit”, sagt der Psychiater Mazda Adli.

Wichtig ist vor allem seine Forderung: “Wir brauchen mehr nicht-kommerzielle Begegnungsflächen, wo die Menschen auch sponatan zusammenkommen können…Ein wichtiger Schutzfaktor gegen Einsamkeit sind zum Beispiel unsere Kultureinrichtungen, wie Theater, Museen, Galerien, Kulturzentren… Jedes Theater erfüllt einen Gesundheitsauftrag! Jetzt erleben wir durch die Kürzungen (der CDU/SPD Koalition) einen Rückbau an Kultur und das ist aus meiner Sicht ein Gesundheitsrisiko.”

Uns fällt auf, dass bei der Aufzählung der hilfreichen, also gesundheitsfördernden “nicht-kommerziellen Begegnungsflächen” kirchliche Gemeindezentren (in Berlin) gar nicht mehr erwähnt werden. Sie spielen tatsächlich wohl jetzt in Berlin keine bedeutende Rolle, weil etlich der bestehenden Gemeinden, Kirchengebäude, Gemeindezentren meist – wegen Personalmangel, Finanzproblemen – geschlossen sind oder bereits aufgegeben wurden. Das sollte exakt soziologisch nachgewiesen werden!

Die katholische Kirche im Erzbistum Berlin etwa nennt diesen ihren seit Jahren betriebenen Abbau von kommunikativen Orten (Gemeinden, Pfarreien) ganz offiziell und wohl auch zynisch gemeint “Wo der Glaube Raum gewinnt”. Man sollte aber treffender sagen: “Wo der Glaube und die offenen kommunikativen Orte sich im weiten Raum verlieren und alsbald ganz verschwinden.” Das  ist auch gemeint, wenn hierzulande Religionssoziologen von Entkirchlichung sprechen. Und es ist natürlich die Frage, ob etwa dogmatisch bestimmte Veranstaltungen in den noch bestehenden katholischen Gemeinderäumen eine Lebenshilfe für Einsame (d.h. Alleinlebende, Verlassene, isolierte  Menschen) sein können. Und ob die Pfarrer, die sich manchmal noch Seelsorger nennen, tatsächlich die Qualität von Seelsorgern haben. Wir befürchten: Die Antwort ist Nein. Pfarrer und Priester sind Verwalter bzw. Sakramenten-Spender und “Messe-Leser”, sie eilen von einer Kirche zur anderen, um die Messen zu lesen, die nur Priester (Männer) – so die offizielle Lehre – leiten dürfen. Die Macht des Klerus bleibt also erhalten … das ist bekanntlich am wichtigsten in der römischen Kirche.

Fußnote 1:
Tagesspiegel, 27.12.2024, Seite 3.

Fußnote 2:
Montaigne, “Essays”, Eichborn Verlag, Übersetzt von Hans Stilett, 1998, Seite 124ff. Bes. S 126.

Fußnote 3:
Martin Heidegger, Die Grundbegriffe der Metaphysik. Frankfurt am Main 1983, Seite 8.

Copyright: Christian Modehn, www.religionsphilosophischer-salon.de

 

 

“Die Hoffnung stirbt zuletzt”. Widerstand gegen die Verzweiflung!

Kant lehrt uns, die Hoffnung zu bewahren.
Ein Hinweis von Christian Modehn am Ende der Kant – Jahres 2024 … in der Hoffnung, dass Kant weiter intensiv diskutiert wird.

Die Erkenntnisse des Philosophen Immanuel Kant wollen unbedingt verhindern, dass die Hoffnung wirklich “zuletzt stirbt”. Denn das wäre das Ende. Wir sollen gemeinsam alles dafür tun, dass wir die Berechtigung, das Recht, haben die Hoffnung zu leben und die Hoffnung niemals aufzugeben.

Diese Hoffnung ist alles andere als ein naiver Optimismus. Sie ist alles andere als eine politische nationalistische Ideologie, die den Menschen in den USA einen “amerikanischen Traum” empfiehlt und einredet. Siehe dazu die Nr.10 und 11 in diesem Hinweis.

1.
„Die Hoffnung stirbt zuletzt.“ Wie ein Slogan hat sich dieser Satz in unseren dunklen Zeiten verbreitet und durchgesetzt.
Die Frage ist: Was ist eigentlich zuvor schon alles gestorben, an Weisheiten, Einsichten, Überzeugungen, wenn man einen solchen Satz sagt? In der christlichen Tradition spricht der Apostel Paulus von „den menschlich entscheidenden Dreien“, also von „Glaube, Hoffnung und Liebe.“ Um bei unserem Thema zu bleiben: Dann sind offenbar Glaube und Liebe schon gestorben. Dann bleibt nur noch die Hoffnung als das Letzte vor einem definitiv gedachten Ende, dem Nichts … oder dem Himmel?

2.
Immanuel Kant kann bei dem Thema weiterhelfen: Hoffnung und aktives Hoffen ist ein zentrales Thema seiner Philosophie. Auch Hoffen und Hoffnung führt ihn selbstverständlich über den Bereich des wissenschaftlich exakt Erkennbaren hinaus. Und so wird auch hier sichtbar: Kant hat zwar als Anhänger des Physikers Newton seine Karriere begonnen, aber er musste als Philosoph über die Physik hinaus denken … in eine vernünftig begründete Metaphysik: Kant als den „Zermalmer der Metaphysik“ zu bezeichnen, ist also falsch. Kant war ein Metaphysiker und Religionsphilosoph (und Kirchenkritiker LINK (2024)  LINK)
Nur als ein Metaphysiker konnte er auch die heute so dringende Frage beantworten: „Was darf ich hoffen?“ Sie steht im Zusammenhang mit der Frage Kants: „Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Und: Was darf ich hoffen?“

3.
Für Kant kann es Hoffnung nur geben, weil wir Menschen hoffen DÜRFEN, wie er ausdrücklich sagt. Das Hoffen – „Dürfen“ ist eine Art rechtlich begründeter Erlaubnis zu hoffen. Ich habe also also aufgrund meine Menschsein die Berechtigung zu hoffen. „Also hoffen wir doch“, möchte man etwas aufdringlich fordern. Oder:„Habe den Mut, deine in dir vielleicht noch versteckte Hoffnung zu leben“…

4.

“Hoffnung ist für Kant die entscheidende moralische Einstellung der Vernunft. Die richtige moralische Einstellung gegenüber der Zukunft ist (für ihn) Hoffnung.” Schreibt die Soziologin Eva Illouz in “Explosive Moderne”, Suhrkamp 2024, S. 43. Moralisch bedeutet für Kant: “Der Würde des Menschen entsprechend”.

5.
Hoffen zu dürfen ergibt sich für Kant in der Auseinandersetzung mit der Frage nach dem SINN meines und der anderen Menschen Leben. Dieser alles gründende Sinn des Lebens eröffnet sich, zeigt sich, für den einzelnen inmitten des Tuns des Gerechten: Im Eintreten für Gerechtigkeit und gerechte Gesetze darf der Mensch das alles Entscheidende hoffen: dass sich die vorhandene Welt mit ihren Staaten langsam aber sicher der Utopie des Reiches Gottes annähert. Und zum Reich Gottes gehört für Kant auch der Frieden in der ganzen Welt. Seine bis heute vielbeachtete Schrift „Zum ewigen Frieden“ konnte Kant 1795 veröffentlichen.

6.
Dass Welt – Frieden nur in „republikanischen Staaten“ möglich wird, ist eine der wichtigen Voraussetzungen Kants. Es sind die freien Staatsbürger, die entscheiden, ob ein Krieg sein soll oder nicht. Es liegt also in der Entscheidung der Menschen, dass sie die Hoffnung auf einen Weltfrieden aktiv politisch fordern und gestalten! Kant betont, dass nur moralisch gesinnte Politiker dieses große Hoffnungsprojekt realisieren können, nicht etwa solche, die sich ihre Moral unabhängig vom Kategorischen Imperativ egoistisch erfinden.

7.
Eine menschliche Organisation, die uns lehren kann, Hoffnung haben zu dürfen und praktisch Hoffnung zu gestalten, ist für Kant grundsätzlich die (protestantische) Kirche. Wenn Kant in dem Zusammenhang von Kirche spricht, meint er damit die Vereinigung aller rechtschaffenden Menschen, die den Frieden auf dieser Welt schrittweise befördern. Politisches Handeln ist in der Kirche notwendig, sofern es dem Weltfrieden dient.

8.
Der dogmatische Glauben der Kirche wird bei Kant also aufgehoben zugunsten einer Gemeinschaft derer, die den Frieden der Welt als Ausdruck ihres Glaubens an das Reich Gottes verstehen. Und dieses Handeln ist nur möglich in der Kraft der Hoffnung. Die Theologen sollen also den Glaubenden sagen: „Ihr habt alle Berechtigung zu hoffen“. Und diese Hoffnung dürfen sich die Menschen (in der Kirche) nicht zerstören lassen, durch zynische Einwände, etwa: „dass doch alles nichts nützt“ usw. „Diesem Zynismus dürfen wir niemals erliegen“, betont Kant. Zynismus kann tödlich sein. „Es ist für Kant ein Gebot der moralischen Selbstachtung, an den politischen Zielen von Rechtsstaat, liberaler Demokratie, Gerechtigkeit, internationaler Kooperation und globalem Frieden festzuhalten. Denn ohne Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Frieden ist ein menschenwürdiges Leben nicht möglich. Wir können (und dürfen CM) diesen Anspruch nicht aufgeben, sonst geben wir unsere Menschlichkeit auf“ (Marcus Willaschek, „Kant“, München, 2024, S 42f.).

9.
Dieser politische Aspekt der Hoffnung im Denken Kants ist oft eher übersehen worden. Viele LeserInnen konzentrierten sich auf Kants eher individualistische Überzeugung: Dass der rechtschaffene Mensch in dieser Welt mit so vielen Übeltätern zwar scheitert und darüber zu verzweifeln droht. Aber, so meint Kant, aufgrund der von ihm als Postulat konzipierten Unsterblichkeit der Seele, habe der gescheiterte, aber rechtschaffene Mensch die begründete Hoffnung: einen Zustand des (göttlichen) „Höchsten Gutes“ zu erleben. Den „der gegenwärtige Zustand der Welt, in dem viele Menschen unverschuldet leiden, ist nach Kant eine moralische Zumutung“ , also etwas zu Überwindendes. (Marcus Willaschek, Kant, a.a.o. S.138).

10.

Die Soziologin Eva Illouz analysiert in ihrem neuen sehr empfehlenswerten Buch “Explosive Moderne” (Berlin, Suhrkamp, 2024) auch die falsche, weil unmenschliche “Hoffnungs” – Propaganda etwa in den kapitalistischen USA: Dort wird Hoffnung als reflektierte vernünftige Lebensorientierung zugunsten eines aktiven Handelns im Sinne der Menschenrechte völlig umgedeutet in den “amerikanischen Traum”: Und der verspricht den Armen und dem Mittelstand eine glänzende materielle Zukunft, einen Aufstieg nach oben mit einem Leben in unbegrenztem Reichtum. “In Gesellschaften, die so von Ungleichheit bestimmt sind wie die USA, ermöglicht diese Hoffnung es, Klassenkonflikte zu verwischen und die vielfältigen Weisen, in denen die Gesellschaft ihre Versprechen bricht, unkenntlich zu machen” (Eva Ellouz, a.a.o. S. 67). Wer dem amerikanischen Traum folgt, lebt also als Mensch, der von dem ewigen Erfolgsstreben nicht lassen kann und dann doch in dieser falschen Hoffnung scheitert. Der amerikanische Traum verändert die Hoffnung in die Erwartung künftigen materiellen Wohlstands, in die Hoffnung auf ein Leben , “das nie Zufriedenheit erlangen kann und in vergeblichem Warten versandet. ” (a.a.O. S. 71).

11.

Von dieser politischen Ideologie der Hoffnung als einem reduzierten, nur ökonomisch – kapitalistischen Traum kann  philosophische Reflexion befreien, die Überlegungen Kants oder auch die Erkenntnisse Václav Havels , des entscheidenden Denkers der “Samtenen Revolution” in der Tschechoslowakei. Im Jahr 1985, noch unter kommunistischer Herrschaft, reflektierte Havel über die wahre Hoffnung in dem Buch “Kreuzverhör”: “Hoffnung ist ein Zustand des Geistes…Hoffnung ist eine Dimension unserer Seele…Hoffnung ist keine Prognostik. Sie ist eine Orientierung des Herzens, die die unmittelbar gelebte Wwlt übersteigt und irgendwo in der Ferne verankert, hinter ihrn Grenzen…Hoffnung ist nicht Optimismus… Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat – ohne Rücksicht darauf, wie es ausgeht” (zit. in Illlouz S. 55). Die Nähe der Erkenntnisse Havels zu denen Immanuel Kants müssten hier weiter ausgearbeitet werden, sie sind offensichtlich:  “Hoffnung ist die Gewissheit, dass etwas Sinn hat…”

12.
Wer das neueste Buch des Historikers und Autors Rutger Bregman (Niederlande) liest mit dem Titel „Moralische Ambition“, Rowohlt – Verlag, 2024, hat den Eindruck: Da werden Kants Erkenntnisse aktualisiert, da wird das Hoffen – DÜRFEN als Erlaubnis und Aufforderung, zu hoffen und politisch tätig zu werden, für heute kreativ aufgegriffen und weiter geführt. “Wer wird leben im Gedächtnis der Menschen?” Ein zentraler Satz Rutger Bregmans: „Nicht die reichsten, sondern die hilfreichsten Menschen werden von der Geschichte erinnert“.

13.
Nebenbei:
Über die Bedeutung des in der Hoffnung erschlossenen höchsten Gutes wird diskutiert: Die einen Kant – Kenner betonen: Im Sinne Kants werde dann Gott im „Jenseits“ die moralische Qualität eines jeden Menschen prüfen und die Bösen bestrafen und die Guten belohnen. Im Laufe der Zeit, betont der Kant – Forscher Marcus Willaschek, habe sich „Kants Verständnis des höchsten Gutes immer weiter von einer `religiösen` zu einer `säkularen` Konzeption verschoben“ (S. 142). Gott werde nicht mehr als himmlischer Richter gesehen, sondern als ein Schöpfer, „der die Natur so geschaffen hat, dass wir Menschen in ihr das höchste Gut aus eigener Kraft realisieren können“ (ebd.).

Copyright: Christian Modehn, www.religionsphilosophischer-salon.de

Von der Tiefe in die Stille – Wege in die Freiheit: Durch Musik!

Ungewöhnliche neue Klänge der Orgel: Die Komponistin Claire M. Singer.

Ein Hinweis von Christian Modehn am 17.12.2024

1.
Musik führt ins Nachdenken … eigener Art, Musik erweckt den Geist und ermuntert die Sinne, führt ins Schweigen. Erst dann werden wieder wahre Worte wirklich. Musik ist deswegen unverzichtbar. Aber Musik hat in sich selbst ihren eigenen Sinn, dient keinem „Nutzen“, keinem greifbaren Zweck. Und auch dies ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit: Musik – auch in der Rolle der ZuhörerInnen – ist eine Vielfalt von eigenen Sprachen, die wir nicht in die Begriffssprachen übersetzt können. Oder nur in Andeutungen und Metaphern.

2.
Wir empfehlen heute im „Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon Berlin“ das Werk einer Komponistin und Performerin von Orgel – Musik, es geht um eine Verbindung von klassischen Klängen und elektronischer Musik. Die Orgel – Komponistin Claire M. Singer (sie spielt auch Cello) lässt sich dabei von ihrer Heimat Schottland inspirieren. Ohne in Klischees zu geraten: Es ist wohl das Erleben dort von dramatisch zu nennenden Landschaftsformen… in einer Natur der Stille und der Widersprüche gleichzeitig. Werden sie sich versöhnen? Musikalisch vielleicht. Und wenn man schon versucht, diese Musik in Worten weiter zu geben: Es werden eher “Flächen” präsentiert, also lang andauernde, oft gleichbleibende Klänge, die in Abgründe weisen oder sanft in eine Höhe streben. “Flächen”, auf denen sich oft eine Art sanfter Gesang zeigt…Hoffnungszeichen vielleicht, Wege in die Freiheit auf einem dunklen “Boden”, auf “Flächen”…

3.
Claire M. Singer LINK hat für ihre Kompositionen (erschienen als CD bei TOUCH Music UK) zahlreiche Auszeichnungen erhalten. Seit 2012 ist Claire M. Singer Musikdirektorin für Orgel am preisgekrönten Veranstaltungsort Union Chapel in Islington, London.
Sie gründete das Festival „Organ Reframed” zur Präsentation experimenteller Orgel- Musik.

4.
Wir empfehlen Claire M. Singers CD mit dem Titel „Saor“, ein Wort aus der Irischen Sprache: Es bedeutet “frei”.

5.
Thaddeus Herrmann, Redakteur bei DASFILTER,  LINK , dem Medium und der Plattform für Kultur und Gesellschaft der Gegenwart, hat eine „Plattenkritik“ verfasst:

„Wie 2023 plötzlich auszuhalten war“
Aus den Ohren, aus dem Sinn. Sechseinhalb Jahre ist es her, seit ich zuletzt über die schottische Komponistin Claire M Singer schrieb. Nun ist seitdem auch tatsächlich wenig von ihr erschienen: „Saor“ ist ihr drittes reguläres Album, dazwischen gab es noch eine EP und eine Compilation mit Stücken, die in der Zwischenzeit purzelten.
„Saor“ ist mein Album des Jahres. Es reißt mich mit wie nichts anderes mich in den vergangenen zwölf Monaten mitgerissen hat. Die Art und Weise der konzertanten Entschleunigung, die Singer in und mit ihrem Orgelspiel entfaltet, war mein Rettungsanker in den vergangenen Monaten, in denen es familiär einiges durchzustehen gab, eine Periode der Vorbereitung auf die nächste Phase in meinem Leben. Das unendliche Glück, das mir persönlich widerfuhr (und anhält) war der eine Kraft gebende Ruhepol, die Stücke auf „Saor“ der andere.
Für Singer markiert „Saor“ den Beginn einer Alben-Trilogie, in der sie die Eindrücke langer Wanderungen durch ihre schottische Heimat verarbeitet. Sie schreibt: „Saor follows two narratives: my trekking across the Cairngorm mountains in Aberdeenshire through the granite plateaux, corries, glens and straths, and my exploration of the 1872 Conacher organ in Forgue Kirk Aberdeenshire where many of my ancestors lie.“ („Saor folgt zwei Erzählungen: meiner Wanderung über die Cairngorm-Berge in Aberdeenshire durch die Granitplateaus, Kare, Täler und Senken und meiner Erkundung der Conacher-Orgel von 1872 in Forgue Kirk, Aberdeenshire, wo viele meiner Vorfahren liegen.“)
Mit ihrer Liebe zur Orgel als Instrument ist längst nicht mehr allein. Viele Musiker:innen – gerade die :innen – haben die Kraft der Pfeifen, egal ob groß oder klein, in den vergangenen Jahre für sich entdeckt. Singer putzt sie alle weg. Die langgezogenen Aufbauten, die schiere Kraft und Macht der sich Schritt für Schritt und Akkord für Akkord entwickelnden durchkomponierten Drones legt einen Mantel des Schweigens über alles mit Beats. „Saor“ ist eine hymnische Superlative der euphorischen Zurückhaltung. Wie die Musikerin ihr Orgelspiel mit Mellotron, Trompete, Cello, Klarinette und Elektronik verbindet absolut meisterhaft. Mal hell und strahlend, mal dunkel und dräuend, mal auch bewusst noisy. „Saor“ („frei) ist ein kammerspielerischer Befreiungsschlag.

Quelle: LINK.

Claire M. Singer „Saor“, Published by Touch Music, UK, 2023. Im deutschen Internet für 13,80 € erhältlich.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin,    www.religionsphilosophischer-salon.de .

Soll man Menschen wirklich “menschliche TIERE” nennen?

Die 22. Frage der “unerhörten Fragen”…

Von Christian Modehn am 27. November 2024

1.
Manchmal stolpert man bei der Lektüre wichtiger Bücher sogar angesehener AutorInnen über verstörende Formulierungen. Man muss jetzt die unerhörte Frage stellen: „Sind Menschen denn wirklich nur menschliche Tiere?“

2.
Dies ist keine Frage, sondern eine Erkenntnis der prominenten Soziologin Prof. Eva Illouz (Paris/Jerusalem) in ihrem lesenswerten Buch „ Explosive Moderne“ (Berlin, 2024). Dort schreibt Eva Illouz auf Seite 106 eher nebenbei, so dass man die Worte leicht ignoriert: “Sogar bei nichtmenschlichen Tieren lässt sich beobachten…“ usw. Sie spricht von Versuchen mit „nichtmenschlichen Tieren“, mit Affen. Bei den Affen – Tests geht es um ein gewisses Vorhandensein von Neid und Gleichheit unter den Affen. Also ein Thema, um im Sprachspiel zu bleiben, dass nicht nur bei nichtmenschlichen Tieren, sondern auch auch bei „menschlichen Tieren“ (den Menschen) sehr relevant ist.

Wenn es, wie Eva Illouz schreibt, „nichtmenschliche Tiere“ gibt, dann muss es auch menschliche Tiere geben.

3.
Es ist keine Frage: Menschen sind Teil der Natur, sie haben sehr viele Verbindungen mit der Tierwelt. Es geht gar nicht darum, die Erkenntnisse der Evolution zu ignorieren. Differenziertes Denken und Sprechen mit Sinn für Nuancen ist erforderlich.
Trifft es die Bedeutung des Menschen im Gesamtzusammenhang der Natur, ihn, den Menschen, als „menschliches Tier“ zu beschreiben?

4.
Wenn – leider – viele Tiere in den Zoologischen Gärten zu besichtigen sind, sollten dann nicht auch wieder menschliche Tiere, also Menschen, dort ausgestellt werden? Das wurde schon in den Zoologischen Gärten und Tierparks im 19. Jahrhundert praktiziert, bei den sehr beliebten „Völkerschauen“ im „Menschenzoo“ in allen Staaten Europas, die Kolonien „besaßen“. LINK:

5.
Doch über diese ironische Frage hinaus: Man stelle sich vor, die Definition des Menschen als „menschliches Tier“ setzt sich in den Köpfen und Gefühlen der Menschen fest: Wir sind als Menschen eben „letztlich“ Tiere… Das heißt: Als “Tiere” eben nicht gebunden an Vernunfterkenntnis und Respekt vor ethischen Grundsätzen.

6.
Die philosophische Anthropologie hat schon sehr früh, mit Aristoteles etwa, den Menschen als „Zóon lógon échon“ definiert, auf Latein dann „animal rationale“, also „vernünftiges Lebewesen“ bzw. als „vernünftiges Tier“. Aber durch die Qualifizierung dieses Lebewesens, dieses Tieres, durch die Vernunft, durch den Geist, wird der Mensch als etwas Besonderes und Einmaliges gegenüber der Naturwelt der Tiere herausgestellt. Ich weiß, in dieser Sonderrolle des Menschen haben viele unvernünftige Menschen viel Unsinn und Unheil in die Welt gebracht durch ihre nationalistischen, egoistischen, kriegerischen Ambitionen.

7.
Aber diese traurigen Erfahrungen mit der praktizierten Unvernunft so vieler Menschen sind kein Grund, das Tierische als den gemeinsamen Nenner von Tieren und Menschen zu propagieren. Mir scheint, diese Beschreibung des Tierischen als der gemeinsamen Grundlage von Tier und Mensch, ist eine unsinnige und falsche Anbiederung an den Naturalismus.

8.
Wer die nichtmenschlichen Tieren ganz dicht an die menschlichen “Tiere” rückt und etwa schwärmend von den intelligenten Affen spricht, sollte bitte zeigen, wie diese nichtmenschlichen Tiere kulturelle Leistungen der Musik und Dichtung hervorbringen, wie sie Gesellschaft politisch durch Gesetze organisieren und so weiter.

9.
Sollen die universell gelten Menschenrechte etwa nun im Rahmen einer naturalistischen Korrektheit „Rechte der menschlichen Tiere“ heißen …?

10.
Wenn man heute zurecht von Tierrechten spricht und diese fordert und fördert, dann sind es immer Menschen, die diese Gesetze formulieren. Tiere als Tiere können für sich selbst keine universell geltenden Tier – Rechte formulieren. Das wäre nicht „artgerecht“… sie sind halt bloß Tiere.

11.
Dass es hingegen unter den „menschlichen Tieren“ viele „tierische Menschen“ gibt, ist zweifelsfrei. Es sind Menschen, die wie aggressive Raub – Tiere handeln, nur an der Befriedigung des eigenen maßlosen „Hungers“ interessiert. Man denke an alle Kriegstreiber und gewalttätigen Autokraten, die sich moralisch auf einem tierischen, d.h.unvernünftigen Niveau bewegen. Sie wieder in die humane vernünftige Menschenwelt zurückzuholen, wird eine mühsame Sisyphus – Arbeit werden.

12.

Warum also diese etwas ausführliche “unerhörte Frage”? Wir Menschen sollten uns nur dann “menschliche Tiere” nennen, wenn dies in biologischen, genetischen, evolutionsgeschichtlichen Studien geboten erscheint. Sonst eben bleiben wir Menschen und nennen uns Menschen (die sehr gern die Natur und die Tiere wirksam respektieren müssen). Nebenbei: In den Kirchen werden die Christen ja gern als “Christen-Menschen” angesprochen. Ziemlich problematisch wäre es z.B., wenn die PfarrereInnen die Christen ansprechen “liebe menschliche Christen- Tiere”…Oder wenn man eine prominente Autorin vorstellen würde mit den Worten: Sie ist ein prominentes nicht-tierisches Tier. Welch ein Blödsinn wäre dies. Wichtiger wäre es zwecks politischer Aufklärung, von tierischen Menschen unter den brutalen und verblendeten Dikatoren dieser Welt zu sprechen. 

Copyright: Christian Modehn, religionsphilosophischer-salon.de