Wenn der Papst schreit: Eine aktuelle Bild-Theologie von Francis Bacon.

Ein Hinweis auf die Papst – Gemälde von Francis Bacon (1909-1992)
Von Christian Modehn am 2.5.2025

Wann, wenn nicht jetzt, wenige Tage vor Beginn des Konklaves am 7. Mai 2025, ist es hilfreich und inspirierend, an die Papst Gemälde von Francis Bacon zu erinnern. Er zeigt in seinen etwa 45 Arbeiten zum Thema in verschiedenen Variationen immer wieder (bis zum Jahr 1965) einen und denselben schreienden Papst. Angeregt wurde Bacon zu dieser provokativen Bild – Theologie durch das berühmte Gemälde von Diego Velazquez, das als kritisches Porträt Papst Innozenz X. darstellt. Das Gemälde entstand 1649/1650. LINK.

Die Arbeiten Bacons, auch dessen vorbereitenden „Studien“ zu den Papstgemälden, sind über das Internet leicht zu erreichen und ausführlich zu betrachten.(Fußnote 4).
Wir bieten nur einige Hinweise zur Bedeutung dieser Arbeiten Bacons.

1.
Die Aktualität der Bacon – Gemälde ist ganz eng mit der „Kammer der Tränen“ verbunden, einem kleinen Raum dicht an der Sixtinischen Kapelle, dem Ort der Papstwahl. In diesen Raum zieht sich der gewählte Papst zurück. Dort ist er allein. Unmittelbar nach der Wahl kann er dort seinen Gefühlen ungeschützt und unbeobachtet „freien Lauf lassen“: Er kann weinen, bitten, beten, schreien: Für Francis Bacon ist das Schreien wesentlich: Es ist ein Schreien nicht vor Freude. Sondern: Der Papst weiß sich in der Deutung Bacons förmlich eingezwängt, wie in einen Käfig eingesperrt sitzt er allein da, wie gelähmt und fest fixiert.
Ist die Aussage Bacons nicht sehr treffend angesichts der nur enorm zu nennenden und eigentlich total überfordernden Herausforderungen seines Amtes: Er soll ein „Papa“ für 1,5 Milliarden Katholiken sein in einer zerstrittenen Kirche, zerrissen zwischen „progressiv“ und „konservativ” und auch „reaktionär“. Er soll auf die Herausforderungen einer friedlosen Welt mit ökologischer Katastrophen und zunehmender sozialer Ungerechtigkeit als Staatsoberhaupt wie als geistlicher Führer (Papst) Weisungen geben und heilen und helfen…

2.
In der „Kammer der Tränen“ (Fotos siehe: Fußnote 1) steht ein rot ausgekleidetes Sofa bereit, um zur Ruhe zu kommen … oder auch erregt, sitzend, liegend, zu schreien. Vor den Augen des gerade gewählten Papstes hängen gut sortiert in verschiedenen Größen seine neuen weißen Gewänder, seine alternativlose Dienstkleidung sozusagen. Das Tragen jeglicher Form von bürgerlicher oder wenigstens moderner klerikaler Kleidung (schwarzer Anzug etc.) steht außerhalb jeglicher Überlegung. Ein Papst in grauem Anzug mit roter Krawatte? Angesichts der totalen Macht der Traditionen und Kleiderordnungen in der Kirche unmöglich.
Die weißen Papstgewänder hängen also in verschiedenen Größen zur Anprobe bereit: Sie zwingen zur Einsicht: Es gibt kein Entkommen mehr. Einst Kardinal, jetzt Papst, an der obersten Spitze einer klerikalen Hierarchie, die sogar noch als göttliche Stiftung gilt. Angesichts dieser Last, dieser Fixierung auf Traditionen und Dogmen, ist Schreien Ausdruck von Erschütterung und Verzweiflung.

3.
Der Kunsthistoriker und Literaturwissenschaftler Wieland Schmied hat in seiner großen Studie „Francis Bacon“ (1985, bei Frölich und Kaufmann) viele Details zu Bacons Papstbildern (auch in der Beziehung auf Velazquez) mitgeteilt. Und Schmied zeigt: Es geht Bacons um eine fundamentale Kritik am Papst und am Papsttum. In Bacons Papstporträts sieht Schmied durchaus den Ausdruck von „Aggression, Wut und Hass“ (S. 12). „Der eigentliche Kampf Bacons gilt dem Weltbild von Velazquez. Bacon richtet sich gegen dessen Vision des Papstes. Er richtet sich gegen die hierarchische Weltordnung, für die dieser Papst steht“ (ebd.). Also gegen die unantastbare geistliche Autorität, gegen das festgelegte Weltbild, „das Bacon als ungültig und unwahr empfindet“ (ebd.). Wieland Schmied schreibt: „Bacon rüttelt am Weltgebäude, wie es uns die Kirche und die großen Maler in ihrem Auftrag überliefert haben. Aber der Papst (in Bacons Gemälden) wehrt sich gegen den Einsturz der alten Weltordnung. Der Papst Bacons schreit, grimassiert, klammert sich an seinen Thron, er erhebt die Faust , er schlägt zurück“. (S. 14). Der Papst bleibt in der Deutung Bacons trotzdem wie ein Gefangener in einem Käfig sitzen. Er will sich aus dieser Fixiertheit nicht selbst befreien.

4.
Besonders eindrucksvoll sind die drei 1951 entstandenen Gemälde mit dem Titel „Papst I“, „Papst II“, „Papst III“, wobei besonders „Papst II“ sehr eindrucksvoll ist., im Buch auf Seite 25 in Farbe wiedergegeben. (Im Internet: Fußnote 2.)

5.
Die Papst – Gemälde von Francis Bacon zeigen eine andere Seite, vielleicht die entscheidende des Papstes und des Papsttums im ganzen: Dieses Amt wurde geschaffen, um die geistliche Macht des Katholizismus über alles in dieser Welt zu etablieren. Der große reaktionäre Verteidiger des Papsttums Joseph de Maistre (1753-1821) hat in seinen apologetischen Publikationen zum Papsttum betont: „Immer muss EINER sein, dem nicht gesagt werden kann: Du hast geirrt.“ (Fußnote 3). Dieser EINE Irrtumslose ist für de Maistre der Papst: Er ist der „institionalisierte Ausdruck des Absoluten“, wie Martin Burkhard im Vorwort des Buches schreibt: De Maistre wollte die Welt von der Notwendigkeit der Herrschaft des Papsttums überzeugen… viele seiner Argumente fürs Papsttum wirken bis heute in katholischen Kreisen. An die Abschaffung dieser Form des Papsttums denkt niemand. Im offiziellen Katechismus der katholischen Kirche (1993) hat der „Papst als Stellvertreter Christi“ „die volle, höchste und allgemeine Vollmacht über die Kirche, die er immer frei ausüben kann“ (§ 882).
Angesichts dieser Allmacht lassen wir also auch den künftigen Papst in der „Kammer der Tränen“ schreien. Aber Kopien der Papst – Gemälde von Francis Bacon werden diese „Kammer der Tränen“ gewiss nicht „verzieren“.

6.

Am 14.4.2022 hat Christian Modehn einen Beitrag veröffentlich, in dem für öffentliche “Räume, wo wir schreien können” plädiert wird, Schreien als Therapie in Wut und Verzweiflung … über die Welt, die Kirchen. Leer stehende Kirchengebäude würden sich dafür in den Städten anbieten oder auch in renovierten, aber ebenfalls kaum noch genutzten Dorfkirchen in Brandenburg, Mecklenburg usw.. LINK:

Fußnote 1: https://popeemeritus.wordpress.com/2013/03/13/sala-delle-lacrime-room-of-tears-vatican-raum-der-tranen-vatikan-www-popeemer-com/

Fußnote 2.
 Das Gemälde „Pope II“: https://www.kuma.art/de/francis-bacon-pope-ii

Fußnote 3:
Joseph de Maistre, „Vom Papst. Ausgewählte Texte“, Semele Verlag Berlin, 2007, S. 195.

Fußnote 4: LINK  zu den Papstgemälden Bacons.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

Trump ist Faschist: Erkenntnisse eines französischen Politologen

Aus einem Interview mit dem Politologen, Prof. Stéphane Audoin-Rouzeau, (S.A.-R.), Paris,  in der Pariser Tageszeitung „La Croix“, am 6.3.2025.   LINK

Stéphane Audoin-Rouzeau (* 1955) ist ein französischer Historiker und Direktor des Centre d’études sociologiques et politiques Raymond Aron in Paris. 

 Am 16.3.2025 notiert: Angesichts der Rücknahme der Bestimmungen zum Schutz der Umwelt und zur Begrenzung des Klimawandels durch Trump wird die Erkenntnis evident: Trump und sein Regime ignorieren den Schutz des Lebens der Bevölkerung zugunsten der Profite von Großunternehmen. Wie nennt man eine solche inhume Haltung?  Wie lange läßt sich die Bevölkerung der USA diese Verbrechen einer “demokratisch” gewählten, aber jetzt diktatorisch agierenden Regierung bieten?

Am 14.3.2025 notiert: Trump einen Faschisten zu nennen, ist sicher gewagt, wenn man “globalen Einordnungen” von Politikern kritisch gegenübersteht .Aber die “Einordnung” ist jetzt nötig, um auf den äußerst verstörenden und äußerst gefährlichen Charakter der Politik von Mister Trump aufmerksam zu machen. Dabei ist klar, dass es Differenzen in den historischen Formen des Faschismus gibt, aber eben auch bleibende Gemeinsamkeiten. Wie Europa mit einem Faschisten Trump umgeht, ist eine Art Balanceakt. Unterwürdigkeit unter diesen All-Herrscher wäre die falsche Antwort. Einzig ein starkes Anti-Trump-Europa ist die Antwort.

Am 2.4.2025 notiert: Auch ein us-amerikanischer Philosoph hält Trump für einen Faschisten:  Der Philosophieprofessor Jason Stanley, Yale- University, verläßt die Trump – USA Richtung Kanada. Jason Stanley hält das Regime Trumps für  klar faschistisch: Aus einem Interview mit spiegel.de am 30. 3.2025 von Tobias Rapp: LINK

SPIEGEL: Ihr Buch »Wie Faschismus funktioniert« ist im vergangenen Jahr auf Deutsch erschienen. Würden Sie die Regierung von Donald Trump so beschreiben: als faschistisch?

Stanley: Die große Faschismus-Debatte tobt nun schon seit Jahren, und ich kenne niemanden, der sich mit dem Thema beschäftigt, der nicht sagen würde: Es ist Faschismus. Alle Kriterien treffen zu. Es gibt die Verklärung der Vergangenheit, die Betonung des Wir-gegen-die, die Kultur der Lüge, das Verdammen von Komplexität, den Glaube an Hierarchien, die Feier einer Ordnung, die von oben festgelegt wird. Es ist alles da.  LINK

………

Frage an Prof. Audoin-Rouzeau: Um den Trumpismus, der die Ukraine in die Enge treibt, zu analysieren, bringen Sie den Begriff „Faschismus“ vor. Warum?

S. A.-R.: Zunächst möchte ich klarstellen, dass ich mit diesem Begriff nicht allein bin, er findet sich beispielsweise bei dem großen amerikanischen Historiker Robert Paxton. In den letzten 40 Jahren wurde die Bezeichnung „faschistisch“ immer häufiger gegenüber der extremen Rechten und manchmal sogar gegenüber radikalen Konservativen verwendet und hat sich dadurch abgeschwächt. Doch abgesehen von dieser polemischen Verwendung gibt es eine Einzigartigkeit des Faschismus, die ihn unwiderruflich von anderen Formen der extremen Rechten unterscheidet: seine subversive und revolutionäre Dimension, insbesondere in seiner Anfangszeit. Dies gilt sowohl für den italienischen Faschismus als auch für seine nationalsozialistische Mutation.
Und genau das ist es, was wir derzeit jenseits des Atlantiks am Werk sehen. „Trump 2“ begann bereits während des Wahlkampfs und sogar im Januar 2021 mit dem Sturm auf das Kapitol, der sein Potenzial für Gewalt und sogar ‚Putschismus‘ zeigte. Zwei Monate nach seinem Einzug ins Weiße Haus hat Donald Trump bereits die internationale Ordnung unterwandert, sowohl durch seine imperialistische und eroberungssüchtige Rhetorik als auch durch seine jüngste Umkehrung der Bündnisse. Auf nationaler Ebene hat er die Institutionen unterwandert und sicher geglaubte gesellschaftliche Entwicklungen umgestoßen.

Frage: Welche weiteren Merkmale begründen Ihrer Meinung nach die Bezeichnung „faschistisch“?

S. A.-R.: Eine beträchtliche Aggressivität und Gewalt, die Existenz eines Anführers und eines Eifers um ihn herum, die spektakuläre politische Dramaturgie, wie als Donald Trump am Tag seiner Amtseinführung die Dekrete öffentlich unterzeichnete. Und die während seiner Kampagne verwendete Formel, dass illegale Einwanderer in den USA „das amerikanische Blut infizieren“ würden. Diesen Rassismus in seiner biologischen Version dachten wir, dass er 1945 verschwunden sei.
Drei weitere Elemente scheinen mir den Vergleich mit den historischen Faschismen zu stützen. Zunächst die Subversion der Sprache, die Victor Klemperer für den Nationalsozialismus analysiert hatte. Es entsteht ein trumpscher Diskurs, in dem die Wahrheit keine Rolle mehr spielt, in dem bestimmte Wörter verboten und andere aus dem Nichts geschaffen werden. Dann die Revolution der Eliten, durch die Ernennung von Trump hörigen und völlig inkompetenten Beamten für die wichtigsten Bundesämter. Und schließlich die Tatsache, dass die amerikanische Gesellschaft derzeit das Gefühl vermittelt, sich wie gelähmt zu ergeben.

Frage: Ist das die Rückkehr des Faschismus der 1930er Jahre?
S. A.-R.: Meiner Meinung nach erleben wir die Entstehung eines amerikanischen Faschismus, der an der Schwelle zwischen Trumps erster und zweiter Amtszeit aufgetreten ist. Es ist ein spezifischer Faschismus, auch wenn er viele Ähnlichkeiten mit dem historischen Faschismus aufweist. Die Schwierigkeit, eine solche Diagnose zu stellen, ist die Inkohärenz von Donald Trumps Positionen. Vielleicht wird es nie einen kohärenten ideologischen Korpus des Trumpismus geben. Aber vielleicht wird er sich auch strukturieren, insbesondere mit Hilfe von Vizepräsident J. D. Vance, der in München eine sehr klare Rede gehalten hat, oder anderen Ideologen aus seinem Umfeld. Aber in diesem Moment kann man meiner Meinung nach bereits von einem amerikanischen Faschismus sprechen, und das ist natürlich äußerst ernst.

Frage: Wie kann uns diese Diagnose in diesem so gefährlichen Moment helfen?
S. A.-R.: Wenn es sich tatsächlich um einen amerikanischen Faschismus handelt, ist es dringend geboten, keine Zeit mehr mit Versuchen zu verschwenden, mit Donald Trump zu diskutieren, ihn zu besänftigen oder gar zu verändern, denn diese Versuche sind zum Scheitern verurteilt. In Krisenzeiten ist es entscheidend, die Situation genau in Worte zu fassen und ihr ins Gesicht zu sehen, nicht nur um sie zu verstehen, sondern auch um zu handeln. Dies ist die Aufgabe von Politikern, Forschern und Journalisten. Auch in Europa müssen wir uns unverzüglich auf eine Diagnose einigen. Wir müssen akzeptieren, wie Charles Péguy betonte, „zu sehen, was man sieht“.

Übersetzt mit DeepL.com (kostenlose Version)

Siehe auch unseren Beitrag zum “Ewigen Faschismus”: Einige Thesen von Umberto Eco: LINK

……………..

Der französische Text des Interviews mit Prof. Stéphane Audoin-Rouzeau:  „La Croix“, am 6.3.2025.

Pour analyser le trumpisme, qui accule l’Ukraine, vous avancez le terme de « fascisme ». Pourquoi ?
S. A.-R. : Tout d’abord, je voudrais préciser que je ne suis pas seul à employer ce terme, que l’on retrouve par exemple chez le grand historien américain Robert Paxton. À force d’être employé, depuis quarante ans, envers l’extrême droite, et même parfois envers des conservateurs radicaux, le qualificatif « fasciste » s’est affadi. Mais au-delà de cet usage polémique, il existe une singularité du fascisme qui le distingue de manière irréductible d’autres formes d’extrême droite : sa dimension subversive et révolutionnaire, surtout à son début. C’est le cas du fascisme italien, comme de sa mutation nazie.

Et c’est exactement ce que l’on voit à l’œuvre en ce moment outre-Atlantique. « Trump 2 » a commencé dès la campagne électorale, et même en janvier 2021 avec la prise du Capitole qui a montré son potentiel de violence et même de « putschisme ». Deux mois après son accession à la Maison-Blanche, Donald Trump a déjà subverti l’ordre international, par son discours impérialiste et conquérant comme par son renversement récent des alliances. Au niveau national, il a subverti les institutions et renversé des évolutions sociétales que l’on croyait acquises.
Quelles sont les autres caractéristiques qui fondent à vos yeux cette qualification de fasciste ?
S. A.-R. : Une agressivité et une violence considérables, l’existence d’un chef et d’une ferveur autour de lui, la dramaturgie politique spectaculaire, comme lorsque Donald Trump a signé les décrets en public le jour de l’investiture. Et cette formule utilisée durant sa campagne, selon laquelle les immigrés illégaux aux États-Unis « infecteraient le sang américain ». Ce racisme dans sa version biologique, nous pensions qu’il avait disparu en 1945.
Trois autres éléments me semblent soutenir la comparaison avec les fascismes historiques. La subversion de la langue tout d’abord, que Victor Klemperer avait analysée pour le nazisme. Un discours trumpien se met en place, où la vérité n’a plus aucune importance, où certains mots sont interdits, d’autres créés de toutes pièces. La révolution des élites ensuite, par les nominations aux postes fédéraux les plus importants de responsables inféodés à Trump et complètement incompétents. Le fait, enfin, que la société américaine donne pour l’instant le sentiment de se rendre, comme tétanisée.
Est-ce le retour du fascisme des années 1930 ?
S. A.-R. : Nous assistons selon moi à l’émergence d’un fascisme américain, apparu à la charnière entre le premier et le second mandat de Trump. C’est un fascisme spécifique, même s’il a de nombreuses ressemblances avec le fascisme historique. La difficulté pour poser un tel diagnostic, c’est l’incohérence des positions de Donald Trump. Peut-être n’y aura-t-il jamais de corpus idéologique cohérent du trumpisme. Mais peut-être aussi va-t-il se structurer, notamment avec l’aide du vice-président J. D. Vance, qui a tenu un discours très clair à Munich, ou d’autres idéologues de son entourage. Mais à cet instant, je pense que l’on peut déjà parler d’un fascisme américain, et c’est évidemment d’une gravité extrême.
Dans ce moment si dangereux, en quoi ce diagnostic peut-il nous aider ?
S. A.-R. : S’il s’agit bien d’un fascisme américain, il est urgent de ne plus perdre de temps avec des tentatives pour discuter avec Donald Trump, l’amadouer ou encore le faire évoluer, car elles sont vouées à l’échec. En temps de crise, poser des mots exacts sur la situation est crucial, tout comme la regarder en face, non seulement pour la comprendre, mais pour agir. C’est la mission des responsables politiques, des chercheurs et des journalistes. En Europe, il faut aussi que nous nous accordions sur le diagnostic sans tarder. Il faut accepter, comme le soulignait Charles Péguy, « de voir ce que l’on voit ».

 

Von der Tiefe in die Stille – Wege in die Freiheit: Durch Musik!

Ungewöhnliche neue Klänge der Orgel: Die Komponistin Claire M. Singer.

Ein Hinweis von Christian Modehn am 17.12.2024

1.
Musik führt ins Nachdenken … eigener Art, Musik erweckt den Geist und ermuntert die Sinne, führt ins Schweigen. Erst dann werden wieder wahre Worte wirklich. Musik ist deswegen unverzichtbar. Aber Musik hat in sich selbst ihren eigenen Sinn, dient keinem „Nutzen“, keinem greifbaren Zweck. Und auch dies ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit: Musik – auch in der Rolle der ZuhörerInnen – ist eine Vielfalt von eigenen Sprachen, die wir nicht in die Begriffssprachen übersetzt können. Oder nur in Andeutungen und Metaphern.

2.
Wir empfehlen heute im „Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon Berlin“ das Werk einer Komponistin und Performerin von Orgel – Musik, es geht um eine Verbindung von klassischen Klängen und elektronischer Musik. Die Orgel – Komponistin Claire M. Singer (sie spielt auch Cello) lässt sich dabei von ihrer Heimat Schottland inspirieren. Ohne in Klischees zu geraten: Es ist wohl das Erleben dort von dramatisch zu nennenden Landschaftsformen… in einer Natur der Stille und der Widersprüche gleichzeitig. Werden sie sich versöhnen? Musikalisch vielleicht. Und wenn man schon versucht, diese Musik in Worten weiter zu geben: Es werden eher “Flächen” präsentiert, also lang andauernde, oft gleichbleibende Klänge, die in Abgründe weisen oder sanft in eine Höhe streben. “Flächen”, auf denen sich oft eine Art sanfter Gesang zeigt…Hoffnungszeichen vielleicht, Wege in die Freiheit auf einem dunklen “Boden”, auf “Flächen”…

3.
Claire M. Singer LINK hat für ihre Kompositionen (erschienen als CD bei TOUCH Music UK) zahlreiche Auszeichnungen erhalten. Seit 2012 ist Claire M. Singer Musikdirektorin für Orgel am preisgekrönten Veranstaltungsort Union Chapel in Islington, London.
Sie gründete das Festival „Organ Reframed” zur Präsentation experimenteller Orgel- Musik.

4.
Wir empfehlen Claire M. Singers CD mit dem Titel „Saor“, ein Wort aus der Irischen Sprache: Es bedeutet “frei”.

5.
Thaddeus Herrmann, Redakteur bei DASFILTER,  LINK , dem Medium und der Plattform für Kultur und Gesellschaft der Gegenwart, hat eine „Plattenkritik“ verfasst:

„Wie 2023 plötzlich auszuhalten war“
Aus den Ohren, aus dem Sinn. Sechseinhalb Jahre ist es her, seit ich zuletzt über die schottische Komponistin Claire M Singer schrieb. Nun ist seitdem auch tatsächlich wenig von ihr erschienen: „Saor“ ist ihr drittes reguläres Album, dazwischen gab es noch eine EP und eine Compilation mit Stücken, die in der Zwischenzeit purzelten.
„Saor“ ist mein Album des Jahres. Es reißt mich mit wie nichts anderes mich in den vergangenen zwölf Monaten mitgerissen hat. Die Art und Weise der konzertanten Entschleunigung, die Singer in und mit ihrem Orgelspiel entfaltet, war mein Rettungsanker in den vergangenen Monaten, in denen es familiär einiges durchzustehen gab, eine Periode der Vorbereitung auf die nächste Phase in meinem Leben. Das unendliche Glück, das mir persönlich widerfuhr (und anhält) war der eine Kraft gebende Ruhepol, die Stücke auf „Saor“ der andere.
Für Singer markiert „Saor“ den Beginn einer Alben-Trilogie, in der sie die Eindrücke langer Wanderungen durch ihre schottische Heimat verarbeitet. Sie schreibt: „Saor follows two narratives: my trekking across the Cairngorm mountains in Aberdeenshire through the granite plateaux, corries, glens and straths, and my exploration of the 1872 Conacher organ in Forgue Kirk Aberdeenshire where many of my ancestors lie.“ („Saor folgt zwei Erzählungen: meiner Wanderung über die Cairngorm-Berge in Aberdeenshire durch die Granitplateaus, Kare, Täler und Senken und meiner Erkundung der Conacher-Orgel von 1872 in Forgue Kirk, Aberdeenshire, wo viele meiner Vorfahren liegen.“)
Mit ihrer Liebe zur Orgel als Instrument ist längst nicht mehr allein. Viele Musiker:innen – gerade die :innen – haben die Kraft der Pfeifen, egal ob groß oder klein, in den vergangenen Jahre für sich entdeckt. Singer putzt sie alle weg. Die langgezogenen Aufbauten, die schiere Kraft und Macht der sich Schritt für Schritt und Akkord für Akkord entwickelnden durchkomponierten Drones legt einen Mantel des Schweigens über alles mit Beats. „Saor“ ist eine hymnische Superlative der euphorischen Zurückhaltung. Wie die Musikerin ihr Orgelspiel mit Mellotron, Trompete, Cello, Klarinette und Elektronik verbindet absolut meisterhaft. Mal hell und strahlend, mal dunkel und dräuend, mal auch bewusst noisy. „Saor“ („frei) ist ein kammerspielerischer Befreiungsschlag.

Quelle: LINK.

Claire M. Singer „Saor“, Published by Touch Music, UK, 2023. Im deutschen Internet für 13,80 € erhältlich.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin,    www.religionsphilosophischer-salon.de .

Wenn Faschismus sich in Deutschland durchsetzt…

Ein Hinweis von Christian Modehn am 28.8.2024

Ergänzung am 29.8.2024: Siehe auch den Hinweis auf eine Reportage über den von einem AFD Landrat geführten Landkreis Sonneberg in Süd – Thüringen (Nr. 17 in unserem Beitrag).

1.
Es ist nie zu spät, vor dem Faschismus zu warnen. Bei den Wahlen in Thüringen und Sachsen am 1.9.2024 werden laut Prognosen zwei populistische Parteien LEIDER sehr erfolgreich sein; eine Partei, die AFD, wird offiziell als rechtsextrem beurteilt, die andere, das BSR, ist offenbar von Stasi – Mitarbeitern durchsetzt, siehe die neueste Studie von Correctiv am 28.8.2024. LINK

2.
Wir weisen auf grundlegende Wesensbestimmungen faschistischen Denkens und Handelns hin, Wesensbestimmungen, die Umberto Eco, der international bekannte italienische Philosoph, Medienwissenschaftler und Autor (u.a. „Der Name der Rose“) vorgelegt hat, und zwar in seinem Buch „Der ewige Faschismus“ (deutsch: Hanser Verlag, 2020).

3.
Sie haben richtig gelesen: Es geht auch bei den rechtsextremen Parteien in Deutschland um eine Form von Faschismus bzw. des Nazi-Unwesens, und es ist ja nicht nur die AFD in Thüringen und Sachsen, für die diese Hinweis auf den Faschismus zutreffen. Ans europäische Ausland und die dortigen rechtsextrem – populistischen Parteien (FPÖ, Le Pen Partei, Italien, Niederlande, Spanien und so weiter) soll hier nur erinnert werden.

4.
Lesen Sie bitte einige zentrale Zitate aus dem genannten Buch von Umberto Eco: Er bezeichnet die „Wesensbestimmungen“ der verschiedenen Gestalten von Faschismus als „Ur-Faschismus“. De AFD und die anderen offiziell – rechtsextremen Parteien sind eine Form des Ur-Faschismus.

5.
Umberto Eco schreibt u.a.:
„Kultur ist für den Ur – Faschismus suspekt, sobald Kultur mit kritischen Haltungen identifiziert wird. Misstrauen gegenüber der intellektuellen Welt war stets ein Symptom des Ur-Faschismus… Man warf der moderne Kultur und der liberalen Intelligenz vor, sie hätten die überlieferten Werte verraten.“ (S. 33). Aber diese so genannten überlieferten Werte sind meist die Werte von vorgestern, man denke an den in rechtsextremen Kreisen einseitigen patriarchalen Familien-Begriff, die Abweisung von umfassender sexueller Aufklärung etc..

6.
Umberto Eco schreibt u.a.:
„Der Ur – Faschismus wächst und sucht sich Konsens, indem er die natürliche (aber überwindbare) Angst vor den Andersartigen (Fremden, Ausländern) ausbeutet und vertieft. Der erste Appell einer faschistischen oder vor-faschistischen Bewegung richtet sich immer gegen die sogenannten Eindringlinge. Daher ist der Ur-Faschismus per Definitionem rassistisch“ (S. 33).

7.
Umberto Eco schreibt u.a.:
„Der Ur – Faschismus entspringt individueller oder gesellschaftlicher Frustration. Heute, da die `Proletarier` Kleinbürger werden… wird der Faschismus sein Publikum in dieser neuen Mehrheit der Kleinbürger suchen“ (S.34).

8.
Umberto Eco schreibt u.a.:
“Der Ur- Faschismus beruht auf auf einem Populismus. In Demokratien haben die Bürger individuelle Rechte, aber politischen Einfluss können sie nur gemeinsam unter einem quantitativen Gesichtspunkt ausüben – die Mehrheit entscheidet! Für den Ur – Faschismus dagegen haben Individuen als Individuen keinerlei Rechte … der Führer wirft sich zum Interpreten der Bürger auf. Die Führer spielen dann die Rolle des Volkes… Der-Ur-Faschismus stellt sich gegen die `verrotteten parlamentarischen Regime…“ (S. 37)

9.
Umberto Eco schreibt u.a.:
„Der Ur-Faschismus tritt manchmal in gutbürgerlicher – ziviler Kleidung auf… Das Leben ist heute nicht so einfach, dass ein Faschist heute wieder die Bühne der Welt beträte und erklärte: Ich will ein zweites Auschwitz`. So einfach ist das nicht. Der Urfaschismus kann in unschuldigsten Gewändern daher kommen“. (S. 40)

10.
Umberto Eco schreibt u.a.:
Es ist unsere Pflicht, den Urfaschismus heute zu entlarven und mit dem Finger auf jede seiner Formen zu zeigen – jeden Tag, überall ins der Welt“ (S. 40).

11.
Es wurde und wird leider nicht von demokratischen Politikern und den Demokraten, den Bürgern, gesagt: Die Faschisten sind in gewisser Weise Selbstmörder: D.h.: Sie zerstören ihr  humanes Leben, jegliches demokratische Leben, das natürlich immer verbessert werden muss. Denn: Sind erst einmal Faschisten als Herrscher an der Macht, hört jede Kritik, jedes offene Wort auf, es gibt keine Individuen mehr, nur noch gehorsame Nummern, die nicht mehr nachzudenken brauchen. Der Mensch als geistiges Wesen ist tot. Und das wünschen sich heutige Wähler rechtsradikaler Parteien, ohne es explizit zu sagen und zu wissen…?

12.
Der größte Wahnsinn ist, wenn konservative demokratische Parteien so weit gehen und Positionen des Ur – Faschismus heute übernehmen, um Stimmen zu gewinnen. Sie müssten den Ur-Faschismus eine Gefahr für die Menschheit nennen.

13.
Damit wird nicht gesagt, dass alle Wähler rechtsextremer Parteien in Europa Ur – Faschisten sind. Es sind Menschen, die in ihrer Angst, etwas zu verlieren an materiellen Gütern, alle Energie gegen „die“ Ausländer, „die“ Flüchtlinge, die Minderheiten (Homosexuelle usw.) einsetzen, um diese angeblich bösen Anderen“ auszugrenzen.

14.
Das jetzt schon übliche und in aller Welt verwendete Konzept der Ur – Faschisten, nämlich die  Rückführung der Unerwünschten, Ausländer, pauschal “der” Muslims usw., stammt übrigens von der Autorin Bat – Ye Or, wir haben schon 2018 darauf hingewiesen. LINK

15.
Dieser Ur – Faschismus ist keineswegs nur eine europäische, tödliche Massen – Krankheit, sie wuchert aktuell in bestimmten Parteien in Israel, in islamischen Staaten, in den USA, in China (gegen die Menschenrechte, gegen die Uiguren etc.) usw.

16.

Und es ist die Frage, wie sehr demokratische Parteien nach rechtsextrem, also (prä?)-faschistisch (bereits) abdriften, wenn sie die in jeder Hinsicht zu verachtenden Positionen der Rechtsextremen übernehmen. Das tun Politiker auch in Deutschland jetzt und seit einiger Zeit, um ihre Partei am Leben zu erhalten ….Diese Haltung, ist Illusion, ist Unsinn: Wer als Wähler rechtsextrem ist oder ur – faschistisch im Sinne von Umberto Eco, der (die) bleibt bei seiner Partei.

Rechtsextreme und (Ur-) Faschisten werden von vernünftigen Menschen nur mit klaren demokratischen Positionen und Taten bekämpft; die universell geltenden Menschenrechte sind oberstes Gebot … und nicht nationalistisch – egoistische Interessen.

17.

Wer immer noch nicht weiß, dass prä-faschistische oder ur-faschistische Verhältnisse in Deutschland bereits herrschen , wenn AFD Leute einmal an der Macht sind: Der lese bitte die Reportage von Barbara Nolte “Wo die AFD regiert, sind Morddrohungen an der Tagesordung”, ein wichtiger Beitrag im TAGESSPIEGEL vom 29. August 2024, Seiten 6 bis 7.

Wir zitieren nur kurz (Seite 7) zu rechtsradikaler Gewalt in Sonneberg in Thüringen mit dem gewählten AFD Landrat Sesselmann; dort gab es natürlich eine AFD ultrafreundliche  Stimmung schon vor der Landratswahl. Die Journalistin Barbara Nolte war vor Ort und berichtet. “Eine Geflüchteten-Unterkunft im Landkreis wurde im vergangenen Jahr mehrfach von maskierten Tätern angegriffen, die mit Steinen warfen und Kinder, die im Hof spielten, rassistisch beleidigten…Kürzlich wurde die face-book Seite von `Sonneberg gegen Nazis` von ihren Betreibern nach elf Jahren mit der Begründung eingestellt, es sei zu gefährlich geworden. Hasskommentare, persönliche Anfeindungen und Morddrohungen sind an der Tagesordnung… Eine Verfünffachung von rechter, rassistischer Gewalt hat die thüringische Opferberatungsstelle EZRA im vergangenen Jahr im Landkreis Sonneberg registriert. Drei Viertel der Taten passierten nach der Wahl des Landrates Sesselmann… Eine Studie der Princeton University (USA) hat u.a festgestellt: Rechtsextreme Hasskriminalität breitet sich dort aus, wo Täter erkennen, dass ihre Taten die Unterstützung der Bevölkerung haben. Und dieses Gefühl hätten, so die Studie,  die Täter unter den Wählern der AFD; von denen stimmt fast die Hälfte der Aussage zu, dass Fremdenfeindlichkeit gegen Flüchtlinge manchmal gerechtfertigt sei, auch wenn sie in Gewalt umschlage!… Nicht nur Migranten, auch politische Gegner sind von Gewalt betroffen…Der Treffpunkt eines Kulturvereins wurde mit Steinen und Flaschen beworfen, die Gewalttäter  versuchten die Tür aufzubrechen und sie hätten dabei Neonazi-Parolen gerufen und den Hitlergruß gezeigt” ….

18. “Es ist fünf vor 33″ ist das treffende Motto des “Lichtkunst-Festivals” Weimar mit dem Titel `Genius Loci` vom 30.8. bis 1.9 2024 in Weimar und in der Gedenkstätte des ehem. KZ -Buchenwald bei Weimar. “Es ist fünf vor 33″: ein treffendes Motto, gültig – etwa als Untertitebl – für alle Talkshows der ARD und des ZDF in den nächsten Monaten?

Keine Frage: Ein historisches Ereignis wiederholt sich als solches nicht in der Geschichte, also auch heute nicht, aber manche dieser hier (Nr. 17) nur kurz genannten Verbrechen erinnern in gewisser Hinsicht (!) an das Ende der Weimarer Republik. Denn dies ist keine Frage: Die freie, demokratische Kultur haben die Nazis zuerst eingeschränkt, dann kaputt gemacht, bevor sie alles Humane im nationalistischen Wahn zerstörten.

Umberto Eco, Der ewige Faschismus, Hanser Verlag, Mit einem Vorwort von Roberto Saviano. Deutsch von Burkhard Kroeber. 79 Seiten, 10 €.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer-salon.de

Wenn ein Philosoph radikal wird

Über ein neues Buch von Jürgen Manemann
Ein Hinweis von Christian Modehn am 23.8.2024

1.
Das ist unser philosophischer Ausgangspunkt:
Philosophie ist Ausdruck des Philosophierens des einzelnen und der Gruppen. Und Philosophieren ist das Geschehen des kritischen Denkens und Reflektierens, ist also der lebendige Geist, die lebendige Vernunft… Und Denken und Reflektieren ist nicht nur die Praxis weniger Philosophieprofessoren. Sondern: Jeder Mensch denkt immer schon auf seine Art, entwickelt seine Werte etc. und kommt, dem eigenen Nachdenken entsprechend, zu Entscheidungen. Diese sind dann sichtbare „Gestalten“ des sich objektivierenden Geistes (greifbar in der Literatur, Kunst, usw. aber auch der Politik und Ökonomie usw.). Unsere Welt ist Objektivierung des Geistes (bzw. Ungeistes, wenn man an die totalen Egoisten, Nationalisten und andere politisch Verwirrte denkt).

2.
Philosophie als Philosophieren ist in jedem zuerst und vor allem eine bestimmte, sich aber wandelnde Lebensform. An den Universitäten werden diese unterschiedlichen Lebensformen philosophisch (in Texten objektiviert) studiert. Jeder philosophische Text ist Ausdruck einer bestimmten Lebensform des Autors.

3.
Also: Lebensformen sind für die Philosophien das erste: Das haben die griechischen Philosophen (in der Stoa, der Schule Epikurs, Platons usw.) nicht gelehrt, sondern gelebt, man lese die entsprechenden Studien von Pierre Hadot. LINK.

4.
Philosophie als Philosophieren als eine konkrete Lebensform präsentiert auch der Philosoph und Theologe Prof. Jürgen Manemann (Hannover). Er ist kein Philosoph im ruhigen Elfenbeinturm. Er mischt sich ein und ist aktiv politisch, umweltpolitisch tätig. Sein Engagement steht in Verbindung mit der Leitung des „Forschungsinstitutes für Philosophie Hannover“ (fiph). LINK
Das Forschungsinstitut verdient angesichts der Vielfalt seiner Angebote mehr Aufmerksamkeit…“Weiterdenken“ ist das Motto des 1988 gegründeten philosophischen Instituts, das regelmäßig auch Diskussions – Veranstaltungen für weite Kreise anbietet.

5.
Jürgen Manemmann ist politische sehr präzise engagiert in der internationalen Umwelt Bewegung mit dem Titel „Extinction Rebellion“ LINK,

In seinem Institut in Hannover werden auch von Jürgen Manemann Veranstaltungen zum Thema „Extinction Rebellion“ organisiert. LINK

6.
Wir wollen hier nur kurz auf das neue Buch „Rettende Umweltphilosophie“ von Jürgen Mannesmann empfehlend hinweisen. Das Buch mit ausführlichen Verweisen auf weitere Studien hat den treffenden Untertitel: „Von der Notwendigkeit einer aktivistischen Philosophie“. Denn das ist die Grundüberzeugung: Umweltphilosophie, wenn sie denn noch einen Beitrag leisten kann, Natur, Bäume etc., Tiere, Menschen, Umwelt angesichts der bewiesenen Probleme vor dem Verschwinden zu retten, kann nur „aktivistisch” sein,. Sie muss mehr als bloß hin und wieder aktiv sein, sondern sie muss sich im Sinne der „Aktivisten“ äußern, also derer, die ihr Leben einsetzen für die Rettung der Umwelt. Die an Demos dabei sind, sich blockierend auf Straßen setzen, etwas riskieren, sich selbst das Leben nicht einfach machen… um der Rettung der Umwelt willen.

7.
Philosophisch entwickelt Jürgen Manemann seine Erkenntnisse aus mit Hinweisen etwa auf das Denken Albert Schweitzers: Von ihm inspiriert, gilt es unbedingt festzuhalten: Der Schutz des einzelnen Lebewesens steht vor dem herrschaftlichen Anspruch des Kapitalismus, um des Profits willen ein paar Tiere oder tausend Bäume zugunsten des technischen Fortschritts zu opfern. Die vernünftige Maxime heißt: „Wir dürfen nicht alles tun, was wir Menschen technisch können; wir müssen uns immer so entscheiden, dass alles Tun sinnvoll ist für die Bewahrung der Umwelt…Jürgen Manemann wehrt sich aus aktuellem Anlass auch gegen den Ökofaschismus, der die gesamte Lebenswelt – auch die der Menschen – aufspaltet in die Kategorie des Lebenswerten und des Lebensunwerten, also der technisch – politisch gesehen Überflüssigen, „was weg kann“…

8.
In dem Buch werden auch praktische Übungen der Achtsamkeit und Kontemplation (S. 132) erwähnt, sie können das Engagement stützen und fördern. Sie sind Formen der Besinnung und des Nachdenkens, dabei wird entdeckt: Demokratie ist nicht zuerst eine Welt von vielen Behörden und Institutionen, Demokratie ist kein Riesen – Apparat, kein Dschungel umeinsehbarer Gesetze, sondern zuerst eine Lebensform, die durch die Phantasie und den Gestaltungswillen der einzelnen lebendig bleibt und vor Starrheit bewahrt wird. Protest, Widerspruch, Aktionen machen das demokratische Leben aus.

9.
Am interessantesten sind für einige wohl die Hinweise zu den Formen des „Aktivismus“ zugunsten der Rettung der Umwelt. Es geht darum, dass jeder und jede lernen muss, „Handlungsblockaden“ zu überwinden.Sie verfestigen sich, wenn man der schon üblichen ideologischen Einrede folgt: Die begrenzten Möglichkeiten der Rettung der Umwelt seien ohne Alternative… man könne also nichts Grundlegendes mehr verändern (S.139). Wer so denkt, tötet seinen kritischen Geist…

10.
Jürgen Manemann tritt ausdrücklich für den zivilen Ungehorsam ein, wenn es darum geht, die Umwelt vor der systematischen Vernichtung zu retten. „Aktionen des zivilen Ungehorsams dienen in erster Linie der politischen Sensibilisierung. Als `Whirlwind` – Aktionen unterbrechen sie das Weiter – So für einen Moment.“ (S. 108). Um aber wirksam zu sein, ist das „Community organizing“ wichtig, dadurch wird „Menschen geholfen, sich produktiv zu politisieren“ (ebd.). Wenn Menschen wie üblich behaupten, keine Zeit fürs politische (Umwelt -) Engagement zu haben, dann besteht die „Aufgabe darin, die Menschen davon zu überzeugen, das SIE als Menschen doch wichtig sind: Die Menschen wissen nämlich, dass sie für gewöhnlich es nicht sind“. (s. 110). Weil sie als Menschen wichtig sind, gilt es, dass sie selbst alles daran setzen, ein ethisch wertvolles Leben zu erreichen… Im Community Organizing entstehen Beziehungen und Netzwerke unter den Menschen, sie machen aus den vereinzelten Individuen GefährtInnen eines gemeinsamen Projekts. So werden Menschen zu GenossInnen, GefährtInnen, sie sind nicht länger KonkurrentInnen.“ Wichtig erscheint mir eine Fußnote (Nr. 26, S. 107), da werden Dorothee Sölle und Fulbert Steffensky aus ihrem Buch „Wider den Luxus der Hoffnungslosigkeit“ zitiert: „Wenn wir den raschen unmittelbaren Erfolg zum Kriterium machen, dann geraten wir in einen Allmachtswahn, der gerade die Quelle von Ohnmacht und Resignation wird.“

11.
Angesichts der zunehmenden Akzeptanz rechtsextremer und faschistischer Parteien jetzt wieder in Deutschland muss natürlich gefragt werden: Was unterscheidet eine vernünftige Form des gewaltfreien Widerstandes von den heftigen physischen und genauso verletzenden, geistig tötenden verbalen Attacken der Rechtsextremen und Nazis?
Diese Rechtsextremen haben als Projekt einen Zustand von Gesellschaft und Staat, in dem einige wenige Führer das absolute Sagen haben, deswegen kämpfen die ideologisch Verblendeten, um von der Last ihrer eigenen Freiheit, ihres eigenen Nachdenkens, endlich befreit zu sein. Um aufzuhören, FREIE Menschen zu sein.
Ganz anders die demokratisch gebundenen Menschen des gewaltfreien Widerstandes: Sie wollen die bessere Demokratie, die besseren Formen des Widerspruchs, des Dialogs, der Vielfalt.
Man denke also bloß nicht, Widerstand und Widerspruch gegen bestimmte Verirrungen des Staates seien immer dasselbe, egal, von wem sie geäußert werden.

12.
Das Buch „Rettende Umwelt-Philosophie“ zeigt, wie Philosophen heute eine neue Dimension des Philosophierens erschließen. „Aktivistisch“ im Sinne von Jürgen Manemann waren Philosophen doch öfter schon, man denke an die kluge Religionskritik von Voltaire und ohne heftige Leidenschaft fürs Vernünftige konnte selbst der zurückhaltende Immanuel Kant nicht leben und denken. Aktivismus ist Ausdruck der ethischen Einsicht: Es herrscht große Not und ich als Philosoph muss auf meine Weise helfend, rettend, eingreifen. Hoffend. Und das ist etwas anderes als “optimistisch”!

Jürgen Manemann, Rettende Umweltphilosophie. Von der Notwendigkeit einer aktivistischen Philosophie“. 162 Seiten, Transcript Verlag, 2023, 19,50€.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

Kann Lektüre heilen? Durch Bücher gesund werden?

Notizen zur Bibliotherapie und anderen Formen geistiger Therapien…

Ein Hinweis von Christian Modehn

1.
Kürzlich diskutierten wir über das Buch von Fabio Stassi „Die Seele aller Zufälle“, erschienen in der Edition Converso; ein Buch, das sich mit Sinn und Unsinn der „Bibliotherapie“ unterhaltsam auseinandersetzt. LINK.
„Die Seele aller Zufälle“ steht übrigens auf der Hotlist 2024 der „Bücher aus unabhängigen Verlagen“.

Und es zeigen sich bei anderen Autoren immer wieder Hinweise auf Formen der “Bibiotherapie”, etwa bei dem bekannten tschechischen Autor Bohumil Hrabal (1914-1997), siehe Fußnote 1 unten.

2.
Diese Form der Buch – Lesen – Therapie gibt es wirklich, dies sei allen therapeutisch noch etwas Unkundigen gesagt. In Kanada, etwa in der Provinz Québec, ist die Bibliotherapie weit verbreitet und offenbar wirksam, auch therapeutisch akzeptiert, die Pariser Tageszeitung „La Croix“ berichtete am 12.3.2024 darüber. LINK.

3.
Grundsätzlich kann man zu der Überzeugung neigen: Eigentlich ist jede Lektüre von Romanen, Erzählungen, Poesie etc. immer auch Ausdruck einer Suche nach Therapie, elementar als Hilfe vermutet gegen Langeweile und Einsamkeit, dann aber auch explizit als Suche nach Orientierung und als Impuls zum Weiter – Denken und in die Weite denken. Diese allgemeine Erwartung „Lesen hilft mir auch therapeutisch“ ist meist umthematisch, unreflektiert.

4.
Was ist die Grundsituation einer Bibliotherapie? Der Therapeut ist ein guter Kenner vieler „großer (aber auch eher unbekannter) Werke“ der Literatur,. Er empfiehlt nach einem eingehenden Gespräch mit einem Patienten (Klienten?) ein bestimmtes, ihm bekanntes Buch zur privaten Lektüre. Die Leitlinie der Therapie heißt wohl: „Wenn Sie dieses Buch, diesen Roman, diese Novelle, dieses Drama, dieses Gedicht usw. lesen, gründlich und in Ruhe meditieren, kann sich ihre spezielle seelische Problematik, vielleicht ihr seelisches Leiden (Melancholie, Hemmung im Umgang mit anderen, Genusssucht usw.) nicht nur klären, sondern auch abmildern, vielleicht heilen … eben durch reflektiertes Nachdenken über den Text des Buches, über das Schicksal der Protagonisten, deren Hoffnung und Lebenssinn… Vielleicht wird dann der heilende Gedanke sozusagen irgendwann „geschenkt“, und vielleicht sieht man sieht klarer und hoffnungsvoller in die Welt und auf das eigene Leben.

5.
Jede Therapie lebt wohl von der Ungewissheit, ob Heilung des Patienten möglich ist. Aber es gibt wohl Unterschiede: In den Psychotherapien etwa begegnet der Patient immer wieder einem leibhaftigen Menschen, einem „Spezialisten“ für seelische Leiden, zu dem der Patient und mit dem er – manchmal sehr oft – sprechen kann.
In der Bibliotherapie ist der einzelne mit einem Text konfrontiert, der eben nur ein „Gesprächspartner“ im übertragenen Sinne sein kann. Der Patient wie jeder Leser bestimmt die Deutung, die Interpretation, in der Auseinandersetzung mit dem Text selbst. Es ist eines der Grundgesetze der Hermeneutik, der Verstehenslehre von Texten, dass immer der Lesende seine subjektiven Verstehensbedingungen, seinen geistigen Horizont, nicht nur „mitbringt“. Sondern oft wird der Text einseitig, allzu subjektiv, förmlich überwältigt und fehl interpretiert. Allzu subjektive Deutungen können und sollten im Laufe der Lektüre korrigiert werden, erst dann kann von einem Verstehen die Rede sein. Bibliotherapie ist aufgrund dieser Stellung: „der einzelne Leser und sein Buch“, also auch ein anspruchsvolles, aber oft auch ein scheiterndes Unternehmen.

6.
Die Bibliotherapie aber erinnert an die Vielfalt reflektierender, geistiger Therapien: Über „Philosophie als Therapie“ haben Damian Peikert und Sam Adhar Ball ein Buch im angesehenen philosophischen Karl Alber Verlag (Freiburg) publiziert und dabei mit gutem Grund an die Überzeugung antiker Philosophen erinnert: Philosophie sei ursprünglich als Hilfe zum Leben und im Leben zu verstehen, ein Thema, das der Pariser Philosoph Pierre Hadot in den Mittelpunkt seiner Studien stellte. LINK. Über die Beziehung zwischen der therapeutischen Praxis etwa in der Stoa oder bei Epikur und der modernen Logo – Therapie (Viktor E. Frankl 1905-1997) wäre ebenfalls weiter nachzudenken.

7.
Von den verschiedenen Formen der Musiktherapie wäre zu sprechen. Musiktherapie im weiten Sinne, also Musik (und Singen ) ALS Therapie, bezieht sich nicht nur auf die seelische „Stärkung“ der einzelnen. Musik ALS Therapie, verstanden als Einheit von Sängern/Musikern und teilnehmenden Zuhörern, die in den Stadien auch Mitsingende waren, hat immer einen politischen Charakter: Eintreten für die Demokratie, „gegen die Konsumgesellschaft, gegen die apolitische Zerstreuung, den American Way of life…Die Musik schuf politische Identifikationen“, so Antonis Liakos in „Lettre International Nr 145, S. 21, Sommer 2024). Diese (!) Musik stärkt die einzelnen, gibt neuen Lebenssinn: Der Autor erinnert u.a. an Mikis Theodorakis, Ioannis Makropoulos, Christos Leonies und andere…“ Antonis Liakos schreibt: „Diese Konzerte, zu denen Menschenmassen strömten, waren selbst politische Ereignisse, Quellen eines aufrührerischen Geistes und eines grenzenloses Optimismus“ (ebd.).
Zu sprechen wäre auch von der Kunst-Therapie, d.h. auch der Mal – Therapie oder der Arbeit mit Collagen, die direkt in guten Kliniken (etwa speziell bei Krebskranken) schon eingesetzt wird.

8.
Noch einmal zur Bibliotherapie:
Johann Wolfgang von Goethe hat sehr persönlich gesprochen, als er von seinen melancholischen und depressiven Phasen in jungen Jahren berichtete: Aus der tiefen Krise (Suizid-Gedanken) konnte er sich nur befreien, wie er gesteht, als er weiter seine Texte verfasste: Literarisches Schreiben als Therapie also, dies ist sicher eine Praxis, die nicht nur hochbegabten Autoren wie Goethe vorbehalten ist. Anja Höfer schreibt in ihrem Essay über Goethes Kunstanschauung (in „Philosophie der Freude“, Leipzig 2003, S. 131).“ Goethe schildert, wie seine poetische Produktion einen inneren Heilungsprozess einleitet, in dem der Dichter sein eigenes Leiden in ästhetischer Form objektiviert und das Leiden so zugleich überwindet. Das Ergebnis dieses Prozesses bezeichnet Goethe nicht zufällig mit dem Wort Heiterkeit“. Und auf Seite 132 heißt es: „Für Goethe wird die dichterische Produktion zum probaten Mittel, um sich selbst immer wieder die rettende Heiterkeit abzunötigen… er spricht vom poetischen Talent mit seinen Heilkräften.“

9.
Inmitten des alltäglichen Lebens können und sollten also Formen geistiger Therapie entdeckt werden, wobei zur Überraschung wohl erkannt wird: Hilfen zur Gesundung durch bestimmte Formen geistiger/geistvoller Praxis stehen uns eigentlich immer in der genannten Vielfalt zur Verfügung. Leider kann man den Gottesdiensten der christlichen Kirchen diesen heilsamen Charakter eher selten zusprechen, sie sind meist Routine und das Dahersagen von frommen Stereotypen und alten, veralteten dogmatischen Sprüchen…

10.
Und selbst der größte Skeptiker wird erkennen: Er kann sich zu seiner eigenen skeptischen Lebenshaltung noch einmal selbst skeptisch verhalten, in der Kraft des reflektierenden Geistes eben: Inmitten dieser Skepsis-skeptischen Haltung wird der Skepsis sozusagen ihre Allmacht genommen. Es bleibt der Geist, dies ist auch die Vernunft, die Fixierungen und Ideologien durchschaut und überwindet… und – etwas metaphysisch gesagt – in die Weite des Geistes führt.

Fußnote 1: In dem Buch “Allzu laute Einsamkeit” des großen Schriftstellers Bohumil Hrabal ist auch ein Gespräch mit Peter Sacher publiziert, darin äußert sich Hrabal über seine Lektüre des Tao Te-king von Laotse. Hrabal berichtet, einige der Sätze des Tao te king auswendig gelernt zu haben: “Ich kann einen ganzen Tag lang von einem solchen Satz leben…, dergestalt, dass ich den Eindruck habe, erlöst zu sein… Das alles geschieht in der Stille, in einer sprühenden Stille, in dieser auflebenden Einsamkeit, in der ich mit allen lebenden und toten Freunden sprechen kann..” (S. 149). Das Buch ist in der Deutschen Verlgasanstalt 2003 erschienen.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

 

 

Warum Rechtsradikale noch für Meinungsfreiheit eintreten

Die große Lüge der Rechtsradikalen und Faschisten

Ein Hinweis von Christian Modehn am 26.Mai 2024

1.
Rechtsextreme Politiker, auch rechtsextreme Katholiken, streben mit aller Gewalt nach der Herrschaft über die Medien (aller Art). Auf den äußerst rechtslastigen französischen Katholiken und Milliardär und Medienmogul Vincent Bolloré haben wir im Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon Berlin schon vor einiger Zeit hingewiesen. Bolloré wird in Deutschland bislang kaum wahr – genommen. LINK:

2.
Solange diese Rechtsextremen, die von Politologen und Kulturwissenschaftlern auch heute Faschisten genannt werden, nicht die Herrschaft übernommen haben: So lange plädieren und werben diese Rechtsextremen, wie jetzt die AFD, ungeniert, mit Parolen im Wahlkampf (Mai 2024) „Meinungsfreiheit schützen“. Ja, diese rechtsextremen Führer leben von der demokratischen Meinungsfreiheit, solange, bis sie die Macht übernommen haben. Diese Leute sind nichts als Lügner, und alle, die diese Lügner wählen und unterstützen, kann man wegen ihrer geringen Urteilskraft bedauern oder besser noch gesprächsweise zur Vernunft bringen? Für die Philosophin Hannah Arendt ist das Fehlen von kritischer Urteilskraft (etwa der Nazi – Anhänger) Hinweis auf irregeleitetes, nur noch banales Denken und banales Leben. Zu diesem Urteil kam Hannah Arendt beim Prozess gegen Adolf Eichmann in Jerusalem.

3.
Der Wiener Kulturwissenschaftler Andreas Gerlach veröffentlicht in „Geschichte der Gegenwart“ vom 26. Mai 2024 eine Studie (von Umberto Eco angeregt) über heutigen Faschismus. Wir zitieren aus den Ausführungen Gerlachs zur Kampf der rechtsextremen um die totale Medien – Herrschaft:

„So lange für Meinungsfreiheit sorgen, bis sie sie abschaffen können. Bis zur Übernahme der Medien ist ein scheinbares Eintreten für Meinungsfreiheit das wichtigste Mittel der Faschisten zur Erzwingung, in den Medien aufzutauchen. Sie wollen als Meinung wie alle anderen auch wahrgenommen werden. Sobald dann irgendwelche rechten Milliardäre oder Parteien ein Medium wie Twitter, eine Zeitung wie die NZZ oder öffentlich-rechtliche Sender gekauft haben oder die Gremien besetzen können, bricht diese scheinbare Begeisterung für den freien Markt der Meinungen, wie am Beispiel Polens, an der Übernahme eines ganzen Medienimperiums in Frankreich oder an Elon Musks Übernahme von Twitter gesehen werden kann. Die modernen rechten, reaktionären und oftmals völlig offen faschistischen Bewegungen haben viele Eigenschaften, aber eine wichtige, die Umberto Ecos Liste als fünfzehntes Element hinzugefügt werden kann, ist die ewige Fixierung des Faschismus auf seine mediale Repräsentation. Deswegen ist dort gerade das wichtigste Kampffeld gegen die Faschismen des 21. Jahrhunderts. Man darf den Faschisten nicht die Medien überlassen.“ (Quelle: LINK ) 

Copyright: Christian Modehn, www.religionsphilosophischer-salon.de