Eine Marginalie von Christian Modehn am 14.10.2025
Wir haben heute eine neue “Kategorie” in unsere Publikationen eingeführt: Der Titel: “Marginalien”. Aber marginal sind diese Themen eigentlich gar nicht.
1.
Das eigentlich marginale Ereignis hat theologische Bedeutung:
Am Haupt – Altar des St. Petersdoms (Vatikan), genau dort soll der Apostel Petrus, „der erste Papst“, ruhen, hat am 10.10.2025 ein Mann in aller Öffentlichkeit seine Hosen runtergezogen und uriniert. Natürlich wurde das Ereignis von Touristen gefilmt. Das Urinieren wurde nach einer gewissen Zeit von Ordnungskräften abgebrochen, der Mann wurde nach seinem „Abführen“ sanft abgeführt…
Und was tut Papst Leo, der oberste Chef seiner Kathedrale? Er ordnet, nach einer Art Tobsuchtsanfall deswegen, berichtet kath.net, die für solche Fälle bereits vorgesehene Liturgie an: Hinter verschlossenen Türen feierte also der Klerus am Montag (12.10.2025) eine Art „Sühne – Gottesdienst“ mit Psalmen und Fürbitten. So sollte der von Urin entweihte sakrale Ort, das Gotteshaus, der Petersdom, wieder zu einer Gott wohlgefälligen Stätte „umgewidmet“ werden. Denn auch der Altar einer jeden katholischen Kirche ist nach katholischem Verständnis sakral. In jedem Altar ruhen, so wird behauptet, immer irgendwelche (noch so kleinen) Reliquien von Heiligen. Wer in einer katholischen Kirche pinkelt und dann noch am Altar, begeht eine „Profanierung“ des heiligen Raumes, es muss die Sakralität wieder her hergestellt werden durch entsprechende Riten. In unserer „weltlichen“ Welt gibt es also nach katholischem Verständnis noch heilige Räume. Dort hat deswegen die Polizei nichts zu suchen, wenn in einer Kirche etwa Flüchtlinge vor dem Zugriff der ungerecht handelnden Behörden geschützt werden…Leider wird diese auf den Schutz von Menschen entscheidende Sakralität immer seltener von den Polizei – Behörden respektiert!
2.
Wer beantwortet die Frage, warum ausgerechnet im Mittelpunkt des St. Petersdoms ein Mann seinen nackten Po zeigt und pinkelt? Ist das ein Protest? Gegen wen? Wird das Motiv noch bekannt, wenn die vatikanischen Gerichte den Mann verhören?
Ein Protest war es bekanntlich, 2012 in Moskau, als junge Frauen in der „Christ-Erlöser-Kathedrale“ vor dem Altar (angeblich obszön, mit entblößter Brust) tanzten, um ihre Putin – und Patriarch Kyrill- Kritik zu demonstrieren?
Weil das Gotteshaus (Petersdom) sakral ist, muss nach einer Profanierung durch Pinkeln ein Sühne-Gottesdienst mit Re – Sakralisierung stattfinden. Es reicht nicht aus, die Kirche schlicht zu säubern.
3.
Warum ist überhaupt ein katholisches Kirchengebäude immer automatisch ein Gottes – Haus? Kirchen – Gebäude werden vom Klerus für heilig, sakral, erklärt, weil dort die zölibatären, also die offiziell „reinen“, d.h. offiziell ohne Sex mit Frauen (oder Männern) lebenden Priester in der Messe Brot in den Leib Christi und Wein in das Blut Christi verwandeln! Da geschieht in dieser „Wandlung“ also ein Überstieg in eine andere „sakrale“ Welt. Und dieses nun in der Messe anwesende „Heilige“ muss von fleischlichen Ergüssen rein sein, von jeglichem Schmutz sowieso Darum werden die Kelche der Priester symbolisch am Altar zu Beginn der „Wandlung“ gesäubert…
4.
Warum gelten eigentlich im Kirchenrecht diejenigen Priester nicht also unrein, die als sexuelle Missbrauchstäter geradezu ungeniert die Messe weiter zelebrier(t)en? Warum wurde moralische Unreinheit so gering bewertet gegenüber materieller Verschmutzung (Pinkeln…) Für diese Toleranz gegenüber unmoralischen, seelisch „schmutzigen“ Priestern am Altar gibt es hunderte Beispiele! Und wie ist es mit Priestern, die Mess-Knaben in der Sakristei noch sexuell bedrängten, bevor sie anschließend die Messe als sakrale Personen feierten? Schon der von Papst Leo XIV. ständig zitierte Theologe der antiken Welt AUGUSTIN lehrte in der Auseinandersetzung mit der „Sekte“ der Donatisten: Auch Priester, die bekanntermaßen Sünder sind, können selbstverständlich „gültig“ die Sakramente spenden. Auf die moralische Qualität der Priester kommt es also nicht an. Das gilt bis heute.
5.
Kirchengebäude als sakrale Orte: Da darf auch nur geflüstert werden! Da stand früher auf den Altartüchern: „Stille, hier wohnt Gott…“Er wohnt nämlich im Tabernakel, deswegen die Kniebeugen der Gläubigen… Und den eigentlichen Altarbereich darf bis heute kein „weltlicher“ Besucher betreten, er ist den Priestern – als eigener Kaste – vorbehalten und den MinistrantInnen, sie dienen den Priestern im gehörigen Abstand…
6.
Sinnvoller wäre es, innerhalb des St. Petersdoms und in allen „Gotteshäusern“, Toiletten einzurichten, entsprechende Seitenkapellen könnten dazu umgebaut werden. So viele Beichtstühle, Beichtkapellen, braucht ohnehin heute niemand mehr.
Man lerne ökumenisch von den protestantischen Brüdern: Sie haben in den meisten ihrer Kirchen tatsächlich Toiletten, weil evangelische Kirchengebäude eben nicht als Gotteshäuser gelten, sondern als Häuser für Menschen, die dort beten und Gottesdienste feiern oder eben auch weltliche Kulturveranstaltungen, Konzerte, Lesungen, erleben. Eine andere „Welt“ gegenüber den Katholiken.
Und ganz nebenbei: „Gott selbst pinkelt nicht“ (wie er auch nicht würfelt“, wie Einstein feststellte). Aber Gott hat alle Menschen als pinkelnde Wesen erschaffen. Und noch eine ungewöhnliche, gar nicht freche, sondern theologisch selbstverständliche Frage, wenn man denn als Theologe die Menschlichkeit Jesu ernst nimmt: Hat Jesus, der Mann, auch uriniert usw.? Die Antwort: Natürlich. Aber darüber schweigen die Bücher des Neuen Testaments und die Lehrbücher der „Christologie“ bis heute. Pinkeln geht gar nicht, zumal für einen Menschen Jesus, der im Konzil von Nizäa und Konstantinopel zum Gott erklärt, sakralisiert, wurde…
Gerade im „Heiligen Jahr“ mit vielen Millionen Pilgern müssen der Papst und seine Kardinäle Rücksicht nehmen auf die menschliche Schöpfung und damit auf menschliche Bedürfnisse … und eben Toiletten bauen, auch in den Kirchen („Häuser für Menschen“). Benutzung aber bitte gratis, nicht auch noch mit dem Pinkeln etc. die Vatikan- Kassen füllen.
Siehe den ausführlichen Bericht mit Video Ausschnitt in der großen TagesZeitung Repubblica: LINK:
Siehe auch den Hinweis in katholisch.de: LINK
Mit Punk gegen Putin: LINK.
Siehe auch unseren Hinweis im Religionsphilosophischen Salon Berlin (2013) zum Thema Pussy Riots in Moskau: LINK
Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin