Franz Hengsbach, ehem. Bischof und Kardinal von Essen: Des sexuellen Missbrauchs angeklagt, ein Freund des Opus Dei und ein Feind der Befreiungstheologie…

Ein Hinweis von Christian Modehn am 20.9.2023 …. zu bis bisher ungenannten Aspekten des so genannten „Oberhirten“. Zu den zahlreichen Beiträgen über den sexuellen Missbrauch durch Bischof Hengsbach LINK.

Immerhin: Die (äußerst kitschige) Statue an der Essener Münsterkirche, die Kardinal Hengsbach als Kleriker in voller Montur darstellt, soll nun (Stand 24.9.2023) entfernt werden, an der Stelle soll ein Gedenkort an die Opfer sexueller Gewalt entstehen. (Quelle. https://www.deutschlandfunk.de/bistum-essen-laesst-hengsbach-statue-entfernen-110.html). Danke! Ein Vorbild für andere Kirchen  (etwa in Berlin), die sich etwa nach Kaiser Wilhelm nennen, einem ungleich noch häßlicheren Verächter der Menschlichkeit, um es milde auszudrücken…

Man darf gespannt sein, wie das “Opus Dei”, diese katholische Geheimorganisation, auf den “Fall Hengsbach” und dessen nun offizielle kirchenamtliche Degradierung reagiert, war Hengsbach doch spätestens seit Beginn der 1970 Jahre wenn nicht sogar Mitglied, so doch engstens verbunden mit diesem so genannten “Werk Gottes”. Und gestaltete in dessen Sinne auch “Adveniat”. (Siehe Fußnote 2)

1.
Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie ist immer Religionskritik und Kirchenkritik. Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie also im Sinne der Philosophie der Aufklärung kann in aller Freiheit, im Unterschied zu katholisch gebundenen, von Angst vor „oben“ bestimmten Medien, umfassendere Informationen bieten. (Einige biographische Hinweise zu Franz Hengsbach und seiner steilen Karriere im Klerus siehe Fußnote 1)

2.
Umfassender als bisher müssen jetzt Fakten zum „Fall Erzbischof und Kardinal Franz Hengsbach“ genannt werden.

3.
Leider ist der Eintrag zu Bischof Franz Hengsbach in wikipedia sehr oberflächlich, es wird dessen umfassende Tätigkeit für das katholische Hilfswerk ADVENIAT zugunsten Lateinamerikas und sein Kampf gegen die lateinamerikanische Befreiungstheologie sowie seine explizite Freundschaft mit der katholischen Geheimorganisation OPUS DEI völlig verschwiegen LINK , gelesen am 20.9.2023 um 13.40 Uhr).

3.
Der Chefredakteur des katholischen „Dom Radio“ (Köln) Ingo Brüggenjürgen behauptet in seinem Kommentar vom 19.9.2023: „Hengsbach habe in zahlreichen Ämtern segensreich gewirkt – das ist unbestritten“.

4.
Aber das ist alles andere als unbestritten: Die Wahrheit ist: Hengsbach hat überhaupt nicht immer „segensreich“ gewirkt. Nicht nur der jetzt langsam von der Kirchenführung eingestandene Missbrauch des Bischofs Hengsbach (1953 wurde er Weihbischof in Paderborn, 1958 dann Bischof des neugegründeten Bistums Essen) ist alles andere als „segensreich“.

5.
Man denke an die Protektion Hengsbach für Missbrauchstäter im eigenen Umfeld: Etwa für den Prälaten Emil Stehle, er war von 1977 – 1988 als Geschäftsführer von ADVENIAT in Essen, ein sehr enger Vertrauter von Bischof Hengsbach. Wikipedia schreibt über Emil Stehle: „Stehle habe in mehreren Fällen durch Namenscodierungen, Tarnadressen und Unterhaltshilfen dafür gesorgt, dass wegen Sexualdelikten in Deutschland angeklagte Priester verdeckt in Lateinamerika bleiben konnten. Zudem habe Stehle selbst häufig vor allem jüngere, zum Teil noch minderjährige Mitarbeiterinnen sexuell bedrängt, oft unter Zuhilfenahme von Alkohol und im Schutz der selbstverständlichen Annahme, dass sein priesterlicher Stand und seine Position ihn ungestraft handeln lassen würden“  LINK,  gelesen am 20.9.2023 um 13.55 Uhr).

6.
Auch der Priester Peter Hullermann, des sexuellen Missbrauchs überführt, arbeitete bis 1980 als Priester im Bistum Essen, bevor in das von Joseph Ratzinger geleitete Erzbistum München übersiedelte und dort weiter seinen „Neigungen“ nachgehen durfte. LINK

Sexueller Missbrauch: Der unbekannte (?) Priester Peter H.

7.
Erzbischof und Kardinal Hengsbach: Ein verlogener Typ also, ein klerikaler Karrierist. Das ist sehr unangenehm für die Kirche, in der Hengsbach alle Stufen der Kleriker- Karriere erfolgreich bewältigte und der als ein Intimus von Papst Johannes Paul II. galt. Und dieser hatte bekanntlich viel Sympathie und Zuneigung für klerikale Missbrauchstäter, man denke an die Hochschätzung des Papstes für den Gründer des Ordens Legionäre Christi, Pater Marcial Marcel. Diesen Verbrecher nannte der Papst öffentlich einen „Freund und Vorbild der Jugend“…

8.
Katholische Medienleute sollten sich die Mühe machen, und einige Seiten der Studie „Glaubenswächter“ von Peter Hertel lesen, das wichtige Buch ist im katholischen Verlag ECHTER in Würzburg im Jahr 2000 erschienen. Antiquarisch kann diese unersetzliche Dokumentation immer noch erworben werden…
Im Hengsbach – Bistum Essen fand 1968 ein Katholikentag statt, bei dem sich eine katholische Opposition gegen die Enzyklika „Humane Vitae“ laut stark bemerkbar machte und die katholische Einheit mit der CDU gestört wurde. Seit dem Katholikentag 1968 und einer dort sichtbaren linken katholischen Präsenz ist Hengsbach auf die Seite der konservativen und reaktionären Bischöfe gegangen, ein Schritt, der ihm große Karriere einbrachte.

9.
Als Chef des katholischen Lateinamerika Hilfswerkes ADVENIAT„blies Hengsbach 1972 im römischen Zentrum der Opus-Dei-Priester zum Kampf gegen die lateinamerikanische Theologie der Befreiung“ (Peter Hertel, S. 36): „Der Oberhirte Hengsbach identifizierte Befreiung mit geistiger Emanzipation und attackierte dann beides. Diese Ideen seien gescheitert, da sie im Namen der Freiheit Böses taten… Marxistische und liberalistische Ideologen werden keine bessere Zukunft und keine wahre Befreiung des Menschen bringen“ (Peter Hertel S. 37). Diese Gleichsetzung von Marxismus und Liberalismus war eine zentrale politische Idee des polnischen Papstes, er verachtete beide, also auch die Demokratie…
Der Hengsbach Vortrag ist 1973, passend zur Opus – Dei – Connection, im Adamas Verlag des Opus Dei in Köln erschienen. Es waren die Jahre, in denen Hengsbach sehr eng mit dem Kölner Kardinal Joseph Höffner zusammenarbeitete (S. 38), auch hinsichtlich der Gründung der konservativen theologischen Fachzeitschrift COMMUNIO (später das Lieblingsblatt des Joseph Ratzinger. )

10.
Der Kampf gegen die Befreiungstheologie, angeführt durch Bischof Hengsbach, sammelte sich dann in dem von ihm mit begründeten internationalen, extrem konservativen Studienkreises „Kirche und Befreiung“ im Jahr 1974. Von Bischof Franz Hengsbach ist das skandalöse Wort überliefert: „Die sogenannte Theologie der Befreiung führt ins Nichts. In ihrer Konsequenz liegt der Kommunismus…“ (KNA, 13.5.1977). Papst Johannes Paul II. glaubte an diese Einschätzung! ( Zum “Studienkreis Kirche und Befreiung”  und der führenden Rolle Bischof Hengsbachs dabei, siehe den Beitrag des kath. Theologen Norbert Greinacher “Wie es zum Konflikt um die Theologie der Befreiung kam”, in: „Konflikt um die Theologie der Befreiung“, Benziger, Verlag 1985, Seite 51 – 61).

11.
Von diesem Hengsbach – Verein aus ergaben sich enge Verbindungen für den Essener Bischof mit hohen, ultra-reaktionären lateinamerikanischen Klerikern, wie etwa Erzbischof Alfonso Lopez Trujillo oder Bischof Dario Castrillon Hoyos. Kardinal Lopez Trujillo war einer der heftigsten Feinde gegen die Gleichberechtigung von Homosexuellen, er selbst war aber ständiger „Kunde“ von Strichern in Medellin wie später dann in Rom, das hat der Soziologe Frédéric Martel in seiner Studie„Sodom“ dokumentiert. Link

12.
Über den unerfreulichen Einfluss Hengsbach auf progressive katholische Kreise schreibt der progressive brasilianische Kardinal Aloisio Lorscheider in seinem Buch: „Lasst euer Licht leuchten“, erschienen in der edition ITP-Kompass, Münster: „Wir wussten, dass von Deutschland aus, vor allem von ADVENIAT, Druck gegen die Befreiungstheologie aufgebaut wurde. Das ging sogar so weit, dass der Erzbischof und spätere Kardinal Hengsbach aus Essen, dem Sitz von Adveniat, eine ganze Studienreihe mit diversen Büchern und Publikationen gegen die Befreiungstheologie organisierte. Einige Bischöfe Lateinamerikas standen auf seiner Seite. Es gab dann in Deutschland eine REGELRECHTE VERSCHWÖRUNGSWELLE, ausgehend von der Gruppe um Hengsbach. Sie verfügten über viel Geld…“

13.
Bischof Hengsbach, Chef eines Hilfswerkes für die Armen in Lateinamerika, Adveniat genannt, empfing 1974 die Ehrendoktorwürde der Opus Dei-Universität von Pamplona, Spanien. UND: Vom Diktator Hugo Banzer in Bolivien (August 1971 – Juli 1978) erhielt Bischof Hengsbach im Mai 1977 in Bolivien eine sehr hohe staatliche Auszeichnung. Bekanntlich war der deutsche Naziverbrecher Klaus Barbie ein Mitarbeiter von Banzer in Bolivien. Wusste Bischof Hengsbach von diesen Verbindungen Banzer und die Nazis?

14.
Kardinal Hengsbach ist wohl der erste Kardinal, der als Missbrauchstäter gelten könnte, wie einige Medien sicher treffend schreiben.Aber das ist die Sensation: Ein Opus – Dei – Freund als Missbrauchstäter – wie wird das Opus Dei reagieren, die Lieblingsorganisation von Hengsbach?

15.
Franz Hengsbach, Bischof, Erzbischof, Kardinal, sehr einflussreicher Bischof in Deutschland und auch in Lateinamerika, ein Mann, der über viel Geld verfügte (im Rahmen des Hilfswerkes Adveniat), Freund der Päpste und Mitglied der katholischen Studentenverbindungen, Autor einer theologischen Dissertation mit dem Titel: „Das Wesen der Verkündigung – Eine homiletische Untersuchung auf paulinischer Grundlage“…
Dieser hohe Kleriker führte nun, nachgewiesen, ein Doppelleben. Wem war es bekannt? Wer hat ihn gedeckt und geschützt? Und warum wohl wurde er so protegiert in der konservativen katholischen Kirchenführung?

Fußnote 1:

Franz Hengsbach war von 1958 bis 1991 Bischof von Essen, zuvor war er seit 1953 Weihbischof InPaderborn. Er wurde1910 geboren, gestorben ist er 1991
In Essen wurde er in manchen frommen Kreisen fast wie ein Heiliger verehrt. Es gibt Statuen von ihm am Essener Dom, Straßen und Plätze und kirchliche Zentren wurden nach ihm benannt.
„Ihr werdet meine Zeugen sein“, ist das Motto – ein Wort Jesu von Nazareth – aus neutestamentlichen Text „Apostelgeschichte”, das sich Hengsbach als sein Motto als Kardinal wählte. Jetzt treten endlich Zeugen öffentlich auf, die ihn anklagen. Jesus kommt später noch … (himmlisch?)

Fußnote 2:

In dem Buch “Kirche und Befreiung” (Pattloch Verlag, 1975), bemüht sich Bischof Hengsbach durch allerlei Zitate aus Konzilsdokumenten nachzuweisen: “Wer meint, im Namen Christi sich darauf beschränken zu können, die äußeren (gemeint sind die politisch-sozialen, CM) Verhältnisse zu ändern, tut sicherlich zu wenig, ja er tut etwas Falsches” (S. 26). Gemeint sind von Hengsbach die Befreiungstheologen in Lateinamerika, die sich angeblich vor allem um soziale und politische Veränderungen kümmern und angeblich nicht die “innerlichkeit”, die “innere Erlösung durch Christus” an erste Stelle setzen. Dass diese befreiungstheologischen Katholiken in Lateinamerika sich von rechtsextremen katholischen Militärs in Lateinamerika foltern und erschießen liessen, im Namen ihrer “Innerlichkeit”, ihres tiefen Glaubens, übersieht der reaktionäre Bischof Hengsbach natürlich…

Dieser Text Hengsbach ist ein Stück übliche, ideologiche und klassische Innerlichkeitstheologie, sie endet, wie sollte man sich wundern, mit einem lobenden Hinweis auf das Opus Dei und dessen Gründer, “Msgr Josémaria Escrivá ” (S. 28). Hengsbach meint, dieser Geheimclub leiste “einen Dienst an der Welt” (S. 28). Bloß welchen Dienst, für wen und in wessen Auftrag?

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

 

 

Die Welt-„Synode“ im Vatikan: Eine große Illusion… und Frustration!

Ein Hinweis von Christian Modehn am 17.9.2023.

1.
Vom 4. bis 29. Oktober 2023 findet im Vatikan eine sogenannte Weltsynode der römisch – katholischen Kirche statt. Ein Ereignis durchaus in der Welt der Religionen…. Hunderte von TeilnehmerInnen, ExpertInnen und JournalistInnen werden aus der weiten Welt nach Rom eingeflogen…Über katholische Vielfliegerei nach Rom wollen wir hier kein Wort verlieren…

2.
Diese Veranstaltung mit 375 Mitgliedern, die der Papst ausgewählt hat, nennt sich „Synode“, der Titel weckt also die übliche Vorstellung einer demokratischen Veranstaltung. Dabei ist dieses päpstlich inszenierte und kontrollierte Treffen nur eine Illusion einer demokratischen Veranstaltung, in der Mehrheitsbeschlüsse auch gelten. Dem ist nicht so, das letzte entscheidende Wort zu allen „Beschlüssen“ hat immer der Papst, er ist bekanntlich der absolute Monarch der Regierung der katholischen Kirche, er vereinigt Legislative, Judikative und Exekutive in seiner einen Person. Ein wahres Vorbild für alle Feinde der Demokratie…Kann die katholische Kirche als a-demokratische Organisation überhaupt die Menschenrechte verteidigen? Siehe LINK

3.
1,2 Milliarden Menschen nennen sich Mitglieder dieser Kirche, etwa 99 Prozent von ihnen sind Frauen und Männer, also so genannte Laien, in der Klerus-Sprache „das gläubige Volk“… Der Papst hat – welche Sensation ! – etwa 45 Laien als stimmberechtigte Mitglieder dieser Synode ausgewählt, alle anderen sind als Kleriker eng und gehorsam und als Kleriker meist ängstlich mit dem Papst verbunden: Es sind 275 Bischöfe und 50 weitere männliche Kleriker… Von einer repräsentativen Veranstaltung kann also keine Rede sein, einer Synode, die wirklich die Mitgliederverhältnisse der Organisation katholische Kirche spiegelt…
Die anwesenden theologischen Expertinnen und Experten dürfen nicht abstimmen.
Nebenbei: Man achte bitte auf die Kleiderordnung bei den entsprechenden Mess-Feiern im Petersdom: Die teilnehmenden Bischöfen tragen alle gleich gestaltete Messgewänder mit den gleichen Mustern und Farben etc., sie lassen sich also schon kleidungsmäßig gleichschalten, als uniforme Masse darstellen. „An ihren Kleidern sollt Ihr sie erkennen“, ein altes Sprichwort bezogen aus die Klerus und seine Kleiderhierarchien…. LINK
4.
Schon einmal hat der Papst Beschlüsse einer von ihm einberufenen Synode abgewiesen: In der „Amazonassynode“ (2019) beschlossen sogar die Bischöfe, den Pflichtzölibat für Priester wenigstens für diese Region aufzuheben. Der Papst lehnte das ab.
Immer taucht in solchen Zusammenhängen das Argument auf: Man muss Rücksicht nehmen auf die große Weltkirche bei solchen Entscheidungen. Diese Argumente sind aber nur pure Ideologie des klerikalen Machterhalts. Denn was interessiert es einen Katholiken in Tokio oder Salamanca, ob es im Amazonas-Bereich verheiratete Priester gibt? Oder vielleicht doch? Weil sie in Tokio Salamanca und anderswo auch gern verheiratete Priester hätten? Und dann würde das theologisch sinnlose, aber ökonomisch sinnvolle Zölibatsgesetz den Herren im Vatikan um die Ohren fliegen. Und das würde vieles verändern und viel Staub aufwirbeln…

5.
Warum also diese eigentlich sinnlose Veranstaltung im Vatikan im Oktober 2023?, vollmundig und diplomatisch verlogen „Synode“ genannt? Es soll die Illusion geweckt werden: Ihr Laien dürft doch auch mitentscheiden, wir lieben euch, die Schäfchen, so sehr als eure treuen Hirten.
Aber: Ihr könnt beraten und als kleine Laien-Minderheit beschließen, die Beschlüsse hingegen unterstehen hinsichtlich ihrer möglichen Geltung in der absoluten päpstlichen Wahl-Monarchie der Laune des Papstes.

6.
Auf die Ergebnislosigkeit und deswegen auch Sinnlosigkeit dieser so genannten „Synode“ weisen kompetente Theologen und Kirchenhistoriker jetzt vermehrt hin. Etwa Prof.Hubert Wolf, Kirchenhistoriker an der Uni Münster. In einem Interview, im katholischen Dom Radio zu Köln am 16.9. 2023 publiziert, sagte Prof. Wolf u.a.: „Behauptet wird jetzt, dass Laien und sogar Frauen bei der Weltbischofssynode etwas entscheiden können. Das ist vollkommen falsch. Tatsächlich können sie den absolutistischen Herrscher nur demütig bitten, irgendetwas zu ändern. Es gibt noch nicht mal eine Tagesordnung…. Papst Franziskus kommt nicht aus einer europäischen, synodalen Tradition. Sein ganzer Regierungsstil zeigt: Er hält sich nicht an Regeln.Das zeigt etwa der Fall Woelki, wo der Papst laut Kirchenrecht innerhalb von drei Monaten über das Rücktrittsgesuch des Kölner Kardinals hätte entscheiden müssen.“
So sollte man mit guten Gründen denken, die Weltsynode hätte gar keinen Sinn. Aber vielleicht sorgt der heilige Pater Pio für ein Wunder oder vielleicht die heiligen Seherkinder von Fatima? Prof. Wolf meint richtig und theologisch ernüchtert: „Es braucht weder einen Synodalen Weg noch eine Weltbischofssynode. Das wird ein weiterer Debattierclub ohne rechtliche Vollmachten. Die großen Streitpunkte sind aus historischer Sicht längst geklärt… Es gibt in der Tradition verheiratete Priester – lasst uns sie also wieder zulassen. Es gibt in der Tradition Diakoninnen – lasst uns also wieder welche weihen. Es gibt in der Tradition alternative Leitungsmodelle für Gemeinde – lasst sie uns also praktizieren.
Meine Befürchtung ist: Nach der Weltbischofssynode wird es wieder viele Enttäuschungen geben.“
Quelle: https://www.domradio.de/artikel/historiker-nennt-synode-debattierclub-ohne-vollmachten.
7.
Auch in „Christ und Welt,“, der Beilage von „Die Zeit“, am 14.9. 2023, Seite 4, befasst sich der Historiker, Prof. em. Volker Reinhardt, Fribourg (CH), mit dieser so genannten Weltsynode:
„Der Papst tut so, als gehe es in dem Gremium um Mitbestimmung. Dabei ist es eine pseudodemokratische Illusion“. Prof. Reinhardt dokumentiert genau die ablehende Haltung von Papst Franziskus gegenüber dieser „Synode“: Den „synodalen Weg“ in Deutschland etwa nannte er eine neue Art von Pelagianismus, also eine Ketzerei…
Demokratische Mitbestimmung wird absolut abgelehnt im Vatikan. „Denn sie verstößt gegen die himmlisch garantierte Grundordnung der Kirche….Vor allem: Inhaber unbeschränkter Gewalt geben diese nicht freiwillig ab“, so Prof. Reinhardt in dem genannten Beitrag.

Copyright: Christian Modehn Religionsphilosophischer Salon.de

Kann die katholische Kirche wirksam die Demokratie verteidigen?

Die 15. der „unerhörten Fragen“.
Von Christian Modehn

Die unerhörte Frage heißt:
Kann die katholische Kirche überhaupt die Demokratie glaubwürdig verteidigen, weil diese Kirche sich selbst ausdrücklich als „nicht-demokratisch“ definiert?

Die kurze Antwort: Die katholische Kirche kann gar nicht glaubhaft und wirkungsvoll für Demokratie und demokratische Werte eintreten, weil sie selbst undemokratisch verfasst ist und die universal geltenden Menschenrechte in ihrer eigenen Organisation nicht respektiert. Von demokratischer Transparenz kann in dieser Kirche mit dieser Struktur keine Rede sein.

Der aktuelle Hintergrund:
1. Der Päpstliche Nuntius in der Europäischen Union, Bischof Noel Treanor, sagte in Berlin am 4. 9.2023: „Wir alle stehen in der Verantwortung, mit unserer Demokratie achtsam umzugehen“ (Quelle: Tagesspiegel, Berlin, 6.9.2023, S. 32). „Unsere Demokratie“? Damit meint der Bischof sicher nicht die Verfassung seiner Kirche.
Denn die römisch-katholische Kirche definiert die Verfassung ihrer Organisation ausdrücklich als „nicht-demokratisch“, sondern als von Gott gestiftete „heilige Herrschaftsordnung“. Die Kirche glaubt, sie besitze die absolute Wahrheit, die vom Klerus verwaltet und verteidigt wird. Und der Klerus lässt nicht demokratisch über die Kirchen-Verfassung verfügen.

2. Die Stellungnahme von Bischof Treanor ist keineswegs eine Ausnahme: Nur zwei Beispiele: Erzbischof Rino Fisichella von der Päpstlichen Lateranuniversität sagte 2009: „Die Kirche, die sich auf Prinzipien beruft, die einen höheren als den menschlichen Ursprung haben, könnte niemals eine irgendwie geartete Einmischung des Staates in ihre Inhalte akzeptieren“ (zit in: Corrado Augias, Die Geheimnissee des Vatikan. C.H.Beck Verlag, 2011, S. 443). Mit anderen Worten: Vernünftige Kritik selbst von demokratischen Staaten lehnt die Kirche ab, weil sie behauptet, „einen höheren als einen menschlichen Ursprung zu haben“, d.h. diese Kirche schottet sich als Burg und Insel ab…
Die römisch-katholische Kirche ist als bewusst nicht-demokratische Organisation so unbescheiden, offiziell zu verlangen, dass „sich die Politiker in ihren Urteilen und Entscheidungen nach der geoffenbarten Wahrheit über Gott und den Menschen richten , so in § 2244 im offiziellen römischen „Katechismus der katholischen Kirche“, München 1993, S. 572).

3. Die Kirche mit dem Papst an der Spitze wird von Politologen treffend als absolute „Wahl-Monarchie“ definiert. Und der Papst ist zugleich auch Staatschef des Völkerrechtssubjekts „Heiliger Stuhl“ und in dieser Position nicht demokratisch legitimiert.

4. Der Papst und Bischöfe und Priester verteidigen zwar – endlich – erst seit etwa 60 Jahren (!) – mehr oder weniger wirksam in der Öffentlichkeit die universal geltenden Menschenrechte. Aber trotz aller feierlichen Reden: Demokraten können diesen Worten nicht so richtig vertrauen: Denn die Kleriker lassen die universal geltenden Menschenrechte (etwa in der Erklärung von 1948) in der eigenen Organisation, der römisch-katholischen Kirche, nicht gelten, siehe etwa die Degradierung der Frauen in dieser Kirche im Hinblick auf den Zugang zu den klerikalen Ämtern, etwa dem Priesteramt. Dafür beruft sich diese Organisation in einer fundamentalistischen Bibel – Interpretation auf Jesus-Worte im Neuen Testament.

5. Indem die Kirche die Frauen letztlich als nicht vollumfänglich- gleichberechtigte Personen anerkennt, entsteht direkt und indirekt der Eindruck: Eigentlich sind Frauen nur Wesen zweiter Klasse. Frauen nicht zu respektieren, sie zu schlagen, auszugrenzen usw. ist deswegen eher normal und entspricht irgendwie vielleicht sogar dem kirchlich propagierten Willen Gottes. Die katholische Kirche ist also direkt und indirekt Schuld an dem miserablen Zustand der Frauenrechte zumal in katholischen Ländern, wie Polen oder Lateinamerika.

6. Und wie soll ein Papst, der den homosexuellen Katholiken nicht volle Gleichberechtigung in seiner Kirche zugesteht, man denke etwas das päpstliche Verbot der Ehe für Homosexuelle, an das Zulassungsverbot zum Priesteramt für offen homosexuelle Männer, wie soll also ein solcher Papst tatsächlich wirksam gegen die aktuelle Verfolgung von Homosexuellen in Uganda protestieren: Da können doch die dortigen katholischen Homo-feindlichen Politiker nur lachen über päpstliche Worte…

7. Weil die katholische Kirche explizit und gewollt als nicht-demokratische Organisation auftritt, kann sie es sich auch erlauben, in Situationen, in denen ihre Verhaltensweisen zu demokratischer Kritik oder juristischem Klärungsbedarf aufrufen, ihre transzendente Sonderrolle („über dem Staat befindlich“) durchzusetzen. Die totale Intransparenz der offiziellen kirchlichen Gebaren ist ein Schutz für die absolute Wahlmonarchie des Papsttums und des Klerus.

8. Wenn man in der demokratischen Öffentlichkeit die Verteidigung der Demokratie und der Menschenrechte durch diese Kleriker noch ernst nimmt, dann nur, wenn man die Kleriker als Bürger eines demokratischen Rechtsstaates wahrnimmt, nicht aber als Vertreter dieser Organisation und deren Theologie. Tatsächlich leisten Mitglieder dieser Kirche wichtige Arbeit im Sinne der Menschenrechte, aber dann, wie gesagt, immer als demokratisch gesinnte Bürger, nicht aber Mitglieder einer explizit antidemokratischen Organisation Kirche. Oder sie folgen eigenwillig „nur“ den Weisungen Jesu und eben den Vorschriften ihrer Kirchenführer.

9. Die katholische Kirche steht sich mit ihrer bewusst akzeptierten antidemokratischen Struktur (angeblich von Gott so gewollt) selbst im Wege, wirksam für parlamentarische Demokratie, für den Rechtsstaat im Sinne der Menschenrechte, einzutreten. Alle noch so gutgemeinten Appelle und Enzykliken der Päpste und Bischöfe der letzten 50 Jahren sind in dem Sinne letztlich politisch wirkungslose Erzeugungen von Papierbergen. Die demokratische Öffentlichkeit glaubt den klerikalen Verfassern einfach nicht deren demokratische Gesinnung, die sie als Kleriker dieser Kirche ja ohnehin nicht haben dürfen, sondern nur als Bürger eines demokratischen Staates. Aber die Kirchenführer sprechen in ihren Texten eben als die „Besonderen“, als Kleriker und nicht einfach nur als Bürger eines bestimmten Staates.

10. Aber das Eintreten von Päpsten und Bischöfen für die Menschenrechte wird offiziell bis in höchste politische Kreise doch ein paar Tage lang wohlwollend registriert, bevor das Vergessen einsetzt. Dabei haben die meisten Politiker und Journalisten auch längst vergessen, dass da Vertreter einer kirchlichen Organisation sprechen, die eine sehr lange Geschichte der Menschenverachtung, der Verfolgung, der Unterdrückung von so genannten Minderheiten, Abweichlern, Juden, Häretikern usw. vorweist. Die katholische Kirchenführung kann sich „glücklich“ nennen, dass die Menschen so schnell vergessen, auch die Missstände und Verbrechen der Kirche. Wer weiß wirklich etwas vom immensen Immobilienbesitz des Vatikans, vom Immobilieneigentum der angeblich „armen“ Ordensgemeinschaften nicht nur in Rom, von den Subventionen, die der italienisch Staat dem Vatikan an Unterstützung und Steuerbefreiungen leistet: Der genante Vatikan-Spezialist Corrado Augias nennt in seinem Buch die Summe der Leistungen Italiens an den Vatikan: Es sind jährlich etwa 9 Milliarden Euro (S. 291).

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

Das Exil-Museum und die vielen Formen des Exils.

In Berlin wird ein Exil-Museum entstehen – ein Vorschlag zur Vielfalt der Themen.

Ein Hinweis von Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

1.
In Berlin wird ein „Exilmuseum“ entstehen, auf dem Gelände des ehemaligen Anhalter – Bahnhofs in Mitte: Im Vordergrund die gepflegte Ruine eines Entrées in den Bahnhof, dahinter soll dann das große neue Museums-Gebäude dominieren.

2.
Vom 8. September bis zum 9. Oktober 2023 finden in Berlin die „Tage des Exils“ statt, mit einem umfangreichen, vielfältigen Programm. Das Programm ist mit seinen 50 Veranstaltungen auf das künftige Museum bezogen. LINK.
Für den Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon Berlin LINK. ein Anlass, an die Vielfalt im Verstehen von Exil zu erinnern. Schließlich fordern die Veranstalter selbst auf, dass sich „Interessierte einbringen“  (S. 13 des Programmheftes). (Über die Veranstaltungen siehe LINK)

3.
Exil ist als Erfahrung des Verbanntseins, als Entwurzelung aus der bekannten „heimatlichen“ Welt, alles andere als nur auf Vergangenheit bezogen. Wie viele Menschen allein in Berlin sind heute Exilierte? Ein aktuelles Museum der Gegenwart also könnte wohl entstehen.

4.
Ins Exil wurden und werden einzelne, auch Familien, getrieben: Sie verlassen fluchtartig ihr Land, aus Angst vor den Repressalien der faschistischen oder kommunistischen oder fundamentalistischen religiösen Machthaber.

5.
So sehr die Erfahrung des Exils im 20. Jahrhundert im Mittelpunkt des künftigen Museum steht und damit auch der Zwang ins Exil durch die Nazis… Es sollte darüberhinaus nicht vergessen werden:

6.
Exil ist ein Thema und mehr als ein bloßer Begriff der Religionsgeschichte. Dazu nur kurze Hinweise, sie sind als Inspirationen gemeint für ein künftiges umfassendes Museum des Exils in Berlin.

7.
Man denke etwa an das Judentums, das in den Texten der hebräischen Bibel, des „Alten Testaments“, häufig von EXIL spricht. Besonders im Zusammenhang des „Babylonischen Exils“ (597-539). Das Besondere: im Exil in Babylon hat das gläubige Volk Israel nicht seinen Glauben aufgegeben, unter dem Perserkönig Kyros II. kehrten einige Israelis nach Jerusalem zurück, andere blieben in Babylon und schufen dort kreativ den (babylonischen) Talmud.

8.
In der Geschichte der Kirchen gibt es Erfahrungen des Exils seit Anbeginn, als Verfolgtwerden und Vertriebenwerden einzelner Christen oder Gruppen. Sie waren dem sich orthodox nennenden Herrscher – Klerus zu eigensinnig in ihrer Interpretation des Glaubens. Konfessionsgeschichte ist immer auch Exils-Geschichte, das muss man deutlich sagen und dann auch darstellen:
Nur einige wenige Beispiele von Exils-Erfahrungen.
Mitglieder der protestantischen Kirche der Waldenser.
Mitglieder der protestantischen Kirchen Böhmens.
Mitglieder der protestantischen Kirche Frankreichs.
Mitglieder Remonstranten – Kirche Hollands.
Mitglieder der Russisch-orthodoxen Kirche etwa ab 1917.
Mitglieder katholischen Kirche Chiles, Argentiniens, Brasiliens, die als „Links-Katholiken“ („Christen für den Sozialismus“, „Befreiungstheologen) aus ihren Ländern ins Exil getrieben wurden (nach Spanien, Frankreich, Costa Rica…)

9.
Exil als Erfahrung von Philosophen: Dies ist ein Thema, das gegenüber den Exils – Erfahrungen von Literaten und Schriftstellern eher unterbelichtet ist. Nur einige Hinweise: Descartes lebte im Exil Hollands, Pierre Bayle ebenso, Hannah Arendt in den USA, von Walter Benjamin wäre zu sprechen, von Theodor Lessing … Karl Jaspers suchte Zuflucht in der Schweiz…

10.
Ein schwieriges, aber dringendes Thema:
Das innere Exil, die „innere Emigration“, als politisch-soziales Geschehen, dem Abweichler ausgesetzt werden: Sie werden von den ideologisch-christlichen Machthabern heute zwar nicht mehr verbrannt, aber sie wandern aus den religiösen Institutionen von selbst aus, um geistig, theologisch und vor allem menschlich zu überleben. Die „inneren Emigranten“ oder „inneren Exilanten“ bleiben oft pro forma in den von ihnen innerlich, vom Gewissen her, verachteten Institutionen oder sie steigen aus und gründen ganz neue Orte des religiösen Lebens. Ich denke, der katholische Theologe Leonardo Boff (Brasilien) hat nach den Auseinandersetzungen mit der römisch-katholischen Institution den Weg der inneren Emigration gesucht, er hat dann das katholische Ordensleben aufgegeben und neue Zentren einer ökologischen Befreiungstheologie geschaffen. Auch der Priester und Poet Ernesto Cardenal (Nicaragua) ist ein „Exilant“ der katholischen Kirche oder der Priester, Theologe und Poet Herman Verbeek (Niederlande). Oder auch der französische Priester und Theologe Joseph Turmel...Bekannt ist auch Pfarrer Jean Meslier (1664-1729), der als Atheist weiterhin seinen Dienst als katholischer Priester leisteste … aus Angst vor Verfolgung veröffentlichte er nicht seine persönliche theologische bzw. atheistische Überzeugung. LINK…. Dies sind nur einige Namen des wichtigen Themas der inneren Emigration, des freiwillig gewählten „inneren Exils“. Dieses innere Exil kann eine sehr fruchtbare und schöpferische Lebensphase sein. Darauf weist Jan Assmann hin in einem Interview mit der Philosophie – Zeitschrift „Hohe Luft“ (Hamburg) Heft 4/2022, S. 55f. im Blick auf Karl Jaspers.

11.
Konvertiten sind dann eine ganz besondere Kategorie der Exilierten, sie haben als Vertriebene eine neue „geistliche Heimat gefunden“ und sollten die Chance haben, diesen „neue geistlichen Ort “ mit ihren Erfahrungen zu verbessern.

12.
Über die ins geistige Exil getriebenen Intellektuellen im Islam und Judentum wäre zu sprechen, damals … und heute.

13.
Erstaunlich bleibt, dass die Kirchen in Berlin (etwa auch die entsprechenden Akademien) im Programm der „Tage des Exils“ nicht erwähnt werden, also wohl kein Interesse am Thema haben? Dabei wäre doch interessant die Frage: Sind die vielen tausend Christen, die seit Jahren schon aus den Kirchen austreten, eigentlich auch Menschen, die in ein geistliches Exil „auswandern“, also in ein selbstgewähltes Exil? Welches Profil hat dann dieses Exil? Diese Frage könnte man doch theologisch, philosophisch und soziologisch bearbeiten…

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

Pinochet und die Kirche in Chile: Erinnerungen anläßlich des 11.9.1973.

Über einen Krieg von reaktionären Katholiken gegen demokratische Katholiken in Chile.

Ein Hinweis von Christian Modehn

1.
An eine der brutalsten Diktaturen in einem katholischen Staat Lateinamerikas sollten wir uns jetzt erinnern: Vor 50 Jahren, am 11. September 1973, wurde der demokratisch gewählte Präsident Chiles, Salvador Allende, von den Militärs mit Unterstützung der USA abgesetzt. General Augusto Pinochet übernahm die Macht in Form einer Militärdiktatur, sie dauerte bis zum 11.3.1990. Der demokratische gewählte sozialistische Präsident Allende nahm sich am 11.9.1973 das Leben, offenbar, als Luftstreitkräfte den Präsidenten – Palast La Moneda bombardierten.

2.
Nur einige Hinweise zur Erinnerung können hier mitgeteilt werden, also keine umfassende Geschichte der Ereignisse.
Den Interessen des Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon Berlin entsprechend, also auch der Studien von Religionskritik und Kirchenkritik, wollen wir Hinweise geben zu der Frage: Wie hat sich die katholische Kirche in Chile und der Vatikan (Papst) zur Militärdiktatur Pinochet’s verhalten. Welche Bedeutung hat die so genannte „Pastoralreise von Papst Johannes Paul II. in Chile im Jahr 1987? Und welche Kirche gestalteten die Bischöfe nach dem Ende der Pinochet Herrschaft. Gestalteten sie nun eine geschwisterliche Kirche in einem Staat auf dem Weg zur Demokratie? Siehe Nr. 13 dieses Hinweises.

3.
Zur Erinnerung an die Gräueltaten des Pinochet-Regimes: Wikipedia veröffentlicht in dem Artikel „Putsch in Chile 1973“ (gelesen am 26.8.2023): Es gab unmittelbar nach dem Putsch massenweise Verhaftungen von Oppositionellen, also Linken, die wie üblich oft als Kommunisten bezeichnet wurden. „Öffentliche Gebäude wie Stadien, Konferenzhallen und Schulen wurden zu Lagern umgerüstet. Der berühmteste Fall ist das Estadio Nacional, in dem alleine mehr als 40.000 Gefangene zusammengetrieben worden sind. Im Nationalstadion von Santiago wurden die Opfer interniert, viele von ihnen gefoltert und getötet. Insgesamt wurden vermutlich etwa 3197 (gesicherte Anzahl der Opfer) bis 4000 Menschen während der Diktatur ermordet, der Großteil davon in den Wochen nach dem Putsch“. Die us-amerikanische „School of the Americas“ hatte auch Militärs aus Chile in perfekter Folter und Unterdrückung ausgebildet, wie für viele andere lateinamerikanische Länder, etwa in Zentralamerika. Die berühmte Demokratie der westlichen Welt wurde zur Ausbilderin der Folterer und zur Förderin im Niedergang der Demokratie in Lateinamerika. Über die widerwärtigen Methoden der Verfolgung und Folter unter Pinochet wurde ein offizieller Bericht von 700 Seiten veröffentlicht, dessen Lektüre starke Nerven erfordert:
 LINK

4.
Die Ermordung von Priestern durch ein katholisches Militärregime ist nicht stärker bedauerlich als die Ermordung und Folter von Laien. Aber eine Diktatur eines katholischen Diktators und katholischer Generäle zeigt ihr wahres Gesicht, wenn sie sogar vor der Folter, Ermordung und Vertreibung von Priestern nicht zurückschreckt, die diese konservativ katholischen Herren gern als Hochwürden, als Geistliche, als Mittler zwischen Gott und den Menschen bezeichneten. Schon im ersten Jahr der Diktatur wurden 45 Priester ausgewiesen, mehrere getötet. Die Anzahl der ausreisenden (meist ausländischen) Priester stieg dann ständig weiter an.

5.
General Pinochet hat sich immer offen als Katholik bezeichnet. Er hat seine Ausbildung an katholischen Privatschulen erhalten, geleitet von katholischen Ordensleuten aus dem Maristen-Schulbrüder-Orden und dem Orden der Priester von den Heiligen Herzen (SSCC ist die Abkürzung): BBC hat über die pädagogische Bildung Pinochets in katholischen Privatschulen am 25.11.2015 berichtet: LINK 
Zuerst studierte Pinochet im Jahr 1926 im Kolleg der Maristenbrüder in Quillota; von 1928 bis 1932 im Kolleg der „Priester von den heiligen Herzen“ in Valparaiso. „Wir beteten auf Latein, wir kannten auch einige Sätze“, berichtet Pinochet und wikipedia erwähnt unter den „berühmten“ Schülern dieses Kollegs auch Pinochet, ´mit dem Zusatz, „Diktator“. Nach den katholischen Kollegien besuchte Pinochet die „Escuela Militar“, die Militärschule. Quelle: LINK

6.
Als General und später als Diktator von 1973 – 1990 hat sich Pinochet stets in einer christlichen Mission gesehen: Er verstand sich selbst als Erlöser, er bediente sich dabei biblischer Begriffe, deutete sich nicht nur als Schützer Chiles, sondern auch als möglicher Märtyrer für Chile, sein Regime rechtfertigte er als „heiligen Krieg“, er fühlte sich intensiv verbunden und beschützt mit der Nationalheiligen Maria, Virgen del Carmen. Papst Johannes Paul II. erlaubte es sich 1987, den ganzen Staat Chile dieser Jungfrau Maria del Carmen zu weihen: LINK . Pinochet war sehr glücklich darüber. Schließlich glaubte er auch, dass er das Attentat vom 7.9.1986 nur überlebt habe durch den Schutz der Maria del Carmen. LINK  
Zur Selbst-Stilisierung Pinochets als Erlöser Chiles siehe die Studie von Elizabeth Abigail Sampson, Uni Costa Rica: LINK  dort vor allem Seite 77.
Auch der Chef der großen Hilfsaktion deutscher Katholiken für Lateinamerika, ADVENIAT, Bischof Franz Hengsbach, folgte in gewisser Weise der Verehrung für Pinochet, indem er die linkskatholische chilenische Bewegung von Priestern und Laien, „Christianos por el socialismo“, „Christen für den Sozialisten“, heftig verurteilte, zum Beispiel mit seinem Studienkreis „Kirche und Befreiung“ und auch in dem Buch „Kirche in Chile – Abwehr und Klärung“, Aschaffenburg 1976). „Adveniat“ mit seinen viele Millionen umfassenden jährlichen Kollekten war damals streng konservativ, anti-befreiungstheologisch…

7.
Der us-amerikanische Theologieprofessor William Cavanaugh hat in seiner Studie „Torture and the Eucharist: Theology, Politics, and the Body of Christ. Oxford, 1998“ nach Aufenthalten in Chile gezeigt: Die Militärdiktatur Pinochet war eine Verfolgung mit Folter und Mord von Katholiken (Pinochet und seine Militärs sowie die Berater) gegen andere Katholiken – im Namen der Verfolgung von Kommunisten. Die Diktatur Pinochet war in gewisser Weise auch ein Religionskrieg innerhalb einer Kirche, der katholischen. Das Buch gibt es auch in französischer Sprache leider nicht auf deutsch. William Cavanaugh lehrt an der berühmten DePaul University in Chicago.

8.
Papst Johannes Paul II., der Reisepapst, hat auch Chile besucht, allerdings erst im April 1987, als die Diktatur sich fest etabliert hatte, viele Oppositionelle flüchten mussten und einige tausend ermordet wurden.
Der Besuch des Papstes hinterlässt im Rückblick einen gespaltenen Eindruck: Einerseits spricht der Papst die überall möglichen und üblichen pastoralen Worte und Ermahnungen: Doch bitte an die Armen zu denken, die Gerechtigkeit nicht zu vergessen, eine bessere Welt aufzubauen und so weiter. Meines Wissens nannte Papst Wojtyla die Verhältnisse in Chile niemals präzise eine Diktatur, die es zugunsten einer Demokratie zu überwinden gilt. Er sprach nicht explizit von Folter, Verfolgung, Zensur. Sein gesamter Auftritt war also eher milde und fromm gestimmt und deswegen ungefährlich für die Clique der Diktatur. Nur „zwischen den Zeilen“ konnten Kenner Kritisches in den vielen Ansprachen lesen. Dennoch haben viele tausend Chilenen dem Papst zugejubelt. Der Chile-Spezialist Veit Straßner spricht sogar von einer „Massenmobilisierung, wie das Land sie seit den Zeiten der Unidad Popular (also in der Regierungszeit des demokratisch gewählten Präsidenten Allende) nicht mehr erlebt hatte“ (Quelle: „Chile“ in dem Band „Kirche und Katholizismus seit 1945“, Band 6, 2009, Paderborn), S. 403. Straßner erwähnt hinsichtlich der expliziten Kritik am Regime durch Papst Wojtyla nur symbolische Handlungen, die als Kritik offenbar verstanden wurden: „So besuchte der Papst eine Studentin im Krankenhaus, die während einer Demonstration von Polizisten mit Benzin übergossen und angezündet worden war. Ebenso verwendete er bei einem Gottesdienst die blutbefleckte Bibel von Pater Andre Jarlan, jenes Priesters, der 1984 bei den Protesttagen während der Bibellektüre von der Polizei erschossen worden war.“ (S. 403).
Sehr bezeichnend, wenn nicht hoch-peinlich bleibt: Entgegen dem vorgesehenen Protokoll zeigte sich der Papst sogar auf dem Balkon des Präsidentenpalastes gemeinsam und fröhlich mit dem Diktator Pinochet, neben ihm, freundlich und bürgerlich gekleidet. Dieses Foto ist sozusagen als Skandal-Foto weltbekannt, es hat die kritische Haltung gegenüber Papst Johannes Paul II. nur weiter gefördert. Manche meinen zurecht: Der Papst, der selbst wie ein absoluter Monrach nicht demokratisch regiert, fühlt sich unter anderen Nicht-Demokraten recht wohl. Darauf hat u.a. der spanische Journalist Juan Arias (von der Tageszeitung „El Pais“) hingewiesen, er hat die meisten Reisen mit Papst Wojtyla unmittelbar erlebt: „Der Papst hat sich immer bequemer und entspannter gefühlt in Ländern mit diktatorischen Regimen als in Ländern mit demokratischen Regierungen, besonders wenn sie sozialistisch waren.“    LINK

9.
Zu einigen Aussagen von Papst Wojtyla in Chile anläßlich seiner so genannten „Pastoralreise“.
Am 1.4.1987 sagte der Papst nach seiner Ankunft auf dem Flughafen Aeropuerto «Comodoro Arturo Moreno Benítez» de Santiago de Chile u.a.:
„Ich habe mit Vergnügen die liebenswürdige und wiederholte Einladung angenommen, euch zu besuchen. Die Einladung machten mir ebenso der Herr Präsident wie eure Bischöfe. Empfangen Sie, Herr Präsident, meinen ehrerbietigen Gruß, sowieso auch den Ausdruck meiner Dankbarkeit für ihre herzlichen Worte des Willkommens. Ein Gruß auch und ein Dank, den ich ausführlich mache den übrigen hier anwesenden Persönlichkeiten: Den Mitgliedern der Junta der Regierung, den Staatsministern, den Richtern (magistrados) des obersten Gerichtshofes der Justiz und den übrigen zivilen und militärischen Autoritäten“.
Danach grüßte der Papst die Bischöfe und zum Schluß, dem üblichen katholischen hierarchischen Denken entsprechend, die Bewohner des Landes und die katholischen Laien.
Dabei verbreitete der polnische Papst seine äußerst schlichte und fragwürdige Theologie, ausgerechnet in dieser Situation der Verfolgung und Unterdrückung auch das Pinochet-Regime: Papst Johannes Paul II sagte in einem sehr verschachtelten Formulierungen: „Zum Schluß ein Gruß allen Bewohnern des Landes welcher Klasse und Lebensbedingung auch immer. Aber auf spezielle Weise richtet sich mein Gruß, mein Gefühl, den Armen, den Kranken, den Menschen am Rande und allen, die am Körper und am Geist leiden! Sie wissen, dass die Kirche ihnen sehr nahe ist, dass die Kirche sie liebt, dass die Kirche sie begleitet in ihren Leiden und Schwierigkeiten, und dass sie wissen, dass die Kirche es wünscht, ihnen zu helfen, damit sie die Prüfungen (sic!) überwinden und dass die Kirche sie ermuntert, auf die göttliche Vorsehung (sic) zu vertrauen und auf die versprochene Belohnung für das Opfer (sacrificio auf Spanisch) (sic).“ Das Überleben in der Diktatur wird vom Papst als Prüfung gedeutet, die irgendwie mit der göttlichen Vorsehung zu tun haben soll; diese Prüfung, also die Folter und die Unterdrückung, werden dann päpstlich als ein Opfer gedeutet, das jeder (der Arme) halt bringen muss. Eine Theologie des 19. Jahrhunderts spricht sich da aus am Ende des 20. Jahrhunderts…

10.
Am 3. April 1987 hielt Papst Wojtyla einen Vortrag für eine Gruppe von politischen Führern aus Chile: Er sprach dabei mit keinem Wort direkt von der weltweit bekannten Folter durch das Pinochet Regime, der Tötung der Oppositionellen oder demTerrorregime. Er sprach in letztlich harmlos klingenden Worten, die er auch in Kongo oder auf den Philippinen hätte sagen können: „Die Kirche verwechselt sich nicht in irgendeiner Weise mit der politischen Gemeinschaft und die Kirche ist auch nicht verbunden mit irgendeinem politischen System…Aber die politische Gemeinschaft (“der Staat” wird nicht gesagt, CM) besteht in der Abhängigkeit mit der menschlichen Person und im Dienste dieser Person… Im Namen des Evangeliums bitte ich euch alle entschieden, die Versuchung (!) einer Anwendung von Gewalt zurückzuweisen… Der Friede, meine Damen und Herren, ist eine Frucht der Gerechtigkeit.“ (Copyright © Dicastero per la Comunicazione – Libreria Editrice Vaticana, Übersetzung aus dem Spanischen von Christian Modehn)

11.
Die milden, nur sanft kritisch-mahnenden, immer aber frommen Worte von Papst Wojtyla haben sicher nicht das Ende der Pinochet – Diktatur befördert. Aber unter den Katholiken fühlten sich jene bestärkt, die mit aller Widerstandskraft ihre Hilfen den Verfolgten, den Armgemachten und Erniedrigten anboten. Die Herren des Regimes und die ihnen folgenden Katholiken und Evangelikalen fühlten sich zwar nicht bestätigt, aber auch nicht vom Heiligen Vater aufs Schärfste verurteilt. Das wollte und konnte der polnische Papst auch nicht: Er empfand die rechtsextreme Diktatur wohl als Notwendigkeit, um dem Kommunismus à la Cuba auch in Chile zu wehren..

12.
Es gab tatsächlich eine katholische und durchaus von einzelnen Bischöfen unterstützte Opposition gegen Allende. Vor allem die offiziell in der Kirche verankerte „Vicaria de la Solidaridad“ muss genannt werden. „Bis zum Ende der Diktatur wurden jährlich rund 90.000 Menschen betreut, ca. 11.000 der Hilfesuchenden benötigten juristischen Beistand. Die Vicaria dokumentierte die Menschen­rechts­ver­letz­ungen akribisch und brachte diese zur Anzeige… In den Medien wurden systematische Hetzkampagnen gegen die Kirche und einzelne Bischöfe geführt, was den Episkopat dazu veranlasste, erstmals in einem offiziellen Dokument von Kirchenverfolgung zu sprechen.“ (Quelle: Veit Straßner, in dem genannten Buch, S. 400).

13.
Aber der Einsatz für Menschenrechte und Demokratie wurde von den allermeisten chilenischen Bischöfen dann wieder sehr eingeschränkt, als Chile durch Wahlen 1990 von der Diktatur sich lossagen konnte. Anfang der 1980 Jahre sprachen die chilenischen Bischöfe noch von der „Rückkehr zur vollen Demokratie“ (Straßner S. 400), aber sie äußerten sich seit 1990 sehr zurückhaltend zum Aufbau und Ausbau der demokratischen Grundrechte. D.h.: das bischöfliche Eintreten für die Demokratie war begrenzt auf die Zeit der heftigsten Not, in normalen Zeiten sollte wieder die alte moralische, von der Kirchenführung bestimmte Ordnung gelten! Der Erzbischof von Santiago de Chile Francisco Errázuriz erlaubte sich 2001 noch die Äußerung, „das exzessive Gerechtigkeit im Sinne von Strafverfolgung zur Ungerechtigkeit werden könne und den gesellschaftlichen Frieden gefährde“ (Straßner, S. 405). Gemeint war wohl, dass die Chilenen bitte den Diktator Pinochet in Ruhe lassen mögen… Veit Straßner dokumentiert (auf Seite 406 f.) weitere Skandale, die sich die Bischöfe erlaubten, nachdem Pinochet abgewählt wurde. Die Bischöfe arbeiteten tatsächlich mit den Rechtsparteien zusammen, die den Militärputsch 1973 und die Diktatur unterstützten, und so sorgten mit diese Leute mit der Kirche vereint dafür, dass z.B. der Sexualkunde-Unterricht über Jahre in den Schulen nicht stattfinden durfte. Es waren die Bischöfe im engen Bund mit den Konservativen, die sich auch gegen eine Gesetzgebung zu Gunsten der Ehescheidung einsetzten; erst Mitte 2004 konnte eine Novelle des zivilen Ehegesetzes verabschiedet werden.. Es waren wieder die Bischöfe im Bund mit den Nachfolgern des Pinochet Regimes, die sich gegen die Gebrauch von Kondomen aussprachen in Zeiten der AIDS-Krise, denn Kondome würden, so sagten sie, zur sexuellen Libertinage führen. (Straßner, ebd.). Persönliche Freiheit ist eben das größte Übel für den hohen katholischen Klerus. Veit Straßner ist nur zuzustimmen, wenn er das Verhalten dieser nach dem Abgang von Pinochet reaktionär gewordenen chilenischen Bischöfe „rückwärts gewandt und anachronistisch“ nennt“ (S. 407).

14.
Es ist mindestens eine heftige Ironie: Die chilenischen Bischöfe zeigten sich als strenge Moral-Apostel zugunsten einer Moral von vorgestern, sie taten das öffentlich und politisch als Lobbyisten. Viele von ihnen aber unterstützten und deckten sozusagen privat und in klerikaler Solidarität jene Priester, die sexuellen Missbrauch betrieben, wie etwa der landesweit bekannte Priester Fernando Karadima: „Der als charismatisch beschriebene Karadima stand im Mittelpunkt eines Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche in Chile. Er wurde 2011 vom Vatikan wegen Vergehen an Minderjährigen verurteilt. Aus seinem Umfeld gingen mehrere Bischöfe hervor, darunter auch der zurückgetretene Bischof Juan Barros (65) von Osorno, den Opfer Karadimas der Mitwisserschaft beschuldigten. Unter anderem war der Widerstand der Gläubigen in der Diözese Osorno maßgeblich dafür, dass der Papst und die Kirche in Chile schließlich einer umfassenden Aufklärung der Vorwürfe zustimmten. Papst Franziskus traf 2018 in mehreren Begegnungen Opfer Karadimas und entließ ihn Monate später aus dem Klerikerstand. Medienberichten zufolge ermittelte Chiles Justiz zeitweise in mehr als 150 Verdachtsfällen wegen Missbrauchs gegen mehr als 200 Kirchenmitarbeiter. Bei den mutmaßlichen Betroffenen gehe es um mehr als 240 Personen, von denen 123 zum Tatzeitpunkt minderjährig gewesen seien. Auf dem Höhepunkt der Krise hatten im Jahr 2018 neunundzwanzig chilenische Bischöfe dem Papst ihren Rücktritt angeboten, um einen Neuanfang zu ermöglichen und Verantwortung zu übernehmen. LINK
Über den Kampf der von sexueller Gewalt durch Karadima betroffenen Jugendlichen, siehe: LINK

Zum Angebot aller chilenischen Bischöfen an den Papst angesichts der Skandale sexueller Gewalt durch Priester, zurückzutreten, siehe: TAZ 18.5.2018: LINK .  Mit dem Angebot eines gemeinsamen Rücktritts aller Bischöfe wird freilich die individuelle Verantwortlichkeit des einzelnen Bischofs negiert…

Über den sexuellen Missbrauch durch Priester des Ordens der Legionäre auch in Chile siehe: LINK.

15.
Es ist also nicht erstaunlich, dass das öffentlich Ansehen und die Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche als hierarchischer Institution in Chile jetzt, 2023, sehr bescheiden ist. Immer weniger Chilenen fühlen sich mit der Institution katholische Kirche als Mitglieder verbunden, wie überall in Lateinamerika, dem einst “katholisch“ genannten Kontinent. Es sind die Evangelikalen, die immer mehr Mitglieder gewinnen, viele zumal jüngere ChilenInnen nenne sich atheistisch. Ein Forschungszentrum nennt für 2020: Nur noch 50% der ChilenInnen nennen sich katholisch. LINK 

16.
Heute sind weite Kreise der chilenischen Katholiken mit den konservativen Parteien verbunden, das wurde in den Auseinandersetzungen um das Präsidentenamt 2022(?) deutlich, als sich ein Mitglied der konservativen marianischen Schönstatt- Bewegung, José Antonio Kart, mit guten Aussichten um das Präsidentenamt bewarb. Der strenge Katholik Kast wurde dabei von den ebenfalls sehr konservativ eingestallten Evangelikalen unterstützt. LINK.

17.
Noch einmal zurück zu Pinochet: Es ist keine Frage, dass eine Verbundenheit führender vatikanischer Kreise mit Pinochet erhalten blieb, etwa, als er 500 Tage unter Hausarrest in London zubringen musste. (Quelle: Welt 20.2.1999.) Die britische Regierung lehnte eine Auslieferung an die europäischen Gerichte ab und folgte damit auch den diplomatischen Vorstellungen des Vatikans. Man darf nicht vergessen, dass im Vatikan inzwischen der frühere Nuntius in Chile zu Pinochets Zeiten und Pinochet-Intimus Kardinal Angelo Sodano (1927-2022) in der sehr hohen Funktion als Kardinalstaatssekretär arbeitete. In einer Ansprache sagte der damalige Nuntius Sodano zur Militärdiktatur Pinochet: „Auch Meisterwerke können kleine Fehler haben; ich möchte Ihnen raten, sich nicht bei den Fehlern des Gemäldes aufzuhalten, sondern sich auf den wunderbaren Gesamteindruck zu konzentrieren.“ (Zitiert nach François Houtart: Johannes Paul II. als Restaurator der Weltkirche. In: Le Monde diplomatique, 14. Juni 2002.)

18.
Pinochet, der Hauptverantwortliche für die Menschenrechtsverbrechen in Chile, ist ohne ein rechtskräftiges Urteil verstorben. In Verhören gab er immer wieder an, sich nicht an Einzelheiten zu erinnern, er verweigerte bis zu seinem Tod eine Entschuldigung und das Geständnis eigener Schuld. Die NZZ schreibt am 10.12.2006: „Als 2004 nach einer Untersuchung im amerikanischen Kongress aufflog, dass Pinochet Dutzende von Konten im Ausland besass, wirkte die Behauptung seiner Anwälte, der General könne wegen angeschlagener Gesundheit nicht vor dem Richter erscheinen, umso unglaubwürdiger, als er bei der Verwaltung seines Vermögens offenbar rational handelte….Dass Pinochet Millionen von Dollar im Ausland in Sicherheit brachte, die kaum die Ersparnis eines Lebens als Berufsoffizier und Patriot – wie er sich sah – sein können, rückt Pinochet in die Nähe vieler anderer Putschisten Südamerikas, die von Rettung und Neugründung der Nation redeten und allesamt korrupt waren.“     LINK (Quelle: https://www.nzz.ch/newzzEVJSOOEK-12-ld.38839)

19.
Die katholische Kirche konnte auch in Chile zu Zeiten von Pinochet keine klare Position beziehen, sie war zerrissen zwischen ihrem Anspruch, den bedrängten und verfolgten Menschen zu helfen und gleichzeitig doch ihre Position als Teil des weltlichen Imperiums zu wahren, selbst wenn dieses Imperium eine Diktatur ist. Die Bindungen an das US-Imperium und die dortige totale Ideologie des Antikommunismus waren gerade für Papst Wojtyla entscheidend, zumal in seinem auch materiellen Einsatz gegen die Kommunisten in Polen.
Da nun aber in der Kirche der hohe Klerus, die Herren im Vatikan, das Sagen haben, fällt die Entscheidung nicht schwer, zwischen tatsächlicher Bevorzugung der Armen und den Privilegien ihres eigenen Herrschaftssystems zu treffen. Trotz zahlreicher verbaler solidarischer Bekundungen entscheidet sich die Klerus-Kirchenführung dann doch immer für den Erhalt der Macht, auch der eigenen Macht, von Minderheiten abgesehen. Die Menschen und ihr alltägliches Elend – nicht nur in Chile – sind dann den meisten hohen Klerikern eher „zweitrangig“, öffentlich würde das nie mehr so gesagt werden.

20. Was bleibt als theologische Einsicht nach der Zeit der Pinochet-Diktatur?

Eine religiöse Organisation, auch die katholische Kirche, kann in allen staatlichen Formen von Regierung und Herrschaft, selbst in einer Diktatur, nur dann grundlegend und langfristig positiv verändernd wirken, wenn sie selbst, die religiöse Organisation, die Kirche, demokratisch verfasst ist und demokratisch lebt.

Die universal geltenden Menschenrechte müssen in der Kirche als Maßstab gelten und höher eingeschätzt werden als die Mythen, die zur Gründung der religiösen Gemeinschaft führten.

Die Bitt-Gebete zur Jungfrau Maria, wie sie Papst Wojtyla auch im Chile des Diktators Pinochet praktizierte, haben den Diktator NICHT zur Menschlichkeit bekehrt, die öffentliche Lesung der Menschenrechte durch Papst und Bischöfe hätte es vielleicht erreicht. Aber dazu hätte vom Klerus Mut gehört, politischer Mut, und die Erkenntnis: Wie zweitrangig religiöse Mythen und Dogmen sind gegenüber dem expliziten Kampf für die Menschenwürde, die Menschenrechte und die Menschenpflichten.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

West – Berlins zentrale Kirche: Benannt nach einem Kolonialherren und Rassisten. Wann erhält die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche einen Namen, der einer christlichen Kirche angemessen ist?

Die  14. der “unerhörten Fragen”.

Von Christian Modehn.

1.
In Berlin – Charlottenburg erlaubt es sich die Evangelische Kirche immer noch, das zentrale kirchliche Gebäude am Breitscheid – Platz nach „Kaiser Wilhelm“ (dem Ersten) zu nennen, das so genannte Gotteshaus heißt also „Kaiser Wilhelm Gedächtniskirche“. Die entscheidende Frage: Wann ist endlich Schluss mit dieser politischen und theologischen Frechheit?
2.
Weil dieser Titel der Kirchenleitung und der dortigen Gemeinde seit einiger Zeit offenbar selbst doch irgendwie peinlich geworden ist, wird der Name nun schamhaft auf „KWG“ gekürzt oder das Gebäude wird nur „Gedächtniskirche“ genannt. KWG klingt nach irgendwie auch nach KaDeWe, und „Gedächtniskirche“ suggeriert, es gebe ein heiliges Gedächtnis als Titel einer Kirche…
3.
Zu einem definitiven Verzicht auf diesen Titel können und wollen sich weder die Berliner Kirchenführung noch Gemeinde durchringen.
Einige evangelischen Christen wissen doch längst, dass Kaiser Wilhelm I. ein Kolonialherr übelster Sorte war, sie wissen, dass auch Wilhelm II. dem Ungeist seines Großvaters entsprach. Die Frage also ist: Verzichten Kirchenleitung wie Gemeinde auf eine Befreiung von diesem unsäglichen Namen für ein so genanntes Gotteshaus deswegen NICHT, weil sie Angst haben vor einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit dem mächtigen Hause Hohenzollern?
4.
Denn sonst würde man nicht so blind und taub reagieren auf die Fülle der wissenschaftlichen Publikationen, die das Thema Kolonialherrschaft und Rassismus in Preußen (bzw. schon in Brandenburg) in Verbindung mit den Königen und Kaisern dokumentieren. Die Kolonialherren waren ja, man erinnere sich, zugleich die obersten Chefs dieser sich protestantisch (lutherisch etc…) nennenden Kirche. Sie war also de facto, nicht zu leiugnen, eine Kaiser-Kolonial-Herren-Kirche also. Ein trauriges Kapitel einer „Obrigkeitskirche“…
5.
Gerade jetzt findet im Schloss Charlottenburg die Ausstellung „Schlösser.Preußen.Kolonial“ noch bis zum 31.Oktober 2023 statt. Überraschende Zeugnisse der Verachtung, Ausbeutung und Versklavung von schwarzen Menschen durch die genannten Herrscher in Berlin werden gezeigt und in einem Begleitbuch beschrieben. LINK
6.
Hochinteressant ist ein Hinweis im Begleitbuch zur Ausstellung, ein Hinweis, der sich auf das Reiterstandbild des Kurfürsten Friedrich Wilhelm (1620-1688) bezieht, zu dessen Füßen vier in Ketten gefesselte Männer sitzen und knien. Das Denkmal wurde auf Wunsch von Friedrich III., dem späteren König Friedrich I., 1708 errichtet: Er war es, der starke Ambitionen zum Sklavenhandel in Westafrika (dem heutigen Ghana) hatte. Die gefesselten Männer wurden auch als Gestalten aus dem Sklavenhandel populär gedeutet … bis hin in das Herrscher-Haus.
7.
In dem genannten Buch wird treffend berichtet: „So soll Kaiser Wilhelm I. nach dem Erwerb von Kolonien ehrfürchtig gesagt haben, dass er nun mit gutem Gewissen vor dieses Reiterstandbild treten könne: Da er, Wilhelm I., das koloniale Vorhaben des Kurfürsten, so wörtlich: `aufgenommen und weiter ausgebildet` habe.“ (S. 13 in dem Begleitbuch zur Ausstellung, mit Verweis auf das Buch von Ferdinand Schmidt, `Kaiser Wilhelm I. und seine Zeit`, Berlin 1893 (sic), dort Seite 450).
8.
Die Ausstellung zum Kolonialismus und Rassismus und zur Sklaverei in Preußen ist für den Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon Berlin einmal mehr ein Anlass, dringend wenigstens eine öffentliche und umfassende breite Debatte zur Umbenennung der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche anzuregen. Auf dieser unserer Website wurde schon seit Jahren mehrfach für die dringende Umbenennung dieser nach einem Kolonialherren genannten Kirche plädiert, LINK, entsprechende e-mails an die Herren und Damen der Kirchenleitung blieben unbeantwortet, einzelne PfarrerInnen auch aus der KWG deuteten ihr Verständnis für diese unsere Forderung an und hatten aber Angst, sich öffentlich für die Umbenennung dieser Kirche KWG und Gedächtniskirche einzusetzen. Wer erzeugt da diese Angst?
9.
Man hat als Religionskritiker, denn um Religionskritik geht es auch in unserem Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon, den Eindruck, dieser Titel „Kaiser Wilhelm Gedächtniskirche“ sei so etwas wie ein „Allerheiligstes“ dieser Berliner Kirche.
10.
Ändert die Berliner Kirchenführung nicht alsbald diesen unsäglichen Namen für ein so genanntes Gotteshaus, dann werden alle auch im evangelischen Kreisen (Akademien etc…) geführten Debatten über Rassismus und Kolonialismus im allgemeinen unglaubwürdig…

Das Begleitbuch zur Ausstellung im Schloss Charlottenburg:
„Schlösser. Preussen. Kolonial“. Herausgegeben von der Stiftung Preussische Schlösser und Gärten. Berlin-Brandenburg. Sandstein Verlag, 2023, 18 Euro.

Eine wichtige Chronologie der deutschen Kolonialgeschichte: LINK

Zur Umbenennung der nach Kaiser Wilhelm genannten Universität in Münster “Westfälische Wilhelmsuniversität”, siehe den wichtigen Beitrag des WDR: LINK

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

Rassismus der Könige von Preußen bzw. der Kaiser aus dem Hause Hohenzollern.

Ein Hinweis von Christian Modehn

1.
Erneut werden wir konfrontiert mit dem Kolonialismus und Rassismus der Kurfürsten von Brandenburg, dann der späteren Könige von Preußen und schließlich der beiden Kaiser Wilhelm: Im Schloss Charlottenburg bietet die Ausstellung „Schlösser.Preußen.Kolonial“ noch bis zum 31.Oktober 2023 überraschende Zeugnisse der Verachtung, Ausbeutung und Versklavung von schwarzen Menschen durch die genannten Herrscher in Berlin. Dokumentiert werden entsprechende herrschaftliche Gemälde mit den damals so genannten „Mohren“, es wird auf Skulpturen verwiesen oder exotische Gebäude, die in königlichen Gärten (wie Sanssouci) bis heute Zeugnisse sind von der europäischen Vormachts-Ideologie. LINK.

2.
Gleichzeitig ist ein empfehlenswertes Buch erschienen, der Titel ist mit dem der Ausstellung identisch (siehe unten). An einige Fakten muss wieder erinnert werden, damit sie sich dem Gedächtnis einprägen.

3.
Erst 1857 wurde in Preußen die Sklaverei verboten. „Jedoch hielt der Zustrom der Versklavten nach Preußen auch danach noch an, da andernorts weiterhin Sklavenmärkte betrieben wurden. Unter ihnen waren Menschen wie Saban El Cher oder Billillee, die man als versklavte Kinder nach Brandenburg brachte“ (Seite 51).

4.
1682 wurde die „Brandenburgisch-Afrikanische Compagnie“ (BAC) gegründet mit ihrer Festung „Fort Großfriedrichsburg“ im Gebiet des heutigen Ghana.

Von 1683 bis 1717 unterhielt Brandenburg im diesem Gebiet eine Niederlassung für den eigenen Sklavenhandel. Dieser Stützpunkt wurde an die in dieser Hinsicht erfolgreicheren Niederländer verkauft, in den Niederlanden wurde die Sklaverei 1863 offiziell abgeschafft.

5.
Die Ausstellung dokumentiert zahlreiche, oft übersehene Zeugnisse des Kolonialismus und Rassismus am preußischen Hof. Die 24 in der Ausstellung vorgestellten Objekte bzw. Gebäude werden zunächst kunsthistorisch beschrieben, dann aber auch philosophisch-politisch bewertet.
Es wird etwa eine Verbindung gezogen von dem Reiterstandbild des Kurfürsten Friedrich Wilhelm (1620-1688), zu dessen Füßen vier in Ketten gefesselte Männer sitzen und knien. Das Denkmal wurde auf Wunsch von Friedrich III., dem späteren König Friedrich I., 1708 errichtet: Er war es, der starke Ambitionen zum Sklavenhandel in Westafrika (dem heutigen Ghana) hatte. In dem genannten Buch wird berichtet: „So soll Kaiser Wilhelm I. nach dem Erwerb von Kolonien ehrfürchtig gesagt haben, dass der nun mit gutem Gewissen vor dieses Reiterstandbild treten könne: Da er, Wilhelm I., das koloniale Vorhaben des Kurfürsten, so wörtlich: `aufgenommen und weiter ausgebildet` habe.“ (S. 13, mit Verweis auf das Buch von Ferdinand Schmidt, `Kaiser Wilhelm I. und seine Zeit`, Berlin 1893 (sic), dort Seite 450).

6.
Von den zahlreichen Beispielen kolonialen und rassistischen Denkens und Handelns in Preußen noch ein Hinweis auf den Skulpturenschmuck des ersten Rondells im Park Sanssouci: Dort sind insgesamt sechs Bildnisbüsten zu sehen, von denen vier Afrikaner darstellen, zwei Männer und zwei Frauen. „Es ist davon auszugehen, dass König Friedrich II.die Skulpturenausstattung im ersten Rondell plante“ (S. 37). Die Büsten der AfrikanerInnen stehen im Park, als der „wilden Urwüchsigkeit der Natur“…Die Gesichter der Schwarzen haben keine Pupillen, sie sind also „blind gegenüber der weißen Zivilisation“ (S.39).

7.
Mit Glasperlen bezahlten die preußischen Kolonisten das Gold und das Elfenbein, das ihnen die Einwohner Afrikas anboten, und auch die Menschen, die als Versklavte nach Amerika wie Handelsware transportiert wurden. Die Glasperlen wurden auf der beliebten Ausflugsinsel auf der Havel, der Pfaueninsel, seit 1678 hergestellt (vgl. in dem genannten Buch S. 55 ff.)

8.
Besondere Aufmerksamkeit verdienen in der Ausstellung die Darstellung der „Schwarzen Hofbediensteten im Preußen des 19.Jahrhunderts“. Von den getauften Afrikanern Heinrich Karl Albrecht Kerallah wird berichtet oder von Karl Ferdinand Theobald Itissa oder Alexander Anastasius Feryallah usw. (S. 102 ff.), sie konnten als exotische Gehilfen am Hof überleben.

9.
Es ist sehr an der Zeit, dass endlich große Ausstellungen, Kongresse und entsprechende kritische, also kirchenunabhängige Publikationen über die Verbindung von (katholischer) Kirche und Sklaverei realisiert werden! Dass dabei auch der Umgang mit der Sklaverei in Israel, also im „Alten Testament“, und etwa in den Paulusbriefen des „Neuen Testaments“ dokumentiert und bewertet werden sollte, ist keine Frage.

10.
Über die Bindungen des Vatikan-Staates an die Sklaverei ist kürzlich in Italien eine Studie erschienen, die leider noch nicht in deutscher Sprache vorliegt. Die an der staatlichen Universität in Rom lehrende Historikerin Marina Caffiero hat ihrer wissenschaftlichen Studie zum Thema der päpstlichen Sklaverei den Titel gegeben: «Die Sklaven des Papstes»; die Studie bezieht sich vor allem auf das 18. und die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts – diese Zeit ist zum Thema Sklaven in Rom also im Papststaat gut dokumentiert.
Von einer offiziellen Abkehr der Bindung der Kirche an die Sklaverei kann erst seit 1890 die Rede sein, damals verfasste Papst Leo XIII. die Enzyklika „Catholicae ecclesiae“, in der die Bischöfe Afrikas zumal zur Bekämpfung der „düsteren Plage der Sklaverei“ aufgefordert werden. Bezeichnenderweise sollte diese Plage wie üblich mit Spenden aus Europa bekämpft werden… (Siehe dazu: Marita Wagner, „Moderne Sklavereien“, Stimmen der Zeit, 2020, S. 587-595)

Zur dringend notwendigen Umbenennung der “Kaiser Wilhelm Gedächtniskirche” in Berlin als Kirche, als “Gotteshaus”, die an einen Kolonialherren und Rassisten erinnert, siehe: LINK

Zum Kolonialismus Deutchlands bzw. Preußens: Eine Datenübersicht: LINK.

Schlösser. Preussen. Kolonial. Herausgegeben von der Stiftung Preussische Schlösser und Gärten. Berlin-Brandenburg. Sandstein Verlag, 2023, 18 Euro.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.