Die verbrecherische katholische Gemeinschaft „Sodalicio“ wurde von Papst Franziskus verboten.

Ein Beitrag der „Informationsstelle Peru e.V.“ von Heinz Schulze.

Ein Vorwort von Christian Modehn.
Der “Religionsphilosophische Salon Berlin” hat im Rahmen seiner selbstverständlichen Religions/Kirchenkritik mehrfach auf die reaktionäre, international verbreitete, vor allem in Lateinamerika und Peru tätige katholische Organisation SODALICIO (im offiziellen katholischem Fachjargon „geistliche Gemeinschaft“ genannt) hingewiesen.
Diese Leute des Sodalicio („Sodalität“ auf Deutsch, was immer das bedeuten mag) haben alle Bestrebungen einer progressiven Theologie und Gemeindebildung in Lateinamerika aufs heftigste behindert und entsprechende Aktivisten verfolgt, unterstützt von Limas Kardinal Cipriani, nach eigenen Angaben Mitglied der reaktionären Organisation OPUS DEI. Es gibt also enge Connections zwischen den diversen reaktionär-katholischen machtvollen klerikalen Organisationen.

Jahrelang haben Kritiker des Sodalicio – auch in Rom – darum gebeten, dass dieser Club SODALICIO von sexuellen Missbrauchstätern und finanziell korrupten und politsich reaktionären Leuten endlich untersucht und dann aufgelöst werde, aber nichts geschah Jahre lang.
Die Geduld des Vatikans und der Päpste mit reaktionären, aber finanzstarken und noch junge Priester (!) vorweisenden Gemeinschaften innerhalb der römischen Kirche ist bekanntlich grenzenlos, siehe auch in dem Zusammenhang die “Legionäre Christi” oder das mysteriöse “Institut des Inkarnierten Wortes” mit Niederlassungen auch in Deutschland.

Ein progressiver Theologe wird sozusagen von heute auf morgen verfolgt, degradiert und dann abgesetzt, bei reaktionären Bischöfen (siehe etwa den Fall von Kardinal Cipriani, Lima oder aktuelle auch des französischen Bischofs Dominique Rey, Toulon) hat der Vatikan/Papst riesige Geduld.. Der Klerus hält eben absolut zusammen.

Wichtig ist der ausführliche wikipedia Beitrag auf Spanisch zu Sodalicio, auf Deutsch dieser spanische Beitrag: https://es.wikipedia.org/wiki/Sodalicio_de_Vida_Cristiana

…………………..

Uns freut es, dass die bekannte “Infostelle”  über alle Themen PERUS nun einen knappen, aber gut informierten Beitrag zum Verbot dieses Sodalicio publiziert:Und wir warten gespannt, wann endlich auch in den noch verbliebenen katholischen Zeitschriften endlich gründliche Studien zu diesem und zu anderen reaktionär-katholischen Gemeinschaften publiziert werden.

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Sodalicio endgültig verboten
von Heinz Schulze |Veröffentlicht 9. Februar 2025

Nach jahrelangen Aufrufen kirchlicher und zivilgesellschaftlicher Organisationen und einer intensiven innerkirchlichen Untersuchung hat Papst Franziskus die katholische Organisation Sodalicio als „sadistische und korrupte Organisation“ eingestuft und endgültig verboten. Ein Rückblick auf die Ereignisse, die dazu geführt haben.
In den vergangenen Jahren haben wir als Informationsstelle Peru mehrmals über die kriminellen Aktivitäten von Sodalicio berichtet und uns dafür eingesetzt, dass die zuständigen Stellen der Kirche die Forderungen der Opfer ernst nehmen. Darunter das Verbot der Organisation, eine Wiedergutmachung und dass die Bauernfamilien der Dorfgemeinschaft Catacaos (Provinz Piura, Nordperu) endlich ihr Land zurückbekommen, das ihnen von Personen aus dem Umfeld von Sodalicio weggenommen wurde.
Wir schrieben mehrere entsprechende Aufforderungen, unter anderem an den damaligen reaktionären peruanischen Kardinal Cipriani, den damaligen Papst Benedikt und an den Erzbischof der zuständigen Diözese in Piura. Dieser ließ durch sein Sekretariat mitteilen, dass er nichts mit Sodalicio und den Problemen der Dorfgemeinschaft Catacaos zu tun habe.
Zum besseren Verständnis hier nochmals einige Stichworte zur Geschichte von Sodalicio:
Die Organisation wurde als Sodalicio de Vida Cristiana 1971 von Luis Figari gegründet, und zwar als konservative Reaktion auf die Theologie der Befreiung. Eines der Ziele war, junge Christ*innen als Elitesoldat*innen im „Heer Gottes“ zu erziehen.
Im Jahr 2000 veröffentlichten Studierende und junge Männer erste Berichte über ihr erlittenes Unheil in den Bildungseinrichtungen von Sodalicio: sexuelle Übergriffe und psychologisch-sadistische Praktiken sowie Unregelmäßigkeiten bei der Verwendung der finanziellen Mittel, der von den „Jüngern“ eingebrachten und erzielten Gelder. Später wurde bekannt, dass sich Mitglieder von Sodalicio Ländereien in der Dorfgemeinschaft Catacaos angeeignet hatten, die innerhalb der Diözese von Ex-Erzbischof José Antonio Eguren lagen.
Eines der Opfer, Pedro Salinas, brachte zusammen mit der Journalistin Paola Ugaz ein Enthüllungsbuch heraus, in dem 30 Zeug*innen über ihre erlittenen sexuellen und sonstigen Gewalterfahrungen mit Führungskräften von Sodalicio berichteten. Sodalicio und Erzbischof Eguren reagierten mit juristischen Schritten und einer großen Schmutzkampagne und stellten die Opfer als Lügner dar, die alles erfunden hätten, um ehrbare Priester und engagierte katholische Laien in Verruf zu bringen. Ähnlich agierte Kardinal Cipriana – gegen den 1983 eine Klage wegen Pädophilie eingereicht wurde – in einigen seiner wöchentlichen Hirtenbriefe.
Durch innerkirchliches und internationales Engagement wurde der Druck auf den Vatikan stärker, den Vorwürfen gegen Sodalicio nachzugehen. In der Zwischenzeit entzog sich der Gründer von Sodalicio der peruanischen Justiz und flüchtete nach Rom. Schließlich ordnete Papst Franziskus im Jahr 2023 eine innerkirchliche Untersuchung durch zwei seiner Vertrauten (Jordi Bertomeu und Charles Scicluna) an. Ihre intensiven Nachforschungen mit vielen Interviews in Peru bestätigten letztendlich alle Vorwürfe, und Sodalicio wurde als „sadistische und korrupte Organisation“ eingestuft. In Folge dessen wurden der Gründer von Sodalicio, der amtierende Präsident von Sodalicio und weitere zehn wichtige Führungskräfte aus Sodalicio ausgeschlossen. Darunter der Erzbischof von Piura, Eguren (der aus seinem Amt entlassen wurde), sowie Personen wie Erwin Scheuch Pool, Ricardo Trenemann und Miguel Salazar Streiter (siehe Kurzmeldung im InfoPeru).
Das kirchliche Aus für Sodalicio fand ziemlich unspektakulär durch eine Ankündigung im „Amtsblatt“ des Vatikans statt. Das bestätigten die Führungskräfte von Sodalicio in einer kurzen Erklärung auf ihrer Jahrestagung in Brasilien. Aus diesem Umkreis wurde dann die Presse informiert und die „Verräter“ wurden aus der inzwischen aufgelösten Organisation „ausgeschlossen“.
Nun obliegt es dem Vatikan, das (kirchliche) Vermögen und die Liegenschaften von Ex-Sodalicio zu regeln. Dabei ist es dringend notwendig, eine Wiedergutmachung der Opfer auf den Weg zu bringen und sich dafür einzusetzen, dass die Campesinos der Dorfgemeinschaft Catacaos ihr Land wieder zurückbekommen. Offen ist auch, wie die Justiz in Peru in diesem Fall weiter agiert.
Zwei Wochen nach dem Verbot von Sodalicio forderte der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes Peru dazu auf, eine Wahrheitskommission einzurichten, die den sexuellen Missbrauch von Minderjährigen innerhalb der katholischen Kirche untersucht.

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Warum sollten die USA jetzt nicht mehr Demokratie genannt werden?

Die 24. der „unerhörten Fragen“: Warum sollten die USA jetzt nicht mehr Demokratie genannt werden?
Von Christian Modehn am 14.2.2025

1,
Die Antwort ist ganz einfach: Weil diese Erkenntnis den Fakten entspricht! Weil Trump und seine Regierung jetzt die Demokratie systematisch und wohl auf längere Dauer zerstört. Und diese Erkenntnis setzt sich immer mehr durch, zumal nach der “Münchner Sicherheitskonferenz” (14., 15.2.2025) mit dem Auftritt von Vizepräsident Vance (siehe dazu Fußnote 3)

2.
Objektive Beobachter sprechen jetzt tatsächlich von einem Staatsstreich (siehe Fußnote 1) durch Trump, also konkret: Von einem hinterhältigen, systematischen Übergang einer gewählten demokratischen Regierung in eine Diktatur. Der letzte große Staatsstreich geschah in Venezuela durch Maduro 2017 (siehe Fußnote 2).
3.
Wenn die Regierung Trumps, die Exekutive, nicht mehr die für eine Demokratie immer übergeordneten Gerichtsentscheidungen respektiert, spätestens dann sollte von Staatsstreich gesprochen werden. „Am Sonntag (9.2.2025) schrieb Trump Vizepräsident J.D.Vance in einem Post: `Richtern ist es nicht erlaubt, die legitime Macht der Exekutive zu kontrollieren.` Nebenbei: Vance ist tatsächlich Absolvent der Yale – Law – School (!), er hat in den vergangenen Jahren immer wieder argumentiert, dass ein Präsident wie Trump Gerichtsurteile ignorieren sollte, die seine exekutive Macht begrenzen“ (so Amran Coen in „DIE ZEIT“, 13.2.2025, S. 6).
4.
Wenn der Staatsstreich durch Trump also total wird, was wird dann in Staat und Gesellschaft der USA passieren? Russ Miller, Verfassungsrechtler und Jura – Professor, beantwortet diese Frage in der “ZEIT” sehr ehrlich: „Nichts passiert. Die Gerichte haben schließlich keine eigenen Mittel, ihre Urteile durchzusetzen. Die Polizei untersteht der Exekutive. Das Gesetz und die Verfassung, sagt Miller, seien letztlich nur eine Tradition, eine Konvention, an die wir uns als Gesellschaft halten. Ein Mythos, der nur dann wirkt, wenn alle an ihn glauben“ (ebd.).
5.
Auf Seite 1 der “ZEIT” vom 13.2.2025 schreibt Heinrich Wefing: „Ganz offen sprechen konservative Verfassungsrechtler im Blick auf Trump Herrschaft von einer „imperial presidency“, also einer imperialen Präsidentschaft, und diese wäre das Gegenteil der klassischen Gewaltenteilung, also eine Diktatur.
6.
Dieses imperiale Denken der USA und ihrer Politiker ist spätestens seit dem Vietnam Krieg wieder allgemein bekannt und auch in Erinnerung an die Lateinamerika -Politik der USA („Zentralamerika als Hinterhof der USA“, Zusammenarbeit mit Faschisten in Chile unter Diktator Pinochet usw.). Insofern ist die imperiale Präsidentschaft von Trump nur ein zugespitzter radikaler Ausdruck des tief sitzenden imperialen Denkens vieler in den USA und vieler Politiker.
7.
Wer wird den imperialen Präsidenten Trump und seine (Milliardärs)-Clique besiegen und demokratische Strukturen wiederherstellen?
Welche Europäer können dabei helfen, wenn ringsum in Europa sich stolz „nicht – liberale Regierungen“ an der Macht halten und rechtsextreme Parteien in Europa Zuspruch erhalten? Wer wird die Demokratie – nach demokratischen Reformen der Demokratie durch Demokraten – wieder als die einzige heute mögliche vernünftige Regierungsform durchsetzen und prägen? Wo sind diese vernünftigen Kreise? In den etablierten Parteien etwa? Was wäre die noch vorhandene Demokratie ohne die demokratischen Medien? Schützen wir wenigstens noch die freien und kritischen Medien, und: nicht alle Medien in Deutschland sind freie und kritische Medien. (Man erinnere sich an die Forschungen zur BILD Zeitung des Springer Imperiums durch Günter Wallraff…)
Philosophen sollten heute für den Schutz und die Weiterentwicklung der Demokratie eintreten, das tun sie auch, aber  ihre Bücher zum Thema erreichen oft nur Minderheiten – wegen der minimalen Auflage oder der komplexen Sprache der Philosophen.
8.
Und die Kirchen? Immerhin hat Papst Franziskus am 11.2.2025 heftig die Flüchtlingspolitik der Trump – Herrschaft kritisiert und dabei vor allem Vizepräsident Vance gemeint: Er ist seit 5 Jahren heftig überzeugter Katholik und Freund traditionalistischer Theologie. Quelle: LA CROIX, Tageszeitung in Paris, 12.2.2025.

Nebenbei: Die Bischofskonferenz der USA ist gespalten: Und immer wieder ist die Frage: Kann eine bewusst und explizit nicht – demokratisch sein wollende Organisation wie die katholische Kirche glaubwürdig für Demokratie eintreten und Demokratie möglicherweise retten? Oder rettet diese Kirche im Notfall wie üblich in der Geschichte vor allem die Rechte der Kirche?

Fußnote 1.
„Als Staatsstreich wird in der Regel die Aktion einer bereits im Amt befindlichen Regierung oder von einzelnen Regierungsmitgliedern bezeichnet, die darauf abzielt, ihre Macht auf illegitime Weise zu verlängern oder zu festigen, indem sie die Institutionen und das geltende legale Prozedere untergräbt, umgeht oder gänzlich ausschaltet.“ Wikipedia gelesen am 14.2.2025

Fußnote 2:
Zum Staatsstreich in Venezuela durch Präsident Maduro am 30.3 2017: LINK.
Interessanterweise kritisierte der 2017 schon herrschende Trump die, so wörtlich, „Maduro – Diktatur“ . Quelle: LINK.

Jetzt, Februar 2025, wollen die beiden imperialen Herrscher, Trump und Maduro, ihre Beziehungen wieder einvernehmlich verbessern. Quelle. LINK 

FUßNOTE 3 am 15.2.2025:

Das Thema dieser unerhörten Frage wird ständig weiter in der Öffentlichkeit vertieft und unsere Erkenntnis wird immer wieder bestätigt: Die USA sind auf dem Weg, nicht mehr länger als eine Demokratie gelten zu können. Und das sollte man offen sagen!

Sichtbar wurde der anti-demokratische Ungeist der Trump – Herrschaft in der Rede von Vizepräsident J.D.Vance während der Münchner Sicherheitskonferenz am 14.2.2025. Sogar die „Financial Times“ kommentiert zusammenfassend, berichtet die SZ am 15./16. Februar 2025, Seite 7: „Vance hat in München eine Wahlkampfrede für die AFD gehalten.“
Und Vance hat die nicht – liberalen Regime in Europa, wie Orban, förmlich als normale Regierungen hingestellt. Unverschämt, diese Einmischung der USA, und wie hilflos die Reaktionen der demokratischen Politiker. Vance ist aufgrund seiner heftigsten (reaktionär katholisch geprägten Ideologie) wahrscheinlich noch gefährlicher als Trump. Müssen die Europäer Angst vor ihm haben? Zur Angst vor Putin kommt nun die Angst vor Trump/Vance?

In der Süddeutschen Zeitung (SZ) vom 15./16. Februar 2025 Seite 41 nennt der Publizist Hilmar Klute den Präsidenten Trump einen „Autokraten.“ Also einen Allein – Herrscher, den man auch als Diktator bezeichnen kann.
„Donald Trump hat einen Krieg gegen sein eigenen Land entfesselt.“ Und gegen den „Rest“ der Welt, schreibt Hilmar Klute.

Das Dilemma ist: Europa darf es sich wohl aus ökonomischen und militärischen Überlegungen nicht erlauben, den Diktator Trump und sein Regime explizit zu bekämpfen. Aus Gründen der universell geltenden Vernunft und der demokratischen Selbstachtung müsste es Europa (gerade auch in Verbundenheit mit der Ukraine und gegen Putin) aber wohl tun. Es ist aber zu befürchten, dass ökonomische Erwägungen – wie immer in der Politik – den obersten Stellenwert haben.

Hilmar Klute schreibt: „Wir haben die Sprache und die Attitude der Unerbittlichen (also Trump und CO ) noch nicht ganz begriffen.“

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

 

Der philosophische Glaube – Eine Alternative für heute!

Die Erkenntnis von Karl Jaspers – provozierend, aber aktuell!
Ein Hinweis von Christian Modehn am 11.2.2025.

1.
Im Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon Berlin haben wir schon oft darauf hingewiesen: Die Krisen der Kirchen (in Europa und der westlichen Welt) sind Krisen der Inhalte, die diese Kirchen immer noch verbreiten. Mit anderen Worten: Wir haben dafür plädiert, einen elementaren, einfachen, vernünftigen Glauben zu entdecken und zu pflegen, indem die vielen unverständlich und unglaubwürdig gewordenen Glaubensinhalte (Dogmen) beiseite gelassen werden. Das tun die Kirchen aber bisher nicht, sie verwenden alle Energie auf so genannte Reformen, die aber nicht mehr sind als bescheidene Struktur-Reformen. Oder glaubt jemand im Ernst, der alles beherrschende Klerus der katholischen Kirche würde jemals Frauen als Priesterinnen zulassen?

2.
In unserem Plädoyer für Diskussionen über die not-wendige Vernunftreligion haben wir an die Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie von Immanuel Kant ausführlich erinnert: Das heißt an seine Form einer elementaren christlichen (!) Religion, wie sie sich aus der Vernunft selbst gestalten und entwickeln lässt. LINK.

3.
In diesem Hinweis jetzt geht es um eine andersartige, aber zum Thema sehr gut passende Erkenntnisse des Philosophen Karl Jaspers. Für ihn stand die Frage nach der Bedeutung von Religion und speziell von Christentum immer im Zentrum seiner Interessen und vielfältigen Publikationen.

4.
Wir wollen erinnern an den „Philosophischen Glauben“ von Karl Jaspers. Vor allem in zwei Büchern hat er sich ausführlich zum Thema geäußert: „Der philosophische Glaube“ (1948) und „Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung“ (1962). Den philosophischen Glauben hat Jaspers durch philosophische Überlegungen freigelegt, das ist die eine Bedeutung des Titels. Aber dieser so entwickelte Glaube hat dann auch – zweitens – bestimmte philosophische Inhalte.

5.
Der philosophische Glaube wird durch philosophische Reflexionen auf die Existenz des Menschen entwickelt. Existenz heißt Sein – Können, Existenz also als Möglichkeit, auf verschiedene Weise meine Freiheit zu gestalten. Und Existenz ist als Bezeichnung für den Menschen immer auch geistiges Überschreiten bestimmter Grenzen. Dieses Grenzen-Überschreiten ist Transzendieren, das im Sinne von Jaspers dann auch als „Ziel“ des Transzendierens eine ungreifbare, undefinierbare Transzendenz („Gott“ möglicherweise genannt) berührt.

6.
Innerhalb der Reflexionen des Menschen auf das, was ihn eigentlich in seinem Dasein im Letzten gründet und begründet, kommt Jaspers zu der Erkenntnis: „Wo ich eigentlich ich selbst bin, bin ich gewiss, dass ich es nicht durch mich selbst bin.“ (Fußnote 1). Ich bin also notwendigerweise auf etwas Gründendes verwiesen. Das mich und das Dasein aller anderen (die Welt) Gründende kann ich nicht als wissenschaftliche, als exakte und beweisbare Erkenntnis vorweisen: Die Annäherung an dieses alles Gründende ist eher eine Form des Glaubens. Darum der Titel „philosophischer Glaube“. Und wenn er sich begrifflich äußert, dann in „Chiffren“, wie Jaspers sagt, in Worten, die nur Hinweise sind, die „vieldeutige Spiegelungen der Transzendenz sind“ (Hans Saner), sie entziffern die Existenz, sie werden der Transzendenz „nie habhaft“ (Hans Saner, Fußnote 3)

7.
Den Menschen zeichnet also die geistige Verbundenheit mit etwas letztlich „Gründendem“ aus, dieses ist aber in seiner universalen Qualität ganz anders als alle Objekte dieser Welt. Für Jaspers ist dieses Gründende die Transzendenz. Und wer diese Erkenntnis vollzieht, sein Leben frei gestaltet, entwickelt in sich selbst den „philosophischen Glauben“.
Und weil Menschen in allem Denken und aller Praxis – auch umthematisch – dieses alles Gründende sozusagen nicht los-werden, also immer von ihm in der geistigen Freiheit begleitet werden, kann Jaspers sagen: „Der philosophische Glaube ist der unerläßliche Ursprung allen echten Philosophierens“ (Fußnote 2). Hans Saner, der langjährige Assistent von Karl Jaspers schreibt: „Jaspers würde sagen: Ich habe mich für (philosophischen) Glauben entschieden, weil das philosophische Denken in einem objektiven Sinn letztlich auf Glauben zurückgeht.“ (Fußnote 4). In seiner großen Studie „Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung“ von 1962 schreibt Jaspers noch deutlicher: „Glaube ist die Kraft, in der ich mir gewiss bin aus einem Grunde, den ich wohl bewahren, aber nicht herstellen kann… Glaube ist der Grund vor aller Erkenntnis. Der Grund wird im Erkennen heller, aber nie bewiesen“ (a.a.o. s 49).

8.
Der philosophische Glaube ist als explizites „Bekenntnis“ Sache einer Minderheit von einzelnen, denn Philosophie ist für Jaspers immer auch Dialog, im letzten ist es aber auch dann der einzelne, der sich selbst in sein Denken vertieft. Dieser philosophische Glaube kennt keine Dogmen wie der kirchliche Glaube, dieser beruft sich auf Offenbarung, auf „heilige Bücher“, auf das Sprechen Gottes selbst und auf die Interpretation dieser Worte allein durch einen erwählten Klerus. Im philosophischen Glauben ist es immer der einzelne, der sich wertschätzen kann, seine eigenen existentiellen Erfahrungen mit der ungreifbaren, aber sozusagen nur „berührbaren“ Transzendenz zu machen. So sehr Jaspers die in Dogmen erstarrte Offenbarungsreligion in den Kirchen kritisiert: Für ihn ist der eigentliche philosophische Gegner der Nihilist, er kapselt sich in seiner Welt ein, ignoriert, dass der Mensch immer wesentlich Grenzen überschreitet, also transzendiert, in der Offenheit lebt.

9.
Von aktueller Bedeutung ist: Jaspers weist explizit jeden Anspruch der Religionen auf Ausschließlichkeit (etwa: „Wir haben die göttliche Wahrheit“) zurück. Diesen „Ausschliesslichkeitsanspruch“ kritisierte Jaspers schon 1948 nicht nur im Christentum, sondern auch „im jüdischen Gesetzesglauben und in der nationalen Religion, im Islam“ (Fußnote 5). Auf S. 89 f. bietet Jaspers eine ganze Liste, welche Dogmen und Lehren der monotheistischen Religionen aus der Sicht des philosophischen Glaubens „preiszugeben“ (so wörtlich) sind.
„Preiszugeben ist die nationale Religion, wie sie in den frühen Stadien der biblischen Religion als israelische Jahwereligion wirklich war…
Preiszugeben ist die Gesetzesreligion und die Priesterherrschaft, wie sie über das Alte Testament von christlichenKirchen fortgesetzt und beansprucht wird.“
Und jetzt, entscheidend, schreibt Jaspers: „Preiszugeben ist die Christusreligion, die in Jesus Gott sieht und, auf einen Opfergedanken des Deuterojesaja angewandt, auf Jesus das Heilsgeschehen gründet…“ Jaspers legt allen Wert darauf: „Der Christusgeist ist die Gegenwärtigkeit des Göttlichen in jedem Menschen“ (Fußnote 6). LINK zum Konzil zu Nizäa.

10.
Welche wesentlichen Lehren des philosophischen Glaubens nennt Jaspers u.a. (Fußnote 7):
„Der Gedanke des einen Gottes.
Das Bewusstsein der Entscheidung zwischen Gut und Böse im endlichen Menschen.
Die Liebe als Grundwirklichkeit des Ewigen im Menschen.
Die Tat als Bewährung des Menschen.
…. die letzte und einzige Zuflucht bei Gott.“

11.
Jaspers weiß, dass der philosophische Glaube inhaltlich gesehen „blaß“ wirkt. Aber Jaspers will mit seinem Vorschlag auch den religiösen Glauben erneuern, er denkt dabei an die verborgenen Elemente des philosophischen Glaubens im religiösen Glauben. So kann es zu einer möglichen „Verwandlung der Religion in Philosophie oder philosophische Religion kommen. Das wird gewiss nicht der Weg der Menschheit sein, wenn auch vielleicht der Weg einer Minderheit“ (Fußnote 8). Vielleicht heute auch derer, die aus den Kirchen zu tausenden austreten, aber doch eine spirituelle Verbundenheit mit dem alles Gründenden z.B. suchen,

12.
Der Vorschlag von Jaspers, einen philosophischen Glauben in der Existenz selbst zu entdecken und zu fördern, ist auf vielfache Kritik auch von Theologen gestoßen. Philosophisch hat sich Jürgen Habermas davon abgesetzt und einige Argumente im ersten Band seiner großen Studie „Auch eine Geschichte der Philosophie“ ( Suhrkamp, 2019, S 100 ff.) mitgeteilt: Indem Jaspers von dem undefinierbaren gründenden Grund aller Existenz spricht, „lenkt er den philosophischen Glauben und damit die Philosophie überhaupt von den Wissenschaften weg an die Seite der religiösen Lehren und metaphysischen Weltbild (S. 101). Die Frage aber ist: Kann man wissenschaftlich exakt von dem Thema, dem gründenden Grund, sprechen? Oder bewegt sich dann nicht alles selbstkritische Denken in einer gewissen „Grauzone“ der Melange von Sagbarem und Unsagbarem, also von Spiritualität?

13.
Es gilt, die Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie Jaspers`(aber auch seine politische Kritik an Zuständen der BRD damals) wieder intensiver zu studieren, aber es sollte nicht bei einem bloß historischen Interesse bleiben: Die Entwicklung eines „philosophischen Glaubens“ oder einer heutigen Vernunftreligion bleibt dringend, wenn auch vonseiten der TheologInnen dazu kaum konstruktive Anregungen zu erwarten sind.

Fußnote 1:
„Jaspers“. Rowohlts Bild Monographien. Von Hans Saner. 1999, S. 102.

Fußnote 2:
Ebd.

Fußnote 3:
Ebd, S. 103.

Fußnote 4:
Hans Saner, S. 103.

Fußnote 5:
Karl Jaspers, „Der philosophische Glaube“, Fischer Bücherei ,1958, S. 83.

Fußnote 6:
ebd., S. 91.

Fußnote 7:
ebd. S. 92

Fußnote 8:
ebd. S 93.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

CDU/CSU sollten Christen nicht wählen!

Ein Hinweis auf eine Publikation von kath.de vom 11.2.2025
Von Christian Modehn

1.
Die CDU/CSU ist für Christen (die noch wissen, was dieser Titel eigentlich bedeutet) NICHT wählbar. Das “C” dieser beiden Parteien ist bloß noch Kulisse, Irreführung, raffiniert eingesetzter Schein, vielleicht ein Witz.

Zu dieser Erkenntnis kommt – zusammenfassend gesagt und interpretierend –  Christoph Paul Hartmann in seinem Beitrag für die website katholisch.de vom 11.2.2025, gelesen am 11.2.2025 um 14.00 Uhr. LINK.

katholisch.de ist das „Nachrichtenportal der katholischen Kirche in Deutschland“!

Der Beitrag ist sehr erhellend und unbedingt lesenswert, zumal für jene, die noch daran denken, am 23.2.2025 CDU/CSU zu wählen.

Der Beitrag von Christoph Paul Hartmann gehört zu einer Serie“Die Parteiprogramme zur Bundestagswahl“ .

Wir zitieren hier nur einige Erkenntnisse aus dieser Analyse des Parteiprogramms der Unionsparteien zu Bundestagswahl 2025.

„Mehr Markt, weniger Staat” (S. 20) und andere Floskeln bevölkern dieses Programm, in dem statt konkreter Zahlen oder Strategien markige Slogans im Mittelpunkt stehen.
„Den subsidiären Schutz (für Flüchtlinge) an sich (S. 41) wie den Familiennachzug für Menschen mit subsidiärem Schutzstatus abzuschaffen gehört ebenso zum Programm von CDU/CSU wie Asylverfahren außerhalb der EU.“
„Von muslimischen Einrichtungen erwartet die CDU/CSU dagegen eine Art Gesinnungsprüfung: Sie sollen sich zum Existenzrecht Israels und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen. (Warum sagt die CDU/CSU nicht: Nur wer sich zu den universell geltenden Menschenrechten, auch für Palästinenser, bekennt, steht auf dem Boden des Grundgesetzes? Eine ergänzende Frage von Christian Modehn)

Im Text von kath. de heißt es weiter:
„Klar wird: Der Stil der Union ist schärfer und populistischer geworden, auch auf Kosten von Minderheiten. Das zeigt sich auch beim Abschnitt über Bürgergeldempfänger (29), aus dem durchaus eine Art Generalverdacht herausgelesen werden kann. Oder ideologischen Passagen wie der Ablehnung der Gendersprache (wobei die Union nicht definiert, was diese von gendergerechter Sprache abgrenzt, die sie befürwortet).
Zur Klimapolitik schreibt kath.de in seiner Interpretation des CDU/CSU Programms: “Wir sehen in der individuellen Mobilität den Inbegriff von Freiheit und spielen deshalb unterschiedliche Verkehrsmittel nicht gegeneinander aus. Anti-Auto-Haltung, Fahrverbote für Innenstädte, das Umwidmen von Parkplätzen und ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen lehnen wir ab.” Man will aber auch weiter chemische Pestizide (S35) auf deutschen Äckern. Das Programm ist hier zwar konservativ, doch dezidiert christlich oder auf Linie der Kirchen ist es nicht.“

Zusammenfassend aus dem Kommentar von kath.de: Die Union nähert sich dem Populismus, was sich nicht zuletzt in nur sehr spärlichen konkreten Maßnahmen ablesen lässt. Christliche Werte als eigene Entität oder als Orientierung in der Sozialpolitik (um die Katholische Soziallehre geht es überhaupt nicht) bleiben außen vor. Als konservatives Merkmal sind die volkskirchlichen Reste noch Teil der Fassade, christliche Inhalte treten dagegen mehr und mehr zurück. Sie taugen nur noch zur Abgrenzung des “wir” von den “anderen”. Im Programm lässt sich nachlesen: Die Union wendet sich von der Merkel-Zeit ab und stellt ihren Kurs auf Populismus. Sie folgt damit anderen konservativen Parteien in Europa, die in der Annäherung an extreme Kräfte ihr Heil suchen. Nicht zuletzt die jüngst entschiedene Ablehnung des Unions-Kurses durch Bischöfe und kirchliche Verbände zeigt, dass sich christliche Überzeugung und die Parteien mit dem C voneinander wegbewegen.“

2.
In einem „Gemeinsamen Aufruf“ mit dem Titel “Einstehen für unsere Demokratie“ ,
unterschrieben von den Vorsitzenden der christlichen Kirchen in Deutschland zur Wahl des 21. Deutschen Bundestages am 23. Februar 2025,
ist mit keinem Wort die Rede von der lächerlichen und inzwischen völlig überflüssigen Verwendung des „C“ in der CDU und CSU.
Dieser offizielle Kirchen – Bischofs – Text enthält das übliche allgemeine BlaBla der ökumenischen „Eintracht“, der intellektuelle Gipfel der bischöflichen Erkenntnis ist: „Bitte wählen Sie Parteien, die sich für unsere Demokratie einsetzen!“
Vor der AFD wird explizit nicht gewarnt, es wird nicht gesagt: Diese Partei ist für Christen nicht wählbar. Es heißt nur in der üblichen Allgemeinheit: „Wir halten daran fest, dass Extremismus und vor allem völkischer Nationalismus mit dem Christentum nicht vereinbar sind.“

3.

Siehe auch unseren Beitrag vom 29.1.2025 zum selben Thema: LINK:

Copyright: Christian Modehn, religionsphilosophischer-salon.de

 

 

 

Papst Franziskus als Mann mit festen Prinzipien!?

Die Jesuitenzeitschrift “Stimmen der Zeit” entdeckt den “prinzipiellen” Hintergrund von Papst Franziskus bzw. Kardinal Bergoglio!

Ein Hinweis von Christian Modehn am 5.2.2025

1.
Papst Franziskus orientiert sich in seinen Entscheidungen – wie auch schon in Argentinien als Oberer der Jesuiten und dann als Erzbischof von Buenos Aires – an einigen abstrakten Prinzipien, sie nennt der Jesuit und Theologieprofessor em. Michael Sievernich „Binome“.

Papst Franziskus hat also seine Prinzipien: Das mag für viele etwas Neues sein, glaubte man doch bisher, der Papst würde eher pastoralen „Launen“ folgen: In der Jesuitenzeitschrift „Stimmen der Zeit”, Ausgabe Februar 2025, will Pater Sievernich unter dem Titel „Die vier Prinzipien des Papst (sic) Franziskus“ zeigen, wie diese Prinzipien einen Zugang bieten zum Verständnis des Denkens und Handels des Papstes (bzw. einstigen Erzbischofs). Der Beitrag wurde anläßlich der Veröffentlichung der so genannten Autobiografie des Papstes mit dem Titel „Hoffe“ publiziert.

2.
Diese wahrscheinlich philosophisch zu nennenden Prinzipen sind für Papst Franziskus universell gültig, betont P. Sievernich. Er nennt einige Beispiele: Die Zeit sei für Bergoglio/Franziskus wichtiger als der Raum. Beim Begriff Zeit denkt Franziskus wohl besonders an die offene, zu gestaltende Zukunft. Raum hat für ihn, so darf man interpretieren, offenbar etwas Stagnierendes. Aber: Raum ist doch immer doch auch Lebensraum, die Welt, die Natur, Heimat, das Volk usw…

3.
Philosophisch problematisch ist eine weitere Bevorzugung des Papstes hinsichtlich der Binome, seiner Prinzipien: Er behauptet: „Die Realität ist mehr wert als die Idee.“ Klingt zunächst symathisch, ist aber näher betrachtet problematisch: Denn Realität als solche, sozusagen absolut objektiv, gibt es nicht, Realität gibt es nur als das sprachlich von unterschiedlichen Menschen unterschiedlich Erkannte, und damit nähert sich eine solche Realität stark der vom Papst zurückgesetzten Idee an… Naheliegend muss man fragen: Wer könnte denn von sich behaupten, die Realität als solche objektiv zu kennen – die Antwort: doch wohl nur der Papst?

4.
Die Frage der höheren Erkenntnis durch die Kirchenführer und Päpste drängt auch sich auf, wenn man liest: „Die Einheit ist mehr wert (superior) als der Konflikt; das Ganze ist mehr wert als der Teil.“ Dieses Zitat von Jorge Bergoglio stammt aus seinem Buch „Meditationen für Ordensleute“, 1982 ein Argentinien (auf Spanisch) erschienen. Das ist wichtig: Die Ordensleute (und wohl alle Katholiken) sollen die Einheit (mit dem Oberen, dem Papst etc.) mehr schätzen als den Konflikt, also die Auseinandersetzung und das Beharren auf subjektiven eigenen Meinungen. Wer eine solche Einheit als höher geltend propagiert, will mit seiner Zurückstellung von Konflikten eben keine Debatten, keinen öffentlichen Streit. Es ist ja der Papst selbst, der für Einheit sorgt und dadurch Konflikte entschärft, übersieht, ignorierst, wie auch immer. Diese Interpretation der Vorliebe Bergoglios/Franziskus´) für die Einheit wird unterstützt durch seine Behauptung: „Das Ganze ist dem Teil übergeordnet“: Das heißt: Der einzelne (als ein Teil im Ganzen) möge sich bitte dem Ganzen fügen. Aber wer ist das Ganze, und wer bestimmt, was das Ganze will? Bei Hegel war es der Weltgeist. In der katholischen Kirche weiß es der unfehlbare Papst.

5.
Der Aufsatz von Prof. em. Michael Sievernich zeigt also einen nach Prinzipien denkenden und handelnden Papst. Aber konkrete Beispiele für die Anwendung dieser Prinzipien, werden nicht genannt. In welchem Licht erscheint dann etwa der Umgang Kardinal Bergoglio SJ mit den beiden rebellischen Jesuiten (Pater Franz Jalics und Pater Orlando Yorio) in der Zeit der Militärdiktatur Argentiniens: Sollten sie sich auch dem Ganzen fügen? Pater Franz Jalics (1927-2021) hat es ja später getan, so wurde im Vatikan behauptet. Überhaupt wundert sich der Leser sehr, dass die Zeit der argentinischen Militärdiktatur in dem Beitrag von Prof. em. Sievernich kaum erwähnt wird. Das wird eigentlich das dringende Thema der selbstverständlich kirchenunabhängigen historischen Bergoglio/Papst Franziskus – Forschung sein. Hoffentlich.

6.
Aber der Beitrag in „Stimmen der Zeit“ zeigt deutlich, aus welchen Quellen sich Bergoglio/Franziskus diese Prinzipien zusammenbaute: Etliche wichtige Namen von Theologen werden da genannt: Lucio Gera etwa, der argentinische Theologe, der die Volksreligion über alles schätzte, was bekanntlich Papst Franziskus als Liebhaber der ziemlich diffusen Volksreligiösität (Liebe zu Ablässen, Heiliges Jahr, Teufelsaustreibungen, Reliquien, Heiligenkulte – Pater Pios offener Sarg im Petersdom usw.) übernimmt. Inspirierend waren bzw. sind für Bergoglio/Franziskus Romano Guardini (1885-1968) und der Jesuit Erich Przywara (1889-1972) und Pater Henri de Lubac (1896-1991), auch der explizite Gegner der angeblich marxistischen Befreiungstheologie Gaston Fessard SJ (1897-1978) wird als „Lehrer“ Bergoglio erwähnt. Man kann nur staunen, dass als Lehrer oder wenigstens als „Inspiratoren“ von Bergoglio/Papst Franziskus nicht die Befreiungstheologen, der Peruaner Gustavo Gutierrez oder Brasilianer Leonardo Boff, erwähnt werden, eine Erwähnung von Hans Küng oder Karl Rahner SJ in der Liste der wichtigen Theologen Bergolios/Franziskus zu erwarten, wäre wohl zu anspruchsvoll. Im ganzen jedenfalls sind es nur Theologen aus der frühen Mitte des 20. Jahrhunderts, die für Bergoglio/Franziskus wichtig und prägend sind … im Blick auf sein Interesse an bestimmten Prinzipien.

7.
Interessanterweise weist Prof. Michael Sievernich, der ein guter Kenner der lateinamerikanischen Kirche und der dortigen Gesellschaft ist, darauf hin: „Das Binom von Wirklichkeit (realidad) und Idee dürfte übrigens für argentinische Ohren Reminiszenzen an den Peronismus auslösen.“ Und es ist sehr enttäuschend, dass Sievernich diese seine Erkenntnis überhaupt nicht weiter vertieft. Denn es ja allmählich bekannt, dass der junge Jorge Bergoglio mit der Jugendorganisation der Peronisten eng verbunden war.
Dies ist wichtig: der irische Journalist und Kulturwissenschaftler Colm Tóibín schreibt in der sehr empfehlenswerten großen Kultur – Zeitschrift „Lettre International“, Frühjahr 2021: „Bergoglio ist ein Peronist, und die Pointe des Peronismus ist es, dass er sich niemals definieren lässt. Die Montoneros, die in den siebziger Jahren Argentinien mit einer Terrorismuskampagne überzogen, waren Peronisten. Und die Eiserne Garde, die rechte Gruppe, mit der Bergoglio in Verbindung stand, bestand ebenfalls aus Peronisten. Präsident Carlos Menem war Peronist und die Präsidenten Kirchner waren es auch. Ein Peronist zu sein, heißt alles und nichts. Es heißt, dass man zeitweise mit genau den Dingen einverstanden sein kann, die man ansonsten ablehnt. Man kann sowohl Reformer sein wie gleichzeitig ein Konservativer“ (S. 74). …“Bergoglio konnte in einem Augenblick den Anarchisten spielen und im nächsten in seine autoritäre Rolle zurückfallen“ (S. 73).Wahrscheinlich sind dies die bisher eher übersehenen Einschätzungen, die zum Porträt Bergoglio/Papst Franziskus unbedingt dazugehören.  Ob der “Peronist” Bergoglio in diesem Sinne noch zum “Prinzipien-Papst Franziskus” passt, sei dahin gestellt. Siehe auch LINK.

8.
Diese historisch gut begründete Aussage Tóibins steht der These gegenüber, Bergoglio/Franziskus sei ein Mann der Prinzipien. So klar ist also diese Aussage von Prof. Sievernich dann doch nicht. Ist Franziskus dann doch der eher launische, irgendwie pastoral gesinnte Jesuit, der „allen alles werden“ will, aber de facto niemandem gerecht wird?

9.
Hier noch einmal die vier Prinzipien des Papstes Franziskus, wie sie Prof. Sievernich kommentiert:
Das erste Prinzip lautet: „Die Zeit ist mehr wert als der Raum.“
Das zweite Prinzip lautet: „Die Einheit wiegt mehr als der Konflikt.“
Das dritte Prinzip lautet: „Die Wirklichkeit ist wichtiger als die Idee“
Das vierte Prinzip lautet: „Das Ganze ist dem Teil übergeordnet“.

9.
Es müssen viele kritische Studien gesammelt werden, um die große – auch humane – Problematik dieser vier Herrschaftsprinzipien eines Papstes aufzuzeigen und Widerspruch zu leisten. Post mortem des Papstes wird diese eventuell marginal möglich sein, in kirchenunabhängigen Medien natürlich.
PS: Ich wundere mich nicht, dass ausgerechnet der sehr konservative italienische Politiker Rocco Buttiglione diese vier Prinzipien des Papstes lobt, so betont es jedenfalls Prof. em. Sievernich SJ. Er behauptet – sehr zu recht – dass dieser höchst umstrittene italienische Politiker „enge Verbindungen zum Vatikan hat“. Wikipedia jedenfalls schreibt u.a über Buttiglione: „2002 ermittelte die Staatsanwaltschaft von Monaco wegen des Verdachts der Geldwäsche zugunsten seiner Partei gegen Buttiglione. Es wurde jedoch kein Beweis dafür gefunden, dass er gegen monegassisches Recht verstoßen hat. Gianpiero Catone, ein leitender Mitarbeiter Buttigliones, wurde in Italien wegen betrügerischen Bankrotts angeklagt. Gegen diesen wird zudem wegen des Verschwindens mehrerer Millionen Euro aus italienischen und EU-Fonds ermittelt.“ (Siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Rocco_Buttiglione, gelesen am 5.2.2025)

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

 

Warum soll der Superreichtum der Milliardäre öffentlich obszön genannt werden?

Die 23. der „Unerhörten Fragen“

Von Christian Modehn am 29.1.2025

Auch diese „unerhörte Frage“ verlangt Erläuterungen.

Zuerst eine Definition:
Obszön, aus dem Lateinischen obscenus, bedeutet schmutzig, schamlos, unanständig, die guten Normen und Werte brechend und zerstörend.
Wer sich obszön verhält, weckt bei anderen Menschen Gefühle des Ekels.
Die obszönen Superreichen wecken jedoch eher den Neid bei den vielen Millionen „Nicht – Superreichen.“ Und dieser Neid führt zur Überschuldung der „Nicht – Superreichen“. Und Überschuldung sehr vieler führt zu politischen Krisen und zur Akzeptanz von rechtsextremen Populisten.

Auch diese unerhörte Frage ist also alles andere als eine bloße theoretische – philosophische „Spielerei“.

Die Erläuterungen:

1.
Die ständige Zunahme des Reichtums der Milliardäre und Multi – Millionäre weltweit wird seit vielen Monaten ebenfalls weltweit ständig wissenschaftlich dokumentiert. Um nur von Deutschland zu sprechen: Hier leben 249 Milliardäre, es sind die Top 10 der Reichsten, und diese Herrschaften kontrollieren 67 % der Vermögenswerte. Hingegen: Die untersten HÄLFTE der Bevölkerung in Deutschland kontrolliert NUR 1 % (in Worten EIN Prozent) der Vermögenswerte.. LINK

Und Carsten Schröder u.a.: MillionärInnen unter dem Mikroskop: Datenlücke bei sehr hohen Vermögen geschlossen – Konzentration höher als bisher angenommen. In: DIW Wochenbericht 29/2020, 511-521.

Weitere Fakten zur Zunahme der Superreichen: Siehe die wichtige OXFAM Studie. 2025: Fußnote 1:
Oder auch den Hinweis der Soziologin Eva Illouz, Fußnote 2:

2.
Diese ungerechte Situation kann und darf nicht nur distanziert und neutral statistisch betrachtet oder als eine Art normale Entwicklung im Kapitalismus beschrieben werden, zu der es – angeblich – keine Alternative gibt. Soviel „Positivismus“ oder „Neutralität“ oder „liberale Großzügigkeit“ ist dem Thema absolut unangemessen: Denn hinter der Statistik verbirgt sich zunehmende Armut weitester Kreise der Bevölkerung, sie können die Miete nicht mehr zahlen, sind vom sozialen Leben ausgeschlossen, weil das Geld für Bildung und Nahrung fehlt usw., die vielen hundert weiteren Beispiele zunehmenden Elends sind bekannt. Vom Hungersterben der Millionen Menschen in der so genannten „Dritten Welt“ ganz zu schweigen, diese erbärmlichsten Menschen in Sudan, Kongo, Haiti usw. sterben auch deswegen, weil die von der reichen Welt (auch den Milliardären) gemachten Wirtschaftsbeziehungen tödlich für sie sind.

3.
Der ganz überwiegende Teil der Menschheit muss sich als Opfer verstehen, und zwar als Opfer des Superreichtums der Superreichen. Es geht also um eine Analyse und Bewertung dieses Täter – Opfer – Verhältnisses, in diesen Begriffen wurde bisher der Superreichtum der Superreichen nicht besprochen. Aber es wird Zeit, dass allgemein erkannt wird: Welchen Schaden der Superreichtum der Superreichen für die Menschheit und – ökologisch – die Welt anrichtet.

4.
Die Superreichen erzeugen durch ihr Verhalten viele Opfer, also Menschen, die unter dem Superreichtum der Superreichen leiden und zu Tode kommen (Hungersterben). Es wird Zeit, dass sich die vielen Millionen Opfer des Superreichtums der Superreichen wehren. Aber diese Herrschaften lassen sich wohl durch Fakten zu ihren Untaten nicht erreichen, sie werden sich deswegen auch nicht schämen. Da werden nur politische Aktionen der Demokraten einen Ausweg bieten. Ob die moderat und so höflich und nett von den vielen Opfern und deren Interpreten geführten Debatten etwa um „Reichensteuer“ da weiter helfen, ist sehr die Frage.

Superreiche erzeugen viele tausend Opfer:
Beispiel: Superreiche verschmutzen die Umwelt wegen ihrer monströsen Autos, ihrer Privatjets, ihrer riesigen Yachten, ihrer vielen nur selten bewohnten Luxuswohnungen in vielen Metropolen oder Villen in bestimmten „äußerst hübschen Gegenden“, Cote d Azur, Mallorca etc…). „Wer viel Geld hat, kann bestehende soziale und ökologische Missstände stabilisieren oder gar vergrößern“ (Jörg Alt). Zu den Super – Luxus-Yachten der Superreichen siehe die Studie des Soziologen Prof. Gregory Selle: LINK. Nur ein weiteres Beispiel: „Große Vermögen im Globalen Norden beruhen oft auch auf sozialer und ökologischer Ausbeutung im Globalen Süden“ (Der Sozialwissenschaftler Jörg Alt, in „Stimmen der Zeit“, Februar 2025.).

5.
Die ständige Zunahme des Reichtums der Milliardäre und Multi-Millionäre ist also ein humanes Problem. Eine Herausforderung für eine halbwegs humane Zukunft. Und das heißt: Der horrende Reichtum der Milliardäre ist auch und vor allem eine Frage der Moral zu diskutieren, des humanen Verhaltens in einer – angeblich – human-sein-wollenden Welt. Diese moralische Betrachtung des Themas ist notwendig, sie erinnert an den nun einmal nur moralisch zu nennenden Skandal, dass einige wenige in absolutem Saus und Braus leben, d.h. in ihrer Langeweile ständig „feiern“ und ihr Geld förmlich verbrennen: Aber nur mit kleinen Spenden (nämlich mal eine Million dort hin, eine andere dahin, je nach Gönnerlaune) ihrer jeden Menschen universell treffenden Verantwortung gerecht werden, also zu teilen. Die Realität des Gemeinwohls, einer der wichtigsten Werte der Menschheit, ist fast verschwunden. Und das darf nicht so bleiben. Ein Beispiel für viele: Für welchen objektiven Unsinn/Blödsinn ein erzkatholischer Millionär in Polen jetzt spendet, siehe den Bau einer monströsen Marienstatue in Polen: LINK:

6.
„CDU/CSU und FDP hatten unter dem Druck der Lobbyisten kein Interesse daran, dem Auftrag des Bundesverfassungsgerichtes von 1995 nachzukommen, Reformen der Vermögenssteuer durchzuführen,“ schreibt der Jesuit und Sozialwissenschaftler Jörg Alt in der Monatszeitschrift „Stimmen der Zeit“, Heft 2, 2025.
CDU/CSU und FDP sind also von Lobbyisten der Ultrareichen abhängig und machen in deren Sinn Politik,

7.
Der CDU/CSU und vielleicht auch der FDP ist es irgendwie dann doch noch etwas peinlich, wenn ihre Abhängigkeit von Lobbygruppen der Reichen zunehmend bekannt wird und damit die demokratische Qualität dieser Parteien auch so „ein bißchen“ in Frage steht. Lobbyabhängigkeit kann man ja schon in Lateinamerika heute nicht mehr ertragen. Im Wahlkampf Februar 2025 wird vor allem von der CDU/CSU nur von „Flüchtlingen“ von den bedrohlichen Andere und einem möglichst totalem Grenzschutz gesprochen, und nicht von Gerechtigkeit, nicht von einer gewissen Beendigung des Superreichtums der Superreichen. Diese Politik ist die Politik der Abschottung, des Sich – Verbarrikadieren in einer Festung, diese Politik hat ihre Grundlage in der Abwehr nicht nur der Superreichen, mit anderen zu teilen und eine für alle (!) humane Welt zu gestalten, in der es dann gar keine Flüchtlinge geben bräuchte.

8.
Unsere unerhörte Frage nennt den Superreichtum der Milliardäre obszön. Damit kommt eine moralische Beurteilung in die Debatte, und das ist gut so: Denn alles humane Handeln der Menschen unterliegt nicht nur rechtlichen Normen, sondern auch moralischen, d.h. universell geltenden humanen Normen.

9.
Das Verhalten von Menschen obszön zu nennen, ist Ausdruck eines kritischen humanen – moralischen Bewusstseins. In dieser „unerhörten Frage“ wird jetzt die Qualifizierung von menschlichem Handeln als obszön aus dem bislang üblichen Rahmen des Sexuellen und Pornografischen herausgenommen: Damals galt als obszön: Heftige Sexszenen im Kino, zur öffentlichen Schau dargestellte Nacktheit oder gar öffentlich gezeigter Sex. Das alles galt bis vor einigen Jahren in Deutschland als obszön. Dann wurden viele toleranter.
Jetzt aber gilt also obszön das zur Schaustellen von absolutem Luxus (Yachten!) durch Milliardäre und Multimillionäre und überhaupt das ethische Verhalten der Superreichen. Wir genießen Champagne und Kaviar in Luxusrestaurants und … vor der Tür dieser Restaurants (er)frieren die Obdachlosen. Sie bekommen beim Weggehen der Pelzmantel-Träger 1 Euro Spende … Obszön wird also zu einem politischen Begriff.

10.
Der Begriff obszön beschreibt jetzt die Zusammenarbeit der Superreichen und der Milliardäre etwa mit dem Regime von Donald Trump: „Eine kleine Gruppe extrem reicher Menschen kooperiert (mit Trump), um die Demokratie und ihre zentralen Prinzipien von Gleichheit und Schutz von Grundrechten abzuwickeln“, schreibt Nicole Deitelhoff treffend im „Tagesspiegel“ vom 27.1.2025, Seite 9.

11.
Das Verhalten der Milliardäre und der sie unterstützenden „gut bürgerlichen- christlichen“ und liberalen Parteien obszön zu nennen, ist natürlich gewagt und gefährlich: Weil ein moralischer Begriff wie obszön die ansonsten streng neutral argumentierende Debatte über Reichtum und Armut („bloß nicht den Superreichen zu nahe treten, sie haben ja so viel Macht, können sich rächen“, was ja leider, siehe Trump Aktionen stimmt) verändert zugunsten einer von Gerechtigkeit bestimmten Gesellschaft und eines gerechten demokratischen Staates. Erinnert wird hier daran, dass Demokratie und Gerechtigkeit austauschbare Werte sind. Wer Demokratie will, der will Gerechtigkeit. Wer populistisch den „Führer“ will, wählt den Niedergang der Gerechtigkeit und der Demokratie.

12.
An der Bewertung des Superreichtums als obszön festzuhalten, bringt Klarheit in die Wahrnehmung unserer heutigen so genannten demokratischen Gesellschaft. Natürlich, das ist auch eine Tatsache: Überall gibt es unmoralische Menschen, in allen Klassen und in allen Organisationen gibt es Leute, die sich obszön (nicht im sexuellen, sondern im politischen Sinne) verhalten. Aber dieses obszöne Verhalten der „kleinen Leute“ erzeugt nicht so viel Opfer wie das obszöne Verhalten der Superreichen.

13.
Dies zu sagen, ist vielleicht ungewöhnlich und und gefährlich, aber es bringt mehr Licht in die beschriebenen Verhältnisse. Die Millionäre von „tax me now“ LINK  sind leider eine Ausnahme, aber sie zeigen, wie ein gerechter Staat, wie eine gerechte Gesellschaft aussehen könnte, wenn Milliardäre human werden.

14.

Der CDU Politiker und Kanzlerkandidat Februar 2025 Friedrich Merz gehört nicht in die Gruppe der Milliardäre. Aber gehört zum erlesenen Kreis der Multi – Millionäre in Deutschland.
Darüber berichtet die TAZ (Autor: Jost Maurin) am 1.2.205 auf Seite 16.
Merz nennt sich als Multimillionär – verlogen – „Teil der gehobenen Mittelschicht“, so die TAZ. Mit dieser irreführenden Bezeichnung will der CDU Chef Merz sich den schlichteren Mittelständlern, den CDU Wählern, anbiedern, will sich ärmer machen als er ist. Nur so kann er diese „Mittelstandspartei“ führen. Die TAZ fragt bei dem Betroffenen nach “Kann sich Merz (auch Söder CSU ist Millionär) die Sorgen der kleinen Leute vorstellen?” Die TAZ schreibt: „Diese Frage der TAZ ließen Merz und Söder bis Redaktionsschluss unbeantwortet.“

Zuvor hatten schon etliche andere Medien über den Multimillionär Friedrich Merz berichtet:
„Das geschätzte Vermögen von Friedrich Merz beträgt 12 Millionen Euro.“
Quelle: LINK https://www.vermoegenmagazin.de/friedrich-merz-vermoegen/. Gelesen am 1.2.2025

„Interessanterweise fühlt sich Merz trotz seines Einkommens nicht der Oberschicht zugehörig. Er hat sein Vermöge nicht nur durch seine politische Tätigkeit, sondern auch als Lobbyist und Berater für verschiedene Firmen erworben.
Laut des Vermögensmagazins beträgt Friedrich Merz` Vermögen um die 12 Millionen Euro.2
So auch FOCUS am 13.2.2024: LINK : Gelesen am 1.2.2025.
Es ist eine Frage an Psychologen, ob diese enorme Selbstsicherheit und Arroganz von Merz (und auch Söder) auch von ihrem „Multi – Millionärsdasein“ stammt? Bei Trump sind diese Zusammenhänge ja evident.

15.
Als nächstes dringendes Thema einer unerhörten Frage steht an: Ist große Privat – Eigentum immer heilig? Ist Eigentum etwa der neue Gott? Dazu haben wir schon eine historische Vor-Studie im Blick auf Proudhon veröffentlicht: „Eigentum ist Diebstahl.“ LINK:

FUßNOTE 1. 
OXFAM: Quelle: Januar 2025 veröffentlicht: https://www.oxfam.de/system/files/documents/oxfam-factsheet-davos-2025-milliardaersmacht-beschraenken-demokratie-schuetzen.pdf
Das lesenswerte Dokument selbst lesen, hier nur ein kurzer Auszug:

„Weltweit ist im Jahr 2024 das Gesamtvermögen der Milliardär*in-
nen um zwei Billionen US-Dollar gestiegen. Ihr Vermögen wuchs
damit 2024 dreimal schneller als 2023. Das Vermögen eines*einer
Milliardär*in vergrößerte sich im Durchschnitt um zwei Millionen
US-Dollar pro Tag. Bei den reichsten zehn Milliardären waren es
sogar 100 Millionen US-Dollar pro Tag. Selbst wenn diese zehn
Milliardäre über Nacht 99 Prozent ihres Vermögens verlieren wür-
den, blieben sie Milliardäre. Im Jahr 2024 kamen insgesamt 204
neue Milliardär*innen hinzu. Dies entspricht durchschnittlich fast
vier neuen Milliardär*innen pro Woche. Damit stieg die Zahl der
Milliardär*innen gemäß Forbes-Reichenliste auf 2.769. In Deutschland stieg 2024 das Gesamtvermögen der Milliardär*in-
nen um 26,8 Milliarden US-Dollar. Es kamen neun neue Milliar-
där*innen hinzu, insgesamt sind es laut Forbes-Reichenliste 130.
Deutschland hat damit nach den USA, China und Indien die meisten Milliardär*innen.
Während Superreiche immer reicher werden, ist die Zahl der Men-
schen, die unter der erweiterten Armutsgrenze der Weltbank von
6,85 US-Dollar leben, seit 1990 unverändert bei fast 3,6 Milliarden
geblieben. Das entspricht aktuell 44 Prozent der Menschheit.
Frauen sind besonders von Armut betroffen. Weltweit müssen
733 Millionen Menschen infolge von Armut hungern – etwa 152 Mil-
lionen mehr als 2019. Die Weltbank geht davon aus, dass es mehr
als ein Jahrhundert dauern wird, die Armut zu überwinden, wenn
die derzeitigen wirtschaftlichen Wachstumsraten anhalten und
die Ungleichheit nicht abnimmt. Laut ihren Berechnungen könnte
Armut dreimal schneller beseitigt werden, wenn die Ungleichheit
verringert würde.
Viele Länder stehen vor dem Bankrott, sind durch Schulden ge-
lähmt und haben nicht die finanziellen Mittel, um Armut und
Ungleichheit zu reduzieren. Länder mit niedrigem und mittlerem
Einkommen geben im Durchschnitt 48 Prozent ihres Haushalts für
die Rückzahlung von Schulden aus. Das ist weit mehr als sie für
Bildung und Gesundheit zusammen aufwenden…..

Fußnote 2:
Fakten zum Reichtum. Eva Illouz, im Buch „Explosive Moderne“, S. 125 f.: „Mitte des 20. Jahrhunderts verdienten die Geschäftsführer großer Firmen im Schnitt 20-mal so viel wie die unter ihnen beschäftigten Arbeiter. Bei heutigen – 2024- CEOs sind es 300-mal so viel“.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin. www.religionsphilosophischer-salon.de

Als Jesus zum Gott erklärt wurde: Das Bekenntnis des Konzils von Nizäa (325) überwinden

Ein Hinweis von Christian Modehn am 22.1.2025. Bearbeitet am 31.1.2025:

Das Vorwort:

Die Kirchen(führer) klammern sich auch heute sehr gern an Vergangenes, verteidigen alte, tote Dokumente, wiederholen sie, kauen sie durch, beten sie nach. Darum geht es in diesem Beitrag am Beispiel uralter Glaubensbekenntnisse, vor allem des Bekenntnisses von Nizäa (325).
Und wir schlagen theologisch und philosophisch gut begründet vor, diese beinahe neurotisch wirkenden Bindungen an nicht mehr nachvollziehbare Definitionen des Christlichen („Bekenntnisse“) aufzugeben. Damit der christliche Glaube als eine universell argumentierende Lehre von humaner Weisheit noch eine Chance des Respekts hat weltweit.

Das Konzil von Nizäa und die dann folgenden Konzilien in Konstantinopel haben die Idee der Hierarchie absolut in den Mittelpunkt gestellt, diese Hierarchie – Ideologie war herrschend wie ein Denk – Zwang und sicher das oberste aller Dogmen: An der obersten himmlischen Spitze ruht Gott, in der weltlichen Realität gibt es die Hierarchie innerhalb des Klerus und die Konkurrenz zwischen dem obersten Kleriker (Papst) und dem obersten weltlichen Herren (Kaiser etc.). Diese Idee, dass die Wirklichkeit hierarchisch “geordnet” ist, hat bis heute ihren Wahn durchsetzen können und damit die Kirchen außerhalb der demokratischen Welt und der Menschenrechte platziert. Über die Wirkung der Hierarchie – Ideologie etwa im orthodoxen Russland bis heute, siehe unten Fußnote 3.

1.

Das ökumenische Konzil von Nizäa vor 1700 Jahren (325) elementar zu kennen und kritisch zu bewerten, ist also nicht bloß Sache von Fachtheologen und Fachphilosophen.
Denn mit dem metaphysisch abstrakten Glaubensbekenntnis des Konzils von Nizäa (der Text: Fußnote 1) wurde der christliche Glaube zu einer Art spätantiker Theorie bzw. Ideologie. In dem Glaubensbekenntnis (auch noch den folgenden, nach dem Konzil von Nizäa) wurde die Verbundenheit mit dem Juden Jesus von Nazareth weitgehend ausgelöscht. Der Grund: Weil die Kirche eine Religion für alle (also für die Heiden) sein wollte, glaubten die Kirchenführer, die Nähe des Christentums zum Juden Jesus von Nazareth (und damit zum Judentum insgesamt) stark reduzieren zu müssen. Gott wollten diese Theologen und ihre theologisch bestimmenden christlichen Kaiser mit ihren philosophischen Formeln „in den Griff bekommen“. Dadurch, so hofften diese Herren, sollte der christliche Glaube universell für alle gedanklich erreichbar sein, was vielleicht für einige gebildete Philosophen damals zutraf. Aber spätestens seit 1000 Jahren nicht mehr zutrifft angesichts der Internationalisierung der Kirchen in vielen Kulturen.

2.

Das ist entscheidend: Es wurde in Nizäa 325 und danach nicht der Versuch gemacht, die allgemeinen (also über das damalige Judentum Jesu hinausgehenden) humanen Weisheitslehren Jesu von Nazareth ins Glaubensbekenntnis aufzunehmen. Also den Menschen Jesus von Nazareth als Vorbild auch für die Heiden darzustellen. Stattdessen wird allen Menschen weltweit bis heute die Kenntnis der Begriffe spätantiker Philosophie und Metaphysik zugemutet, wenn sie ein Bekenntnis sprechen; spätantike Denkweisen und Formeln bestimmen die absolut seit Nizäa geltenden Glaubensbekenntnisse.

3.

Das Konzil von Nizäa und seine Botschaft ist also heute für fragende, nachdenkende Menschen nur ein riesiges philosophisches metaphysisches Problem, für eine persönliche Spiritualität nur eine Belastung. Lässt sich der Verzicht auf die sehr ungewöhnlichen „unorthodoxen“ Weisheitslehren Jesu von Nazareth im Bekenntnis des Konzils von Nizäa und danach noch korrigieren? Dies sollte eine der entscheidenden kritischen Fragen anläßlich des Nizäa – Jubiläums 2025 sein.

4.

Diese Nizäa – Konstantinopel- Bekenntnisse der Kirchen haben also heute nur noch historischen Wert! Sie sind keine Hilfe für ein humanes Leben im Sinne der Weisheitslehren des Jesus von Nazareth. Ob mit unserer Abwehr dieser Konzils – Bekenntnisse jetzt konstruktive weiterführende Debatten eröffnet werden, ist bei der Bindung der katholischen und orthodoxen und einiger lutherischer Theologen an die Kirchenführung zweifelhaft. Die greisen Führer der großen christlichen Kirchen (vor allem des Katholizismus und der Orthodoxie) freuen sich, alsbald (wohl am 19. Juni 2025) in Nizäa (heute Iznik, Türkei) all das vor 1.700 Jahren Gesagte zu feiern und zu bestätigen. Als hätten die Kirchen in dieser verrückt gewordenen, ins Antidemokratische abrutschenden Welt nichts Dringenderes zu tun…
Die Kirchenführer werden das Glaubens-Bekenntnis aus dem Jahr 325 also bestätigen und nachbeten (nur ein Beispiel für diese Haltung: Fußnote 2).

5.

Es setzte sich also also spätestens im 4. Jahrhundert eine Ideologie durch, die bis dahin vorhandene Pluralität der christlichen Glaubenshaltungen aufzugeben: Die Kirchenführer und ihre Theologen waren nur noch an einer abstrakten Gestalt eines universellen Christus interessiert, Christus sollte jene göttliche Heilsgestalt sein, dem sich alle Menschen weltweit als ihrem „Erlöser“ anschließen sollten. Die Kirchenführer glaubten dabei, völlig unbescheiden, mit Unterstützung der Kaiser, von Gott sehr Genaues im Detail zu wissen: Die Ferne der Menschen von Gott und der Menschen Sündhaftigkeit könne nur durch Gott persönlich geheilt werden. Darum muss in diesem Denken Gott selbst in die Welt kommen, und zwar in der Gestalt des Logos, des Sohnes bei Gott – Vater, er, der Logos, steigt aus dem Himmel auf die Erde herab. Und dieser Logos als „Sohn Gottes im Himmel“ soll nun der Christus auf Erden sein, er wird eins mit dem Menschen Jesus von Nazareth…Tatsächlich war also diese universelle Christusgestalt (der universelle Logos) immer noch etwas mit dem Menschen Jesus von Nazareth verbunden und deswegen sprach man und spricht heute noch von „Jesus Christus“. Es gibt dabei das typische undeutliche Schwanken zwischen Jesus und dann Jesus Christus oder schließlich nur noch „Christus“ – etwa als Pantokrator (Allherrscher) in den Basiliken des 5. Jahrhunderts. Dieses unentschiedene Schwanken ist bis heute vorherrschend, auch in üblichen Kirchen-Liedern zu beobachten, etwa in den populären Weihnachtsliedern, aber das ist ein anderes Thema.

6.

Einige zentrale Informationen zum Konzil von Nizäa (325):
Die Voraussetzung für dieses große ökumenische Bischofs – Treffen: Kaiser Konstantin hatte sich 312 dem Christentum zugewandt. Er war von der in seinen Augen wundertätigen Lehre der Christentums und seines Gottes so begeistert, dass er sich als Laie stolz wie ein Bischof gerierte und das Konzil einberief und inhaltlich bestimmte. Der Kaiser war leidenschaftlichst daran interessiert, die vielfältigen Kirchen, damals noch eine Minderheit von 10 Prozent der Bewohner des Reiches, einig und stark zu machen. Denn in der Sicht der Mehrheit hatten sich problematische theologische Lehren ausgebreitet, etwa die Lehre des Theologen Arius: Er behauptete: Jesus Christus sei nur ein Geschöpf Gottes, des ewigen „Gott – Vaters“. Aber Jesus Christus sei selbst nicht als Gott zu bezeichnen. Genau darüber berieten die ca. 300 Bischöfe in Nizäa, und sie kamen zu dem Schluß: Jesus Christus ist mit Gott, dem Vater, wesensgleich („homoousios“ heißt das viel zitierte griechische Wort) und wesenseins mit Gott- Vater. Und der wird als der Schöpfer der Welt gedacht. Wichtiger aber ist: Jesus Christus wurde als Gott bezeichnet und sollte als Gott verehrt werden. Es ist also der göttliche Logos, der Sohn von Gott – Vater, der in Jesus von Nazareth Mensch wird und einige Jahre auf dieser Erde, in Judäa – Israel, gelebt hat.

7.

Nebenbei etwas theologisch Absurdes:
Dieses Problem liegt nahe, wird aber kaum theologisch diskutiert: Wenn der göttliche Logos (der Sohn) also auf die Erde herabsteigt, wie es heißt, und sich mit Jesus von Nazareth vereint, dann ist doch der Platz des Sohnes neben Gott – Vater im Himmel für ein paar Jahre leer. Das heißt: Es gab also einmal eine „Logos – freie Zeit“ im Himmel: Wenn man das Problem auf die Trinität bezieht, muss man sagen: So etwa ab dem Jahr 2 bis ca. zum Jahr Jahr 35 (in diesen Jahren lebte Jesus) gab es nur eine unvollständige Trinität, nur Gott Vater und den heiligen Geist. Erst nach Jesu Auferstehung war der Logos wieder im Himmel…Man sieht an diesem Beispiel, zu welchen absurden Spekulationen man heute noch kommt, wenn man das Dogma bedenkt: Jesus ist Gott.

Das Konzil von Ephesus (431) lehrte dann weiterführend zu “Christus ist Gott-Mensch”: Maria, die Mutter Jesu von Nazareth, ist die Gottes-Mutter. Mit diesem Titel Gottes-Mutter wurde die weite und willkürliche Praxis der Marien-Verehrung, des Marien – Kultes definitiv eröffnet. Alle nur denkbaren Titel wurden dieser Gottesmutter (in der Kunst: Maria im Himmel, neben Gott selbst platziert) zugesprochen, die fromme volkstümliche Phantasie war und ist maßlos. Man denke an den Wunderglauben in Marien – Wallfahrtsorten Lourdes, Fatima, Medjugorje usw…Nur durfte nicht gesagt werden: Katholiken haben auch eine weibliche Gottheit (Maria), obwohl das sicher viele KatholikInnen subjektiv bis heute im Volksglauben meinen. Und viele, bis heute offizielle Marienlieder, haben auch den Inhalt: Maria ist die Retterin, die Gnadenvolle usw… nur die “Miterlöserin” darf sie nicht genannt werden, das wäre selbst dem Papst zu viel des Frommen. etc… LINK

8.

Man hat in den Kirchen immer vermieden, wenn von der Menschwerdung des Logos die Rede war, zu sagen: „Der Logos wurde Jude.“ Gott wurde doch nicht im allgemeinen „irgendwie ein Mensch“. Richtig wäre doch:: „Gott wurde Jude, in Jesus von Nazareth.“ Dann hätte die Kirche sagen müssen, welche Aspekte des unorthodoxen Juden Jesus von Nazareth als Weisheitslehrer nach wie vor für alle Menschen relevant sind. Über die allgemein menschlichen, also nicht explizit jüdisch gefärbten Worte Jesu spricht der katholische Theologe und Dominikanermönch Richard Glöckner in seinem Buch (siehe Literaturangaben) auf S. 140 ff. „Den Kern und das Zentrum der Botschaft Jesu bilden seine Gleichnisse vom Reich Gottes“ (S. 142) „Jesus denkt und spricht in den Gleichnissen außerhalb der jüdisch-heilsgeschichtlichen Traditionen und Vorstellungen. Aber diese Ansätze sind von der frühen Kirche nicht aufgenommen und weiterentwickelt worden.“ (S. 144). Wohl wahr, weil die Kirchen und ihrer Theologen nicht in der Lage waren, seit Nizäa die universale Erlösergestalt Christus mit dem universalen Weisheitslehrer Jesus von Nazareth und seinen universalen (nicht mehr jüdischen, sondern allgemein-menschlichen) Lehren zu verbinden. Das Buch des katholischen Theologen Richard Glöckner hat – soweit ich sehe – leider keine Aufmerksamkeit unter Theologen gefunden. Dabei gäbe es dort vieles zu diskutieren…

9.

Die Gültigkeit der Konzilsbeschlüsse von Nizäa und den danach folgenden Konzilien mussten von den jeweiligen Kaisern (!!) bestätigt werden. Der Kampf um die geistliche, theologische Vormacht von Kaisern und Päpsten hatte begonnen.
Theologen und Bischöfe, die sich gegen die von der Mehrheit angenommenen Bekenntnisse wandten, wurden exkommuniziert, so etwa der in Alexandrien lehrende Theologe Arius. Gegen ihn wandte sich besonders der äußerst einflußreiche heftige Patriarch von Alexandria, Athanasius, mit aller Macht.
Aber mit Gewalt und Strafen lassen sich Ideen nicht töten: Auch Arius sammelte seine Anhänger… Die jeweiligen Feinde des Bekenntnisses wurden bis aufs Blut verfolgt, es kam zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Ein abstraktes, philosophisch – metaphysisches Glaubensbekenntnis hat also heftiges Unheil bewirkt, Frieden jedenfalls nicht. Und die erwünschte theologische Einheit als Uniformität zur Sicherung der Innenpolitik im Reich brachte das Konzil auch nicht hervor. Die Kirchen blieben zerrissen und zerspalten, Pluralität setzte sich – Gott sei Dank – durch. Auch nach dem Konzils von Chalcedon (451) wurde die gegensätzliche, verfeindete und nicht mehr zu versöhnende Vielfalt der Kirchen mit ihren unterschiedlichen Glaubensbekenntnissen evident, etwa in den so genannten „alt-orientalischen Kirchen“, die (in Äthiopien, als Kopten in Ägypten usw..) bis heute glauben: Jesus Christus habe nur eine einzige, nämlich eine göttliche Natur gehabt (Monophysiten).

10.

Im Konzil von Konstantinopel (381) wurde auch die Göttlichkeit des heiligen Geistes als Dogma und Glaubensbekenntnis verkündet. Der heilige Geist wurde als dritte Person Teil der göttlichen Wirklichkeit. In der Trinitätslehre wurde das gedankliche Wagnis ausgesprochen: Drei Personen, Vater, Sohn und Heiliger Geist, haben nicht nur das eine göttliche Wesen gemeinsam, sie sind auch zu dritt dieses eine göttliche Wesen. Der Theologe Hermann Baum nennt in seiner sehr empfehlenswerten Studie „Die Verfremdung Jesu“ (Düsseldorf 2006, S. 154) diese Trinitäts-Lehre zurecht ein „bloßes Gedankenkonstrukt“ (S. 154)… „Es entzieht sich jeder menschlichen Vorstellungskraft“ (S. 155). Und man kann mit Hermann Baum nur schmunzeln, wenn dieses gedankliche Ungetüm den Glaubenden bis heute als absolutes Geheimnis, als hinnehmbares und hinzunehmendes göttliches Mysterium empfohlen wird. Da ist der in den Niederlanden lehrende katholische Theologe Edward Schillebeeckx mutiger und vor allem ehrlicher, wenn er sagte: Auf diese Trinitätslehre sollte die Kirche heute verzichten (LINK ) Aber das macht sie nicht, sie mutet den Glaubenden Unsägliches, Mysterium genannt, Nicht-Nachvollziehbares, zu. Das heißt: Die Kirchen bieten bis heute den Glaubenden „Steine statt Brot.“ Die Frommen lieben aber vielleicht das Unverständliche, das Mysteriöse, das Spinöse, das sie auch zusätzlich und anderweitig in esoterischen Kulten finden und pflegen. Religion wird also von den Kirchen selbst ins Nebulöse gedrängt. Und der alles interpretierende Klerus kann seine phantasiereiche Macht zeigen…

11.

Wird nun aber Jesus Christus als Gott und zugleich auch als Mensch gedacht und verehrt, entsteht wie von selbst die Frage: Hat der in Palästina lebende Jesus (Christus) denn nun zwei Willen gehabt, einen göttlichen und einen menschlichen Willen? Wie passten diese beiden Willen in der einen Person Jesus Christus zusammen? Diese hochspekulativen Fragen will ich hier nicht weiter ausbreiten: Es sollte nur erinnert werden, mit welchem hochspekulativen Kram sich die Christen damals befassten, als sie sich eingelassen hatten in die Übernahme spätantiker Philosophie zur Formulierung des universellen christlichen Glaubens. Ein hübsches Detail zu den zwei Willen (göttlicher Wille und menschlicher Wille) in der einen Person Christi: „Als Papst Martin I. (649 – 653) sich zugunsten von zwei natürlichen Willen in Jesus Christus äußerte und ihn die Patriarchen von Konstantinopel und Alexandrien wegen ihrer Ansicht: „Jesus Christus hatte nur einen Willen“ mit dem Kirchenbann belegte, ließ ihn der Kaiser im Jahr 653 nach Konstantinopel verschleppen und als Hochverräter auf die Krim verbannen. Im Konzil von Konstantinopel 680 wurde dann aber doch gelehrt: Jesus Christus habe zwei Willen gehabt, „ungetrennt, unveränderlich, unteilbar und unvermischt in ihm“, wie es „weise“ und unverständlich heißt. (Siehe dazu das Buch des katholischen Theologen Hermann Baum, „Die Verfälschung Jesu“, S, 161.)

12.

In dem Nizäa – Bekenntnis ist, wie gesagt, von dem ungewöhnlichen unorthodoxen Juden Jesus von Nazareth nur sehr marginal die Rede. Kein Wort in einem offiziellen Glaubensbekenntnis von der Bergpredigt Jesu, von Jesu Gleichnissen, von seiner Verbundenheit mit den Menschen, den Frauen, den Leidenden usw. Es ist der Verlust des Erzählens, der diese Glaubensbekenntnisse so ins Abstrakte – Uninteressante – Nicht – Bewegende führt. Es wird keine Geschichte erzählt von diesem Jesus, den man nun ehren und verehren soll. Diese dann für gültig erklärten und ewig nachgeplapperten Bekenntnisse sind so entleiblicht und enthistorisiert, dass sie Assoziationen an den Charme von Parteiprogrammen wecken. Und, wie gesagt, es ist eine Schande, dass diese Ideologie bis heute fortgesetzt wird. „Erlösung erscheint hier isoliert vom aktuellen Leben, Erlösung wird bezugslos…Allein das historisch greifbare irdische Wirken Jesu von Nazareth vermag das zu erschließen, was christlich Erlösung bedeutet.“ (So der katholische Theologe Hans Kessler, S. 59 und 61). Und der katholische Professor für Altes Testament Fridolin Stier schreibt in seinen „Aufzeichnungen“ „Vielleicht ist irgendwo Tag“ ( Herder – Verlag 1993 S. 38): „Haben die christologischen Bekenntnissätze, die Dogmen, die sagen, definieren, bestimmen, was Jesus ist, als solche die Kraft, die Begegnung mit Jesus zu vermitteln? Oder ist es so, dass von der christologischen Ikone die Aktivität des lebendigen Jesus verdeckt wird?“ Noch deutlicher wird der Theologe und Historiker Maurice Sachot, der in seinem Buch den Religionshistoriker René Nouailhat (Strasbourg) zitiert: „Die christologischen Definitionen sind nicht mehr Ausdruck der Glaubensbekenntnisse von Personen oder von Gruppen. Die Definitionen drängen sich vielmehr auf wie institutionelle Kategorien, wie der Ausdruck eines neuen Machtdiskurses …“ (Seite 214).

13.

Der Vorschlag: 
Dies könnte das entscheidende Profil eines heutigen, vernünftigen christlichen Glaubensbekenntnisses sein: Es sollte regional – kulturell verschieden sein und Ausdruck des wirklichen Glauben der Menschen sein. Man könnte in die Richtung denken:
Christen verehren den Propheten Jesus von Nazareth, sie schätzen dessen Menschenfreundlichkeit und Liebe, seine Bereitschaft, für die Gerechtigkeit einzutreten und dafür -im Widerstand gegen diverse Obrigkeiten – zu sterben. Und sie sind überzeugt, dass ein solcher Mensch im Tod nicht ins Nichts versinkt. Und sie werden sagen: Dieser Mann Jesus von Nazareth lebte in enger liebevoller Verbundenheit mit einem absoluten Seinsgrund und Lebensgrund, den er als Symbol Gott nennen wollte. Und dieser Jesus fühlte sich geleitet von seiner menschlichen Vernunft, seinem Geist, der etwas Heiliges ist im Menschen ist und der selbstverständlich in allen Menschen lebt und wirkt und, wie beim Propheten Jesus von Nazareth, etwas Ewiges ist.
Für mich ist das Glaubensbekenntnis der niederländischen Remonstranten Kirche von 2006 ein Beispiel für ein heute mögliches Bekenntnis, das übrigens bei den Remonstranten nicht vorschrieben ist, sondern als Impuls und Orientierung verstand wird: LINK.

Fußnote 1: Das Glaubensbekenntnis von Nikäa im Jahr 325
Ich glaube an den einen Gott,
den Vater, den Allmächtigen,
den Schöpfer alles Sichtbaren und Unsichtbaren.
Und an den einen Herrn Jesus Christus,
den Sohn Gottes,
der als Einziggeborener aus dem Vater gezeugt ist, das heißt: aus dem Wesen des Vaters,
Gott aus Gott, Licht aus Licht,
wahrer Gott aus wahrem Gott,
gezeugt, nicht geschaffen,
eines Wesens mit dem Vater (homoousion to patri);
durch den alles geworden ist, was im Himmel und was auf Erden ist;
der für uns Menschen und wegen unseres Heils herabgestiegen und Fleisch geworden ist,
Mensch geworden ist,
gelitten hat und am dritten Tage auferstanden ist,
aufgestiegen ist zum Himmel,
kommen wird um die Lebenden und die Toten zu richten;
Und an den Heiligen Geist.
Auf Griechisch:
Πιστεύομεν[1] εἰς ἕνα Θεόν Πατέρα παντοκράτορα, πάντων ὁρατῶν τε καὶ ἀοράτων ποιητήν.

Καὶ εἰς ἕνα κύριον Ἰησοῦν Χριστόν, 
τὸν υἱὸν τοῦ Θεοῦ, 
γεννηθέντα ἐκ τοῦ Πατρὸς μονογενῆ, 
τουτέστιν ἐκ τῆς οὐσίας τοῦ Πατρός, 
Θεὸν ἐκ Θεοῦ, φῶς ἐκ φωτός, Θεὸν ἀληθινὸν ἐκ Θεοῦ ἀληθινοῦ, 
γεννηθέντα, οὐ ποιηθέντα, ὁμοούσιον τῷ Πατρί,
δι’ οὗ τὰ πάντα ἐγένετο, τά τε ἐν τῷ οὐρανῷ καὶ τὰ ἐπὶ τῆς γῆς,
τὸν δι’ ἡμᾶς τοὺς ἀνθρώπους 
καὶ διὰ τὴν ἡμετέραν σωτηρίαν κατελθόντα 
καὶ σαρκωθέντα καὶ ἐνανθρωπήσαντα,
παθόντα, καὶ ἀναστάντα τριτῇ ἡμέρᾳ, 
καὶ ἀνελθόντα εἰς τοὺς οὒρανούς,
καὶ ἐρχόμενον κρῖναι ζῶντας καὶ νεκρούς.

Καὶ εἰς τὸ Ἅγιον Πνεῦμα.)
…………

Der jüdische Theologe Pinchas Lapide kommentiert dieses und das folgende Glaubensbekenntnis: “Im Eiltempo des Credos von Geboren – gelitten – gestorben und begraben (kursiv von Lapide) wird all das gute und beispielhafte Tun und Lassen des Meisters aus Nazareth unter den Tepplich gekehrt”  (Pinchas Lapide, “Paulus zwischen Damaskus und Qumran” , Gütersloh 1993, S. 22).

Das Nicäno-Konstantinopolitanum von 451 (auch Nicaeno-Konstantinopolitanum oder Nizäno-Konstantinopolitanum oder Großes Glaubensbekenntnis genannt) ist auch ein Glaubensbekenntnis, es wird als „Credo“ oft in den Messen und Gottesdiensten verwendet. Im Katholischen Gesangbuch Gottlob hat es die Nr. 586,2, im evangelischen Gesangbuch z. B. in Württemberg die Nr. 687.
Der deutsche Text der katholischen Kirche:
Wir glauben an den einen Gott,
den Vater, den Allmächtigen,
der alles erschaffen hat, Himmel und Erde,
die sichtbare und die unsichtbareWelt.
Und den einen Herrn Jesus Christus,
Gottes eingeborenen Sohn,
aus dem Vater geboren vor aller Zeit:
Gott von Gott, Licht vom Licht,
wahrer Gott vom wahren Gott,
gezeugt, nicht geschaffen,
eines Wesens mit dem Vater;
durch ihn ist alles geschaffen.
Für uns Menschen und zu unserem Heil
ist er vom Himmel gekommen,
hat Fleisch angenommen
durch den Heiligen Geist von der Jungfrau
Maria
 und ist Mensch geworden.
Er wurde für uns gekreuzigt unter Pontius
 Pilatus,
hat gelitten und ist begraben worden,
ist am dritten Tage auferstanden nach der
Schrift
und aufgefahren in den Himmel.
Er sitzt zur Rechten des Vaters
und wird wiederkommen in Herrlichkeit,
zu richten die Lebenden und die Toten;
seiner Herrschaft wird kein Ende sein.
Wir glauben an den Heiligen Geist,
der Herr ist und lebendig macht,
der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht,
der mit dem Vater und dem Sohn
angebetet und verherrlicht wird,
der gesprochen hat durch die Propheten,
und die eine, heilige, katholische
und apostolische Kirche.
Wir bekennen die eine Taufe
zur Vergebung der Sünden.
Wir erwarten die Auferstehung der Toten
und das Leben der kommenden Welt.
Amen.

Fußnote 2:
Nur ein Beispiel für viele, wie heute in katholischen Medien von den Feierlichkeiten des Konzils von Nizäa gesprochen wird: Das eigentlich theologisch – progressive katholische „Haus am Dom“ in Frankfurt/M. kündigt sein Symposium zu Nizäa (6. – 8.3.) u.a. mit diesen Worten an: „Das Konzil von Nizäa zeigt mit seinen Beschlüssen das normative Idealbild einer einzigen, organisatorisch geeinten, in Lehre und Praxis einheitlichen und, in diesem Sinne, ökumenischen Gesamtkirche“. Diese Behauptungen werden verbreitet in dem Programm dieser Akademie zum Halbjahr 2025, S. 15.

Fußnote 3  am 4.2.2o25: Der bekannte russische Autor Vladimir Sorokin hat ein Buch mit dem Titel Die rote Pyramide” (Verlag Kiepenhauer und Witsch) publiziert. Für die Wiener Wochenzeitung “FALTER” (Literaturbeilage  2022, S. 20) hat er zum Thema ein Interview gegeben und damit auf Zusammenhänge aufmerksam gemacht zum bis heute bestehenden Bündnis von christlich – orthodoxer Hierarchie – Fixierung UND der dementsprechenden politischen Herrschaft.

Mit der “roten Pyramide” meint Sorokin die Pyramide der Macht, “die seit dem 16. Jahrhundert in Russland nicht mehr modernisiert wurde… An der Spitze der Pyramide steht eine Person, und von der hängt alles ab…  Über die Zaren, dann Stalin usw. bis zu Putin. Eine Person, die alle Rechte hat, entscheidet alles”, so im Interview mit der empfehlenswerten politischen Zeitschrift  FALTER.

Wenn es also jemals in Russland eine Demokartie geben sollte: Dann muss die totalitäre Ideologie der Pyramide verschwinden. Und damit auch die als Pyramide organisierte russisch -orthodoxe Kirche mit ihrem berüchtigten Kriegstreiber Patriarch Kyrill an der Spitze.

Diese tiefgreifendste Reformation der russischen wie der anderen orthodoxen Kirchen wird aber nicht passieren, weil die frommen Leute im Laufe der Jahrhunderte förmlich zutiefst eingelullt wurden von Weihraum, Ikonen, Singang und der absoluten Hochschätzung der Popen, der Patriarchen…Diese Leute sind hierarchie- gläubig….

Und dies ist ein Riesenproblem: Die ebenfalls pyramidal orientierten Päpste – auch Franziskus – haben kein dringenderes ökumenisches Anliegen, als eine Versöhnung, wenn nicht eine Verbindung mit diesen pyramidalen orthodoxen Kirchen anzustreben. Eine Potenzietrung der Pyramie also!

Bitte nicht diese Ökumene, kann man als kritischer Theologe nur sagen. Aber das sagt aber sonst keiner. Schon gar nicht in diesem “wunderbaren” Nizäa Gedenken von Papst und orthodoxen Patriarchen…Dort wird die Pyramide wieder heilig geprochen, als göttlich verehrt, denn Gott ist ganz oben… Dabei war der Weisheitslehrer Jesus von Nazareth “ganz unten” und er blieb ganz unten. Bei den Menschen, die alle gleichberechtigt sind…

Literaturempfehlungen:

Angesichts der immensen Fülle von Fachliteratur zum Thema empfehlen wir zum weiteren Studium vor allem das leider nur noch antiquarisch zu erwerbende Buch des katholischen Theologen und Philosophen:

Hermann Baum „Die Verfremdung Jesu“, Düsseldorf 2006. Dieses grundlegende, äußerst wichtige Buch sollte man sofort bestellen, solange dieses Buch überhaupt verfügbar ist.

Paul Veyne, „Als unsere Welt christlich wurde (312 -394).“ „Untertitel: Aufstieg einer Sekte zur Weltmacht. C.H.Beck Verlag, 2008. Sehr detaillierte Studien des international geschätzten Althistorikers.

Hans Kessler, „Erlösung als Befreiung“, Düsseldorf 1972.

Gottfried Bachl, „Der schwierige Jesus“, Innsbruck -Wien, 1996.

Maurice Sachot, „L invention du Christ. Genèse d une religion“, Paris 1998.

Richard Glöckner, „Quo Vadis? Das Christentum am Scheideweg zur Moderne“ , Lit Verlag Münster, 2023, 170 Seiten.

Copyright: Christian Modehn, www.religionsphilosophischer-salon. de