Anton Bruckner – 200. Geburtstag: Eine ungewöhnliche Einladung nach Oberösterreich.

Ein Buch macht mit dem “Dickschädel” Anton Bruckner vertraut.

Ein Hinweis von Christian Modehn am 26.4.2024.

1.
Der runde, der 200. Geburtstag des Komponisten Anton Bruckner am 4. September steht – vom Tag (26.4.2023) der Publikation dieses Hinweises aus gesehen – noch nicht unmittelbar bevor: Aber wir sollten uns viel Zeit gönnen, um das vielfältige Opus Anton Bruckners zu entdecken oder durch nochmaliges Hören wieder schätzen zu lernen, etwa seine 8. Sinfonie oder das „Te Deum“ oder das “Requiem“, sogar seine Kammermusik könnte man wahrnehmen, ganz abgesehen von den Orgelwerken.

2.
Eigentlich haben Musikwissenschaftler über Anton Brucker und sein Werk alles gesagt, kann man berechtigterweise denken angesichts der riesigen Fülle der Bruckner Studien. (So auch Florian Sedmark, in dem hier vorgestellten Buch, S. 107). Aber ein Aspekt hat noch gefehlt: Ein Buch, das nicht nur informierend, sondern durchaus unterhaltsam in Bruckners Heimatland Oberösterreich führt. Eine Art neuer, interessanter Melange ist entstanden, bestehend aus Reiseführer zu den etwa 40 Bruckner – Orten in Oberösterreich, und immer auch Hinweisen zu des Komponisten Leben dort, also das Leben und Feiern dort und Komponieren und Essen und Trinken und Geselligsein. So ist also ein Buch entstanden, das als Begleiter für „leibliche Reisen“ „vor Ort“ sehr dienlich ist, das aber auch als geistiger Begleiter, etwa bei der Lektüre auf dem Sofa zu Hause, in die Dörfer und Städtchen und Klöster führt, in denen der reiselustige Bruckner sich oft aufhielt.

3.
Der Autor Florian Sedmark wird diesem Anspruch gerecht: Er hat die Begabung, die LeserInnen zu den Bruckner Orten in Oberösterreich mitzunehmen (und dort auch viel lokale Geschichte bis hin zu Gaststätten und Kirchen zu beschreiben). Dabei erliegt er bei allem Respekt nicht der Versuchung, sozusagen Bruckner heilig zu sprechen. Er weiß von des Komponisten „widersprüchlicher Persönlichkeit“, von seiner Starrköpfigkeit vor allem: Eine Erkenntnis, die auch zum Titel des Buches führte: „Dickschädels Reisen“. Bruckner sah sich selbst so…Er war im Aufbruch der Moderne und der zunehmenden Säkularisierung traditionsverbunden, er pflegte eine fast kindlich erscheinende katholische Frömmigkeit mit regelmäßigen Gebetszeiten, eine Ausnahme im Europa des 19. Jahrhunderts, nicht nur unter Komponisten. Gleichzeitig liebte er sehr gute Portionen deftiger „heimatlicher Speisen“und natürlich schätzte er manchmal allzu heftig auch das Bier. All die „Ambivalenzen“ Bruckners will der Autor nicht auflösen (S. 13). Brucker war so vieles, Schulmeister, Musiklehrer, Ländlergeiger, Dozent, Professor, leidenschaftlicher Schwimmer, Organist in berühmten Kirchen, glänzender Schöpfer von Improvisationen auf der Orgel.
Das Buch zeigt die komplexe Wirklichkeit des Menschen Anton Bruckner. Er war ein hochbegabter Musiker, stammte aus eher “bescheidenen Verhältnissen“, er schätzte immer diese Menschen, die auf ihre Art in den Dörfern etwa musikalische Traditionen pflegten, auch in „Gesangsvereinen“. Er war durchaus gebunden an Autoritäten, ängstlich vor Kritikern seines Werkes, aber: Bruckner hat sich durchgesetzt und große Musik uns gegeben.

4.
Das Buch ist außergewöhnlich und originell, weil es auch über QR Codes viele Möglichkeiten bietet, Bruckners Musik an den jeweiligen Orten „nachzuhören“. Etwa auch den 1. Satz der 8. Sinfonie (Seite 117).

5.
Dass Bruckner seine Karriere auch in Wien erlebte, in den Jahren 1868 -1896), wird von Florian Sedmark erwähnt , aber nicht weiter vertieft. In den für Bruckner schwierigen Jahren in Wien zog es ihn immer zu längeren Aufenthalten (Urlaub, Erholung, aber auch Therapie) in seine Heimat, nach Oberösterreich.

6.
Für alle, die sich spätestens im Sommer nach Oberösterreich aufmachen, nach Linz, St. Florian, Kremsmünster usw… oder auf dem Sofa ihre Reisen gestalten: Hier eine alphabetisch gegliederte Liste der „Bruckner-Orte“, die das Buch präsentiert, das allerdings der Lebensgeschichte folgt: Ansfelden der Geburtsort), Attersee, Bad Goisern, Bad Ischl, Bad Kreuzen, Eferding, Enns, Gmunden, Grein, Hörsching, Kirchdorf an der Krems, Klaus an der Phyrnbahn, Kremsmünster, Kronstorf, Leonding, Linz, Luftenberg an der Donau, Micheldorf, Neufelden im Mühlkreis, Ottensheim, Perg, Ried im Innkreis, Schlierbach, Schwanenstadt, Sierning, St. Florian, St. Marienkirchen an der Polsenz, Steyr, Steyregg, Ternberg, Vöcklabruck, Wels, Wilhering, Windhaag bei Freistadt, Wolfern.

7.
Neu dürfte für einige LeserInnen auch der Aufenthalt Bruckners in Berlin im Jahr 1894 sein: Zwei Jahre vor seinem Tod erlebte Bruckner dort die Aufführung der Siebten Sinfonie und des Te Deum. In Berlin logierte er im Luxushotel ADLON. (S. 174).

„Dickschädels Reisen. Durch Oberösterreich mit Anton Bruckner“. Von Florian Sedmark. Mit einem Essay von Norbert Trawöger. 256 Seiten, Hardcover mit Lesebändchen. Anton Pustet Verlag Salzburg, 2024, 25 €.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

Ist Kant jetzt wieder tot? Oder lebt er weiter nach den Geburtstags – Feierlichkeiten?

Ein Hinweis von Christian Modehn am 23. April 2024

1.
Die Geburtstagspartys zu Ehren Immanuel Kants, in allen Medien veranstaltet, sogar mit ehrenden Worten von „prominenten“ Politikern, sind zu Ende: Kants großer Tag war der 22. April 2024, da feierte er mit vielen Menschen in aller Welt seinen 300. Geburtstag. Schon Monate vorher lief der Geburtstagstrubel auf Hochtouren: So wollen es nun die Gesetze des Kulturbetriebes und des Journalismus: Große Gedenktage großer Namen bringen eben auch großes Geld … Sollten aber vor allem Erkenntnisse fördern.

2.
Die Gemeinde der „Kulturschaffenden“ hat sich bereits voller Publikationslust den nächsten runden Gedenktagen zugewandt: Bis zu seinem 100. Tagestag, am 3. Juni 2024, wird Franz Kafka noch weiter gefeiert, bedacht, geehrt, „gewürdigt“, hoffentlich auch gelesen und der Vernichtung vieler seiner Familienmitglieder durch Deutsche, Nazis, gedacht… Dann folgt der große Caspar David Friedrich, sein 250. Geburtstag am 5. September treibt schon jetzt viele Tausend Menschen zum Staunen und Entzücken in die Sonderausstellungen. LINK.  Wer denkt bei so vielen Größen noch daran, dass der Schriftsteller und Satiriker Karl Kraus am 28. April 2024 seinen 150. Geburtstag feiert? LINK. Wer hat sich musikalisch und religiös bereits auf den Komponisten Anton Bruckner eingestellt, der am 4.9. seinen 200. Geburtstag begeht? Wird höchste Zeit, z.B. seine 8. Symphonie wieder zu hören … oder sein Heimatland Oberösterreich zu besuchen (zu Bruckner, siehe Fußnote 1)

3.
Man hat den Eindruck: Die Präsentation von Kultur bewegt sich heute hart an der Grenze der „Gedenktageritis“, der Fixierung auf runde Geburts – und Todestage. Dabei könnte man doch prinzipiell jeden Menschen und dessen einmalige Individualität auch an „eckigen“ Gedenktagen bedenken…

4.
Zurück zu Kant: Ist er ab heute, 23. April 2024, schon wieder tot für die meisten Menschen? Philosophen werden sein Werk zwar weiter studieren und die schon jetzt unübersehbare Fülle der Kant – Studien ausbauen. Aber muss man wirklich erst 10 Jahre abwarten, um zu wissen: Welche breite Wirkung hatten denn nun die vielen Bücher, Reden, Beiträge, Sendungen anläßlich von Kants 300. Geburtstag? War alles eine kulturelle Zwangshandlung oder bleibt „etwas hängen“ im Bewusstsein der Menschen?

5.
Um nicht gleich in ein kulturkritisches Jammer zu verfallen: Besser ist die Antwort auf die Frage, die eigentlich als Leitmotiv alles öffentlich Kant-Gedenken und Kant – Besprechen hätte bestimmen sollen: Was soll denn jeder Menschen von Kants universell geltenden Erkenntnissen wissen:

– Jeder Mensch soll wissen, was der „Kategorische Imperativ“ deutlich erklärt. Er könnte eine Art ethisches „Allheilmittel“ sein. Und er bietet große Sicherheit bei der Frage: Wie gestalte ich mein menschliches Leben mit anderen? Es geht um die Förderung der Würde des Menschen! Dann entsteht aber die Frage: Welche Lebensphilosophie, welche Ideologie, welche Maxime ist für mich wichtig, hat sie auch Bestand vor der universell für alle Menschen geltenden Vernunft? So, wie doch die meisten Menschen gewisse mathematische Kenntnisse haben (etwa die schlichte Erkenntnis: „Einfallswinkel gleich Ausfallswinkel“), so sollte eben auch jeder den Kategorischen Imperativ kennen.

Jeder Mensch sollte mit Kant wissen: Angesichts des zunehmenden Fundamentalismus in der Politik und in den Religionen und Kirchen, ist eine noch zu schaffende universale vernünftige Menschheitsreligion der Humanität entscheidender als die Bindung an eine konkrete historisch gewachsene Religion und Konfession. Diese Menschheitsreligion braucht keine Institution, braucht keinen Klerus: Die einzelnen Menschen sollen erfahren und wissen: Es gibt eine göttlich genannte schöpferische Urkraft, im Geist der Menschen ist sie verstehbar. Und diese einfache Vernunftreligion hat wenige Grundsätze, allgemein vernünftig einsehbar: Diese Menschheitsreligion gebietet die Toleranz, den Respekt, empfiehlt die Liebe. Kant spricht in dem Zusammenhang von der unsichtbaren Kirche.

Auch wenn es um Frieden und Krieg geht, ist eine große Leitlinie für Kant zentral: Jeder Krieg ist zuerst und vor allem ein Unrecht, weil er die Menschenrechte verletzt, d.h. Weil er die Würde eines jeden Menschen verletzt. Und gegen diese schlimmste aller Degradierungen, den Verlust der Würde des Menschen, können aufgeklärte Bürger und deren Politiker nach Kant – schon im 18. Jahrhundert gedacht – Entscheidendes tun: Sie können z.B. Verträge untereinander schaffen, die den Krieg verhindern, sie können einen Völkerbund organisieren, sie sollen ein „Weltbürgerrecht“ schaffen, das die Rechte eines jeden gegenüber jedem anderen Staat garantiert. Diese Vorstellung mag „idealistisch“ erscheinen: Aber nur unter der globalen Perspektive einer anderen, also einer gerechten, friedfertigen Welt, von den Menschenrechten geregelt, lässt sich die Hoffnung bewahren, die Hoffnung, dass es sinnvoll ist, auf dieser Erde als Mensch mit anderen leben zu können.

6.
Mit diesen sehr knappen Hinweisen wird kein Spezialwissen zu Kant verbreitet, sondern mit Kant werden die Grundlagen des Menschseins freigelegt.
Kant hat natürlich nicht auf alle Fragen richtige Antworten. Aber er hat einige bleibende, richtige Antworten auf die ewige Frage: Wie kann ich als Mensch – jeder Kultur – menschlich leben? Einige zentrale Erkenntnisse des Philosophen Immanuel Kant zu kennen, sie im Gedächtnis zu behalten, sie praktisch im Leben als Orientierung zu gebrauchen: Das sollte nun wirklich ein Resultat all der vielen Feierlichkeiten, Publikationen, Reden usw. zu Kants 300. Geburtstag sein. Es ist doch wohl nicht so, dass wir von dem Gefühl bestimmt sein sollten: Na ja, gibt es halt zu unserer Abwechslung immer wieder runde Gedenktage, und die “haken wir ab“, und dann geht ungebrochen der alte Trott weiter. Mit neuen runden Gedenktagen. Das wäre dann wirklich der Kulturbetrieb…

Fußnote 1: “Durch Oberösterreich mit Anton Bruckner: Dickschädels Reisen” von Florian Sedmak, Verlag Anton Pustet, 2024, 256 Seiten.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

Karl Kraus – Sein „Dienst am kritischen Wort“

Ein Hinweis anläßlich des 150. Geburtstages
Von Christian Modehn am 18.4.2024

1.
Es gilt, vorsichtig zu sein, wenn wir aktuell an Karl Kraus, den Autor, Satiriker, Schriftsteller, den Kritiker der Sprache und der Wörter mit einem Hinweis erinnern:
Geboren wurde Karl Kraus am 28. April 1874 in Gitschin, Böhmen, gestorben ist er am 12.Juni 1936 in Wien.

2.
Warum eine besondere Vorsicht bei dem, hier nur sehr kurz gefassten, Erinnern an Karl Kraus?
Seine politische Haltung in etlichen seiner Lebensphasen haben Kenner oft reaktionär genannt, (so etwa Sigurd Paul Scheffel, in „Literaturen”, Heft 1/2 2004, S. 36). Manche betonen wohl zu recht, die Haltung Karl Kraus` gegenüber der liberalen Presse („Neue Freie Presse“, Wien) sei von Hass bestimmt gewesen. Sein Eintreten für den österreichischen Politiker und späteren Diktator Engelbert Dollfuß (1933/34) ist bekannt.„Dass er die ‚Bewegung’ (Nationalsozialismus) lange unterschätzt hat, lässt sich nicht leugnen“( Quelle:    LINK  
Karl Kraus hat sicher auch die Moderne und damit wohl auch demokratische Strukturen heftig attackiert.
Und auch dies: Karl Kraus, in einer liberalen, bürgerlichen jüdischen Familie großgeworden, hat später dieses elitär empfundene jüdische Milieu seiner Herkunft und Umgebung abgelehnt und öffentlich kritisiert. Er war gegen den Zionismus und erhoffte sich die Überwindung jeglicher Getto – Existenz der Juden von einer vollständigen Assimilierung der Juden an ihre Umgebung.
Karl Kraus ist 1899 aus der „jüdischen Kultgemeinschaft“ ausgetreten, er konvertierte im Jahr 1911 zum Katholizismus, sein Taufpate war in der Wiener Karls-Kirche der Architekt Adolf Loos. Kraus löste sich aber im Jahr 1922 wieder von der Kirche, wohl auch aus aktuellem Ärger darüber, dass in einer Salzburger Kirche weltliche Theateraufführungen stattfanden.
Dabei darf nicht vergessen werden, dass Kraus keineswegs nur der scharfe und streitbare Polemiker, er war durchaus hilfsbereit, unterstütze großzügig z.B. Autoren in finanzieller Not… (vgl. „Karl Kraus“ von Paul Schick, Rowohlt Monographien, 1978, S. 58).

3.

Das umfangreiche Werk von Karl Kraus hat seinen Mittelpunkt in der satirischen Zeitschrift „Die Fackel“, sie erschien von 1899 – 1936, seit 1911 mit dem Zusatz “Sämtliche Beiträge von Karl Kraus“. „Die Fackel“ wurde in unregelmäßiger Folge publiziert, war im Sinne des Gründers und dann einzigen Autors eine Art anti-journalistische Zeitschrift, also eine, die gegen alle sprachliche Oberflächlichkeit argumentierte und polemisierte, sie legte Korruption und Verblendung frei – im Unterschied zu den damals üblichen führenden Presseerzeugnissen.

4.
Trotz der Probleme und Irritationen zu Karl Kraus sind für uns zwei Aspekte seiner Publikationen wichtig: Es ist seine SPRACHKRITIK, die auch in seinen zahlreichen Aphorismen Ausdruck findet.
Und wichtig ist es für uns, auf das berühmte Theaterstück, die Tragödie in 220 (!) Szenen, mit dem Titel „Die letzten Tage der Menschheit“ (verfasst von 1915 – 1922)
hinzuweisen.

5.
Die Sprachkritik von Karl Kraus kann heute eine Anregung sein, kritisch mit dem eigenen Sprechen und dem Erleben der Sprache anderer umzugehen und zu einer neuen Wahrhaftigkeit des Sprechens und der Sprache zu finden, befreit von Floskeln und Schablonen.
Die folgenden Aphorismen von Karl Kraus sind entnommen: „Gemütlich bin ich selber“, Büchergilde Gutenberg, 2004. Die Seitenzahlen beziehen sich auf dieses Buch.

„Ich möchte mit der Umgangssprache nicht Umgang haben“. (Seite 81).

„ Mit Leuten, die das Wort èffektiv` gebrauchen, verkehre ich in der Tat nicht“ (S. 47).

„`Gottvoll` ist in mancher Gegend ein Superlativ von `komisch`. Ein Berliner, der eine Moschee betrat, fand diese gottvoll“ (S. 70).

„Nicht alles, was totgeschwiegen wird, lebt“ (S. 29).

„Am Chauvinismus ist nicht so sehr die Abneigung gegen die fremden Nationen als die Liebe zur eigenen unsympathisch“ (S. 23).

„Der Übermensch ist ein verfrühtes Ideal, das den Menschen voraussetzt“. (S. 22)

„Aussprechen, was ist – ein niederer Heroismus. Nicht dass es ist, sondern, dass es möglich ist: Darauf kommt es an. Aussprechen, was möglich ist!“. (S. 64)

„Meine Sprache ist die Allerweltshure, die ich zur Jungfrau mache“. (S. 63)

„Ein Übel gedeiht nie besser, als wenn ein Ideal davor steht“ (S. 77).

„Der Fortschritt macht Portemonnaies aus Menschenhaut“ (S. 60).

„Satiren, die der Zensor versteht, werden mit Recht verboten“ (S. 51).

„Sozialpolitik ist der verzweifelte Entschluss, an einem Krebskranken eine Hühneraugenoperation vorzunehmen“ (In: Karl Kraus, „Beim Wort genommen“,München, 1955, S. 70.)

„Der Unsterbliche erlebt die Plage aller Zeiten“ (ebd., S. 267).

„Die Sprache ist die Mutter, nicht die Magd des Gedankens“ (ebd. S, 235):

6.
Karl Kraus war überzeugt, dass sich schon in einem unauffälligen, „lockeren“, verschluderten Sprechen (und Schreiben), selbst von angeblichen Nebensächlichkeiten, etwas Übles, unbedingt Abzuwehrendes zeigt. Denn Sprache und Sprechen sind für ihn keine selbstverständlich wie automatisch laufende Aktivität, sie erfüllen keine äußere, diplomatisch – verschlüsselte Funktion. Sie sind als verstümmelte Formeln und ultra-kurze Phrasen nicht akzeptabel und des Menschen nicht würdig. In einer solcher Sprach – und damit Lebenspraxis wird nur Nebel verbreitet, und Herrscher wollen ihre Herrschaft etablieren. Karl Kraus will zu einer kritischen „Ehrfurcht vor dem Wort“ beitragen. Und die lebt von dem ständigen Zweifel an der Qualität des eigenen Sprechens.

7.
Die sozialen Medien heute sind bestimmt von ultrakurzen Informations- Fragmenten. Aktuell ist also – im Sinne von Karl Kraus – eine genau beobachtende Sprachkritik zu leisten, die etwa den Statements der PolitikerInnen gilt. Ein Beispiel die Floskel: „Das haben wir auf den Weg gebracht“. Eine solche „Info“ habe ich von einer so genannten „Spitzenpolitikerin“ in einem Interview von ca. 3 Minuten etwa 15 mal gehört (im Jahr 2024). Ihr fiel keine andere Sprache ein, um ihre politische „Aktivität“ präzise und umfassend mitzuteilen.
Mit dieser Floskel soll die dumpfe Ahnung geweckt werden, die Politiker hätten „etwas getan“, „etwas realisiert“, „etwas verändert“, „etwas reformiert“, sie hätten „ein Versprechen praktisch eingelöst“. Aber was passiert mit dem Projekt als einer Idee, die dann „auf den Weg gebracht“ wird und dort, auf dem Weg, vielleicht unerledigt liegen bleibt wegen der Allmacht der Bürokratie?
Immerhin wird das „Unwort des Jahres“ seit langem dokumentiert. Ein Beispiel: der Begriff „Kollateralschaden“. Er soll verschleiern, dass bei militärischen Attacken gegen einen Feind auch unschuldige Menschen, Zivilisten getötet werden. Wenn ein Politiker hingegen den Mut zur Wahrheit hätte und sagte: „Auch Zivilisten wurden getötet“ klingt dies verstörender und wahrhaftiger als zu sagen: „Es gab Kollateralschäden“. Es ist die Verwendung von Substantiven aus dem technischen Bereich, die das Unmenschliche verschleiern soll. „Kollateralschäden“ entstehen meist außerhalb der Verantwortlichkeit der Menschen.
Für das Ertrinken vieler tausend Flüchtlinge im Mittelmeer seit Jahren gibt es noch keinen verschleiernden, verharmlosenden, neutralisierenden Begriff. Vielleicht könnten – zynische – Politiker in ihrer Frechheit sagen: „Leider sind wieder viele Nichtschwimmer aus Afrika im Mittelmeer gescheitert“.

8.
Es gibt seit Jahrhunderten auch einen Verfall der religiösen Sprache: Man zähle nur einmal nach, wie oft etwa Papst Franziskus bei jeder kleineren oder größeren oder ganz großen Krise sich auf die Formel zurückzieht: „Ich werde für die Betroffenen beten“. Damit will er – in einem korrekten theologischen Verständnis – wahrscheinlich sagen: „Ich bin überzeugt, ich kann diese himmlische göttliche Macht durch meine Worte bewegen, alles zum Guten zu wenden.“ Man kann diese hilflose Frömmigkeit mit ihren floskelhaften Formulierungen durchaus Aberglauben nennen. Warum soll denn Gott höchst persönlich das Bitt-Gebet des Papstes erfüllen und nicht ein ganz anderes Gebet, etwa die Bitte des Putin – Freundes Patriarch Kyrill, Gott möge den Krieg Russlands zum Erfolg führen? Ob gegen den päpstlichen und überhaupt weit verbreiteten Aberglauben auch der Spruch gilt „Da hilft nur noch beten“, wäre zu prüfen. Oder ist Beten vielleicht doch das hilflose Schreien der armen Kreatur: des Menschen?

9.
„Die letzten Tage der Menschheit“ von Karl Kraus, entstanden 1915 – 1922, als Antwort auf die Gräuel des 1. Weltkrieges.
Hier kann nicht das monumentale Drama „Die letzten Tage der Menschheit“ (220 Szenen, 500 Figuren, viele Schauplätze, viele aktuelle Zitate eingebaut…) angemessen beschrieben oder kritisch betrachtet werden. Es kann nur empfohlen werden, dieses vielschichtige Werk mit viel Geduld zu lesen oder Kurzfassungen zu hören… , um sich aus jeglicher Ignoranz oder der Oberflächlichkeit in der Wahrnehmung des Krieges überhaupt zu befreien.
Auch hier wieder werden von Karl Kraus kritische Bemerkungen zu den leeren Floskeln und Worthülsen hervorgehoben, etwa, heute noch üblich, „Der Krieg ist ausgebrochen“. Wie ein Unwetter also, wie ein von Menschen unabhängiges Naturgeschehen? Solche Sprache erzeugt Gefühle der Verantwortungslosigkeit bei den Menschen. Kraus kritisiert ideologische Phrasen, wie „deutsche Bildung“ oder „christliche Zivilisation“. Er sieht in der Presse, dem oberflächlichen, ideologischen Journalismus eine der Hauptgründe für den Krieg und die „letzten Tage der Menschheit“. Sie die Ideologie, in der Presse verbreitet, hat „unser Herz ausgehöhlt“ (Karl Kraus)

10.
Wichtiger scheint mir, sich der Tatsache zu stellen, dass dieses ungeheuer große Drama mit der Auslöschung der Menschheit endet. Man nennt dieses Ereignis populär „Apokalypse“.
Dieser Gedanke, dass die Menschheit sich selbst vernichtet, ist heute so fern ja nicht, auch wenn „die Menschheit“ dieses absolute Ende auch heute gern verdrängt … und sich mit der Floskel rettet: „Die Hoffnung stirbt zuletzt“. Den Wahrheit – Aspekt dieses frommen Wunsches hat noch keiner – Gott sei Dank – erlebt. Denn dann wäre die Katastrophe so total, dass die Menschen die Hoffnung verlieren und damit auch ihr geistiges und materielles Leben.

Anstelle dieses eher gedankenlosen frommen Wunsches „Die Hoffnung stirbt zuletzt“ kommt es darauf an, genau zu bestimmen: Wer denn den Menschen die Hoffnung nimmt! Wer denn die existentielle Aussichtslosigkeit betreibt oder fördert. Es läuft auf die Erkenntnis hinaus: Es gibt Verbrecher in der Politik, die der Menschheit diese letzte Hoffnung permanent zu nehmen versuchen, diese Kriegstreiber und absoluten Nihilisten und Freunde des Todes in Russland, im Nahen Osten, im Iran, in Nord-Korea und so weiter.

Die Hoffnung wird heute also „getötet“. Von Menschen wird Hoffnung als Lebenselixier zum Sterben gebracht, durch Politiker, auch durch solche in der demokratischen Welt, die die schon bestehende Klima – Katastrophe ein bißchen „bewältigen“ wollen. Immer im Interesse ihrer Lobby – Gruppe. Und gegen solche Politiker oder international agierenden Ökonomen können die Bürger in der verbliebenen kleinen demokratischen Welt doch etwas tun. Oder?
Das Drama „Die letzten Tage der Menschheit“ (Karl Kraus) könnte heute als Thema die letzten Tage der Menschheit meinen. Das zu sagen, hat nichts mit Pessimismus oder gar „Alarmismus“ zu tun. Dies ist eine Tatsachenbeschreibung.

11.
Das Drama endet mit dem Untergang der Welt. Gott, der Schöpfer der Welt, weist die Verantwortung für die „Apokalypse“ zurück, es war die Verblendung der Menschen, die entfesselte Unvernunft, die das definitive Ende bereitet. Gott sagt also in „Die letzten Tage der Menschheit“: „Ich habe es (das Ende der Menschheit) nicht gewollt“. Das heißt: Gewollt haben es Menschen, diese freien Wesen, die auch frei sind, um den Untergang zu wollen.

12.
Zum Schluss: Worte von Karl Kraus.

„Wo kommen all die Sünden nur hin, die die Menschheit täglich begeht? Sollten überirdische Wesen nicht finden, dass der Äther schon zum Schneiden dick sei?“ („Gemütlich bin ich selbst“, a.a.O., S. 83)

„ Meine Leser glauben, dass ich für den Tag schreibe, weil ich aus dem Tag schreibe. So muss ich warten, bis meine Sachen veraltet sind. Dann werden sie möglicherweise Aktualität erlangen“ (ebd., S. 37).

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

 

 

Wer aus der Kirchengemeinde austritt, wird zu einer Zahl in einer Statistik!

Informationen zur katholischen Gemeinde „St. Matthias“ in Berlin – Schöneberg
Ein Hinweis von Christian Modehn am 16.4.2024

Siehe auch den Hinweis zum Thema, publiziert am 29.5.2023: LINK:

1.
Religionsphilosophen interessieren sich auch für den religiösen Umbruch in diesem Land. Also für die Austritte aus den Kirchen, etwa aus der katholischen Kirche in Berlin. Und soziologisch und theologisch wichtig ist eigentlich immer die Frage: Wie geht die Gemeinde selbst mit den vielen „Ausgetretenen“ um: Interessiert sie sich noch ein bißchen für die einstigen Mitglieder oder sind sie der Gemeinde und dem Pfarrer – offen gesagt – schnurzegal: In diesem Ungeist werden die Ausgetretenen dann zur statistischen Zahl reduziert und „abgehakt“.

2.
Dieses in Berlin und in ganz Deutschland weithin „pastorale“ „Uns doch egal“ wird sich auf Dauer nicht halten lassen, wenn denn die Gemeinden in absehbarer Zeit dem zahlenmäßigen und deswegen finanziellen Verschwinden nahe sind … und die dann wirklich etwas armen verbliebenen afrikanischen oder indischen Pfarrer in Schöneberg und anderswo sich um einen Zusatzjob kümmern müssen. Dann erinnert man sich – hoffentlich schuldbewusst – an die Zeiten der Ignoranz gegenüber den „Ausgetretene“. Und auch das ist wahr:
Die aus Deutschland oder sogar aus Berlin stammenden katholischen Pfarrer sind in ca. 20 Jahren bis auf eine kleine Minderheit reaktionärer Priester – meist Neokatechumenale – ausgestorben.

3.
Wir haben am 29.5. 2023 einen Beitrag publiziert, speziell über diese katholische Gemeinde St. Matthias in Berlin – Schöneberg. Sie nennt sich allerdings klassisch „Pfarrei“, um nicht mit evangelischen „Gemeinden“ verwechselt zu werden, denn in einer „Pfarrei“ herrscht eben, der Name sagt es, der klerikale Pfarrer.
Zu unserem Beitrag : LINK https://religionsphilosophischer-salon.de/16579_austritte-aus-der-katholischen-pfarrei-st-matthias-in-berlin-schoeneberg-ein-beispiel-fuer-religioesen-wandel-in-deutschland_aktuelles

4.
In diesem Beitrag von 2023 haben wir eine Statistik publiziert über die Austritte von dortigen Gemeindemitgliedern aus dieser katholischen Orts – Gemeinde in Berlin – Schöneberg..
Aktuell wird nun im März 2024 eine neue Statistik vorgelegt:

Die „Pfarrnachrichten St. Matthias,“ Nr.1-2024, 71. Jahrgang, bieten auf Seite 40 diese Statistik zu den „Austritten“:

2018: 150 Austritte
2019: 207 Austritte
2020: 312 Austritte
2021: 297 Austritte
2022: 475 Austritte
2023: 411 Austritte

In den 6 Jahren von 2018 bis 2023 „gab es“ also insgesamt 1.852 Austritte aus der Gemeinde St. Matthias Berlin – Schöneberg.
In diesen Jahren fanden in dieser Pfarrei 28 Wiederaufnahmen in die katholische Kirche statt, offenbar bedingt durch Eheschließungen oder Berufsoptionen in katholischen Betrieben.
In diesen Jahren gab es dort 15 Jahren Konversionen zur Katholischen Kirche.

Man kann also sagen: 43 PLUS steht 1.852 MINUS an Gemeindemitgliedern gegenüber.

5.
Welche „glorreiche Zukunft“ dieser Pfarrei bevorsteht – die dabei durchaus typisch ist für die meisten anderen Pfarreien/Gemeinden im Erzbistum Berlin -, sollen Mathematiker genau berechnen, die dann bitte auch auf die Alters – und Sterbestruktur der Gemeinde beachten müssen.
Sozusagen über den mathematischen Daumen gepeilt, ist in 20 Jahren – zahlenmäßig – fast Schluss mit der Pfarrei St. Matthias. Für Orgelkonzerte und Ausstellungen kann die Kirche dann noch genutzt werden, falls der Staat Geld spendiert zum Erhalt, zu der einen Messe am Sonntagabend reist ein Priester (wahrscheinlich ein Inder) aus der Kathedralkirche St. Hedwig an.

6.
Um solche wissenschaftlich noch dringend zu erstellenden religionssoziologischen Prognosen sollte sich die Kirchenleitung kümmern. Dies macht sie aber nicht. Sie ist so gläubig, dass es immer wieder heißt: „Wird schon gut gehen“. Religionssoziologische Fakten und Prognosen ignoriert  diese Kirche.

7.
Dabei sind die personellen Veränderungen bemerkenswert: In der Groß – Pfarrei St. Matthias mit vier verschiedenen Kirchen und Gottesdienststätten ist noch ein einziger aus Deutschland (aus Münster) stammender Priester tätig, die anderen, jüngeren Priester kommen aus Indien, Ghana, Polen…Der aus Deutschland stammende Pfarrer ist 64 Jahre alt, zehn Jahre wird er wohl noch durchhalten…Dann kommt, wie schon heute, nur der „klerikale Ersatz“ aus den einstigen Missionsländern. Die Kirche in Deutschland tut so, als würden diese Priester dort nicht gebraucht. Aber diese Pfarrer aus den armen Ländern werden hier gut bezahlt, bringen also der armen Kirche dort auch etwas Geld. Und man verschleiert in Deutschland und ganz Europa den Fortbestand des Klerikalismus damit, dass man großspurig sagt: „Die einst Missionierten werden zu Missionaren hier. Ist doch wunderbar!“ Wirklich wunderbar??

8.
Denn es gibt doch noch hierzulande LaientheologInnen und auch andere interessierte Laien, Männer und Frauen, die gern „priesterlose“ Gemeinden leiten würden und selbstverständlich auch Eucharistie feiern könnten und sollten, wenn Rom dies denn zuließe. Aber indem man in Rom ständig betont: Die Eucharistiefeier ist der absoluteste Höhepunkt des katholischen Lebens und nur zölibatäre Priester können diesen absolutesten Höhepunkt zelebrieren, zementiert Rom ad aeternum die klerikale, angeblich zölibatäre Kirche. Das heißt: Erst wenn man aufhört, die Messe als den absolutesten aller Zentren der katholischen Praktiken zu verstehen, wird es eine Reform geben, die den Namen verdient. Oder man sagt richtig: Eucharistie kennen selbstverständlich auch Laien feiern.

9.
Hier aber wollten wir eigentlich nur auf die kalte Art hinweisen, mit der diese St. Matthias Gemeinde – und sicher viele andere – mit ein paar Zahlen mit ihren „Ausgetretenen“ umgeht. Kein Wort der Trauer, kein Wort des Dankes, dass „diese Leute“ so viele Jahre brav ihre Kirchensteuer zum Erhalt dieses klerikalen Systems bezahlt haben; keine Nachfrage nach den Motiven des Austritts…Nichts, gar nichts, wird erläuternd und bedauernd dazu publiziert, Diese Ignoranz ist, offen gesagt, human und christlich gesehen schrecklich. Und man wundert sich eigentlich, warum nicht noch viel mehr Katholiken ihre Kirchenmitgliedschaft, oft als so genannte „Karteileichen“, aufgebe. Karteileiche ist das gängige administrative Unwort für Katholiken, die zahlen, aber nichts – in der Sicht des Klerus – zählen.

10.
Ein Kirchen-Austritt aus dieser Gemeinde wird verständlich, wenn man sich das theologische Profil von St. Matthias anschaut, wie es sich nach außen darstellt: Nur einige Beispiele: Die Wochenzeitung „Tagespost“ (reaktionär katholisch aus Würzburg) wird selbstverständlich regelmäßig in der Kirche zum Verkauf angeboten, die Neokatechumenalen bieten Glaubenskurse an, etwa speziell für Männer, mit dem Thema „Als Mann und Frau schuf er sie“. Man bezieht sich auf einen bekannten Spruch aus der Bibel, um aus dieser rein faktischen Beschreibung von Zweigeschlechtlichkeit Homosexualität und homosexuelles Lieben abzuwehren…). Die umstrittene reaktionären “Pfadfinder Europas” haben in St. Matthias Fuß gefasst.
Im Pfarrnachrichten-Blatt zu Ostern 2024 schreibt Pfarrer I.R., Paul Berger über Ostern und die Auferstehung: „Ich freue mich, (im Himmel, post mortem) meine Eltern, meine Verwandten, meine Freunde wiederzusehen und ewig mit ihnen in Gemeinschaft zu leben. Und ewig ist nicht langweilig, zwei Verliebte, die Zeit miteinander verbinden, langweilen sich nicht“.
Tiefer kann das theologische Niveau eines Hochwürden i.R. nicht abrutschen: Und das wird auch noch publiziert! Hat dieser Herr Pfarrer nie drüber nachgedacht, welcher Symbolsprache sich die Berichte von der Auferstehung Jesu bedienen? Ist er wirklich purer Fundamentalist hinsichtlich der „leiblichen Auferstehung“? Offenbar!

11.
Was spricht eigentlich dagegen, wenn bei diesem Aberglauben jemand behauptet: „Im Himmel ist ewig Jahrmarkt.“ Meine Frage wäre dann nur.: „Immer am Wochenende? Und ist Petrus, der alte Fischer, auch irgendwo dabei? Und wo findet nachmittags die wunderbare Brotvermehrung statt?“ Vor allem: Wo treffe ich denn in himmlischen Weiten meine Tante Olga?

Die Berliner, nicht nur in Schöneberg, haben ein so unsägliches theologische „Niveau“ nicht verdient…Kein Wunder also, wenn sie austreten und diesen fundamentalistisch gläubigen Katholiken ihren fundamentalistischen Glauben überlassen. Ein paar Jahre wird s ja noch „klappen“ mit der alten Masche.

12.
Dass diese katholische Gemeinde mitten im „Gay-Bezirk“ Berlins keinerlei Inkulturation mit ihren Bewohnern und Gay-Katholiken pflegt und praktiziert, ist bekannt, darauf habe ich in dem ersten Beitrag schon hingewiesen. Und von der nun möglichen Segnung homosexueller Paar auch in dieser St. Matthias Kirche habe ich bisher noch nichts gelesen.
Diese Pfarrei lebt irgendwie in der Hinsicht auf dem Mond. Und mißachtet gern die Grundlagen moderner Theologie.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

 

Papst Franziskus erzählt so einiges aus seinem Leben und will das Papsttum als “absolute Monarchie” abschaffen?

Warum einige Themen seines Buches „Leben“ dennoch wichtig sind.
Ein Hinweis von Christian Modehn am 2.4.2024

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Ergänzung am 5.4.2024: Wer sich mit den vielen Stellungnahmen, Büchern, auch der Autobiographie von Papst Franziskus befasst, hat es schwer: Nach der hier vorgestellten Autobiographie hat der Papst gleich schon wieder ein Interviewbuch veröffentlicht, meldet der BR am 5.4.2024: Der spanische Titel “El Sucesor”, die Fragen stellte Javier Martinez-Brocal, der als Journalist und “Vatikanologe” seine Ausbildung an der bekannten “OPUS-Dei -Universität” in Pamplona, Spanien erhielt. Martinez Brocal arbeitet für die bekannte sehr katholische und sehr konservative (PP- Partei) spanische Tageszeitung “ABC”. In diesem Buch “El Sucesor” LINK rechnet Papst Franziskus mit Benedikt XVI. Privatsekretär Erzbischof Georg Gänswein ab, lobt – wider Erwarten? – Ex-Papst Benedikt XVI, der sich bekanntlich als unmittelbarer Nachbar von Franziskus im Vatikan eingenistet hatte. Das Buch “El Sucesor” ersxcheint in dem großen Verlag Planeta, der auch über Bücher des Opus Dei Gründers veröffentlicht…LINK

Man darf fragen: Ist sich der angeblich so progressive Papst Franziskus bewusst, dass er sich mit diesem Buch dieses Journalisten in diesem Verlag in sehr konservative Kreise begibt, die dem OPUS DEI  nahestehen? Braucht er nun sogar Hilfe vom Opus Dei und einer der PP – Partei (gegen Ehe für alle, absolut gegen Schwangerschaftsabbruch etc.) nahestehenden Zeitung (ABC)?

Jedenfalls gilt: Die von Papst Franziskus früher schon genannten üblen “Schlammschlachten” im Vatikan gehen also nun auch von seiner päpstlichen Seite in aller Öffentlichkeit jetzt weiter. Ein bißchen wie in der Politik Argentiniens, damals wie heute, oder?
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1.
Einige Journalisten haben das neue Buch von Papst Franziskus mit dem Titel „Leben“ eine Autobiographie genannt. Für einen solchen Anspruch ist das vorliegende Buch wahrscheinlich nicht umfangreich genug, es hat nur 272 Seiten. Der Untertitel des international verbreiteten Werkes ist: „Meine Geschichte in der Geschichte“. Der Papst versucht also, in persönlicher Erinnerung an einige wichtige Ereignisse seine Sicht der erlebten Geschichte mitzuteilen. Geboren wurde Jorge Mario Bergoglio am 17. Dezember 1936 in Argentinien. Er ist Papst seit März 2013.

2.
Die LeserInnen sind wohl erstaunt, in welcher Ausführlichkeit sich Papst Franziskus in dem Buch seiner Jugendzeit zuwendet und wie bewegt er seine Meinungen über den (argentinischen) Fußball mitteilt. Offenbar will der Argentinier Papst Franziskus erneut seine oft bezeugte Nähe zum einfachen Volk, zu den eher ärmeren Leuten, ausdrücken. Die päpstliche Erinnerung an den Fußball mag zwar menschlich sympathisch sein, aber es gibt für einen Papst in einer „Autobiographie“ vielleicht dringendere Themen.

3.
Dennoch werden Historiker dieses Buch unter den vielen anderen immer wieder neuen Publikationen, Enzykliken und Interviews mit Papst Franziskus beachten müssen.

4.
Zunächst sind zwei eher beiläufig mitgeteilte Aussagen sehr erstaunlich:
Papst Franziskus äußert sich zur Psyche vieler Argentinier: „Anfangs begeistert man sich für etwas, kommt dann aber aus Mangel an Durchhaltevermögen nur mühsam bis ans Ende..Uns Argentiniern fehlt das Durchhaltevermögen nicht nur beim Fußball, sondern im täglichen Leben. Bevor wir etwas zu Ende führen, trödeln wir zu lange herum und erzielen deshalb vielleicht nicht das gewünschte Ergebnis“ (Seite 122).
Die Leser, zumal in Deutschland, denken bei diesen Worten an den – gelinde gesagt – sehr „mühsamen“ Umgang des Papstes mit dem „Synodalen Weg“ in Deutschland oder sie denken an des Papstes Nachlässigkeit, mit der er die „Causa Kardinal Woelki“ seit Jahren verschleppt.
Der Papst machte sich selbst aber etwas Mut, wenn er diesen Gedanken abschließt: „ Zu guter Letzt schaffen wir es zum Glück aber doch“ (ebd). Ein schwacher Trost… für deutsche Katholiken.

– Erstaunlich eine weitere, eher nebenbei formulierte Aussage von Papst Franziskus, die eigentlich, wenn man sie ernst nimmt, zur Abschaffung des Papsttums führen müsste: Auf Seite 255 heißt es: „Es stimmt, dass der Vatikan die letzte absolute Monarchie in Europa ist, und dort werden in seinem Inneren Grabenkämpfe ausgefochten und Hofintrigen gesponnen. Doch das müssen wir dringend überwinden“. Müssen “wir“ also die „Grabenkämpfe“ des vatikanischen klerikalen Beamtenwesens überwinden oder müssen wir sogar die absolute Monarchie abschaffen? Das bleibt in der Aussage des Papstes offen. Die „absolute Monarchie“ ist ja nichts anderes als die Wahlmonarchie des alle demokratischen Gewalten auf sich vereinigenden Papstes. Für diese Interpretation scheint zu sprechen, dass ein paar Zeilen weiter (S. 255) der Papst von den abzulehnenden „Zeiten eines Papst – Königs, einer Monarchie“ spricht. Man darf sich fragen, ob Papst Franziskus eigentlich weiß, was er da so alles fordert. Angeblich hat er alle seine Worte gut bedacht in diesem Buch! Siehe Nr. 13 in diesem Hinweis.

Man fragt sich weiter, ist sich Papst Franziskus der Konsequenzen seiner theologisch richtigen, aber eher nebenbei formulierten Aussage bewusst? Er will wohl – endlich – das Papsttum oder mindestens diese Form des Papsttums abschaffen! Nur ein Vorschlag: Ein modernes Papsttum der katholischen Kirche könnte sich ja aus mehreren gleichberechtigten Patriarchen etwa in Rom, Sao Paulo (Brasilien), Kinshasa und Seoul usw. gestalten…

5.
Diese Aussage „Papsttum ist keine absolute Monarchie“ (also vielleicht doch ein bißchen Demokratie) steht in einem gewissen Widerspruch zu der Aussage des Papstes in selben Buch: „Die Kirche ist doch, wie ich häufig genug sage, kein Parlament“ (S. 64). Also keine Demokratie. Aber auch keine Monarchie. Wieder eine offenbar schnell formulierte Aussage…

6.
Wenn HistorikerInnen und TheologInnen und unabhängige Katholizismus – ForscherInnen eines Tages das theologische Profil von Papst Franziskus kritisch fundiert herausstellen: Dann werden sie von diesen Themen sprechen müssen, das ist jetzt schon sicher:

– Die ausgeprägte und sehr intensive Verehrung Marias, der Mutter Jesu, die Papst Franziskus oft als „Gottes-Mutter“ bezeichnet. Sogar die volkstümliche Verehrung „Maria als der Knotenlöserin“ (in Augsburg ursprünglich verehrt) findet in dem Buch wieder eine Bestätigung. Papst Franziskus mag zwar in seiner Sorge um Arme und Flüchtlinge unter den Päpsten vorbildlich sein, er ist in seinem theologischen und spirituellen Denken konservativ. Man lese etwa S. 123: „Maria und ihr Sohn Jesus (in dieser Reihenfolge formuliert !, C.M. ) müssen immer an erster Stelle stehen“. Und S. 73: „Ich betete zur Muttergottes“ . Und auch der eher obskure Marien-Wallfahrtsort Fatima (Portugal) wird von dem Jesuiten – Papst gelobt und geliebt (S. 153). Manchmal fragt man sich, ob nicht Jorge Bergoglio besser in den Orden der Maristen oder Marianisten als in den Jesuiten – Orden eingetreten wäre.

Nebenbei: Bekanntlich sind die Jesuiten einem besonderen Gehorsam dem Papst gegenüber verpflichtet! Man spricht von dem “vierten Versprechen bzw. Gelübde (neben Armut, Ehelosigkeit und Gehorsm). Welchem Papst gehorcht dann aber besonders ein Papst, der selbst dem Jesuitenorden angehört? Hat der Jesuit Papst Franziskus vielleicht noch – unbewusst? – dem Papst emeritus Benedikt XVI. gehorcht? Und fühlte sich Papst Franziskus erst richtig frei, als Benedikt XVI. verstorben war? Und gehorcht Papst Franziskus sozusagen jetzt seinem “inneren Papst”, “nur noch” seinem Gewissen? Eine interessante Frage…

Ein weiteres Thema:
Die oft im Buch bekundete Liebe zum Gebet, zum Bittgebet und damit zur Bitte um Wunder, etwa, dass doch Christus (oder auch Maria) eingreifen möge und die Wünsche des Glaubenden (Papstes) erfülle. Wer die letzten Predigten desPapstes etwa im März 2024 gelesen hat: immer wird das Gebet als DIE Lösung beschworen, als die Lösung der Katholiken im Krieg, in Konflikten, Katastrophen usw. Als würde nicht besser eine konkrete, differenzierte politische Analyse etc. wirksam weiterhelfen. Diese totale und ständige Überbetonung des Gebets als tatsächloiches Wundermittel in allen Konflikten kann man theologisch nicht anders als Aberglauben bezeichnen. Der Putin – Freund Patriarch Kyrill betet auch für den Frieden aber als Sieg Putins; reaktionäre Katholiken in den USA beten für den baldigen Tod von Papst Franziskus; Evangelikale dort beten für den Sieg von Donald Trump; militante Gegner jeglicher Abtreibung beten für die „Mörder-Frauen“ etc. Wie soll der „liebe Gott“ da noch alle Gebets – Wünsche sortieren und gerecht beantworten? … Diese naive Bettelei bei Gott ist in Zeiten reflektierter Spiritualität nicht ernst zu nehmen. Ein Papst, der doch irgendwie ahnt, was beten theologisch heute bedeuten könnte, sollte etwa öffentlich sagen: Liebe Leute, denkt mehr nach, meditiert, handelt politisch im Sinne der der Menschenrechte, vertraut euch einem letztlich tragenden Sinn – Grund an…

Ein weiteres Thema:
Palast Franziskus wohnt bekanntlich nicht im prachtvollen und „pompösen”, wie er sagt, „Apostolischen Palast“ wie seine Vorgänger! Mit der interessanten Begründung: „Hätte ich mich entschieden, dort zu wohnen, hätte ich vermutlich über kurz oder lang einen Psychiater gebraucht!“ (S. 221). Darf man daraus schließen, dass eigentlich die Vorgänger – Päpste, die dort viele Jahre wohnten, wie Johannes Paul II. oder wie Papst Benedikt XVI., einen Psychiater vielleicht brauchten und sich dessen Hilfe erfreuten?

Mit der nun von Papst Franziskus erlaubten bescheidenen Segnung von Homosexuellen Paaren wird selbstverständlich NICHT eine Ehe für Homosexuelle angedacht oder gar gefeiert. Darauf legt der Pontifex Maximus wert! Denn die Homosexuellen bleiben ALS Homosexuelle in der Sicht des Papstes Sünder (S. 256, 258), dies ist ein theologischer Unsinn: Als wären nicht alle Menschen Sünder, aber die Homosexuellen sind doch nicht als Homosexuelle Sünder, sondern wie alle anderen Menschen auch, wenn man schon in diesen Kategorien noch denken will.

7.
Papst Franziskus mag offenbar das Bild der Urkirche, das weithin verbreitet wird, er schreibt: „In den christlichen Urgemeinden gab es kein Privateigentum. Das ist kein Kommunismus. Sondern das Christentum in reinster Form“ (S. 64). Trotz des Lobes der Urgemeinden meint Papst Franziskus, natürlich dürfe man die Urkirche heute NICHT als Modell verstehen.

8.
Über den Umgang von Pater Jorge Bergoglio als Provinzialoberer der Jesuiten in Argentinien während der Militärdiktatur dort (1976 – 1983) ist viel geschrieben und diskutiert worden. Argentinische Beobachter meinen, Pater Bergoglio habe zwei seiner linken, der Befreiungstheologie verpflichteten Mitbrüder im Jesuitenorden nicht wirklich geholfen, sondern habe sie sogar an die Militärjunta ausgeliefert. Eine Aussage, die Papst Franziskus immer entschieden zurückgewiesen hat. Auch in dem Buch „Leben“ geht er auf diese bis heute undurchsichtigen Zusammenhänge ein und bietet eine neue, bisher nicht bekannte Interpretation seines Umgangs mit den beiden linken, rebellischen Patres Orlando Yorio SJ und Francisco (Franz) Jalics SJ: Papst Franziskus schreibt diese ungewöhnlichen Worte in „Leben“: „Die Priester waren dabei, eine eigene Kongregation (also einen eigenen Orden, C.M.) zu gründen. Und als Provinzial der Jesuiten musste ich sie im Namen des Ordensgenerals darauf aufmerksam machen, dass sie in diesem Fall den Jesuitenorden verlassen müssten“. Dann folgt der nebulöse Satz: “Ein Jahr später war es (?, was ist „es“) tatsächlich so weit“. (S. 99). Was soll denn das heißen? Einen Orden haben die beiden ja nicht gegründet, sie wurden nach fünf Monaten der Inhaftierung und Folter durch die Militärs („Todesschwadrone“) zunächst ins Ausland abgeschoben…
Mit anderen Worten: Über die Nähe und Distanz von Pater Bergoglio zu den Militärs wird wohl noch weiter geforscht werden, trotz aller bekundeten Versöhnung des verfolgten Pater Jalics mit dem Papst, Pater Yorio starb schon 2000 in Uruguay.    Zu Bergoglio in Argentinien: LINK.

Ein weiterer Link auf einen unserer Hinweise zum Thema “Bergoglio in Argentinien” 2013 publiziert: LINK.

9.
Die weitere Forschung über Pater Bergoglio SJ und die Militärdiktatur wird durch eine winzige Äusserung von Papst Franziskus in seinem Buch „Leben“ angeregt: Pater Bergoglio, so berichtet der Mitautor des Buches „Leben“, Fabio Marchese Ragona, habe „desaparecidos“ (Verschwunde) betreut und er „steht für ihre Fälle in ständigem Austausch mit dem Apostolischen Nuntius in Argentinien“ (S.102).
Und dieser Nuntius ist ein Freund des Diktators Videla: Monsignore Pio Laghi war von 1974 -1980 päpstlicher Nuntius in Argentinien, also zu Zeiten der Militärdiktaturen (Jorge Videla) wie auch zu Zeiten des Leitungsamtes der argentinischen Jesuiten durch Pater Bergoglio. Wikipedia schreibt über den Diktatoren freundlichen Nuntius Laghi: „Er sah davon ab, gegen die Verbrechen (Morde, Verschwindenlassen, Folter, Kindesraub und andere Verbrechen) öffentlich zu protestieren. Stattdessen sagte der Nuntius bei einem Besuch der Garnison in Tucumán, Argentinien: „Was das Vaterland ist, wissen Sie, tun Sie gehorsam, was man Ihnen befiehlt, und bewahren Sie ruhig Blut.“ (Zitat: von dem Lateinamerika – Spezialisten Francois Houtard, der Titel seines Beitrags: „Johannes Paul II. als Restaurator der Weltkirche. In: Le Monde diplomatique, 14. Juni 2002. Wikipedia gelesen am 1.4.2024.)

10.
Auf S. 97 erwähnt Papst Franziskus den merkwürdigen Zusammenhang, dass der linke Bischof Enrique Angelelli (von La Rioja, Argentinien) Morddrohungen erhielt. „Angelelli, der auch den apostolischen Nuntius in Argentinien, Pio Laghi, über die erhaltenen Morddrohungen informiert hatte, wurde dann tatsächlich am 4. August 1976 am Steuer seines Wagens ermordet… Der Fall wurde noch am selben Tag (von den Diktatoren) als Unfall eingestuft und zu den Akten gelegt.“ Also der Nuntius konnte seinen Bischof nicht schützen, oder wollte er das gar nicht? Hatte doch doch auch der damalige Erzbischof von Buenos Aires, Kardinal Aramburu, „diese Version des Geschehens (Unfall des Bischofs) anstandslos akzeptiert“, berichtet der Papst in dem Buch Leben“. Und er fügt hilflos hinzu: „Das hat mich sehr geschmerzt“ (S. 97). Und genauso hilflos, eher kühl und unbestimmt der folgende Satz: „Aber auch für die Kirche waren das schwere Zeiten“ (ebd.). Die Auftrags – Mörder von Bischof Angelelli wurden erst 2014 zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt…
Auch über die zwei Aufenthalte Pater Bergoglio in Cordoba, Argentinien, (1990 und 1992) erfährt man nichts Genaues: War es eine Art Bestrafung, dass ihn seine damaligen Ordensoberen aus der Hauptstadt zu einer untergeordneten Funktion nach Cordoba versetzten?

11.
Weitere interessante, eher nebenbei erwähnte Tatsachen können hier ebenfalls nur nebenbei für weitere historische Forschungen erwähnt werden: Papst Franziskus sieht seit 1990 kein Fernsehen mehr (S. 139). Er bekennt auch, erwartungsgemäß, wie eigentlich alle befragten Bischöfe und Kardinäle und Päpste, dass er einmal, zweimal in ein „schönes und intelligentes Mädchen“ verliebt war (S. 72). Aber wie alle zölibatären Kleriker in solchen Fälle immer betonen, wollte er dem HERRN dienen. Nach einer Woche hatte der junge Jorge Bergoglio die plötzliche Liebe zum „sehr süßen Mädchen“ (S. 72) dann doch überwunden. Der Papst schreibt im Rückblick Worte, die von erotischer Begeisterung nicht gerade erfüllt sind. „Eine Woche ging mir ihr Bild nicht aus dem Kopf, und es fiel mir schwer zu beten. Doch dann habe ich es (?, CM) überwunden und gab mich mit Leib und Seele meiner Berufung (als Priester) hin“. Einige LeserInnen wird das „es“ stören, was ist ES, das Bild, das Mädchen, die Liebe? Eine merkwürdige, irritierende Formulierung…

12.
Papst Franziskus hat im Rahmen seiner Reformvorschläge 2018 dafür gesorgt, dass die Todesstrafe nicht mehr Teil der katholischen Lehre des Offiziellen katholischen Katechismus ist. 1992 hatte es noch im offiziellen Katechismus geheißen, die Todesstrafe könne in schwerwiegendsten Fällen angewendet werden“ (§ 2266 des Katechismus). Ausdrücklich wird dort geschrieben, dies sei die „überlieferte Lehre der Kirche“!! Papst Franziskus macht aus dieser traditionellen Bejahung der Todesstrafe (bis 2018) eine allgemeine, nicht differenzierende Aussage: „Die Kirche lehnt die Todesstrafe ab“ (Seite 63).Na ja, seit 2018 ist das offiziell, vorher nicht.

13.
Das Buch „Leben“ hat zweifellos einen hohen Anspruch, es will doch so etwas wie Autobiografie sein. Schließlich wurde das Buch lange und gründlich vorbereitet, wie der Mitarbeiter, der Journalist und Vatikanologe Fabio Marchese Ragona erwähnt. LINK.

14.
Um so schlimmer ist, dass wesentliche Themen des heutigen Leben des römischen Katholizismus von Papst Franziskus gar nicht diskutiert werden: Nur einige Beispiele: Sinnund vor allem Unsinn des Zölibats; Frauenpriestertum; Mangel an Priestern in Europa und damit der Niedergang der Gemeinden; die Bedeutung des Protestantismus; Kirche und synodale Leitung; Kirche und Reichtum, Eigentum (nicht nur in Rom). Wie war das Verhältnis zu dem sogenannten Papst emeritus Benedikt XVI. wirklich, er hatte sich ja in der unmittelbaren Nachbarschaft von Papst Franziskus eingenistet. Und sogar dessen Sekretär Georg Gänswein hatte Papst Franziskus als seinen „Präfekten des päpstlichen Haushaltes bis 2020 (!) beschäftigt. Hatte Franziskus Angst davor, sich ganz von Benedikt XVI. zu trennen, als er nun ausgerechnet noch den Intimus und treuen Freund von Ratzinger in sein eigenes engstes Umfeld holte?

15.
Diese Hinweise zeigen: Unter welchen sehr schwierigen Bedingungen Papst Franziskus im Vatikan lebt(e). Man denke an die heftigen und zweifelsfrei begründeten Attacken von Papst Franziskus in seiner Weihnachtsansprache gegen die Kurie schon am 22.12. 2014, solche heftigen kritischen Worte verdienen bis heute viel Beachtung. LINK

Ein Link auf einen unserer Hinweise zum Thema “Bergoglio in Argentinien” 2013 publiziert: LINK.

16.
Man vergesse nicht: Dieser Papst ist wohl der erste, der den Klerikalismus öffentlich aller heftigst kritisiert. Der Klerikalismus muss überwunden werden, betont er oft, der Klerikalismus sei, so wörtlich eine Pest“ („eine wahre Krankheit“, Seite 256), oder: “der Klerikalismus ist eine Geißel, eine Perversion,“ die das “Potential hat, die Kirche zu zerstören“. Bei der nächsten Papstwahl wird der Klerikalismus wie gewohnt wieder seine Macht zelebrieren. Und der nächste Papst wird wieder ein Kleriker sein. Der Klerikalismus wird erst verschwinden, wenn  auch Frauen Priesterinnen sind.

17.
Papst Franziskus ist vielleicht doch ein wütender Papst, ein Empörter, nicht nur über den Kapitalismus und Neoliberalismus, sondern auch und vor allem über die „Perversion und die Pest des Klerikalismus“, wie er sagt!!
Aber, leider, leider, reflektiert er nicht die Ursachen dieses Klerikalismus: Eine Ursache ist das völlig sinnlose Zölibats- Gesetz, ist die nach Außen hin geforderte Gehorsams- Struktur innerhalb der nur männlichen Priesterschaft in einer Kirche … als Pyramide organisiert.
Empörung ist das eine, Analyse das andere. Mit Empörung wird der Klerikalismus als tödliche Pest der katholischen Kirche nicht verschwinden. Mit anderen Kirchengesetzen und einer Kirchenreformation, die den Namen verdient, sicher schon.

Papst Franziskus. „Leben. Meine Geschichte in der Geschichte.“
HarperCollins Verlag, Hamburg 2024, 272 Seiten, 24€. Aus dem Italienischen übersetzt von Friederike Hausmann und Stefanie Römer. Das Buch mit dem Journalisten Fabio Marchese Ragona verfasst.

Copyright: Christian Modehn, Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon Berlin.

 

Gerechtigkeit ist auch Steuer – Gerechtigkeit.

Wie der demokratische Staat die Über – Reichen (“Superreichen”) zu einem moralisch wertvollen Leben führen könnte.

Ein Hinweis von Christian Modehn

Die neueste Statistik über arme Menschen in Deutschland: es sind 17,7 Millionen Menschen. LINK

1.
Wie viele hundertmal haben wir die Forderungen von Wirtschaftswissenschaftlern, Ethikern und Ökologen gehört und gelesen: Um das Chaos in der Entwicklung des Klimas grundlegend zu korrigieren und die verheere Ungleichheit der Einkommen sowie der Verteilung des Reichtums zu beenden: Da braucht die Menschheit heute eine gerechte Besteuerung des extremen Reichtums. Also konkret: der extrem Reichen, der „Über – Reichen“, wie man heute sagt („Super – Reiche“ wird heute zurecht abgewiesen, klingt zu harmlos).

2.
Und es werden immer wieder Statistiken aufgeboten, immer wieder neue, die den ständig miserabler werdenden Zustand beweisen. Statistiken schläfern zwar nicht ein, sie rufen aber wegen ihrer Abstraktheit und ihrer „Gesichtslosigkeit“ keine heftigen politischen Veränderungen und ethische Reaktionen hervor, die zum Aufstand gegen die immer noch vorhandene Ignoranz im „Klimawandel“ und gegen die soziale Ungleichheit führen.
Ein aktuelles Beispiel: In Deutschland (2024) leben 20 Prozent aller Kinder und Jugendlichen am Rande und unterhalb der Armutsgrenze. Die Milliardäre sind oft nur die etwas entfernt wohnenden, aber sich abschottenden Nachbarn dieser unterernährten, oft auch von der Bildung vernachlässigten Kinder und Jugendlichen in Deutschland sowie ihrer prekär lebenden Eltern. Von einem Aufstand der Armen und deren Sympathisanten ist leider nichts zu spüren, lediglich die Rechtsextremen verführen mit ihrer dummen antidemokratischen Hetze zur gefährlichen Verwirrung und Rebellion.

3.
Unter dem Titel “Tax the Rich“ (Oekom Verlag) ist jetzt ein neues, übersichtliches, gut nachvollziehbares Buch (nur 110 Seiten) erschienen. Wer immer noch nicht mit diesem Thema, das nicht weniger als die Zukunft der Menschheit berührt, vertraut ist, hat hier die Chance, einige Bildungslücken zu schließen. Die Autoren sind beste Fachleute: Till Kellerhoff, Spezialist für Staatswissenschaften und Internationale Beziehungen, sowie Jorgen Randers, Wirtschaftswissenschaftler und Mitglied des „Club of Rome“. Das Vorwort verfasste die Aktivistin und Millionen – Erbin Marlene Englhorn: „Im Januar 2024 gab Engelhorn bekannt, dass sie aus dem von ihrer Großmutter geerbten Anteil 25 Millionen Euro der Allgemeinheit zur Verfügung stellen will.“ (Wikipedia über Marlene Englhorn, gelesen am 29.3.2024).
Marlene Englhorn betont in dem genannten Buch: „Wer (durch das Ausbleiben von Reichensteuer) privilegiert wird, stellt die eigene Comfort – Zone über die Rechte der vielen – und das widerspricht dem demokratischen Prinzip grundlegend“ (S. 10). Die Vermögenden wollen nicht mit der Gesellschaft teilen, „mit eben jener Gesellschaft (der vielen) ohne die es dieses Vermögen nicht geben würde“ (ebd.).

4.
„Eine Vermögenssteuer in Höhe von 1,7 bis 3,5 Prozent für die reichsten 0,5 Prozent der EU Bürger würde jährlich 213,3 Milliarden Euro einbringen. Das Geld stünde den Mitgliedsstaaten für Investitionen in die Energiewende, die Bildung, das Gesundheitswesen, nachhaltige Mobilität oder Beschäftigungsprogramme zur Verfügung“ (Seite 62). Weitere Fakten, allseits bekannt, aber politisch bislang offiziell ignoriert und deswegen wirkungslos: „Die 26 reichsten Menschen der Welt besitzen so viel wie die ärmsten 50 Prozent der Weltbevölkerung“ (S. 20).
„Von den acht Milliarden Menschen auf der Erde sind 800 Millionen, das sind die oberen zehn Prozent der Reichen, für fast die Hälfte der Treibhausgas – Emisssionen verantwortlich“… „Die ärmste Hälfte der Weltbevölkerung verursacht gerade einmal zwölf Prozent dieser Emissionen.“ (ebd). „Soll die Allgemeinheit weiterhin die „reichsten zehn Prozent – Menschen“ mit Steuererleichterungen beglücken, obwohl diese für 50 Prozent der globalen Emissionen verantwortlich sind ?“ (S. 15)

5.
Man möchte wünschen, dass dieses Buch TAX THE RICH sehr weite Verbreitung findet, zumal bei denen, die bisher das Thema ignorierten und einen „Einstieg“ brauchen. Dann können sie lesen oder in Gruppen diskutieren: etwa die Kapitel des Buches „Warum kann der freie Markt unsere Probleme nicht lösen“ , oder „Wer muss zahlen?“, oder „Jenseits der Steuern“…Klar ist: Die abgrundtiefe Kluft im Wohlstand zwischen der arbeitenden Bevölkerung hier und den wenigen Superreichen wird der so genannte freie Markt nicht korrigieren“ (S. 36). Aber die Allmacht des so genanten freien Marktes ist noch immens, obwohl „wir schnellstmöglich den Weg in eine Zukunft finden müssen, die mit der Vergangenheit (des freien Marktes) nicht mehr viel gemein hat“ (S. 100).

6.
„Die Herausforderung ist gigantisch und die mangelnden Fortschritte in den letzten Jahren geben wenig Anlass zu Optimismus“ (S. 105).

7.
„Manchmal ist es schwer, angesichts der überwältigenden Herausforderung, vor der wir stehen im Blick auf die Steuer für die Superreichen, nicht zu verzweifeln.“ (S. 106).
Und die Autoren wollen etwas Hoffnung machen mit dieser Erkenntnis: „Allen diesen Krisen liegen politische Entscheidungen zugrunde. Wir leben in einem von Menschen geschaffenen System.Und Menschen können es verändern“. So sagen die Autoren, durchaus korrekt, aber zwiespältig: Aber warum ist denn eine wirkliche tiefe Reform in den vergangenen Jahren nicht gelungen? Sind die Politiker offenbar doch sehr stark von Lobby- Gruppen der Superreichen abhängig? Das wäre doch spannend, im einzelnen nachzuweisen! Die Autoren hätten mehr Namen und Organisationen, Lobbygruppen und versteckte Anti – Demokraten nennen müssen!

8.
Es hätte dem Buch auch gut getan, wenigstens einige Seiten den Fragen zu widmen:
Haben die Super – Reichen noch ein ethische Bewusstsein? Wie geht man mit solchen Menschen um? Hilft da noch Coaching?
Denken diese Leute vielleicht: Es gibt wertvolle und weniger wertvolle Menschen (zweiter Klasse?).Wo gibt es überall Rassismus?
Was ist von dem Titel „Eigentum ist Diebstahl“ (Proudhon) heute zu halten?
Wie sieht das internationale Netzwerk der Superreichen mit den Reichen (Herrschern) etwa in Afrika aus?
Gibt es überhaupt internationale Organisationen, die für die Milliarden Armer wirksam politisch eintreten? Wie marginal sind die humanen und menschenfreundlichen NGOs?
Noch was anderes: In welcher Weise profitieren die Superreichen von den durch Steuern finanzierten erstklassigen, aber immer noch Ultra teuren Kulturangeboten, etwa in den Opernhäuser Europas: Welcher Bürger (Mittelstand, von Armen sprechen wir lieber erst gar nicht) kann sich eine Opernkarte für 150 Euro leisten oder etwa in Hamburger Elb-Philharmonie oder in der Pariser Oper für mindestens 400 Euro? Es sind die Bürger, die auch den kulturellen Luxus der Superreichen mit finanzieren. Und Stadtteil Bibliotheken müssen schließen und öffentliche Schulen vergammeln in ihrer Bausubstanz. Die Reichen haben ja noch ihre gediegenen Privatschulen, ohne arme und ausländische SchülerInnen versteht sich.

9.
Es wäre weiter ausführlich zu berichten, dass es einige Millionäre und Milliardäre gibt, die den Zustand ihrer Privilegierung im Steuersystem selbst kritisieren und sich mehr Gerechtigkeit wünschen. „Bitte behandelt uns gerecht“, rufen sie den Finanzministern zu. Herr Lindner (FDP) hört das natürlich nicht. Es sind tatsächlich 300 MillionärInnen, WirtschaftswissenschaftlerInnen und PolitikerInnen, die einen offenen Brief an die G20 geschrieben haben: „Wir wollen endlich eine Vermögensbesteuerung“, heißt es darin (S. 27).
Den Schrei der Reichen nach Gerechtigkeit sollte man doch hören, in dieser Welt der tonangebenden Reichen. Wenn man schon nicht den Schrei der Armen, das sind die Arm-Gemachten und Ausgegrenzten und Hungernden hört in dieser Welt. Dann wenigstens den Schrei der Millionäre…

„TAX THE RICH. Warum die Reichen zahlen müssen, wenn wir die Welt retten wollen.“ Von Jorgen Randers und Till Kellerhoff. OEKOM Verlag, 110 Seiten, 14€.

Lesenswert: Proudhon: „Eigentum ist Diebstahl“: LINK

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

Der christliche Glaube ist einfach: Die Provokationen des katholischen Theologen Karl Rahner.

Ein Hinweis von Christian Modehn am 26.3.2024

1.
Einer der wichtigsten katholischen Theologen im 20. Jahrhundert, Karl Rahner SJ, ist vor 40 Jahren, am 30.März 1984, im Alter von 80 Jahren gestorben. Aber er lebt – er lebt weiter in seiner Theologie. Sie verdient die Bezeichnung kreativ, sie sagt Neues, Ungewohntes, Radikales … in einer katholischen Welt, in der Theologen bis ca. 1960 monoton und langweilig “immer dasselbe“ sagen und lehren mussten.
Die Theologie Rahners ist bekanntlich sehr umfassend und vielfältig, sie enthält auch manche explizit nur katholisch interessante Arbeiten (Mariologie, Priesterstand etc.), diese können wir hier beiseite legen.

2.
Viele zentrale, wesentliche Erkenntnisse Karl Rahners sind auch eine spirituelle Hilfe im 21. Jahrhundert. Sie sind in ihrer Deutlichkeit eine bleibende Orientierung für Menschen, die ihren christlichen (katholischen) Glauben mit einem heutigen, modernen, aufgeklärten Denken verbinden wollen: Die Menschen wollen Wesentliches vom Christentum begreifen, möglichst kurz und knapp, darum auch der Versuch Rahners, in „Kurz – Formeln“ den christlichen Glauben nachvollziehbar „auf den Punkt zu bringen“.

Beispiele aus Rahners Werk … zur Besinnung und Meditation:

-„Mein Christentum ist der Akt eines Sich – Loslassens in das unbegreifliche Geheimnis hinein. Mein Christentum ist darum alles andere als eine Erklärung der Welt und meiner Existenz. Der Christ hat weniger als jeder andere letzte Antworten. Seinen Gott kann der Christ nicht als einen durchschauten Posten in die Rechnung seines Lebens einsetzen, sondern nur als das unbegreifliche Geheimnis annehmen …“ (Karl Rahner, “Warum ich heute Christ bin”, zit. in dem wichtigen Beitrag Philip Endeans SJ, Stimmen der Zeit Spezial, 2004,,, s. 70 f.).

-„Die (katholische) Kirche sagt eigentlich ganz wenig: nämlich, dass es ein unüberholbares Geheimnis realster Art in unserem Dasein gibt: Gott. Und dass dieser Gott uns nahe ist und sich in Jesus gezeigt hat. In diesem eigentlich ganz Einfachen haben Sie im Grunde schon das ganze Christentum“ . (Karl Rahner, Schriften zur Theologie, Band X, Benziner Verlag 1972, S. 283).

-„Es ist nicht auszuschließen, dass die normale Verkündigung Gottes das Gottesbild primitivisiert und unglaubwürdig macht, zumal eine Verkündigung, die nur lehramtliche Dogmen über Gott wiederholt… Es gibt einen Kampf gegen die Unzulänglichkeit unseres eigenen Theismus“ (Karl Rahner, „Kirche und Atheismus“, in Schriften zur Theologie, Band XV. Benziner Verlag 1983. S. 149)

-„Nach der Lehre des Christentums ist die Nächstenliebe nicht bloß ein Gebot, das erfüllt werden muss, sie ist nicht bloß eine der vielen Verpflichtungen des Menschen und des Christen, sondern der Vollzug des Christentums schlechthin“ (zit, Karl Rahner, „Ich glaube an Jesus Christus, Benziger Verlag. 1968.)

– Karl Rahner, legte in seinem letzten Vortrag allen Nachdruck auf den einen, entscheidenden Mittelpunkt des Glaubens: Er sagte wenige Wochen vor seinem Tod: “Weil wir alle Religionsunterricht gehabt haben, kann es vielleicht so aussehen, als ob das Christentum, gerade das katholisch- kirchliche Christentum eine ungeheure Menge von Dingen sagt, einen indoktriniert und zu glauben befiehlt. In Wirklichkeit sagt das Christentum das Selbstverständlichste, das gleichzeitig unbegreiflich ist: In deinem Leben ist immer schweigend, umfassend bergend, liebend das namenlose Geheimnis am Werk, ein Christentum, das eigentlich sehr einfach ist”.

3.
Karl Rahners „anthropologische Wende in der Theologie“ wäre ausführlicher zu besprechen, von diesem Ansatz zehren bis heute viele populäre Schriftsteller, wie etwa Pater Anselm Grün.
Über die originelle „transzendentale Theologie“ Rahners wäre auch zu sprechen, also über seinen der Moderne verpflichteten Versuch, zentrale Aspekte der Glaubenslehre der Kirche „von unten“, also aus dem religiösen Bewusstsein der Menschen, zu entwickeln, eine großartige Leistung, die Rahner in dieser Hinsicht in eine Reihe stellt mit protestantischen Theologen oder auch mit mutigen katholischen Theologen, die im 20.Jahrhundert als Modernisten verfolgt und unterdrückt wurden. Weiterführend zu diesem wichtigen, bisher kaum beachteten Thema: siehe auch: LINK.

Sechs Wochen vor seinem Tod hielt Karl Rahner einen bemerkenswerten Vortrag zum Thema Tod, darin zeigt sich der Theologe, der Philosoph, der Mystiker vor allem: LINK

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.