Maria ist keine Göttin.

Der Vatikan lehnt es jetzt ab, Maria als Mit – Erlöserin zu verstehen und zu verehren
Ein Hinweis von Christian Modehn am 5. November 2025

1.
Nun darf es also, zugespitzt, aber korrekt formuliert, eine Göttin im offiziellen katholischen Glauben NICHT (mehr) geben: Die Jungfrau Maria, die Mutter Jesu von Nazareth, darf nicht „Mit – Erlöserin“ genannt und als solche verehrt werden. Denn dann würde sie sich, konsequent gedacht, mit Jesus Christus das Werk der Erlösung „irgendwie“ teilen. Die absolut herausragende Bedeutung Jesu Christi wäre also halbiert. Jesus Christus ist laut katholischem Dogma nicht nur Mensch, sondern auch Gott. Denn nur Gott, so wird gelehrt, kann die Menschheit erlösen. Wäre also Maria tatsächlich die Miterlöserin, dann wäre sie offiziell in die Position einer Göttin gerückt und müsste in der Dreifaltigkeit einen eigenen Platz einnehmen. Aus der üblichen „Trinität“ müsste offiziell eine „Quaternität“ werden.

2.
Gegen Maria als „Miterlöserin“ hat sich am 3.November 2025 der Vatikan offiziell ausgesprochen. Vernünftig Glaubende werden erleichtert sein, dass dieser Unsinn zurückgewiesen wurde. Die sehr vielen volkstümlich Glaubenden (die etwa an „Maria die Knotenlöserin“ glauben, der Lieblingsmadonna Papst Franziskus) werden empört sein: Man raubt ihnen ihre göttliche Mutter, werden sie jammern. Und Skeptiker werden sich fragen: Welche Sorgen hat eigentlich der Vatikan in dieser Welt voller grundlegender Probleme. Aber die offizielle Zurückweisung von religiöser Unvernunft hat schon eine gewisse Bedeutung, sage ich mal zur aktuellen Entscheidung der päpstlichen Glaubensbehörde.

3.
Eine Mutter – Gottheit Maria ist also dem Vatikan doch ein bißchen zu viel, der bekanntlich sehr sehr großzügig umgeht in der Förderung der Verehrung Marias. Man zähle die Marien- Feiertage im Katholizismus, man denke an das Dogma der „Aufnahme Marias in den Himmel“ oder an das Dogma, dass sogar Maria ohne Erbsünde empfangen wurde, von ihrer imaginären Mutter Anna und ihrem ebenso imaginären Vater Joachim. Man denke an die vielen Marien- Wallfahrtsorte, in denen Maria vom Himmel herab erschien und kluge Worte sprach, etwa in Fatima oder Lourdes, um nur zwei von Millionen besuchte „Erscheinungs-Orte“ zu nennen.

4.
Wir wollen hier nicht weiter vertiefen, was die klassische und immer noch gültige offizielle katholische Erlösungslehre im einzelnen bedeutet. Sie ist hoch kompliziert und spekulativ und sie läuft letztlich darauf hinaus: Dass Gott Vater im Himmel wegen der Erbsünde der Menschheit seinen göttlichen Sohn (Logos, Christus) in die Welt sendet und ihn in Jerusalem am Kreuz qualvoll für die erbsündige Menschheit sterben lässt. In diesem blutigen Geschehen wird die Erbsünde in ihrer Macht besiegt, so die offizielle Lehre. Nebenbei: Die Erbsünden – Ideologie ist ein Produkt der Theologie des heiligen Augustins. Aber: Leider, leider, die Menschen sündigen ständig in vielen Einzelfällen weiter. Die Erlösung ist also doch noch nicht vollständig… Aber bei Lichte besehen, kann Maria an diesem spekulativen Erlösungsgeschehen nun wirklich keinen solchen Anteil haben, dass sie als Miterlöserin in eine göttliche Position hinein gerät.

5.
Dabei hat die katholische Kirche ganz offiziell alle Türen geöffnet, dass Maria eine absolut herausragende Position in der Verehrung einnehmen darf. Man denke daran, dass das Konzil von Ephesus (431) Maria den Titel „Mutter Gottes“ verlieh. „Mutter Gottes“ oder auch „Gottes Mutter“ sind Titel, die bis heute noch in Gebeten und offiziell zugelassenen Liedern benutzt werden. Es ist bei dieser Formel kein weiter Weg von der „Mutter Gottes“ zur „göttlichen Mutter“ zu gelangen, also zur Vorstellung, Maria sei doch irgendwie Mutter – Göttin“. Die übergroße Fülle der Marien- Darstellungen wäre unter der Hinsicht zu untersuchen.

6.
Nun also sagt der Leiter der obersten päpstlichen, vatikanischen Glaubensbehörde, der Argentinier Kardinal Víctor Fernández, von Papst Franziskus in diese Position gesetzt, ziemlich vornehm und zurückhaltend NEIN zu Maria als Miterlöserin: “kath.de” berichtet: „In seinem Text “Mater populi fidelis” (Mutter des gläubigen Volkes) spricht sich der Glaubenshüter Fernandez deutlich dafür aus, Titel wie „Miterlöserin“ oder “Gnadenmittlerin” in Marienverehrung und Theologie zu vermeiden. Zur Begründung heißt es, solche Bezeichnungen schadeten einer “angemessenen Betrachtung der christlichen Botschaft in ihrer harmonischen Gesamtheit“. LINK https://www.katholisch.de/artikel/65438-vatikan-weist-uebertriebene-marienverehrung-in-die-schranken

Wer den ganzen ausführlichen Text aus dem Vatikan lesen will: LINK https://www.vatican.va/roman_curia/congregations/cfaith/documents/rc_ddf_doc_20251104_mater-populi-fidelis_ge.html

7.
Dem obersten Glaubenswächter liegt also daran, für eine „angemessene Betrachtung der christlichen Botschaft in ihrer harmonischen Gesamtheit“ zu sorgen. Und da gibt es wirklich noch viel zu tun, eine harmonische Gesamtheit wieder herzustellen. Denn wer nur die offiziell noch üblichen Marien-Lieder studiert, muss sich fragen, ob da nicht doch immer grenzwertig Maria als Miterlöserin gemeint oder suggeriert wird. Wir haben einige übliche Marienlieder in ihrem z.T. exzessiven Texten im Anschluss an die Studien von Prof. Hermann Kurze und Christiane Schäfer untersucht, immer noch sehr lesenswert, was da an Phantastischem, „Romanischem“, Widersprüchlichem in Kirchen-Liedern von Maria behauptet wird: LINK https://religionsphilosophischer-salon.de/18125_marienlieder-denn-sie-nicht-was-sie-singen_befreiung

8.
Abgesehen von diesem dogmatischen Ballast, über den hier gesprochen werden musste: Vielleicht zeigt doch das religiöse Bedürfnis des katholischen Volkes, dass eine mütterliche Gottheit direkt gewünscht wird. Die weibliche Gottheit im Christentum würde diesen Glauben vielleicht etwas menschlicher, nicht so rigide-streng machen, würde nicht Verfolgung und Tötung angeblicher Ketzer zulassen. Mütter sind bekanntlich, ohne ein Klischee zu bedienen, nachsichtiger als strenge Väter, und die Göttin Maria wäre nicht so streng wie Gott – Vater, unter dem ja schon Jesus von Nazareth unter seinem jüdischen Volk litt, als er ihn dann schlicht umbenannte und nur von „liebem Vater“ sprach anstelle des männlichen Herrschers und Gesetze-Machers…

9.
Natürlich weisen wir hier – im Blick auf die katastrophale Lage der Menschheit heute – auf etwas Marginales hin. Aber es verdient doch einen gewissen Respekt, dass ein ganz kleiner Schritt im Vatikan geleistet wird: Den ausufernden Aberglauben im Katholizismus (etwa: „Maria als Miterlöserin“) einzuschränken. Dies sollte der erste Schritt sein, weiteren Aberglauben zurückzuweisen, abzubauen, rauszuschmeißen, selbst wenn er sich in uralten Dogmen versteinert hat. Aber diese Sehnsucht nach einem entrümpelten, also modernen katholischen Glauben, wird vorläufig nur ferne Utopie sein…So verhindert die alte Dogmenwelt nach wie vor einen Glauben, der die Prädikate „modern“, „nachvollziehbar“, „hilfreich“ verdient. Darüberhinaus muss bezweifelt werden, dass mit diesem Text aus dem Vatikan auch die feministisch – theologische Sicht auf Maria gefördert wird.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

 

PS: Auch wenn Maria nicht mehr Miterlöserin genannt und verehrt werden sollte: Maria bleibt nach wie vor „die Gnadenreiche in des Himmels Herrlichkeit“: Deswegen kann sie in der Bitte, im Bittgebet, Bittgesang, um ihren Beistand angefleht werden: Weil sie eben zu Gott und Jesus eine „sehr enge Verbindung“ hat. Im „Berliner Anhang“ des Gesangbuch „Gotteslob“ ist auch das Lied „Nun Brüder sind wir frohgemut“ aufgenommen, in dem es von Maria heißt: „Du Mutter aller Gnaden“… „Wir tragen unser Leid zu deiner Gnadenquelle…“
In dem berühmten Lied „Maria zu lieben“ (Nr. 594) heißt es von Maria: „Du Mutter der Gnaden“ oder „Von Gott über Engel und Menschen gestellt“ in der 6. Strophe: Ja, wohin wurde sie dann gestellt: Ist sie also doch göttlich?
Es wäre eine Arbeit für Unentwegte zu zeigen, wie in dem Gesangbuch „Gotteslob“ aus dem Jahr 1975 die alten Texte der Marienlieder etwa aus dem Gesangbuch „Ehre sei Gott“ ( Berlin 1957) umgearbeitet wurden und schon von Vorstellungen der „Göttin Maria“ gereinigt wurden. Es vollzog sich also eine stille theologische Reform, wenigstens in den Texten der Lieder. Das Lied “Mein Zuflucht alleine“ (gemeint ist Maria) ist allerdings auch in „Gottlob“ ohne Korrektur übernommen worden (Nr. 862). Das kitschige Lied „Maria Maienkönigin, dich will der Mai begrüßen“( Nr. 218 in „Ehre sei Gott“) wurde ins „gereinigte“ Gesangbuch von 1975 nicht aufgenommen.