Heilige Knochen und Verehrung heiliger Leichen: Die katholische Kirche ist auch heute vom Aberglauben bestimmt.

Hinweise zum Reliquienkult
Von Christian Modehn am 6.9.2025

1.
Ein Jugendlicher wird von Papst Leo XIV. heilig gesprochen: Am 7. September 2025 wird der Italiener Carlo Acutis, 2006 im Alter von 15 Jahren gestorben, nicht nur als Vorbild empfohlen. Er kann nun, als Heiliger, so die katholische Lehre, als Fürsprecher bei Gott angefleht werden. Genauso wichtig: Die Leiche des Jugendlichen Carlo darf, mit Silikon hübsch – frisch hergerichtet und frisiert, in einem Sarkophag aus Glas, wie eine steife Puppe ruhend, bewundert werden: Das schenkt der Kirche sicher reichlich Spenden der frommen Seelen. Details zum Leben dieses nun als „Cyber-Apostel“ propagierten Jugendlichen Carlo kann man im Internet finden, kritische Hinweise sogar bei katholisch.de LINK

Und sehr viel bessere, ausführlichere und kritische Hinweise zu Carlo Acutis bietet der Theologe und Publizist Michael Meier, Zürich, LINK

2.
Uns geht es hier um Grundsätzliches: Es geht darum zu begreifen, dass der Katholizismus auch im 21. Jahrhundert mittelalterlicher oder sogar antiquer Frömmigkeit verpflichtet ist. Nicht im entferntesten denken die Kirchenführer, etwa der Papst, daran, dieses Mittelalter aus der Kirchen zu verabschieden. Über den Ursprung des Reliquienkultes: Fußnote 1:

3.
Der katholische Hochschätzung einbalsamierter Leichen besteht also nach wie vor. Es ist etwa auch der Kult um den im offenen Sarg liegenden, hoch umstrittenen Scharlatan, den italienischen Heiligen Pater Pio, LINK.
Oder es ist der Kult, der sich mit Knochenresten oder bloß mit Herzen, „Reliquien“ genannt, von so genannten Heiligen begnügt. Der 2024 verstorbene Prälat Ewald Nacke, Mitarbeiter der päpstlichen Nuntiatur in Berlin, sagte mir 2004 in einem Interview für mein Radiofeature im RBB (Sendedatum 21.11.2004): “Es gibt etwa Reliquien von Mutter Theresa, zum Beispiel Tropfen ihres Blutes, die auf einem Kleidungsstück dann erhalten sind.“ Und dieses Kleidungsstückchen gilt dann als Reliquie. In Rom wurden sogar Blut-Reliquien des seligen Papstes Johannes Paul II. ausgestellt. LINK:

Selbst Papst Franziskus sorgte  dafür, dass der Glassarg des heiligen Scharlatans Padre Pio ausgerechnet im Petersdom 2016 ausgestellt wurde: LINK 

Wer Fotos der sichtbaren heiligen Leiche Padre Pios sehen will, etwa: LINK.

Die Verehrung der angeblichen Überreste der Heiligen Drei Könige im Kölner Dom wurde z.B. den jungen Leuten beim Weltjugendtag in Köln nahegelegt. Im großen und ganzen ist der Kult um tote heilige Leiber oder fragmentarische Reliquien bzw. Reliquienfetzen ein einträgliches Geschäft, etwa in Trier, wenn da gelegentlich der – angeblich- heilige Rock, die Tunica, Jesu von Nazareth, ausgestellt, bestaunt und verehrt werden kann. Fußnote 2

4.
Das sture Festhalten am Reliquienkult und der Verehrung toter Körper durch die katholische Kirch hat natürlich auch finanzielle Gründe, ist aber vor allem Ausdruck einer Volksfrömmigkeit, die den Aberglauben der einfachen, schlicht denkenden Gläubigen nur fördert. Dumme Leute glauben gern, dürfte man sagen… Das unbeirrte Festhalten am Reliquienkult ist entschieden Ausdruck einer Ignoranz der katholischen Kirchenführung und ihrer Theologen, die unbedingt mittelalterlich bleiben will (anders könnte sie auch das Papsttum gar nicht verteidigen und beibehalten, denn kein vernünftiger Christ glaubt, dass Jesus auch nur im entferntesten ans Papsttum dachte). Die Ignoranz betrifft auch die Verachtung philosophischer Einsichten zum Reliquienkult etwa durch Philosophen wie Kant und Hegel, sie haben gezeigt: Der Reliquienkult ist bester Ausdruck einer total veräußerlichten katholischen Frrömmigkeit. Zu Kant: Link:     Zu Hegel, LINK:       Hegel betont in seinen „Vorlesungen über die Weltgeschichte“, (Band IV, Die germanische Welt, Meiner Verlag, 1968, S. 826) wie durch den„Reliquiendienst“ „eine förmliche Auferstehung der Toten erfolgte in den Zeiten des Mittelalters: Jeder fromme Christ wollte im Besitz solcher heiligen irdischen Überreste sein… Das Vermittelnde zwischen Gott und dem Menschen ist also etwas Äußerliches (die Reliquie).“

5.
Der katholische Kirchenhistoriker Prof.Arnold Angenendt (Münster) schreibt in seiner großen Studie „Heilige und Reliquien“, C.H. Beck Verlag, 1997, S. 264 im Zusammenhang der Reliquienkritik durch Immanuel Kant diese bemerkenswerten Worte: „Des Heiligen -und Reliquienkultes begann man sich jetzt zu schämen; er war zu dumm zugleich ekelhaft“.

6.
Diese Worte möchte man dem Papst (und allen für dumm gehaltenen Katholiken) zurufen, wenn er am 7. September 2025 einen Menschen zum verehrungswürdigen Heiligen erklärt und die Begeisterung für einen hübsch gemachten Leichnams empfiehlt: „Des Heiligen-und Reliquienkultes begann man sich jetzt zu schämen; er war zu dumm zugleich ekelhaft“.   Aber diese Hoffnung auf Vernunft im Katholizismus (man könnte auch sagen „Hoffnung auf heiligen Geist“) hat fast niemand mehr für den Katholizismus (von der Orthodoxie und den Evangelikalen ganz zu schweigen).

7.
Diese Heiligsprechung und die damit verbundene Zurschaustellung einer hübsch frisierten jugendlichen Leiche sind ein neuer Tiefpunkt in der spirituellen Entwicklung des Katholizismus. Aber die Reise “heiliger Knochen” durch die weite Welt geht weiter: In der kommenden Woche (15. und 16. September 2025) weilen gewisse Körperteile der heiligen Theresa von Lisieux – in einem prächtigen Reliquienschrein – auf ihrer Tournee durch Deutschland in Berlin und Frankfurt/Oder. In einer säkularen und eher atheistischen Umgebung wird also der Aberglaube ganz offiziell offenbar mit bischöflicher Zustimmung verbreitet. Noch einmal Kant in leichter Aktualisierung: “Des Heiligen-und Reliquienkultes beginnt man sich in der römisch-katholischen Kirche leider NICHT zu schämen; obwohl er zu dumm zugleich zu ekelhaft ist. Vielleicht ist die Kirchenführung selbst zu dumm, was ihren Kult mit heiligen Knochen und hübsch frisierten Leichen angeht”…

Fußnote 1:
Schon im Jahre 167 begannen z.B. die ersten Christen, Reste und Überbleibsel ihres hoch geschätzten Heiligen Polykarp zu sammeln; sie wurden wie “Edelsteine verehrt”, heisst es in einem Brief aus dieser Zeit. Seit dem 2. Jahrhundert gibt es den christlichen Reliquienkult, er hat im Hochmittelalter seine Blüte erlebt; bis heute prägt er die Frömmigkeit der katholischen Kirche.Der Kult der toten Gebeine hatte sich längst zum internationalen Handel entwickelt, anders können seriöse Historiker dieses Phänomen nicht beschreiben! LINK https://www.kath.ch/newsd/handel-mit-heiligen-ueberbleibseln-boomt-obwohl-die-kirche-dies-streng-verbietet/

Fußnote 2:
Wir weisen auf eine heute wenig beachtete Entwicklung rund um den Kult des “Heiligen Rock” hin: Im Jahr 1844 gab es eine große Wallfahrt zum “Heiligen Rock” nach Trier mit einer halben Million Pilger. Gegen die dort offenkundige  Veräusserlichung des Glaubens protestierte Johannes Ronge, ein ursprünglich römisch – katholischer Priester, der ein Jahr zuvor wegen seiner Kirchenkritik als römisch -katholischer Priester suspendiert wurde. Ronge kritisierte 1844 den Kult um dieses Stück Stoff als “Götzenfest”, was ihm vielerlei Anfeindungen und Verfolgungen einbrachte. Ronge stand dann lange Jahre an der Spitze der neu gegrüpndeten “Deutsch – katholischen Kirche”, die viele tausend Mitglieder zählte, sozial sehr aktiv war, dogmatisch aber freisinnig blieb.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

Religiöse Giftmischer heute

Friedrich Nietzsche über die Propagandisten „überirdischer Hoffnungen“ – aktuell interpretiert

Ein Hinweis von Christian Modehn am 4.9.2025

1.
Das Wort „Giftmischer“ werden sich Religionskritiker und Verteidiger von Demokratie und Menschenrechten einprägen, selbst wenn es von Friedrich Nietzsche stammt: In der Vorrede seines Buches „Also sprach Zarathustra“ (§ 3) lässt Nietzsche seinen Zarathustra sagen: „Ich beschwöre euch, meine Brüder, bleibt der Erde treu (von Nietzsche kursiv) und glaubt denen nicht, welche euch von überirdischen Hoffnungen reden! Giftmischer sind sie, ob sie es wissen oder nicht.“

2.
Man muss kein Fan der literarischen und philosophischen Arbeiten Nietzsches sein, ich bin es auch nicht, um dem Begriff „Giftmischer” dann doch sehr treffend zu finden als Beschreibung der entscheidenden Qualität der Propagandisten „überirdischer Hoffnungen“. Dabei weiß ich, dass dieses Wort Nietzsche in seine Erörterung des „Übermenschen“ gestellt hat. Aber, ich meine, eine aktuelles Verstehen von Nietzsches Aussage kann diesen Satz aus dem ursprünglichen Kontext lösen und ihn wie einen allgemein gültigen Aphorismus betrachten. Nietzsche liebte ja sehr Aphorismen oder kurze Essays. Es ist aktuell erhellend, einzelne Worte dieser These Nietzsches näher zu betrachten.

3.
Die Propagandisten reden von „überirdischen Hoffnungen“. Dabei muss man heute nicht automatisch an religiöse oder metaphysisch begründete Hoffnungen auf ein Jenseits denken. „Überirdische Hoffnungen” sind auch die von rechten und rechtsextremen Ideologen und ihrer Parteien angezielten rückwärts gewandten Utopien, sie rühmen die Abschaffung der Demokratie und der universell geltenden Menschenrechte. Sie propagieren auch Dystopie, negative, erschreckende Zukunftsvorstellungen.

4.
Wer diese rechtsextremen Propagandisten falscher Hoffnung bekämpft und hoffentlich überwindet, der „bleibt der Erde treu“: Unsere aktuelle Nietzsche Interpretation – sozusagen gegen den Strich gebürstet, um es populär auszusagen – meint also: „Der Erde treu bleiben“ heißt: Der Welt der Menschen und der ganzen Natur mit ihrer Schönheiten und ihren Gefährdungen, dieser Welt also mit ihren Sinn stiftenden Erfahrungen und ihren menschengemachten Katastrophen verbunden bleiben, das ist: “Unserer „Erde treu bleiben.“ Und eben nicht in zerstörerischen Dystopie versinken. Die Sorge um Natur, Umwelt, Ökologie, Gerechtigkeit muss als ein “kategorischer Imperativ” angenommen werden. In diese Gedanken kann also eine ungewöhnliche, aber heute mögliche Nietzsche – Interpretation führen.

5.
Am wichtigsten ist das Urteil Nietzsches über diese Propagandisten „überirdischer Hoffnungen“: Nietzsche nennt sie sehr treffend Giftmischer. Jeder demokratisch denkende Mensch weiß heute, wo diese Giftmischer ihre Herrschaft ausüben: Und jeder und jede wird Beispiele nennen, Namen nennen: Ich denke etwa an den Patriarchen Kyrill von Moskau, er ist der russisch – orthodoxe Chefideologe Putins und heftigster Propagandist des Angriffskrieges gegen die Ukraine. Den gefallenen russischen Soldaten versprach er bezeichnenderweise den sofortigen Eintritt ins Himmelreich. Mehr „Giftmischung“ geht gar nicht. Wir haben etliche kritische Hinweise zum Putin Freund Patriarch Kyrill publiziert: LINK.

6.
Wo sind die Giftmischer in Deutschland heute? In der Lügenpropaganda der nachgewiesen in weiten Teilen rechtsextremen Partei AFD wird man fündig. Oder in konservativen Kreisen der sich christlich nennenden Parteien, die einen wahrlichen Kulturkampf einleiteten, etwa als es um die Wahl der Juristin Frauke Brosius – Gersdorf ins Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ging…. diese CDU Kreise haben ihren Kulturkampf erfolgreich bestanden…

7.
In Frankreich versuchen extrem konservative katholische Milliardäre mit ihren Massenmedien die Linie der katholischen Kirche Frankreich zu bestimmen, wir haben auf dieses in Deutschland kaum beachtete Phänomen hingewiesen: LINK.

8.
Wo sind die Giftmischer in den USA und im Umfeld des Trump – Regimes: Neben Trump und im finanzkräftigsten Hintergrund agieren Drahtzieher gegen die Demokratie und die universell geltenden Menschenrechte. Diese Giftmischer stammen vor allem aus verschiedenen Kirchen, vor allem aus evangelikalen Kreisen und aus dem finanzkräftigen reaktionären katholischen Milieu. Sie betreiben die Verfolgung von Minderheiten, von Immigranten und Homosexuellen und Transgender, „people of colour“, Flüchtlinge usw. werden schon deportiert; die Meinungsfreiheit eingeschränkt: Diese religiösen Giftmischer haben nicht nur die die Mentalitäten vergiftet, sie zerstören mit ihrem Gift Staat und Gesellschaft.

9.
Wo sind die Giftmischer in der katholischen Kirche in den USA zu suchen? Etwa in den weitgehend geheim agierenden internationalen katholischen Organisationen: Auch in den USA ist das Opus Dei eng mit den finanzkräftigen Freunden Trump verbunden. Die Theologin Prof. Hille Haker (Loyola University in Chicago) schreibt in der empfehlenswerten Zeitsxchrift “PUBLIK FORUM” (5.9.2025): „Die juristische Vereinigung `Federalist Society` wurde vom Juristen Leonard Leo gegründet, diese Gruppe ist nicht nur eine Richterschmiede, sondern auch ein Motor für die Ernennung von Richtern auf Lebenszeit. Leonhard Leo beeinflusst seit vielen Jahren das Rechtssystem. Bei ihm laufen die Fäden zusammen, und er spinnt ständig neue. Fast 30 Prozent der von Trump ernannten Richterinnen und Richter und die Wahl von drei Obersten Verfassungsrichtern gehen auf die Vorschläge der „Federalist Society“ zurück. Leonhard Leo ist nicht nur gut mit der `Koch Foundation` vernetzt, sondern auch mit dem Opus Dei, für dessen Catholic Information Center er im Vorstand sitzt. Vizepräsident Vance unterhält gute Beziehungen zu ihm. Leonhard Leos Einfluss auf die katholisch geprägte Politik und den Umbau der staatlichen Institutionen kann nicht überschätzt werden. Mithilfe der milliardenschweren Spende eines Unternehmers an ihn persönlich baut Leonhard Leo nun ein neues Netzwerk auf: »Teneo« heißt es, es soll, wie er selbst sagt, den liberalen Einfluss überall zurückdrängen: in den Medien, den Universitäten, der Unterhaltungsindustrie, im Sport und in der Politik. So wird die antiliberale, christlich-moralische Auslegung der amerikanischen Verfassung vorangetrieben und darüber hinaus die Demokratie in eine Theoautokratie verwandelt.“ LINK 

10.

Nietzsche fügt seinem Satz über die religiösen Giftmischer unmittelbar sehr Wichtiges hinzu: „Verächter des Lebens sind die Giftmischer, Absterbende und selbst Vergiftete, deren die Erde müde ist: ob sie es wissen oder nicht.“
Eine Hoffnung also formuliert hier Nietzsche: Trostvoll für Demokraten und Verteidiger der universell geltenden Menschenrechte: Diese religiösen Giftmischer sind selbst schon vergiftet von ihrem eigenen Gift. Aber für uns sind die letzten Worte Nietzsches hier leider nicht mehr als ein Wunsch.  Wollen wir hoffen, dass in diesem Falle Nietzsche recht hat.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

Papst Leo XIV. kritisch wahrnehmen: Bisher nur ein frommer Wunsch!

Ein Hinweis von Christian Modehn am 2.9.2025

1.
Gibt es allmählich eine systematische, regelmäßige kritische journalistische Recherche, eine theologische und historische Forschung zu Papst Leo XIV. bzw. zum Kardinal Prevost? Diese Frage stellen wir Anfang September 2025, vier Monate, nach dem „Regierungsantritt“ Leos am 8. Mai 2025. Und wir haben den begründeten Eindruck: Nein, diese kritische Forschung zu Papst Leo XIV. gibt es nicht. Nur vereinzelt werden kurze, eher flapsige Bewertungen publiziert, auf die wir hingewiesen haben. LINK.

………

Am 8.9.2025 ergänzt: Wer Zeit und gute Nerven hat, kann die lobhudelnden Stellungnahmen von Papst Leo zu Orten reaktionär – katholischen Glaubens lesen, auf die Sainte Anne d Auray Feierlichkeiten in der Bretagne mit dem päpstlichen Sonderdelegierten, dem allseits als solchen bekanten reaktionären Kardinal Sarah, haben wir hingewiesen. Jetzt also, am 8.9.2025, der einschmeichelnde Brief des Papstes an den eigentlich und endlich aus Köln abzulösenden Kardinal RainerM. Woeli,  und eine Lobeshyme auf diese Wallfahrts – Kapelle in der Kölner Kupfergasse, Inbegriff der konservativ – naiven Volksfrömmigkeit, die der Papst als Augustiner sooooo mag. LINK Und Im Oktober 2025 wird der rektionäre Kardinal Burke aus den USA im Petersdom eine Messe nach uralter Art der Traditionalisten feiern , mit Zustimmung von Leo XIV.. LINK Der sollte doch endlich mal etwas Kritisches gegen den Dikator Trump, seinen Landsmann, sagen, melden mir Freunde aus den USA. Aber da wird vom Papst bestensfalls den amerikanischen Katholiken Nächstenliebe empfohlen, wie kürzlich in einer Videobotschaft des Papstes nach Philadelpihia.  Bloß immer nett sein, und eine “Einheit” pflegen, wie sein “Vater” Augustinus sagte….

Wir bleiben dabei: Dieser Papst Leo XIV. ist ein sehr Konservativer, der in theologischer Unentschiedenheit mal was für die Progressiven tut, aber sehr viel für die Konservativen. Ein Papst der Reformen, der notwendigen Reformation,  wird dieser Augustiner nie. Dazu sind die Augustiner, von Luthers Ketzerei immer noch verwirrt und erschüttert, viel zu wenig mutig, gar nicht wegweisend in eine vernünftige Zukunft des Christentums. Welche turbulenten Orte des sozialen Lebens hat dieser Papst in den vier Monaten seiner Herrschaft besucht? Papst Franzsikus war in dieser Zeit schon mal bei den Flüchtlingen auf Lampedusa, Leo war zwei Mal in den Gemächern von Castel Gandolfo. Zumal: Dieser Augustiener Orden hat keine Theologen, Augustiner leiten heute weltweit Pfarreien, und das wars dann weithin.. Mir sagte ein Freund aus Peru: Man glaube doch nicht, Bischof Prevost damals in Peru, heute Papst Leo, sei ein Befreiungstheologe, bloß weil er bei Überschwemmungen mit Gummistiefeln durch die Stadt gelaufen ist…

…….

2.
Unmittelbar nach „Regierungsantritt“ Leos XIV. haben wir gezeigt: Leos Denken ist von Augustinus bestimmt, Leo erinnert sozusagen permanent in seinen Predigten, Grußworten usw. an Augustinus, an seinen „Vater“, wie er sagte, als er sich als “Sohn des Augustinus“ bezeichnete. Diese Augustinus – Fixierung verheißt nichts Gutes, denn Augustin ist insgesamt ein höchst problematischer, in vielen Thesen abzulehnender Theologe.

3.
Wir können hier gar nicht alle Details zu Leo XIV. herausarbeiten. Da gibt es in dieser verrückten Welt wahrlich wichtigere, auch politische und philosophische Themen. Aber: Man lese nur Leos Predigt zur Eröffnung des Generalkapitels des Augustiner Ordens in Rom am 1.9.2025, bei der Leo in voller päpstlicher Pracht als Augustiner an der Messe teilnahm und eine Predigt hielt, die sozusagen von Augustinus – Zitaten wimmelt, abgesehen davon, dass Leo zu Beginn seiner Predigt an den nun wahrlich „bedeutenden“ Kirchenlehrer Didymus den Blinden mit einem Zitat erinnerte. Der Inhalt der Predigt wird von Vatican news treffend mit den sehr allgemeinen moralisch gefärbten Worten: „Hören, Demut, Einheit“ zusammengefasst. Es sind Ermahnungen alter Art, die der Papst da vorträgt. Man glaubt zu träumen, wenn man an all die euphorischen Worte von Journalisten und Theologen denkt, gleich nach der Papst Wahl: Er sei doch so international gesinnt, so sehr ein Freund der Armen, ein Kenner der lateinamerikanischen Befreiungstheologie, ein Freund des großen Papstes Franziskus…. Von all dem ist in dieser Predigt für einen internationalen Orden nichts zu hören. Er sagt seinen „Mitbrüdern“ nichts als fromme Erbauung uralter Art.

4.
Augustin ist bekanntlich ein Theologe des Altertums, mit einigen Zitaten aus dessen Jugendzeit versucht der Papst ihn zu „modernisieren“, was nicht gelingen kann, wenn man nur an das viel zitierte päpstliche Wort „Einheit“ denkt. Einheit im Sinne Augustins kann nur Einheit als Gehorsam gegenüber der kirchlichen Obrigkeit sein. Und Augustin verstand Einheit nur als siegreiches Endergebnis in seinem heftigen Kampf gegen die vielen angeblichen Irrlehrer seiner Umgebung. Leo sagte in seiner Predigt: „Denn was verbindet, kommt von ihm, dem heiligen Geist, aber was spaltet, kann nicht von ihm sein.“ Damit ist erneut ausgeschlossen, dass die Reformation, die der Augustiner Martin Luther einleitete und die zur begründeten Abspaltung von der total verkommenen Papstkirche führte, „nicht vom heiligen Geist“ stammt. Welch eine verheerende ökumenische Perspektive!

Die Predigt Leos am 1.9.2025:  LINK:
5.
Nur ein weiterer Hinweis: Papst Leo empfing Ende August eine hohe Auszeichnung des Augustiner Orden in den USA und er bedankte sich dafür in einer Videobotschaft von 13 Minuten. Wie Vatican-news berichtet, sagte der aus den USA stammende Papst Leo kein kritisches Wort über den Umgang mit Armen, Ausländern, Flüchtlingen etc. durch den Machthaber Trump und sein Regime. Nein, Papst Leo, milde gestimmt wie immer, rief den Orden höchst allgemein zur Nächstenliebe auf. „Durch Freundschaft, Beziehungen, Dialog und gegenseitigen Respekt können wir unsere Unterschiede überwinden und unsere wahre Identität als Schwestern und Brüder in Christus entdecken.“ Immerhin dann noch die wie üblich allgemein gehaltene Aufforderung an die Augustiner und sicher auch an die Katholiken in den USA: Als Kirche sind wir ermutigt, uns in der Kunst des Zuhörens zu erneuern – im Gebet, in der Stille, im Unterscheiden und Nachdenken. Wir haben die Möglichkeit und Verantwortung, auf den Heiligen Geist zu hören, aufeinander zu hören, auf die Stimmen der Armen und Ausgegrenzten.“ Ja, ja, wir haben die Möglichkeit…Es geht dem Papst aber nicht um eine dringende Notwendigkeit, „auf die Stimmen der Armen und Ausgegrenzten zu hören.“ Es geht ihm offenbar nicht darum, dass us-amerikanische Katholiken und mit ihnen die Augustiner zu Verteidigern der Menschenrechte werden in den sich zur Trump -Diktatur entwickelnden USA… LINK 

6.
Mit anderen Worten: Bei so viel Sanftheit und Milde ist nicht zu erwarten, dass Leo XIV. auch nur ansatzweise ein „prophetischer Papst“ wird. Unseres Erachtens war dies Papst Franziskus durchaus. Die Kardinäle wollten wohl mit der Wahl von Kardinal Prevost zu Papst Leo XIV. für Milde, Ruhe, Gelassenheit, freundliches Lächeln, EINHEIT bitte, Allgemeinheiten in politischen Fragen usw. sorgen.

7.

Man darf den begründeten Eindruck haben: Papst Leo XIV. ist überfordert angesichts der verrückten Situation dieser Welt, Rechtsextremismus, Antisemitismus, Ungleichheit, Verfall der Demokratie, zunehmende Armut im globalen Süden. usw., er ist überfordert mit seinen milden augustinischen Sprüchen. Und er ist auch überfordert, kritisch die Situation etwa der Kirche in Westeuropa wahrzunehmen: Er sieht nicht, dass diese römische Kirche, im alten Stil, immer weiter so fortgesetzt “wie immer”, nachweislich und objektiv bewiesen dem Ende entgegen geht. Die noch nachdenklichen Katholiken können die klerikale Welt, die Welt der uralten Dogmen, nicht mehr ertragen. Dabei weiß Papst Leo doch genau, dass die einst “blühenden” Provinzen des Augustinerordens in Holland, Belgien, Irland, Deutschland, USA, Kanada allmählich bestenfalls noch Altersheime sind, also vor dem Aussterben stehen. Das gilt für andere Orden auch, Zölibtsgesetze sind passé. Gott sei Dank. Das gilt auch für die Bistümer, die, wie in Deutschland und Frankreich, nur noch den “Import” von Priestern aus Polen, Nigeria, Philippinen, Indien überhaupt  noch das alte klerikale System fortsetzen können…Aber die Bischöfe und die Ordensoberen tun so, als ginge alles weiter “wie immer”…

8.

Man darf gespannt sein, mit welchen drei oder vier Augustinern der Papst alsbald in seinem Papstpalast zusammenleben wird. Hoffentlich sind einige kritische Theologen dabei, aber … sooo viele Theologen hat dieser Orden leider nicht. Aber vielleicht lädt er auch Mitglieder der Augustiner-Rekollekten, der Augustiner-Barfüßer oder der französischen Augustiner, Assumptionisten genannt, in seinen Palast ein. Denn es gibt eben nicht nur Papst Leos Augustinerorden (OSA als Abkürzung)…. von den anderen Augustinerorden spricht er nicht, ist dies seine viel besprochene augustinische EINHEIT?

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

Christian Modehn: M.A. in Philosophie und Staatsexamen in kathol. Theologie, ist freier Journalist und Autor und beobachtet aus der gebotenen Distanz den Katholizismus.

Wenn rechtsextreme katholische Milliardäre kirchliches Leben bestimmen …

Ein Hinweis zur aktuellen politisch – religiösen Entwicklung in Frankreich
Von Christian Modehn am 13.8.2025

1.
Zwei reaktionäre, rechtsradikale und libertäre Milliardäre versuchen mit ihrem sehr reichlichen Geld, mit ihren entsprechenden Netzwerken und Auftritten in den “Social-Media” das Leben der katholischen Kirche in Frankreich zu prägen und für die Zukunft zu bestimmen. Die ersten erfolgreichen Schritte dieser Herren werden wissenschaftlich dokumentiert. Wichtig ist: Diese Milliardäre unterstützen die immer stärker werdende rechtsextreme Partei „Rassemblement National“ (Le Pen). Und ihre geförderten kirchlichen Projekte sind mindestens „rechtsextrem affin“. Ein Ende dieser gefährlichen Entwicklung ist kaum absehbar: „Der Katholizismus in Frankreich ist dabei, sich neu neu zu ordnen rund um die großen Mäzene.“, schreibt die immer um Objektivität bemühte katholische Tageszeitung „La Croix“., Paris am 11. Juni 2025.

2.
Selbst die immer unbedeutender und kleiner werdende katholische Kirche in Frankreich braucht Geld. Sie überlebt seit 1905 („Trennung von Kirchen und Staat) ohnehin nur von Spenden der „Kirch-Gänger“ und paradoxerweise auch von der finanziellen Unterstützung des Staates: Die manchmal in Deutschland noch „laizistisch genannte“ Republik zahlt einen Großteil des Erhaltes derjenigen Kirchengebäude, die vor 1905 gebaut wurden. Und die „République laique“ (das bedeutet nicht: laizistisch!) unterstützt seit Jahrzehnten mit Milliarden die in katholischer Sicht immer noch so wichtigen katholischen Privatschulen. Offenbar erwarten der Staat und seine Politiker, dass dort die Kinder aus „gutem Hause“ eine entsprechende und durchaus privilegierte Ausbildung erhalten. Den Unterricht in der sehr turbulenten Banlieue mit den vielen Armen und Ausländern überlassen Kirche wie Staat gern den „öffentlichen Schulen“. (Fußnote 1)… aber dies ist ein anderes Thema.

3.
Wir legen hier Fakten vor, die in der demokratischen Presse Frankreichs seit einigen Monaten dokumentiert werden, vor allem beziehen wir uns auf einen wichtigen Aufsatz des Soziologen Pierre Louis Choquet in der Kulturzeitschrift Zeitschrift ESPRIT (Paris), man fragt sich, warum solche wichtigen erhellenden Aufsätze nicht auf Deutsch erscheinen.  (Fußnote 2).

4.
Es geht hier um zwei reaktionär- katholische Milliardären mit starker Bindung an rechtsextreme Parteien und rechtsextremes Denken.
Über den in Frankreich so genannten „Medien – Zaren“ Vincent Bolloré haben wir auf dieser website schon ausführlicher berichtet. LINK.
Zur Erinnerung: Durch sein breites vielfältiges Medien – Imperium von Paris -Match, über den Radiosender Europe 1, die Sonntagszeitung Journal du Dimanche bis zu seinem Fernsehsender CNews verbreitet er auch seine eigene, sehr konservative Theologie. Wenig informierte Leser und Zuschauer werden verführt zu denken: Was Herr Bolloré da an Katholizismus präsentiert, sei DER katholische Glaube.

5.
In der französischen, noch demokratischen Presse wird seit einigen Monaten vermehrt auch auf den katholischen Unternehmer Pierre-Eduard Stérin hingewiesen. Er ist Milliardär, „Libertarien“, wie man in Frankreich „Libertäre“ nennt (der argentinische Staatspräsident Milei ist libertär, auch sehr viele Herrschaften aus der Trump – Clique in den USA sind es). Dabei hat Stérin auch enge Verbindung zur rechtsextremen Partei „Rassemblement National“. Der Soziologe Pierre Louis Choquet schreibt in dem schon genannten Beitrag von „Esprit“: „Sterin will die extreme Rechte unterstützen in ihrem Kampf um die Macht etwa durch sein ideologisch – umfassendes Projekt `Péricles`. (Zu Péricles Fußnote3). Der Unternehmer verbirgt nicht seine Feinschaft gegenüber den Flüchtlingen, und er zögert nicht zu erklären: Flüchtlinge aufzunehmen nützt nichts“ (Übersetzung CM).
Was etlichen noch wachen und kritischen Katholiken Sorgen macht, ist die – natürlich bischöflich – gar nicht kontrollierbare – Auswahl der Wohltätigkeit Stérins für konservative katholische Institutionen: Wer spendet, kann spenden, wem und für was er will, das gilt noch überall. Es sind bei Stérin etwa Häuser für schwangere Frauen in Not (Titel „La Maison de Louise“), für den Erhalt von Heiligenfiguren in der Öffentlichkeit („Calvaires“) oder kleiner Dorfkirchen auf dem Lande.
Zu der großen Menge seines Geldes ist Stérin durch die Restaurant – Reservierungs – Website „La Fourchette“ gekommen oder durch seine „SmartBox“, eine Art Geschenk-Tasche. Er steht jetzt an der Spitze eines Investmentfonds, der ein Vermögen von einer Milliarde 300 Millionen verwaltet. Sein Vermögen hat er einem „Stiftung – Fonds des Gemeinwohls“ übertragen. 80 bis 120 Millionen Euro aus seinem Gewinn spendet er pro Jahr für Projekte – seiner politisch-katholischen Wahl – immer für „das Gemeinwohl“, wie er sagt. Stérin wird in diesem Herbst auch aus eigener Initiative eine katholische Privatschule nur für Jungen eröffnen, ganz seinem konservativen pädagogischen Konzept entsprechend.

Die viel beachtete, kirchenunabhängige französische Internetzeitschrift “Streetpress” hat am 6.3.2025 einen Beitrag veröffentlicht mit dem Titel “Wie der Milliardär der extremen Rechten Stérin die Websites katholisch – reaktionärer Influencer überschwemmt”, Autor ist Nicolas Sonnet. LINK Er weist auf das weite Netzwerk Sterins hin, erinnert an die von ihm organisierten “Nächte der Influencer” im offiziell katholischen “Collège des Bernardins” in Paris (eine Art “Katholische Akademie”). Schon mehrere solcher “Nächte” der wechselseitigen Unterstützung katholischer Rechtsextremer gab es schon, “um gemeinsam mehr zu erreichen in der Evangelisierung”, im Sinne der genannten Herren. Der Einfuß Stérins reicht bis in die Ordensgemeinschaften: Der junge Dominikaner Paul André d Hardemare ist ein äußerst erfolgreicher Prediger in den Sozialen Medien, er ließ sich einige Zeit lang von Stérin finanzieren, nimmt auch an den Wallfahrten der reaktionären Katholiken nach Chartres teil. “Jedes Jahr organisiert Stérin auch die “Nächte des Gemeinwohls”, dies sind Abende der “caritativen Versteigerungen” nach us-amerikanischer Art, dabei kommen viele führende Industrielle (“Patrons”) zusammen, ebenso die alte Aristokratie, Aktivisten katholoischer  Hilsvereine sowie Politiker aus rechten und rechtsextremen Parteien. Mit dem Ziel: Vereine zu finanzieren, die sich in der Galaxiedes Konservativen bewegen.”

6.
Für die katholische Kirche in Frankreich ist die überdimensionale Spendelust der reaktionären Katholiken eigentlich ein großes Problem.
Denn die Kirche in Frankreich kämpft tatsächlich um ihr spirituelles wie damit zusammenhängend um ihr materielles Überleben. Sie hat seit Jahren einen miserablen Ruf aufgrund der zahllosen Fälle von schwerem sexuellen Missbrauch  auch durch z.T. “ultra-prominente” Priester, wie den als “heiligmäßig“ verehrten Sozialapostel Abbé Pierre 1912-2007. Die Zahl der Gottesdienst-Teilnehmer geht (deswegen?) ständig zurück, der französische Klerus vergreist, die kleinen Gemeinden können nur durch die Anwesenheit afrikanischer oder asiatischer Priester noch halbwegs „versorgt“ werden. Angesichts dieses Niedergangs katholischen Lebens gehen auch die Spenden der „normalen“ Kirchgänger zurück. Deswegen sehen sich die Bischöfe gehalten, gute Kontakte mit den staatlichen Behörden auch in der Provinz zu pflegen, also auch mit Politikern aus der rechtsextremen Partei „Rassemblement National“. Sehr bald könnte diese Partei die Regierung in Paris stellen, das ist eine begründete Prognose von Politologen. Die katholischen Bischöfe waren so klug bzw. vorausschauend – raffiniert, bei den letzten Wahlen, die überwältigende Wahlerfolge der Rechtsextremen auch im katholischen Milieu brachten, den Mund zu halten und schon gar nicht allzu kritisch gegen Rechtsextrem zu werden… Einige der Rechtsextremen sind ja nach außen hin sehr fromm, sie machen zu Tausenden Wallfahrten nach Chartres, loben die alte lateinische Messe (nicht nur bei den traditionalistischen Pius – Brüdern!) und als Politiker schätzen sie die Kirchengebäude als Orte des nationalen Gedenkens der nationalen Traditionen, oder sie fördern die katholischen Schulen, dort sollen schließlich christliche, aber vor allem gut – bürgerliche Werte der „anständigen Leute“ (so verstehen sich die Rechtsextremen) gelehrt werden. Und dann gibt es da noch entscheidend die reaktionären katholischen Milliardäre, die ihre Form des Katholizismus ungeniert nach außen in ihren Medien vorstellen und propagieren oder Projekte fördern, die ihrer eigenen begrenzten Theologie entsprechen. Diese Herrschaften darf die Kirchenführung nicht verärgern, sie bringen noch Geld, das heilige Geld zum Überleben der insgesamt so tief ramponierten Kirche.
Die Kirche Frankreichs als verschwindende Minderheit driftet also, „not – gedrungen“ möchte man sagen, immer weiter nach rechts: Die wenigen jungen Priester in Frankreich, die am liebsten in langen Talaren durch die Straßen laufen, stammen denn auch aus dem „gut-bürgerlichem konservativen Milieu“ der Stadt Versailles…Und einzelne Bischöfe, wie in Toulouse oder Angers, sind so unverschämt, wegen sexuellen Missbrauchs verurteilte Priester jetzt mit offiziellen Aufgaben im Bistum zu betrauen. Der moralische Niedergang auch des hohen Klerus erlebt einen neuen, ganz anderen Höhepunkt. Darüber berichtet etwa die ausgezeichnete online Zeitung GOLIAS: LINK.

7.
Der Soziologe Pierre Louis Choquet fasst in der schon erwähnten empfehlenswerten Zeitschrift ESPRIT (gegründet von dem Philosophen Emmanuel Mounier, LINK) die Situation zusammen: „Aufgrund ihres großen Finanz-Vermögens versuchen diese Milliardäre die Kirche neu zu positionieren auf einer antimodernen und Pro – Business Ebene.“ Und in seiner Fußnote 21 schreibt der Autor: „Es gibt in der Kirche Herrschende und Beherrschte“. Und er meint: „Die Milliardäre sind längst zu den herrschenden Laien geworden, es sind ja in der Kirchensprache „Laien“, die da die Kirche auf ihre Weise im Sinne des Rechtsextremen durch ihr Geld bestimmen wollen. Eine einst vielleicht noch in Kirchen-Kreise naive Freude über die „Aktivität von Laien“ muss also doch sehr differenziert werden.

8.

Der Soziologe Pierre Louis Choquet beendet seinen Essay über die katholischen rechtsextremen Milliardäre mit dem Aufruf an die christlichen Gemeinden, “den unheilvollen Einfluss der `frommen Milliardäre`zu “kontern” (contrer auf Französisch). Deren identitäre Religiosität erscheint als ein Symptom des Aufruhrs unserer Epoche”. Heute investieren diese Milliardäre “nur” in ihre Medien oder in ihre sozialen Werke und beeinflussen die pastorale Arbeit der Kirche. Und in Zukunft? Darum fragt Pierre Louis Choquet in dem ESPRIT Aufsatz: “Was wird diese Leute dann hindern, wenn die Spenden für die Kirche durch die Gläubigen immer kleiner werden, so dass diese Milliardäre  dann auch die Priesterseminare und die theologischen Lehrstühle an den katholischen privaten Universitäten finanzieren?” … Und in ihrem theologisch – reaktionären Sinne dort theologisch eingreifen! Wird das Geld und die rechtsextreme Ideologie dieser Herren dann die Kirche vergiften? Man hat den Eindruck, dass die Verantwortlichen in der Kirche (nicht nur Frankreichs) an diese Zukunft nicht zu denken wagen.

Fußnote 1:
80, 5 Millionen Euro gab die französische Republik für den Erhalt der Kirchengebäude kürzlich aus. Und 10 Milliarden Euro hingegen beträgt die staatliche Unterstützung für die Privatschulen, die allermeisten sind katholische. Quelle: Siehe Fußnote 2.

Fußnote 2:
Der Beitrag wurde in der Zeitschrift „Esprit“ im September 2024 veröffentlicht. Der Titel „L Eglise catholique face à la montée de l extreme droite“. Die Zahlen in Fußnote 1 stammen aus diesem Aufsatz, dort die Fußnoten 3 und 4.

Fußnote 3:
„Péricles“ ist ein Think – Tank aus einer Mischung von Libertärem, Liberalem und sehr konservativ – Katholischem. Inspiriert wurde Péricles von der reaktionären „Heritage Foundation“ in den USA, auch zu Victor Orban in Ungarn gibt es enge Verbindungen.
Der Name „Péricles ist ein Acronym für Patriotes / Enracinés / Résistants / Identitaires / Chrétiens / Libéraux / Européens / Souverainistes), also: Patrioten, Verwurzelte, Widerständler, Identitäre, Christen, Liberale, Europäer, Souveränisten. Das heißt: Dieser Think – Tank ist nationalistisch, gegen LGBT, euroskeptisch, gegen Einwanderung usw… Siehe dazu den ausführlichen französischen Wikipedia-Beitrag:LINK.

 

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

 

Eine Warnung vor der Theologie des heiligen Augustinus

Papst Leo XIV. ist ein Augustinus-Fan. Sehr viele sind es nicht. Und sie sollten nie Augustinus – Fans werden!

Ein Hinweis von Christian Modehn 8. August 2025, drei Monate nach dem „Regierungsantritt“ von Papst Leo XIV.

1.
Papst Leo XIV. hat seit der ersten Minute seines „Pontifikats“ explizit betont, dass er als Mitglied des Augustinerordens (und früher auch als dessen „Generalprior“ in Rom) ganz eng mit dem Denken Augustins (354 – 430) verbunden ist. Er nennt sich als gerade erst gewählter Papst „einen Sohn des heiligen Augustinus“ (dieser hatte übrigens einen leiblichen Sohn, Adeodat mit Namen).

2.
Der Wahlspruch des Papstes stammt aus der nahezu “mystisch” – verstiegen zu nennenden Theologie Augustins, die Formel heißt: „In illo uno unum“, diese knappe Formel lässt sich so übersetzen: „Wir sind eins in jenem einem (Christus)“. Oder interpretierend: „Obwohl wir als Christen viele sind, sind wir eins in dem einen Christus“. Wie diese Einheit in Vielfalt gelebt wird, sagt diese Formel nicht. Immerhin ist die zentrale Marke „Einheit“ von Leo XIV. gesetzt. Die Vielfalt in der mystischen Einheit mit Christus hat aber bei Augustin eine Einschränkung, wenn er sagt: “‘Mit euch bin ich Christ und für euch Bischof.“ Diese Formel wird auch von Papst Leo XIV. zentral wiederholt. Sie bedeutet wohl: Der Bischof ist ein herausgehobener, ein besonderer Christ, denn er handelt, herrscht, gerade im Gegenüber zu den Christen FÜR die Christen…Das FÜR ist entscheidend: Eine moderne Theologie würde richtiger sagen: „MIT euch bin ich Bischof.“ Das wäre Ausdruck der Gleichheit aller Christen (Katholiken).

Die Hochschätzung und Höherbewertung des Klerus durch Papst Leo XIV. wird deutlich: Den Kandidaten fürs Priesteramt (“Seminaristen”) empfahl Leo XIV., sich an Sprüche Augustins  zu halten und vor allem den Zölibat hochzuschätzen. Mit etwas Anstrengung, bitte schön,  sei doch der Zölibat zu leben, sagte er den 20 -25 Jahre jungen Männern…, man muss diese Empfehlung theologisch falsch und psychologisch naiv nennen. Wer sagt das öffentlich? Von der Abschaffung des Pflichtzölibates sollte er als Papst endlich sprechen, macht er aber nicht, obwohl er sofort dieses Gesetz aufheben könnte . LINK:

Und seine päpstliche Macht zeigte Leo XIV., als er den sehr extrem konservativen Kurien – Kardinal Robert Sarah aus Guinea als seinen päpstlichen Delegaten und Stellvertreter dort in die Bretagne, nach Sainte Anne d Auray, sandte: zu den populären Feierlichkeiten zu Ehren der heiligen Anna, der Mutter Marias. Diese Mutter Mariens wird in der Bibel nicht erwähnt, aber egal, man kann sie ja als Mythos katholisch feiern…Wichtiger ist die übliche Polemik Kardinal Sarahs gegen die modere freiheitliche liberale Demokratie. Die seriöse katholische Tageszeitung “La Croix” (Paris) berichtete:”Der Prälat aus Guinea hat am 26. Juli während einer päpstlichen Messe, in Anwesenheit der Bischöfe von West – Frankreich, dazu aufgerufen: Gott den ersten Platz wieder zu geben. Kardinal Sarah sagte: “Zu oft präsentiert man im Westen (in Europa) die Religion als eine Aktivität, die nur im Dienste des Wohlbefindens des Menschen steht.” Diese Haltung hat der Kardinal ohne Einschränkung verurteilt, bevor er eine Anspielung machte auf die aktuellen politischen Debatten in Frankreich zu Gesetzen zum Ende des menschlichen Lebens. Der von Leo XIV. in die Bretagne gesandte Kardinal Sarah sagte: “Ihr (Katholiken) sollt Frankreich nicht profanieren mit den barbarischen und inhumanen Gesetzen, die nur den Tod predigen, während Gott das Leben will.” Auf diese Weise wird eine sinvolle Debatte und ein sinnvolles  Gesetz zum selbstbestimmten Sterben abgewürgt, wie üblich, hätte Papst Lleo XIV. nicht besser sagen können… LINK.

3.
Nun hat Papst Leo in seinen Ansprachen und Predigten während der Weltjugendtage in Rom (26.7. bis 9.8.) immer wieder den jungen TeilnehmerInnen Weisheiten und Einsichten Augustins nahebringen wollen. Es waren Mahnungen, Empfehlungen, Warnungen, die das private moralische Leben betreffen. Von Einladungen, für die Menschenrechte politisch einzutreten, etwa in NGOs, war keine Rede. Die für radikale Kirchenkritik wahrlich nicht bekannte, aber objektive französische katholische Tageszeitung „La Croix“ (Paris) hat diese Augustinus – Propaganda durch den Papst untersucht:

4.
Dies sind die wesentlichen Erkenntnisse der Recherchen  von „La Croix“: Mikael Corre und Youana Rivallain, Journalisten von „La Croix“, veröffentlichen am 3.8. eine ausführliche Reportage zur Präsenz des Papstes beim Weltjugendtag. Auf der Esplanade von „Tor Vergata“ habe Leo XIV. sehr leise gesprochen und dabei aus den „Konfessionen“ Augustins zitiert: “Du hast mich berührt, und mich begeistert für den Frieden.“ Am Sonntag 3.8. hat der Papst in seiner Predigt eine Meditation des heiligen Augustinus über die Schönheit der Dinge gehalten: „Gold und Geld…  Aber sucht besser nach dem, der dieses gemacht hat, und er ist deine wahrhaftige Hoffnung“. Er lädt die jungen Leute ein, „großen Dingen nachzustreben, vor allem der Heiligkeit. Und zwar dort, wo ihr Jugendlichen seid. Ihr sollt nicht mit wenigem zufrieden sein.“ Der Papst zitiert die Bibel und noch mehr Augustinus, bis zur Übertreibung zitiert er Augustin, mystische, nein seltsame Worte für Jugendliche des 21. Jahrhunderts: „Herr, du warst im Innern und ich war im Äußeren, und da habe ich dich gesucht. Aber du hast gerufen, du hast geschrien, du hast meine Taubheit gebrochen, du hat geglänzt und meine Blindheit aufgelöst und du hast lieblich geduftet, ich habe geatmet und keuchend, habe ich dich gesucht und dich genossen“. Der Kommentar von „La Croix“: „Dieser Satz war es, der anläßlich der Messe am 3.8. im Zentrum der päpstlichen Predigt stand.“ Und diese Predigt war – bei Leo XIV. üblich – wieder voller Mahnungen und Ermunterungen zu einem „inneren Leben“ der Jugendlichen. Dieser Papst wird der Papst der Mahnungen und Warnungen und Empfehlungen in die Geschichte eingehen.

5.
Die häufigen Verweise auf Augustinus durch Leo XIV. sind von besonderer Problematik: Und zwar vor allem deswegen, weil sein hoch verehrter “geistlicher Vater“, der hl. Augustinus, selbst hoch problematisch ist als Theologe und als „bedeutender Kirchenvater.  Augustinus ist ein dermapen vielschichtiger Theologe und Philosoph der ANTIKE, dass sich leicht immer auch heute noch nachvollziehbare Einsichten und Weisheiten empfehlen lassen. Aber niemand darf so tun, als wäre dies der ganze Augustinus: Es gibt den rigiden, strengen, den polemischen, den pessimistischen Ketzerverfolger Augustinus als Bischof im Alter. Wer nette Sprüche Augustins zitiert, sollte immer sagen: Dies ist nur der halbe Augustinus. Der problematische Augustinus aber hat den Katholizismus bis heute bestimmt, und auch die Lutherischen Kirchen sowie die Reformierte Kirche, die sich einst „Calvinisten“ nannten. Bis in die Theologie des berühmten protestantischen Theologen Karl Barth wirkt der problematische Augustin weiter.

6.
Es kann hier erneut auf zentrale  „Problemfelder“ in der Theologie Augustins nur verwiesen werden. Sie haben das Ziel, die Zwiespältigkeit und Widersprüchlichkeit, ja durchaus auch die „Gefährlichkeit“ seiner Theologie  freizulegen mit dem Motto: „Warnung vor der Theologie des alten Augustinus“. Und diese Warnung vor der Theologie zumal des älteren und alten Augustinus wird von verschiedenen kompetenten Seiten ausgesprochen. Der bekannte Autor, Kenner und Forscher zum Thema Islam, Navid Kermani, hat in seinem Buch “Der Schrecken Gottes”, München 2011, ein Kapitel über die “Theologie der Angst” verfasst: Darin zeigt er Parallelen auf im Gottesbild des persischen Dichters ATTAR (“Das Buch der Leiden”) und des katholischen Theologen/Bischofs Augustin (S. 141-148). “In ihren Spätwerken schreiben beide, Attar, der Muslim, und Augustinus, Gott die direkte Verantwortung für das Böse zu…Das Böse ist zumindest für Augustinus notwendiger Teil des Guten” (S. 145).

7.
Ich nenne hier nur Stichworte: Dass Augustinus die Erbsünde erfunden hat und mit Gewalt durchgesetzt hat gegen seine freien und (biblisch) korrekt denkenden Theologen und Bischofskollegen (etwa Julian von Eclanum), ist schon so oft begründet und richtig gesagt worden. Große Verdienste auch zu dem Thema hat der Philosoph und theologisch hoch gebildete Wissenschaftler Prof. Kurt Flasch. Auch im Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon Berlin wurde seinen Anregungen folgend diskutiert und publiziert. LINK.

8.
Von einem Theologen der Antike, und das war Augustinus, kann man überhaupt keine kritische Theologie zur „Frauenfrage“ in der Kirche erwarten. Kurt Flasch weist in seiner Studie „Eva und Adam. Wandlungen eines Mythos“ (München 2004) darauf hin: Die Frau soll dienen und gehorchen, und sie soll es mit Hingabe tun, so lautet die schlichte Folgerung Augustinus für die Frau.“ (Seite 41). Übrigens: „Augustin hielt Adam für eine historische Person, er war der erste Sünder.“ (S. 38, 40). Diese Aussage kann man Augustin als einem Theologen der Antike nicht so übelnehmen, aber Christen aller Konfessionen sollten im 21. Jahrhundert diesen Mythos längst überwunden haben. Der Papst lasse also auch hier Augustin beiseite und gebe den Frauen in der Kirche eine volle und ganze Gleichberechtigung auch im Priesteramt. Nur diese Position entspricht dem Evangelium und dem wahren modernen Bewusstsein! Sonst wird die katholische Kirche zurecht von gebildeten Menschen ignoriert.

9.
Dass Augustin insgesamt wohl seine tiefen und leidvollen Probleme mit seiner eigenen Sexualität und der Sexualität im allgemeinen hatte, hat sich inzwischen als gesicherte Erkenntnis herumgesprochen.
Für Augustin wird die Sexualität zur Last, und zwar ist sie dies seit dem Sündenfall im Paradies! Als Bischof war er heftig bemüht, seinen Leuten die Zügelung der sexuellen Begehren zu empfehlen und er fand für „diese Kunst der Körper/Sex-Beherrschung“ erstaunliche Worte, die Kurt Flasch in „Eva und Adam“ notiert hat: Wir zitieren nur zwei Beispiele Augustins für die Kunst, den eigenen Körper selbst in den unmöglichsten Fällen zu beherrschen: “So können einige Leute ihre Ohren bewegen, entweder nur eins oder beide zugleich… Einige können mit ihrem Hinterteil ohne jeden Gestank beliebig viele Töne so hervorbringen, dass man glaubt, sie singen auch mit diesem Körperteil“ (S. 77, Flasch bezieht sich in Fußnote 66 auf eine Aussage Augustins in „De civitate Dei“…)
Also, wenn das alles für den Menschen möglich ist, dann sollte doch auch bitte das sexuelle Begehren möglichst vom Menschen ausgeschaltet werden können…Wunschtraum eines sexuell Frustrierten im 5. Jahrhundert…

10.
Auf Augustinus Höllenlehre muss noch hingewiesen werden: Er war der Überzeugung, dass die Sünder in der Hölle endlos lange Qualen erleiden müssen. Der Mensch verdiene eben wegen der Erbsünde ewiges Leiden in der Hölle…

11.
Über Augustins Verhältnis zu den Juden wäre zu sprechen, er behauptet: “Eure jüdischen Väter haben Christus getötet“, sie seien der „ungeheuren Vergehen der Gottlosigkeit“ schuldig…

12.
Man möchte förmlich den Augustiner Papst Leo XIV. bitten, seinen großen „Meister“ beiseite zu legen und die Augustinuszitate nur noch den Historikern zu überlassen. Denn das theologische Denken des antiken (!) Theologen und Philosophen Augustin taugt wenig für die modernen Herausforderungen der Kirchen, der Politik, der Ökologie und der Kriege. Mit ein paar netten Weisheiten : „nach Innen zu schauen“, „doch bitte wahrhaftig zu sein”, “nicht den Mut zu verlieren”, irgendwie auch gegen die kapitalistische Gier zu sein”  etc. kommt diese verrückte Welt heute nicht zu gerechteren Verhältnissen.

13.
Dieser mögliche Abstand vom „Meister Augustin“ kann den Augustinern um so leichter fallen, als sie eigentlich nur die sehr knappe “Regel für eine gemeinsames Leben im Kloster” von Augustin übernommen haben. Augustinus ist nicht der Gründer des Ordens, dieser Orden ist in der Mitte des 13. Jahrhunderts durch päpstliche Initiative entstanden, unter dem Titel „Augustiner“ wurden verschiedene italienische Eremitengemeinschaften zusammengeführt.

Der Augustiner-Orden hat als einziger in der Kirche keinen persönlichen Gründer, wie Ignatius von Loyola, Franz von Assisi, Don Bosco und so weiter. Es waren einige Päpste, die diesen Orden schufen. Und ausgerechnet ein Mitglied des Augustiner-Ordens war der heftigste Gegner des Papsttums: der Augustiner Martin Luther. Von seinem ketzerischen „Mitbruder“ (und Augustinus – Fan!) hat Papst Leo XIV. bisher (8.8.2025) nicht gesprochen…Seit der Zeit wollen die Augustiner sehr päpstlich – treu ergeben sein und haben (deswegen?) auch sehr wenige bedeutende oder gar kritische Theologen hervorgebracht wie etwa die Dominikaner, Jesuiten, Benediktiner usw… Aufgrund dieser Armut, keinen wirklichen spirituellen Gründer des Ordens zu haben, beziehen sich die Augustiner ständig – wie aus Verlegenheit – auf Augustinus, der nur der Autor ihrer knappen Ordensregel ist…Sie erforschen ihren “Meister” historisch in eigenen Instituten, sie haben aber nicht die Kraft, sich von ihm abzusetzen…

PS: Interessant ist, dass der Augustinerorden (O.S.A.) zwei Reformorden hat, die jetzt kaum – auch nicht von “dem” Augustiner Papst Leo XIV. – erwähnt werden: Die Reformorden wurden gegründet, um dem im 17. Jahrhundert eher “schläfrigen” Augustiner-Orden (O.S.A.) etwas Radikaleres entgegenzusetzen. Es handelt sich um die “Augustiner-Rekollekten” (ca. 1.300 Mitglieder) und die “Unbeschuhten Augustiner” (ca. 150 Mitglieder), zu denen der Prediger Abraham a Sancta Clara in Wien gehört, auch er ein heftiger Antisemit. Es gibt zudem zahlreiche Augustiner-Chorherren – Orden, wie etwa  im Stift St. Florian bei Linz, aber diese monumentalen Chorherren – Klöster glänzen nicht durch mutige Programme der Kirchenreform. Man darf wohl sagen: Wo Augustiner leben und auftreten, da geht es sehr behutsam zu. Sehr treu zur päpstlichen Lehre. Dieses behutsame Lehren und behutsame gemeinschaftliche Leben findet in Westeuropa keinen Anklang mehr: Der Augustinerorden hat jüngere Mitglieder heute nur noch in Lateinamerika, Afrika und auf den Philippinen und in Indonesien…Neue Formen des Ordenslebens mit Laien zusammen werden lediglich in den Niederlanden versucht, um den Augustiner –  Orden vor dem alsbaldigen Aussterben mangels Klerikern zu bewahren…

14.
Es wirkt seltsam, dass die viele Vatikanologen, die sich unter Papst Franziskus fast die Finger wund schrieben, zu Leo XIV. bis jetzt schweigen. Wahrscheinlich warten sie dessen erste Enzyklika ab, den Titel ahne ich schon: „Wir sind doch alles eins“ oder auch „Wir sollten alle die Einheit suchen“. Unvorstellbar der Titel „Einheit der verschiedenen Christen und Kirchen gibt es nur in versöhnter Verschiedenheit. Fördern wir die Vielfalt. Einheit kann zum Schlagwort, zur Ideologie werden“… Dieser Titel wäre richtig, treffend – aktuell, aber leider zu lang und vor allem zu „unkatholisch“…

15.
Unsere Warnung vor der Theologie Augustins bedeutet natürlich keine Warnung vor dem Menschen Leo XIV. Er ist ja um Gespräche mit so vielen so bemüht, und auch seine Mahnungen und Forderungen, bitte bitte Frieden zu schaffen, sind wahrscheinlich schon etwas wertvoll… Konkreteres wünschen sich manche…

16.
Papst Franziskus war knapp vier Monate im Amt, da besuchte er am 8.Juli 2013 die Insel Lampedusa und die dort gestrandeten (und im Meer ertrunkenen) Flüchtlinge aus Afrika. Das war ein starkes politisches Zeichen, für das so viele dankbar sind… Manche fragen: Welches große Zeichen wird Papst Leo XIV., nach 4 Monaten „Pontifikat“ (d.h. doch Brückenbauen) setzen. Eine Idee: Vielleicht reist er als selnbst ernannter “Friedenspapst” bald  nach Kyiv (Kiew)? Ohne konkret Partei zu ergreifen für die Ukraine, gibt es angesichts des Diktators Putin keinen Frieden. Aber der russisch-orthodoxe Patriarch von Moskau und Putin Freund, Kyrill, seit gemeinsamen KGB Zeiten mit Putin verbandelt, wäre bei so viel tatsächlichem päpstlichen Engagement für die Ukraine sicher böse. Und das hätte der Papst gar nicht so gern, denn er will so dringend die Versöhnung mit den orthodoxen Kirchen. Also verzichtet er aus kirchlichen Gründen auf ein präzises politisches Engagement. Dass Putin zu Friedensgesprächen in den Vatikan kommt gemeinsam mit Präsident Selensky, ist ein Wunschtraum des Papstes.

Dieser Hinweis ist nicht unser erster Beitrag zur verheerenden Theologie Augustins und es gilt der Vorschlag, dass sich doch selbst ein Augustiner als Papst von der Theologie des Augustinus befreien könnte und auf die Höhe moderner, kritischer Theologie kommt: Siehe auch: LINK

Copyright: Christian Modehn Religionsphilosophischer Salon Berlin

 

Fördert die Regierung Netanjahu den Antisemitimus?

Die 28. der „Unerhörten Fragen“
Von Christian Modehn am 31.7.2025

Am 16.9.2025: Nach vielen Rückmeldungen beantworten viele LeserInnen diese Frage mit JA. Sie meinen, dass diese Regierung Netanjahus mit den Rechtsextremen in der Regierung (an die er sich aus persönlichen, egoistischen Gründen klammern muss)  tatsächlich  antisemitische Gefühle bewirkt oder fördert. Progressive Juden sind offenbar zu schwach, um diesem Netanjahu-Wahn sofort und absolut Einhalt zu gebieten!!  CM.

…………Am 31.7.2025:

Könnte es sein, dass die Netanjahu-Regierung in Israel in ihrem absolut unmenschlichen Umgang mit den Palästinensern in Gaza (und im Westjordanland) den allgemeinen Antisemitismus weltweit fördert? Antisemitismus in der westlichen Welt also verursacht durch Israels Politiker und durch die jüdischen Bürger Israels, die diese Politiker wählten?

Diese Frage wird in aller Vorsicht gestellt. In dem Wissen, dass gebildete Menschen Antisemitismus von Kritik an einer brutalen Regierung in Israel unterscheiden. Aber auch in dem Wissen, dass diese Unterscheidung bei sehr vielen Menschen leider nicht üblich ist. Und jetzt schwerfällt. Dass diese Regierung Israels de facto Antisemitismus erzeugt, wird verstärkt durch das Wissen: Dass Israel sich ursprünglich als ein „jüdischer Staat“ behauptet. Ein religiöser, biblischer Staat also, der, bei diesem Titel dem eigenen Anspruch folgend, gewisse grundlegende humane Prinzipien etwa der biblischen Propheten respektieren müsste! Der also dem entsprechend mehr auf Dialog mit den Feinden setzen müsste als auf permanente Unterdrückung des Feindes. Fördert also Israels Regierung den Antisemitismus in der “westlichen Welt”? Das ist wahrscheinlich!

Dies wird auch in dem Wissen gesagt, dass die Hamas Israel brutal angegriffen hat. Dies wird auch in dem Wissen gesagt, dass das übliche, angeblich biblisch begründete (aber nicht etwa christlich geltende) Prinzip der Rache „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ gegen den Feind maßvoll eingesetzt werden sollte.
Jetzt aber ist die tötende Gewalt Israels gegenüber dem Feind absolut maßlos geworden. Die Bilder des durch Isarel erzeugte Elends der Menschen in Gaza erinnern an leidende Menschen im KZ!
Hilfsorganisationen nennen das Elend der Palästinenser jetzt „die Hölle“ (Tagesschau 31.7.2025, 20. Uhr). Ist es also für bestimmte Juden normal geworden, dass jüdische Politiker die Hölle für andere erzeugen?
Nein, es gibt Widerspruch unter Juden in Israel und weltweit, aber leider bleibt der Widerspruch bisher wirkungslos. Woran liegt das? Wie weit darf Israel -Kritik durch Juden gehen? Die großartigen Studien des jüdischen Historikers Prof. Shlomo Sand (Tel Aviv) sind leider die Ausnahme, sie werden in Deutschland kaum beachtet, seine Studien verdienen weites Interesse! LINK  Kein deutscher TV Sender fragt Prof. Slomo Sand…Eine Rezension eines der Bücher von Shlomo Sand: siehe die Fußnote 1.

Gott sein Dank wehren sich gegen den Massenmord durch Israels Regierung einige vernünftige europäische Politiker. Deutsche sind bislang deutlich nicht dabei, wenn es jetzt um die Anerkennung eines Palästinenser Staates geht. Deutsche Politiker fördern also auch in dieser ihrer Zurückhaltung, Angst, Staatsräson, den von dieser Regierung in Israel erzeugten Antisemitismus? Darf man diese Situation paradox nennen? Das heißt: Deutsche Politiker (Merz und Co) fördern wieder in dieser ihrer genannten Zurückhaltung eine neue Form des Antisemitismus?

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

……..

Fußnote 1:

Shlomo Sand
Warum ich aufhöre, Jude zu sein
Propyläen Verlag. 156 Seiten. 18 €

Von Christian Modehn , erschienen in der Zeitschrift PUBLIK – FORUM  2014.

Shlomo Sand, Professor für Geschichte in Tel Aviv, bietet mehr als ein persönliches Bekenntnis. Er kann aus objektiven Gründen nicht länger Jude sein, weil er den heutigen Staat Israel ablehnt. Dabei gibt es für ihn keinen Zweifel, als polnischer Jude, 1942 in Österreich geboren, für das Existenzrecht Israels einzutreten. In dem „jüdischen Staat“ lebt er seit 1949. Aber gerade diese Definition findet er unerträglich. Denn Israel bevorzugt die Bewohner, die dem jüdischen Volk zugehören. Dabei ist es ein Mythos, so wörtlich, über die jüdische Rasse den Staat Israel zu definieren. Die „Rasse“ der Hebräer gibt es nicht. Jude, meint Sand, sei man einzig durch sein religiöses Bekenntnis. Als Atheist möchte er aufhören, als Jude zu gelten, kann es aber nicht, weil er vom Staat unaufhebbar dem „Volk“ zugerechnet wird. In dieser „Volksideologie“ sieht Sand zudem die Wurzel der verhängnisvollen Besatzungspolitik. Er plädiert für eine „republikanische Identität“ Israels mit dem absoluten Respekt der Menschenrechte und einer Zweistaatenlösung mit Palästina. Das Buch verdient intensive Diskussionen.

CSD Berlin und katholische Kirche: Nicht dabei! Genauso wie die Gemeinden der Muslime.

Ein Kommentar von Christian Modehn am 26.7.2025

Katholiken, fundamentalistische Protestanten und Muslime vereint: In der Abwesenheit auf dem CSD!  Deutlicher kann die Ablehnung des Kampfes um Menschenrechte nicht sein. Eine Koalition der sehr Konservativen. 

1.
Die 47. CSD-Veranstaltung, Parade, Demo, war sicher eine der bedeutendsten der letzten Jahre, nicht nur wegen der vielen tausend TeilnehmerInnen, vor allem wegen der klaren politischen Ansage. “Nie wieder still“, so das Motto, will die Queer – Community sein, wenn es um Menschenrechte, um Gleichberechtigung für queere Menschen geht. Und der laute scharfe Protest wird nötig sein, vereint mit allen demokratischen Kräften, die für umfassende Gleichberechtigung eintreten außerhalb des konservativen Mainstreams der CDU/CSU und der als rechtsextrem eingestuften AFD. Gewalt gegen queere Menschen ist leider auch in Berlin alltäglich geworden. Da braucht die ganze Gesellschaft Zusammenhalt. Aber man achte darauf, dass katholischen CDU /CSU Politiker jetzt sehr heftig alte, in ihrer Sicht „korrekte“ Positionen wieder durchsetzen. Ein sehr rechter Block formiert sich weiter…Siehe die Auseinandersetzungen um die Berufung der Juristin Frauke Brosius-Gersdorf ins Bundesverfassungsgericht.

2.
Was also ein historisches Datum ist: Zwei große Organisationen waren auf der 47. CSD Demo NICHT dabei, weder mit einem eigenen Wagen oder wenigstens mit einem öffentlich sichtbaren Fahrrad: Etwa mit dem Titel „Muslime für die Gleichberechtigung der muslimischen Queers in unseren Gemeinden“ oder „Die katholische Kirche in Berlin ist mit den Queers selbstverständlich solidarisch“.
Diese beiden großen religiösen Organisationen waren auf der CSD Demo nicht zu sehen: Die islamischen Gemeinden und die offizielle katholische Kirche in Berlin. Während sich spirituell interessierten Queers freuten, dass die Evangelische Kirche in Berlin offiziell mit einem eigenen Wagen vertreten war mit der Generalsuperintendentin Julia Helmke an Bord.

3.
Es ist mehr als blamabel für das Ansehen der katholischen Kirche, dass sie sich nun in bester Gesellschaft befindet mit den zweifelsfrei mindestens sehr konservativen, sicher queer – feindlichen Moschee- Gemeinden. Katholiken und Islam also vereint im öffentlichen Fernbleiben auf einer wichtigen Demo, die ja nicht nur die Menschenrechte der Queers, sondern aller Minderheiten einfordert, also für eine wahre Demokratie eintritt.

4.
So zeigt sich ein gespaltenes Bild der Christen: Die Evangelische Kirche Berlin ist auf dem CSD-Fest ganz groß dabei, die offizielle katholische Kirche hält sich fern. In ihrem immer noch gültigen Katechismus, sagt der Vatikan ganz offen, dass Homosexualiät als Verirrung gilt und Queers bitte keusch leben müssen. Was ja bekanntlich faktisch und nachweislich für viele zölibatäre Priester nicht gilt.

5.
Diejenigen, die als Katholiken noch ein Gespür für die dringende öffentliche Solidarität mit Queers bewahrt haben – wegen der rechtsradikalen Gewalt gegen Queers z.B. – schämen sich hoffentlich über ihre Kirchenleitung. Und protestieren, aber: wie so oft vergeblich……
Der Autor dieses Kommentars war dabei, als Erzbischof Heiner Koch gleich nach seiner Ernennung zum Erzbischof von Berlin im Jahr 2015 ein Schwules Aktionsbüro in der Bülowstr. in Schöneberg sehr interessiert mindestens zwei Stunden lang zum Gespräch besuchte. So viel Interesse, wenn nicht Mut hat der Erzbischof jetzt, 2025, nicht mehr. Hätte er doch wenigstens einige Berliner Priester und Ordensleute, auch Nonnen, zur Demo geschickt, „Gay priest of Berlin“: Das hätte man gern nun auch öffentlich gelesen und respektiert. Aber auf diese angstvolle Weise des Fernbleibens zeigt sich die katholische Kirche Berlins abermals auf ihrem Weg ins Getto. Eine für viele Millionen umgebaute St. Hedwigskathedrale mit der neu gebauten Residenz des Erzbischofs setzt da auch keinen anderen Akzent von Offenheit. Zumal in der Nachbarschaft zur teuer erbauten Kathedrale die große Anlage des Katharinenstiftes in der Greifswalder Str. verkauft wird. Auch die „Basis“ der kleinen Gemeinden interessiert nicht: Repräsentation (Kathedrale!) und politisches Agieren im Hintergrund zugunsten des allheiligsten Verbots der Freigabe von Schwangerschaftsabbruch sind wichtiger.

6.
Protestanten, wie der Autor dieser Zeilen, freuen sich jedenfalls über das Engagement der Evangelischen Kirche in Berlin. Und auch der Autor hofft nur, dass die evangelische Kirche nicht dringend von den Katholiken “gebeten” wird, in „ökumenischem Geist” demnächst nicht mehr auf einer CSD Parade dabei zu sein.
Der unterschiedliche Umgang mit der CSD Parade durch Protestanten und Katholiken zeigt einmal mehr, wie gering eigentlich die gemeinsame christliche Basis ist. Ökumene, so hat man den Eindruck, ist oft bloß ein Wort, für Katholiken…Zu fragen wäre auch: Wo sind denn beim CSD die Evangelikalen, die Pfingstgemeinden, die Baptisten, die Neuapostolischen, die “freien Gemeinden” innerhalb des Protestantismus? Stehen sie etwa den Katholiken in der Hinsicht näher als der Evangelischen Kirche in Berlin? Fundamentalisten verstehen einander oft sehr gut…

7.

Die offizielle katholische Kirche hat auch jetzt kein deutliches öffenlich sichtbares Interesse daran, sexuelle Minderheiten offiziell und deutlich zusammen mit progressiven Organisationen und Parteien zu schützen oder für eine Politik der Gleichberechtigung der Geschlechter einzutreten.

Die katholische Kirche ist hier wie fast überall längst wieder der alten Ideologie der “klassischen” Geschlechterrollen und vor allem Frauenrollen und der Ignoranz gegenüber den Menschenrechten von Queers verpflichtet. So entsteht seit einigen Monaten ein vielfach beobachter Kulturkampf mit führenden ultrareichen Katholiken in den USA, in Frankreich LINK, oder nun deutlich auch in Deutschland, siehe die führenden konservativen katholischen Kreise in der CDU/CSU, die sich um das C als gültoge politische Aufforderung zur Menschlichkeit im Sinne Jesu von Nazareth nicht ein bißchen kümmern, siehe die aktuelle Abschiebungspolitik, die Reduzierung der Sozialpolitik,die Reduzierung der Hilfe für hungernde Menschen im globalen Süden, das schon fast totale Vertrauen in immer mehr Waffen usw.

Diese Katholiken lieben insgeheim oder öffentlich einen Führer, schätzen mindestens das Führungsprinzip und die Hierarchie, und einen heiligen Vater als Führer, als Papst, haben sie ja schon. Das heißt: Die katholische Ideologie des allmächtigen, unfehlbaren  Papstes ermuntert rechte Katholiken noch weiter nach rechtsaußen abzusacken.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin