Als sich die Kirchenführung mit dem Faschisten, dem Regime des „Caudillo“ Franco, vereinte.
Ein Hinweis von Christian Modehn am 29. Oktober 2025
Einführung: Der reaktionäre „Nationalkatholizismus“ damals und heute
Wir erinnern an den spanischen Faschisten Francisco Franco und seine katholische „Nationalkirche“. Und wir denken dabei jetzt auch an die USA unter Trump und Co., eng verbunden mit einer christlich – fundamentalistischen „National-Religion“. Sie ist Mittelpunkt us-amerikanischer „weißer“ Identität. Dieses Christentum (präsent nicht nur unter Evangelikalen, auch unter Katholiken) wird eingesetzt, um die politische und kulturelle Vorherrschaft von Trump und Co. zu zementieren. Quelle: LINK:
In Frankreich wird aktuell wieder verstärkt von rechtsextremen Politikern (Eric Zemmour u.a.) der „Nationalkatholizismus“ propagiert, finanziert von den reaktionären Milliardären Vincent Bolloré und Pierre Eduard Sterin, siehe etwa die Auseinandersetzungen um den aktuell erfolgreichen Kinofilm „Sacre Coeur“ Quelle: LINK : An diese konkreten (!) Parallele zum Faschisten Franco gilt es zu denken. Und auch: Francos Regime scheiterte, weil demokratische Kräfte nach seinem Tod 1975 stärker waren. Der klerikale Katholizismus als ideologischer Kitt des Regimes verlor seine Bedeutung und so führte die Demokratie die katholische Kirche in eine zunehmend schwächere Rolle, trotz allen Pomps, den die Herren Kardinäle und Bischöfe dort noch öffentlich, bei ihren Auftritten, an den Tag legen und so den Eindruck erwecken, als wäre alles“ noch „beim alten“.
1.
Eine Erinnerung an den faschistischen Führers Spaniens, Generalissimo Francisco Franco und seine 36 Jahre (1939-1975) dauernde Herrschaft: Geboren wurde Franco am 4. Dezember 1892, gestorben ist er am 20. November 1975: Aber ist Franco wirklich tot? Sicher nicht! Rechtsradikales, faschistisches Denken lebt noch heute in Spanien und wird immer stärker, siehe die Entwicklung der VOX-Partei. Rechtsextreme Parteien in ganz Europa sind auf dem Vormarsch und setzen sich leider durch. Dass die Herrschaft Francos durch Nationalismus, Antikommunismus, Einparteienstaat, Zensur, Verfolgung und Vernichtung Andersdenkender (Linker, Demokraten…) bestimmt war, macht ihren faschistischen Charakter aus.
2. „Klerikaler Faschismus“
Unseren Interessen im „Religionsphilosophischen Salon Berlin“ entsprechend, wird hier kritisch vor allem auf die entscheidende Stütze der Diktatur Francos, den Katholizismus, hingewiesen. „Tatsächlich war die katholische Kirche während der ersten zwei Jahrzehnte (also bis Ende der 1960 Jahre) der deutlichste ideologische Partner der Diktatur Francos. Sein faschistisches Regime war ein klerikaler Faschismus“, so Antonio Gomez Movellán. (Fußnote 1).
Und heute? Francisco Franco gilt bei vielen SpanierInnen noch immer als eine Art Erlöser seiner Nation, weil er die “Republik der Linken“ mit blutiger Gewalt überwunden hat. In Spanien sind praktizierende Katholiken traditionell bis heute mit der konservativen Partei „PP“, der Nachfolgepartei Francos, verbunden (Fußnote 2) oder jetzt mit der rechtsextremen Partei „VOX“ unter ihrem Führer Santiago Abascal. Zuvor gab es rechtsextreme Gruppen wie „Hazte Oír“, eine militante Strömung des Katholizismus. Sie wurde stark, wie üblich, mit reaktionären Positionen zu Fragen der Familie, der Abtreibung und der Feindschaft gegenüber Ausländern…
Laut der jüngsten „Sigma-Dos“-Umfrage für die Tageszeitung EL MUNDO würden heute 14,8% der Wahlberechtigten für Vox stimmen. Unter diesen VOX Wählern bezeichnen sich 72 % als katholisch, 2.615.230 Menschen. Quelle: EL MUNDO, 11.8.2025, Beitrag von Paloma H. Matellano. Von den Katholiken, die sonntags an der Messe teilnehmen, also „praktizieren“, würden sogar 24,1% für VOX stimmen. Selbst wenn sich Bischöfe jetzt gegen rechtsradikale Parteien und gegen VOX aussprechen und die Menschenwürde der Ausländer und Flüchtlinge und Muslime verteidigen: Große Teile der katholischen „praktizierenden“ Basis halten sich nicht an die Weisungen der Bischöfe. In der heutigen katholischen traditionell – konservativen Mentalität lebt die strukturelle Verbindung von Katholizismus und Rechtsextremismus aus Francos Zeiten weiter: Diese Mentalität war bestimmt von der Zustimmung zur Herrschaft des EINEN Führers, des Caudillo bzw. des Einen, des „unfehlbaren Papstes“ bzw. seiner Bischöfe.
3. Die kurze Zeit der 2. Republik
Die Situation der Kirche vor Franco, konkret seit dem Ende der Monarchie im Jahr 1931:
Zwischen 1931 bis 1936, dem Beginn des Bürgerkrieges, konnten SpanierInnen in dieser „Zweiten Republik“ die Offenheit der Demokratie erleben und Demokratie gestalten. Die liberalen Regierungen widersetzten sich der üblichen finanziellen Bevorzugung der katholischen Kirche. Die Republik führte Gesetze ein zur Ehescheidung ein, die Zivilehe wurde möglich, es gab kostenlosen Unterricht für alle… Radikale antiklerikale Kreise setzten ihre alte, angestammte Wut auf den reaktionären Klerus in Gewalt um. Heftigste Ablehnung der Republik durch die Kirchenführung ließ nicht auf sich warten: Am 3. Juni 1933 verurteilte Papst Pius XI. in seiner Enzyklika „Dilectissima Vobis“ die Republik wegen der „Unterdrückung der spanischen Kirche“ und der Einschränkung der bürgerlichen Freiheiten… Schon komisch, dass sich ein Papst für bürgerliche Freiheiten endlich einmal einsetzte…Die Bischöfe waren aufseiten der Monarchie, aber wegen ihrer Privilegien und ihrer reaktionären Mentalität vor allem bei vielen Intellektuellen und gebildeten Bürgern zu recht höchst unbeliebt. Davon spricht Papst Pius XI. nicht.
Es gab allerdings eine „kleine katholische Minderheit“ von Demokraten, Verteidigern der Republik im spanischen Katholizismus. Etwa José Manuel Gallegos Rocafull (Priester, Theologe, Philosoph, der nach Mexiko flüchtete), Angel Ossorio y Gallardo (Jurist, er starb im Exil in Argentinien) oder José Bergamin (angesehener Schriftsteller, Präsident der Allianz der Antifaschisten). Der katalanische demokratische katholische Politiker Manuel Carrasco Formiguera wurde im April 1938 auf Francos Befehl hingerichtet, weil er nicht mit den offiziellen Ansichten übereinstimmte…Tatsache ist auch: Die Republik war nicht in der Lage, ihre internen Konflikte demokratisch zu lösen. Mit dem Putsch (unter Führung General Francos) begann am 17.7.1936 der Bürgerkrieg.
Deutschland unter Hitler und Italien unter Mussolini unterstützten Franco, diverse Linke aus verschiedenen europäischen Ländern – in ihrer ideologischen Vielfalt und Widersprüchlichkeit – stellten sich auf die Seite der spanischen Linken und Republikaner. Der Spanische Bürgerkrieg war sozusagen auch so etwas wie ein “europäischer Bürgerkrieg“.
4. Der Bürgerkrieg 1936 – 1939.
Seit Beginn des Krieges gaben Generäle den Befehl, »das spanische Volk« zu »reinigen« und alle »linken Elemente zu eliminieren«. „Dieser Terror hielt sich bis zum Herbst 1937 und wandelte sich bis weit in die Vierzigerjahre hinein zu einem Strukturelement des Unterdrückungsapparates der Diktatur Francos: Es gab Konzentrationslager, Zwangsarbeit, überfüllte Gefängnisse, Kinder wurden ihren »roten« Eltern weggenommen, und alle als »rot« verdächtigten Personen streng überwacht. Quelle Prof. Georg Pichler, Madrid, LINK:
Weiteste Kreise der Kirche, die überwiegende Mehrheit der Priester, unterstützten den Putsch der Militärs und der Rechten, also den gewalttätigen Umbruch der Machtübernahme. „Der Bürgerkrieg war in dem streng kontrollierten Land im Sinne Francos der Kampf des Guten gegen das Böse.“ Quelle: LINK Quelle ebd. Und: „Im Vatikan betrachtete man Franco als einen `Retter“ … Das Regime wurde lange Zeit als Modell eines katholischen Staates behandelt“ (siehe Fußnote 1.)
Die Faschisten der „Falange“, die „Nationalisten“, säuberten“ das Land durch die Hinrichtung von Staatsfeienden, und das waren die Linken. Die katholische Kirche behauptete, dieses Morden der Republikaner sei nichts als eine berechtigte Reaktion auf das Morden der Linken, also der Mord an Priestern und Ordensleuten. Franco schuf ein Gesetz der „Politischen Verantwortung“, es blieb bis 1962 in Kraft und sollte seiner politischen Unterdrückung der Republikaner und der Linken einen gewissen legalen Anschein geben. Der Historiker Stanley G. Payne schätzt, dass die Zahl der Todesopfer des „Weißen Terrors“ der Faschisten während des Kriegs höher ist als die Zahl der Todesopfer des „roten terrors“: Payne, Stanley. “Chapter 26: A History of Spain and Portugal vol. 2”. Grundlegend auch: https://en.wikipedia.org/wiki/White_Terror_(Spain)
Die Führung der spanischen Kirche duldete den „Weißen Terror“ der Faschisten:
Kardinal Gomá erklärte, dass „Juden und Freimaurer die nationale Seele mit absurden Lehren vergifteten“ …Wer nicht regelmäßig zur Messe ging, wurde leicht ‚roter‘ Tendenzen verdächtigt. Unternehmer verdienten viel Geld mit dem Verkauf religiöser Symbole … Quelle: Beevor, Antony (2006). The Battle for Spain; The Spanish Civil War 1936–1939. Penguin Books.
Die Bischöfe Spaniens veröffentlichen am 1. Juli 1937 einen „Hirtenbrief“, mit dem Ziel: Die ganze Welt solle tatsächlich Franco unterstützen: Führend war daran beteiligt der Madrider Erzbischof Leopoldo Eijo y Garay (1878- 1963). Es ist der „Brief der spanischen Bischöfe aus Anlass des Bürgerkrieges: Siehe: “Carta colectiva de los obispos españoles con motivo de la guerra en España”.
Juan Goytisolo, einer der bekanntesten und wichtigsten Autoren Spaniens, schreibt in seinem Buch „Spanien und die Spanier“, Suhrkamp, 1982, S. 217: „Ein spezifisch spanischer Aspekt des Bürgerkrieges ist die Gewalttätigkeit. Die enge Tradition der Intoleranz, der Verdächtigung und des Argwohns erklärt zur Genüge, wie jenes Phänomen (der Gewalttätigkeit) zum Allgemeinverhalten wurde, und zwar mit einer Heftigkeit, die alle Zeugen bestürzte. Pierre Vilar (geschätzter Historiker der spanischen Geschichte und Gegenwart) schreibt: `Es gab Priester, die zu den übelsten Massenerschießungen ihren Segen erteilten, und es gab Menschenmeuten, die alle aufspürbaren Geistlichen zu Tode jagten. Es ist der Zusammenprall einer Religion und einer Gegenreligion…“
5. Deutsche Katholiken und der Bürgerkrieg
Wenig bekannt ist heute die Bindung von Katholiken in Nazi – Deutschland an die „freiwilligen“ Kämpfer im spanischen Bürgerkrieg aufseiten Francos. Gerade unter katholischen deutschen Jugendlichen gab es eine Verehrung dieser heldenhafter katholischen Kämpfer. Der Publizist Carl Amery hat sich mit dem Thema befasst: „Der Durst nach Heldentum und heroischen Vorbildern wurde gesättigt mit francistisch – katholischen Kreuzzugs – Idolen, etwa mit dem Faschisten José Moscardo im Alcázar in Toledo (Massaker an Republikanern 1936) oder mit Werner Mölders, dem deutsch-katholischen „Fliegerhelden“ im spanischen Bürgerkrieg (Werner Mölders, geb.am 18.3.1913 Gelsenkirchen, im Kriegs-Einsatz umgekommen am 22.11.1941 bei Breslau.) Carl Amery hat sich in einem Beitrag für das Radio-Programm in WDR3 am 7. August 1989 (Kritisches Tagebuch) mit dem Thema befasst.
6. Francos Herrschaft vom 31. März 1939 bis zum 20. November 1975
Wie regierte Papst PIUS XII.auf den Sieg Francos? Ein Zitat aus wikipedia: LINK. Am 1. April 1939, dem Tag, an dem General Franco seinen berühmten „letzten Bericht“ veröffentlichte, in dem er verkündete, dass „der Krieg vorbei ist“, gratulierte der neu gewählte Papst Pius XII. Franco per Telegramm zu seinem „katholischen Sieg“: „Wir erheben unser Herz zum Herrn und danken Ihnen, Exzellenz, aufrichtig für den ersehnten katholischen Sieg Spaniens. Wir wünschen uns, dass dieses geliebte Land, nachdem es den Frieden erreicht hat, mit neuer Kraft seine alten Traditionen wieder aufnimmt, die es so groß gemacht haben. Mit diesen Gefühlen senden wir Eurer Exzellenz und dem gesamten spanischen Volk unseren apostolischen Segen.“
Franco antwortete ihm umgehend:
„Das Telegramm Eurer Heiligkeit anlässlich des vollständigen Sieges unserer Waffen, die in einem heldenhaften Kreuzzug gegen die Feinde der Religion, des Vaterlandes und der christlichen Zivilisation gekämpft haben, hat mich zutiefst bewegt. Das spanische Volk, das so viel gelitten hat, erhebt ebenfalls mit Eurer Heiligkeit sein Herz zum Herrn, der ihm seine Gnade geschenkt hat, und bittet ihn um Schutz für sein großes Werk der Zukunft. (…)
(Die Zitate sind dem Buch von Hilary Raguer. La pólvora y el incienso. La Iglesia y la Guerra Civil española (1936-1939). (Col. Gran Atalaya, 2008). Barcelona: Península.) Übersetzt mit DeepL.com
Seit dem 31. März 1939 ist also Spanien unter der Kontrolle von Francos Truppen. „Es beginnt dann eine Welle der Verfolgung von Franco-Gegnern mit etwa 270.000 Häftlingen und zehntausenden Toten. In den ersten Nachkriegsjahren leidet Spanien unter einer Hungersnot. Bis in die Siebzigerjahre werden zahlreiche Neugeborene aus Familien von Oppositionellen den Eltern entzogen.“(Quelle: LINK
Zu Beginn der Herrschaft Francos organisierten die Bischöfe am 20. Mai 1939 in der Kirche St. Barbara in Madrid einen prachtvollen Gottesdienst, um Gott zu danken für den Sieg Francos im Bürgerkrieg. Während der Messe legte Franco sein Schwert zu Füßen der Figur „Christus von Lepanto“. Bei Lepanto, im Golf von Korinth, besiegten am 7. Oktober 1571 Galeeren-Verbände des Papstes das Osmanischen Reich mit dem Untergang der muslimischen Kriegsflotte. Die Inszenierung der Verehrung Lepantos sollte eine Verbindung herstellen zur definitiven Vertreibung der Muslims aus Spanien Ende des 15. Jahrhunderterts.
Den Segen über den siegreichen Vernichter der Linken, also Generalissimo Franco, sprach in der St. Barbara Kirche der innige Franco – Freund Kardinal Isidro Gomá: „Gott, dem sich alle unterordnen, dem alles dient, gewähre, dass die Zeit Deines treuen Dieners, des Führers Francisco Franco, eine Zeit des Friedens und der Freude sei, damit der, den wir unter Deiner Führung an die Spitze unseres Volkes gestellt haben, Frieden und ruhmreiche Tage erlebe. Wir beten heute, Herr der Herren, dass Du vom Thron Deiner Majestät wohlwollend auf unseren Führer Francisco Franco herabblickst, dem Du ein Volk gegeben hast, das seiner Herrschaft unterworfen ist und ihm in allen Dingen nach Deinem Willen zur Seite steht.“ Quelle: LINK .
Nebenbei: Der Katholik Franco war eng verbunden und verbündet mit katholischen Diktatoren in Lateinamerika, etwa mit Leonidas Trujillo, dem sich Chef nennenden Diktator der Dominikanischen Republik. Vom 2. Juni 1954 besuchte Trujillo mit seiner Familie für einigeTage Franco: Trujillo wurde sehr pompös empfangen, es war förmlich ein Fest: Die Schüler hatten Extra -Ferien erhalten, die offizielle Arbeitszeit gekürzt, damit die SpanierInnen Trujillo zujubeln konnten usw.. Von Spanien aus reiste der Diktator Trujillo dann weiter nach Rom, um im Vatikan das Konkordat zu unterzeichnen. Papst Pius XII. gewährte dem Diktator Trujillo eine Privataudienz am 16. Juni 1954. Siehe das Foto dieser Begegnung: LINK. Der Religionsphilosophische Salon hat ausführlich zu diesem Thema publiziert: LINK.
Dass noch im Jahr 2007 die Diktatur Francos von konservativen Politikern falsch eingeschätzt wurde, zeigte Otto von Habsburg in einem Interview mit der Springer – Zeitung „DIE WELT“ am 28.6. 2007. Otto von Habsburg antwortete auf die Frage „Wie steht es mit der Innenpolitik Francos?“ : „Schauen Sie, für mich war der Franco ein Diktator des südamerikanischen Typus, ein Caudillo, eben nicht totalitär wie Hitler oder Stalin. Er wollte ja keine Ideologie durchsetzen.“ (Das Gespräch führten Ulli Kulke und Felix Müller für „Die WELT). Warum wollte wohl Herr von Habsburg so viel Unsinn reden?
7. Das Konkordat vom 27.8.1953:
Das Konkordat mit dem Vatikan ersetzte das Konkordat von 1853. Franco erwartete von der Vereinbarung mit dem Papst Pius XII. und dem Vatikan eine stärkere internationale Anerkennung. Festgelegt wurde unter anderem: Die katholische Kirche ist Staatskirche. Es gibt Privilegien für den Klerus, es gilt für sie die Befreiung von Steuern, der Staat unterstützt den Neubau von Kirchen, Katholiken müssen kirchlich heiraten, der Staatschef hat mit zu entschieden, wer Bischof wird.
8. Das 2. Vatikanische Konzil befreit die spanische Kirche aufgrund des Drucks „von außen“
Das Ende dieser Symbiose von Katholizismus und Franco Regime wurde durch das 2. Vatikanische Konzil beschleunigt. Eine klare Entscheidung traf die spanische Bischofskonferenz schon 1966, ein Jahr nach Ende des 2. Vatikanischen Konzils, als sie – durch die Konzilsbeschlüsse etwa zur Religionsfreiheit förmlich getrieben – grundsätzlich auf innerkirchlichen Privilegien verzichtete. Am 29. April 1968 schrieb der Papst Paul VI. einen Brief an Franco und forderte ihn auf, als katholischer Staatsmann ein gutes Beispiel zur Verwirklichung der vom Konzil erhobenen Forderungen zu geben und auf seine alten Privilegien der Mitentscheidung bei Bischofsernennungen zu verzichten. Franco aber lehnte diese Bitte des Papstes am 12. Juni 1968 ab. Er wollte auf diesen Einfluß absolut nicht verzichten. Die Bischofskonferenz forderte 1973 die Trennung von Kirche und Staat und eine Revision des Konkordats von 1953. „Nachfolgende Verhandlungen über eine solche Revision scheiterten auch, weil Franco sich weigerte, auf sein Vetorecht bei den Ernennungen von Bischöfen durch den Vatikan zu verzichten. Bis zu seinem Tod verstand Franco den (neuen) Widerstand der Kirche gegen ihn nicht. Franco beklagte sich bitter über die seiner Ansicht nach undankbare Haltung der Kirche. LINK
9. Zur Verfassung von 1978:
In der Konstitution Spaniens aus dem Jahr 1978 werden Kirche und Staat getrennt: Im Artikel. 16 heißt es.
Absatz (1): „Die Freiheit des weltanschaulichen Bekenntnisses, der Religion und des Kults wird dem einzelnen und den Gemeinschaften gewährleistet; sie wird in ihrer äußeren Darstellung lediglich durch die vom Gesetz geschützte Notwendigkeit der Wahrung der öffentlichen Ordnung beschränkt.
Absatz (2) Niemand darf gezwungen werden, sich zu seiner Weltanschauung, seiner Religion oder seinem Glauben zu äußeren.
(3) Es gibt keine Staatsreligion. Die öffentliche Gewalt berücksichtigt die religiösen Anschauungen der spanischen Gesellschaft und unterhält die entsprechenden kooperativen Beziehungen zur Katholischen Kirche und den sonstigen Konfessionen.
Über diesen Absatz 3 und die späteren ergänzenden Abkommen von Kirche und Staat (1979) wurde und wird heftig debattiert: Sollte die katholische Kirche immer noch eine ganz besondere, privilegierte Rolle im Staat spielen?
Ein ergänzendes Abkommen zur Verfassung wurde mit der katholischen Kirchenführung getroffen, am 3. Januar 1979, also kurz nach Inkrafttreten der Verfassung: Diese Vereinbarung sieht bestimmte Steuerbefreiungen für die katholische Kirche vor, dies führte zu Kontroversen und Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof. Katholischer Religionsunterricht an staatlichen Schulen wird als ein Wahlfach eingeführt…
10. Massenweise Seligsprechungen
Im Bürgerkrieg wurden viele Priester und Ordensleute von radikalen Unterstützern linker, kommunistischer, anarchistischer Parteien ermordet: Sie galten den Linken pauschal als Freunde des Militärs und der Faschisten, und sicher zutreffend als feinde der Republik und der Demokratie.
Viele dieser Priester und Ordensleute wurden von den Päpsten seit den 1980 Jahren offiziell als „Selige“ anerkannt, d.h. sie können nun „an Gottes Thron für die Gläubigen eintreten.“ Papst Johannes Paul II. sprach insgesamt 471 spanische Ermordete selig und stellte am 11. März 2001, wie er selbst meinte, einen persönlichen Rekord auf, als er diese Ehre der Seligsprechung 233 Opfern, »Märtyrer« genannt, zukommen ließ. Am 13. Oktober 2013 wurden in Tarragona 522 »Märtyrer der religiösen Verfolgung des 20. Jahrhunderts in Spanien«, wie die offizielle Bezeichnung heißt, seliggesprochen. Bezeichnenderweise waren bei dieser Messe zur Seligsprechung mehrere Minister anwesend, während noch nie ein Vertreter der Regierung an einer Bestattungsfeier von republikanischen Opfern teilgenommen hat. Quelle kfsr
Die Auswahl dieser durch den Vatikan zu Seligen erklärten Opfer bzw. Märtyrer erläuterte Erzbischof Edward Novack (von der Abteilung für die Seligsprechungen Vatikan) im „L’Osservatore Romano“: „Und von Fall zu Fall ist es für die Seligsprechung wichtig, dass Menschen, unter denen der Selige gelebt hat, ihren Ruf als Märtyrer bestätigen und anerkennen und dann zu dem Seligen beten und Gnaden erlangen. Es sind nicht so sehr Ideologien, die uns bei der Seligsprechung interessieren, sondern vielmehr der Glaubenssinn des Volkes Gottes, der das Verhalten der Person beurteilt.“
Papst Benedikt XVI. sprach im Oktober 2007 weitere 498 spanische Märtyrer selig. Dies wurde zur größten Zeremonie einer Seligsprechung in der Geschichte der katholischen Kirche. Diese „Massenseligsprechung“ von Geistlichen, die während des Bürgerkriegs mit Franco verbündet waren und gegen die Republik eingestellt waren, wurde empört von der spanischen Linken zurückgewiesen. Der Vatikan ignorierte etwadie 16 Priester, die schon als “linke Priester“ in den ersten Kriegsjahren von der nationalistischen Seite Francos hingerichtet wurden.
11. Das Gefängnis für Priester in Zamora.
Das ist sensationell: Franco errichtete ein spezielles Gefängnis für Priester in Zamora, ein einmaliges Projekt weltweit: Die Priester wurden inhaftiert, weil sie sich öffentlich gegen das Franco – Regime ausgesprochen hatten. Sie wurden im so genannte „Konkordats-Gefängnis“ in Zamora inhaftiert. Die ersten „linken Priester“ wurden 1968 eingesperrt, hundert waren es bis zur Auflösung dieses Priester-Gefängnisses im Jahr 1976. Die für ihre Priester verantwortlichen Bischöfe schützten diese ihre „linken“, kritischen Priester nicht vor dem Zugriff des rechtsextremen Franco – Regimes. Sie duldeten das Gefängnis. Alberto Gabikagogeaskoa war der erste Priester, der im Juli 1968 in diesem Flügel des Provinzgefängnisses in Zamora inhaftiert wurde. Sein Verbrechen? Er hielt eine subversive Predigt, für die er wegen illegaler Propaganda angeklagt wurde. In dieser Predigt prangerte der Priester an, dass in den Gefängnissen des Baskenlandes Gefangene gefoltert würden. Das Gericht für öffentliche Ordnung verurteilte ihn zu sechs Monaten Gefängnis und einer Geldstrafe von 10.000 Peseten.“
Weitere Details bietet die website der „Abogacia espanola“, die „Spanische Anwaltschaft“. LINK:
Das Leben einiger dieser „roten Priester“ zeigt der Dokumentarfilm von baskischen Regisseuren Ritxi Lizartza, Oier Aranzabal und David Pallarés, mit dem Titel „Apaiz Kartzela / The Priestergefängnis“, Jahr 2021. Vier dieser früheren Insassen des Priestergefängnisses, die Priester Josu Naberan, Juan Mari Zulaika, Xabier Amuriza und Eduard Fornes, drei Basken und ein Katalane reisen zum alten Gefängnis von Zamora, das heute eine Ruine ist, und erinnern sich an ihre Haft. LINK
Erst nach vielen Jahren wagten es einige Priester, Insassen des Priestergefängnis des Franco – Regimes, sich öffentlich zu äußern. Die Geschichte der Beziehung zwischen der katholischen Kirche und dem Franco-Regime kommt selbst 45 Jahre nach Francos Tod nur mühsam ans Licht der Öffentlichkeit.
12. Das OPUS DEI
Ein Hinweis auf die katholische „Geheimorganisation“ Opus Dei gehört unbedingt zum Thema „Kirche in Spanien und Franco“: Das „Opus“ wurde 1928 in Spanien von José Maria Escrivá y Balaguer gegründet und schon 1941 vom Franco – Freund, dem Erzbischof von Madrid, Leopoldo Eijo y Garay, offiziell anerkannt. Damals schon gab es Kritik durch einige Jesuiten an dieser Institution, aber der Erzbischof ignorierte Bedenken. 1950 geschah die offizielle Anerkennung auf höchster Ebene durch Papst Pius XII. Seitdem ist das Opus Dei machtvoll, aber ziemlich undurchsichtig im Katholizismus als mächtige Organisation etabliert. Das Opus hat neben vielen Hochschulen auch eine eigenenUniversität (Santa Croce) in Rom, wo auch Kleriker aus Deutschland studier(t)en, wie der Kölner Günstling Kardinal Meisners, Rainer M. Woelki. Heute ist er Kardinal in Köln. Georg Gänswein, der von Papst Benedikt hoch geschätzte Sekretär, war Dozent an der Opus Dei Universität in Rom. Man merke sich: Man muss nicht Opus – Dei – Mitglied sein, um wie das Opus zu denken und in seinem Sinne zu handeln. „Der Geist des Opus Dei hat in der Tat als wesentliches Merkmal die Tatsache, dass es jeden Menschen dazu führt, die Aufgaben und Pflichten seines eigenen Staates, seiner Sendung in der Kirche und in der Zivilgesellschaft mit größtmöglicher Vollkommenheit zu erfüllen.Dieser Geist bzw. dieses Charisma war sehr geeignet, um die materiellen Bedürfnisse des Wiederaufbaus Spaniens nach dem Ende des Bürgerkriegs in den späten 1930er Jahren zu erfüllen. Sein sozialer Nutzen war ausschlaggebend für die Unterstützung, die es von der aufstrebenden Franco-Diktatur und der Kirche erhielt, und half ihm, die während der Republik verlorenen Räume und Ideologien zurückzugewinnen. Das Werk Gottes war ein wichtiger Partner von Francos nationalem Projekt.“ Quelle: LINK
Die Jesuiten stehen traditionell eher „links“ und Anhänger des „Opus Dei“ eher „rechts“. Beide kämpfen an ihren Eliteschulen und Universitäten um die besten Talente des Landes und ihren Einfluss. Die Wirtschaftsschulen IESE (Instituto de Estudios Superiores de la Empresa, geleitet vom „Opus Dei“) sowie ESADE (Escuela Superior de Administración y Dirección de Empresas, von Jesuiten geführt) gehören zu den besten der Welt, so die Politologin Stefanie Claudia Müller (Madrid).
Opus Dei Mitglieder haben etwa am Ende der Franco -Ära und danach als Technokraten in der Regierung den Umbau des Staates zu einem eher industrialisierten Land mit dem Tourismus Schwerpunkt betrieben.
Ein bekanntes Mitglied des Opus Dei in Spanien ist Andres Ollero, es ist bekanntlich sehr schwer, Opus – Dei – Mitglieder als solche zu identifizieren, nur wenige machen ihre Mitgliedschaft öffentlich. „Als Mann mit konservativen Überzeugungen und Mitglied des Opus Dei verband Andres Ollero eine breite akademische Karriere mit seinem politischen Aktivismus, der 1980 mit der Unterstützung des andalusischen Vorschlags von Manuel Clavero begann. 1986 trat er der Demokratischen Volkspartei (PDP) des Christdemokraten Óscar Alzaga bei und führte die Liste der Volkskoalition (die später zur Volkspartei wurde) in Granada an. Er gewann einen Sitz als Abgeordneter und wurde wiedergewählt. Er führte die Partei ohne Unterbrechung bis 2003, als er freiwillig von seiner politischen Tätigkeit zurücktrat. Zu seinen zahlreichen Verantwortlichkeiten in dieser Funktion gehören: Vizepräsident des Ausschusses für Bildung und Kultur des Abgeordnetenhauses (1989) und nacheinander Präsident der Nationalen Kommission für wissenschaftliche Forschung und technologische Entwicklung, des Bildungsausschusses und des Justizausschusses der Volkspartei. Er war auch Mitglied des Zentralen Wahlausschusses in der 8. Legislaturperiode und wurde vom Abgeordnetenhaus gewählt.“ (Übersetzung google) Quelle: LINK
13. Die neuen geiustlichen Gemeinschaften … Sekten?
Man bedenke allerdings: Aus dem katholischen Spanien stammt auch eine andere „neue geistliche Gemeinschaft“, wie man kirchenoffiziell diese eher „sektiererischen Gemeinschaften nennt: Vor allem muss dbeidie „Neokatechumenale Bewegung“ erwähnt werden, begründet von Kiko Argüellez und Carmen Hernandez: Die Neokatechumenalen haben in Spanien viele tausend militante Mitglieder und sie leiten dort 14 Priesterseminare („Redemptoris Mater“ genannt), diese dort ausgebildeten explizit sehr klerikalen konservativen Priester sollen den bekannten Mangel an Priestern ausgleichen, sehr „zur Freude“ der wenigen noch progressiv denkenden Gemeindemitglieder… Auch die ebenfalls sehr konservativen Ordens – Männer der „Legionäre Christi“ mit ihrer großen Laienbewegung Regnum Christi sind in Spanien stark vertreten, etwa in der Leitung katholischer Privatschulen: Diese beiden Gemeinschaften wurde bekanntlich von dem Sexualstraftäter Pater Marcial Mariel (geb. Mexiko) gegründet, er war in Rom ein Freund Papst Johannes Paul II. Immer wieder wurden Priester des Ordens der „Legionäre Christi“ der Sexualdelikte auch mit Minderjährigen angeklagt…Der Religionsphilosophische Salon Berlinhat seit 2009 die Verbrechen Pater Maciels und anderer “Legionöre Christi” dokumentiert. LINK.
Der aus Spanien stammende katholische Theologe Mariano Delgado hat in der katholischen „Herder-Korrespondenz“ 2011 erklärt: „In einigen dieser Erneuerungsbewegungen mit ihrer militanten Haltung gegenüber der säkularen Gesellschaft und der inneren Säkularisierung vieler Kirchendiener sowie mit ihrem Neu-Evangelisierungskonzept, das auf eine Heimholung der Welt in den Schoss der Kirche hinzielt, lebt gewissermassen das Gedankengut des spanischen Traditionalismus fort. Sie stellen einen „Antimodernismus mit modernen Mitteln“ dar. Andererseits kann man ihnen nicht absprechen, dass sie Menschen für die Nachfolge Jesu zu begeistern versuchen…“ Aber mit der Tendenz: das eigene kritische Denken ausschalten, wenn man denn so glaubt, wie es diese „Erneuerungsbewegungen“ propagieren…
14. Erinnern oder Vergessen/Verdrängen?
Franco ist 50 Jahre tot, aber seine Ideologie und die Ausstrahlung seiner „Persönlichkeit“ auf Rechte und Rechtsradikale sind noch lebendig. Dies ist auch begründet im „Pacto de olvido“ (dem Pakt des Vergessens), einer ungeschriebenen Vereinbarung, Institutionen oder Einzelpersonen für ihre Handlungen während des Regimes nicht zu verfolgen oder zu bestrafen. Der Pakt sollte den Übergang zur Demokratie nach dem Ende der Diktatur erleichtern, die Rechten meinten so, eine Amnestie zu erhalten für alle ihre Verbrechen in der Franco-Zeit, Linke dachten daran, auf diese Weise ihre Gefangenen frei zu bekommen.
„So wurde etwa festgestellt, dass Spanien nach Kambodscha das Land ist, in dem es die meisten Opfer des »erzwungenen Verschwindens« gibt – bis heute sind noch immer mehr als 114.000 Opfer der franquistischen Repression nicht exhumiert. Die wichtigsten Forderungen der Gedächtnisbewegung lauten »Verdad, Justicia y Reparación« – Wahrheit, Gerechtigkeit, Wiedergutmachung“. Quelle Prof. Georg Pichler, Madrid, LINK
Immerhin konnten ich sehr langen, sehr heftigen Debatten Francos sterbliche Überreste im Jahr 2019 aus der monumentalen Basilika im „Tal der Gefallenen“ exhumiert und auf einem kleinen Friedhof bei Madrid untergebracht werden. Diese Basilika sowie die monumentale Gedenkstätte mit ihrem 150 Meter hohen Steinkreuz wurden von Franco errichtet, sie haben Jahrzehnte lang politische und gesellschaftliche Spannungen verursacht.
Dieses monumentale „Gotteshaus“ im sogenannten „Tal der Gefallenen“ wird allerdings weiterhin für Gottesdienste genutzt. Auch die Benediktinergemeinschaft auf dem Gelände der Gedenkstätte wird dort in den Madrider Bergen bleiben. Darauf hätten sich die spanische Regierung und der Vatikan geeinigt, sagte Madrids Erzbischof José Cobo laut spanischer Medienberichte. Quelle: LINK . Zur Abtei LINK
15. Die Katholische Kirche in Spanien heute – einige Statistiken
Die Volksreligion und die eher abergläubische Volksfrömmigkeit sind noch heute lebendig, werden aber auch als Folklore verstanden und als Touristenattraktion zelebriert („Semana Santa“, Ausstellung von Reliquien und heiligen Knochen, Verehrung eines Kelches, aus dem Jesus – angeblich – getrunken hat, in Valencia, und so weiter und so weiter .. bis heute). Die Volksreligion wird auch aus kommerziellen Gründen noch am Leben gehalten und von Priestern unterstützt. Juan Goytisolo, einer der wichtigsten Autoren Spaniens, schreibt: “Kirchliches Andachtswesen und Folklore durchdringen sich in Spanien zu einem unlöslich christlich – heidnischen Phänomen“ (in: „Spanien und die Spanier“, Suhrkamp 1982, S. 219)…Man sollte auch sagen: Hier wird Religion gegen Vernunft und Einsicht gestellt.
Das Resultat der Symbiose Franco – Kirche: Der Abschied der SpanierInnen von dieser Kirche ist radikal: 1965 nannten sich 98 Prozent der Spanier katholisch. 2025 waren fast nur noch die Hälfte, nämlich 55 Prozent. Quelle: LINK https://www.newtral.es/evolucion-catolicismo-espana/20250422/
Weitere wichtige Quellen zum Thema: LINK :
Auch wichtig zum Niedergang der katholischen Kirche in Spanien: LINK: „Die katholische Kirche in Spanien steht vor einer immer offensichtlicher werdenden Herausforderung: der Überalterung des Klerus und dem Mangel an Nachwuchs. Nach aktuellen Angaben der Spanischen Bischofskonferenz liegt das Durchschnittsalter der Priester in vielen Diözesen bereits über 65 Jahren, und in einigen ländlichen Gebieten ist es nicht ungewöhnlich, dass achtzigjährige Pfarrer aufgrund fehlender Nachfolger weiterhin im Dienst sind. Der Rückgang der Priesterberufungen ist ein seit Jahrzehnten anhaltender Trend. Während in den 60er und 70er Jahren die Seminare voll waren, ist die Zahl der neuen Seminaristen heute sehr gering. Im Jahr 2024 beispielsweise gab es landesweit nur noch knapp 1.000 Seminaristen, eine Zahl, die im Gegensatz zu den mehr als 7.000 im Jahr 1990 steht.“ Quelle: LINK
„Ungläubig“ oder „atheistisch“ nannten sich im Oktober 2021 39,9%, also mehr als ein Drittel der Bevölkerung. 1978 waren es nur 8,5% der Bevölkerung, die sich atheistisch nannten.
Das ist entscheidend: Unter den Jugendlichen bezeichneten sich 2021 nur noch 28,2% als katholisch. Und die jungen Menschen sieht man selten noch in der Sonntagsmesse… Zur Teilnahme an der Messe unter den Katholiken aller Altersgruppen: Im Jahr 2021 sagten 56,8%, niemals an der Sonntagsmesse teilzunehmen, im Jahr 1983 waren es nur 22,2%. Die Zukunft der katholischen Kirche in Spanien, wie überall in Europa, ist also düster…Und die Kirchenführung will nicht anerkennen, dass sie vor allem mit ihren uralten Dogmen und ihrer rigiden Moral die Gläubigen aus der Kirche treibt, also mitschuldig ist am zahlenmäßigen Verschwinden der Kirche, selbst wenn noch viele Klöster und Kathedralen – oft wie Museen – das Bild der Städte bestimmen. Die katholische Theologie als Wissenschaft verliert immer mehr an Bedeutung, wie überall in Europa, auch in Deutschland. Das Opus Dei leitet eine theologische Fakultät an seiner Universität in Pamplona.
Zusammenfassend.
Ein Kommentar der Politologin Stefanie Claudia Müller (Madrid): „Weil es während der Diktatur offensichtlich enge Verbindungen zwischen Franco, seinen Anhängern und der streng kirchlich konservativen Gemeinschaft „Opus Dei“ gab, haben sich viele Spanier von der Kirche abgewandt. Wer für die Republik ist, stellt sich heute immer noch meist gegen die Kirche. Die Zahl der Monarchie-Gegner, die im König die Fortführung der Diktatur sehen, nimmt nach jüngsten Umfragen vor allem an den Universitäten zu. Nach dem Ende der Diktatur wurde die Kirche trotz der ihr in der Verfassung zugewiesenen neutralen Rolle von verschiedenen Interessengruppen politisiert, was sie ebenfalls Mitglieder gekostet hat“. Quelle:„Herder-Korrespondenz” 2019: LINK
Unser Kommentar zum Schluss: Der neue Nationalkatholizismus in Frankreich und die Bindung von Katholkien an rechtsextreme Parteien Kreisen in Spanien heute sowie das “National-Christentum” von Trump und Co. gefährden und zerstören nicht nur die Demokratie, sie zerstören auch die Möglichkeit, eine moderne katholische Kirche zu gestalten. Es sind die konservativ – bürgerlichen Kreise, die noch zu dieser Kirche halten. Diese Kreise werden aber in heftigen Krisenzeiten dann doch eher nach Rechtsextrem sich orientieren. Diese Kirche, wie am Beispiel Spaniens gezeigt, wird langsam, aber sicher zur verschwindenen Organisation, die als Sekte am Rande noch überlebt.
FUßNOTE 1. Antonio Gómez Modelan, La iglesia católica y otras religiones en la Espana de hoy“, Ediciones VOSA, noviembre 1999.
FUßNOTE 2: Der Gründer von Alianza Popular, des späteren Partido Popular (PP), ist Manuel Fraga, war während der Diktatur Informations- und Tourismusminister, sein Nachfolger an der Parteispitze ist José María Aznar, auch er familiär mit Franco verbunden. Der ehemalige Innenminister und EU-Parlamentarier Jaime Mayor Oreja, einst Sprecher des PP im Europaparlament, sagte zur Franco-Diktatur in einem Interview im November 2007: »Warum sollte ich den Franquismus verurteilen, wo doch viele Familien ihn ganz natürlich und normal erlebten? (…) Es war ein Zustand außergewöhnlichen Wohlbehagens.« Quelle kfsr
PS: Über die sehr schwierige Situation der Protestanten, Juden und Muslims und die wenigen sich atheistisch nennenden Spanier unter Franco (!) folgen später Hinweise.
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