Wer wird sich darüber freuen?
Ein Hinweis von Christian Modehn am 20.8.2024
Siehe auch am Ende meines Beitrags die Petition, die CAMPACT heute verbreitet!
1.
Ein bezeichnendes Zusammentreffen: Da wird bei den Wahlen in Ostdeutschland (Sachsen, Thüringen und Brandenburg) Anfang bzw. Ende September 2024 laut Umfragen mit außergewöhnlichen „Erfolgen“ der rechtsextremen Partei AFD gerechnet. Und ein paar Tage zuvor, am 22. August, wird mitten in Potsdam der authentisch nachgebaute Turm der Garnisonkirche eingeweiht und einen Tag später „für alle“ eröffnet.
2.
Wenn die Menschen das Wichtigste über die Garnisonkirche wissen, dann dieses: Es ist eine offizielle evangelische Kirche, in der am 21. März 1933 der „Tag von Potsdam“ stattfand. Seit diesem Ereignis galt die totale Herrschaft der Nazi – Partei NSDAP als unumstößlich fest gegründet. Weitere historisch irgendwie sonst noch interessanten Fakten zu dieser Kirche sind für Historiker und alle Interessierten erreichbar. Aber diese weiteren Fakten sind nichts als Details gegenüber der einen brutalen Tatsache: In dieser Garnisonkirche konnte Hitler seinen großen Durchbruch Richtung Diktatur feiern. Sie führte zur Vernichtung von 6 Millionen europäischen Juden, um nur von diesen Opfern der Gewaltherrschaft zu sprechen.
3.
Es ist für Demokraten und für etliche Protestanten schlicht ein Skandal, dass der Turm dieser Garnisonkirche nach vielen Jahren der Debatten und Planungen nun eingeweiht wird. Die Verantwortlichen bekunden dabei jetzt schon ein schlechtes Gewissen, indem sie in der Werbung dieses überflüssige neue Bauwerk, den Turm, vor allem als idealen Aussichtsturm für Touristen anpreisen. Dabei sollen die Räume des Turm ja vor allem für Friedensdiskussionen und Ausstellungen genutzt werden. Als ob die evangelische Kirche in Potsdam nicht schon viele Kirchen und Gemeinderäume besitzt, in denen das ganze Jahr über Friedensarbeit und vielleicht sogar antifaschistische, also auch anti-AFD Arbeit, geleistet werden KÖNNTE!
4.
Dieser so genannte Garnison – Friedensturm und seine angedachten Projekte könnte man eher als eine Verschleierung von Tatsachen sehen: Es geht diesen Herren Initiatoren („Stiftung Garnisonkirche Potsdam“) zuerst um die Sichtbarkeit des authentischen Turms dieser Kirche des verdammten Tages von Potsdam: „Diese Garnisonkirche ist das Symbol der Einheit von Kirche, Staat und Militär. Das ist schon fatal in sich. In dieser Kirche wurden die deutschen Kolonialkriege gesegnet und sie hat als rechtsradikaler Identifikationsort in der Weimarer Republik gedient.“ Sagt der bekannte Architekt und Spezialist für Architekturtheorie Prof. Philipp Oswalt in einer Sendung des Deutschlandfunks am 20.6.2019. LINK (Quelle: https://www.deutschlandfunkkultur.de/philipp-oswalt-zum-wiederaufbau-der-garnisonkirche-diese-100.html)
5.
Wenn man denn als Kirchenleitung unbedingt einen hübschen alten Turm wieder nachbauen wollte: Warum verzichtet man nicht auf den belasteten Titel Garnisonkirche? Warum gibt man diesem Bauwerk nicht den treffenden bewusst sozusagen kontra-faktischen Titel „Friedenskirche?
6.
Die rund 42,5 Millionen Euro Baukosten dieses Turms des „Tages von Potsdam” werden zu mehr als der Hälfte aus Bundesmitteln finanziert, fünf Millionen Euro kommen aus kirchlichen Darlehen. LINK Bundespräsident Steinmeier ehrt dieses hoch problematische und schon immer umstrittene Projekt und weiht diesen Turm am 22.8. 2024 ein.
7.
Einer der begeisterten langjährigen und unermüdlichen Unterstützer des Projekts Neubau des Turms der Garnisonkirche ist der ehem. Evangelische Bischof von Berlin, Wolfgang Huber. LINK
8.
Bestimmte Leute, über die in Zukunft wohl noch vermehrt kritisch zu sprechen sein wird, wollten also unbedingt diesen Titel „Garnisonkirche“. Es zeigt sich auf andere Weise die Verbissenheit, mit der die evangelische Kirchenleitung in Berlin auch an dem Titel „Kaiser Wilhelm Gedächtniskirche“ festhält, wobei alle allmählich wissen: Diese beiden Wilhelms waren zwar (leider) oberste Chefs der Evangelischen Kirche, aber sie waren vor allem auch Rassisten und Kolonialherren. Darüber hat der Religionsphilosophische Salon Berlin seit Jahren etliche detaillierte Hinweise verfasst, hat an entsprechende Behörden der evangelischen Kirche in dieser Sache geschrieben … aber – wie bei einigen Behörden noch üblich – keine Antwort erhalten. Zu peinlich halt auch dieser Titel. Vielleicht will die Kirchenleitung die Hohenzollern nicht erzürnen?? LINK
9.
Man muss diese genannten Zusammenhänge wirklich wahrnehmen, denn sie sind nicht zufällig: Es ist auch das merkwürdige zeitliche Zusammentreffen von Garnison – Turm Einweihung in Potsdam und den bevorstehenden Siegen der rechtsradikalen, zum Teil neofaschistischen AFD. Und zugleich muss man sehen: Die ideologische Verbissenheit der Kirche, die sich im Einsatz für den Garnisonkirchen – Turm zeigt, steht in einer einzigen Linie mit der Verblendung, mit der die Kirche, trotz aller Rassismus und Kolonialismus – Diskussionen, am Namen „Kaiser Wilhelm-Gedächtniskirche“ nach wie vor aus Sturheit festhält.
10.
Man wird in Zukunft erleben, ob diesen Turm der Garnisonkirche mehr alte und neue Nazis besuchen als Friedensfreunde, die sich ausgerechnet an diesem Ort des Schreckens weiter bilden wollen. Aber vielleicht begegnen sich beide Gruppe mit den viel zahlreicheren Touristen auf der Aussichtsplattform des Turms und staunen gemeinsam über die widersprüchliche preußische Pracht Potsdams…
11.
Zur Bau – Geschichte dieses skandalösen Projekts schreibt evangelisch.de u.a.:
Eine Chronologie zeichnet den Wiederaufbau nach: 1984: Im westdeutschen Iserlohn gründen konservative und extrem rechte Bundeswehroffiziere um den Oberstleutnant Max Klaar die „Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel“ (TPG). Ziele sind die Wiederherstellung des Glockenspiels und im Fall einer Wiedervereinigung auch der Wiederaufbau der Garnisonkirche….(Quelle: siehe Fußnote in Nr. 6)
Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin
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DER AUFRUF, vermittelt von CAMPACT, veröffentlicht am 21.8.2024:
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