Der Bauernkrieg und der Theologe Thomas Müntzer.

Vor 500 Jahren (am 27. Mai) wurde Thomas Müntzer in Mühlhausen hingerichtet.
Ein Hinweis von Christian Modehn am 11.5.2025.

Zur Erinnerung: Wir nennen unsere Beiträge Hinweise: Und das bedeutet immer eine sanfte Aufforderung: Lest diesen Hinweis und … fragt und studiert weiter. Das gilt auch für diesen Hinweis. Er versucht, die Theologie Thomas Müntzers in einen aktuellen Rahmen zu stellen und  auch Zweifel an einer umfassenden theologischen Kompetenz Martin Luthers zu verstärken. Über die rigorose Ablehung der Vernunft durch Luther  als einer entscheidenden Kraft auch in den Kirchen haben wir uns schon geäußert, auch im Zusammenhang der Auseinandersetzungen Luthers mit Erasmus in dieser Frage.  (Siehe 2.)

1. Die Aktualität.
Wir haben 2016 auf die Bedeutung Thomas Müntzers hingewiesen, zumal auf seine Erkenntnis, dass christliche „Erlösung“ viel mehr ist als nur ein Seelentrost. Erlösung ist als Befreiung zu verstehen, auch als materiell – spürbare Befreiung der Armen von Unrecht und Ausbeutung. Die bleibende Frage, die durch Thomas Müntzer drängend und dringend ist: Gibt es eine „materiell und politisch spürbare, „greifbare“ Erlösung – im Sinne von „Gerechtigkeit für alle“ und Frieden als Basis des humanen Lebens? Wer die lateinamerikanische Theologie der Befreiung kennt, wird diese Frage mit Ja beantworten, an der Zustimmung zu Gewalt und Krieg (in den letzten Monaten Müntzers) liegt freilich die Differenz zur Befreiungstheologie. Zu unserem Hinweis (2016) auf Müntzer als dem fast vergessenen Reformator: LINK

2. Der Gegner von Martin Luther
Dass Thomas Müntzer in seiner radikalen Solidarität mit den aufständischen Bauern gescheitert ist, steht fest. Er ist als Bauernführer in der Schlacht von Frankenhausen 1525 untergegangen, auch aufgrund seiner – in heutigen Begriffen – fundamentalistischen Bibeldeutung. Er sah sich als ein vom heiligen Geist Auserwählter berufen, aus seiner Deutung der Bibel unmittelbar politische Konsequenzen zu ziehen. Müntzers Gegner Martin Luther war auf seine Art ebenfalls ein fundamentalistischer Bibelinterpret, indem er etwa den „Gehorsam gegenüber den Untertanen“ von Paulus (Römerbrief 13, 1-7) übernahm, ohne vernünftige , d.h vermittelnde Reflexion auf die Anwendung dieses Bibelspruches. Aber es gab damals leider keine historisch – kritische Bibelwissenschaft, keine Hermeneutik, das gilt auch für Bibel – Interpretation Thomas Münzers!

Martin Luther hat in seiner Schrift, verfasst im Jahr 1525, “Wider die mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern” die Fürsten ermuntert, die aufständischen Bauern in ihrem Kampf niederzuschlagen. Er forderte jeden Christen tatsächlich auf, diese Bauern zu töten, “als wenn man einen tollen Hund totschlagen muss”, so wörtlich im Text des berühmten Reformators. Damit waren auch die Beziehungen zwischen dem Reformator Luther und dem Reformator Müntzer definitiv zerbrochen, mit tödlichen Folgen für Müntzer und die Bauern. Man möchte sagen: Luthers auf das Spirituelle und “Innertheologische” begrenzte Reformation hatte über die spirituelle UND politische Reformation Müntzers gesiegt. Lutheraner und ihre Pastoren sind seitdem – pauschal gesagt – politisch fast immer aufseiten der Fürsten und Könige gewesen, siehe die Staatskirchen in Deutschland (die Kolonialherren Wilhelm I und II als Kirchenführer!) oder die lutherischen Staatskirchen in Schweden Dänemark, Norwegen, Schweden bis vor wenigen Jahren. Es gilt also, was der Historiker Hans – Jürgen Goertz schreibt: Weil Luther die Reformation dem Schutz der weltlichen Obrigkeit anvertraute, “begann diese, den politischen und kirchlichen Bereich zu disziplinieren, auch ihre religiös verordnete Unantastbarkeit allmählich zu einer gottbegnadeten Aura politisch zu steigern  und den `gemeinen Mann` zum Untertan zu erniedrigen.” (Hans-Jürgen Goertz, Thomas Müntzer, München 2015, S. 244).

3.
Die große Studie von Lynda Roper über den Bauernkrieg mit dem Titel „Für die Freiheit“ (C.H.Beck Verlag 2025) stellt die ganze Breite der Massenbewegung des Bauernkrieges dar, sie beweist damit auch, dass Thomas Müntzer dabei keineswegs im Mittelpunkt steht: Es ist sicher einer ideologisch bedingten Verehrung Müntzers durch die DDR geschuldet, auch wegen der Wahrnehmung des Bauernkriegs-Panoramas (von Werner Tübke) in Bad Frankenhausen, dass Müntzer im Bewusstsein vieler noch immer als „der“ Hauptprotagonist im Bauernkrieg fixiert wird. Selbst man seine Rolle nun relativiert: Theologisch bedeutend bleibt Müntzer trotzdem.

4. Der Bauernkrieg als Massenaufstand
Lynda Roper zeigt ausführlich: Der Bauernkrieg zu Beginn des 16. Jahrhunderts war ein Massen – Aufstand der armen Bauern gegen ein System des Unrechts, repräsentiert vom Adel und hohen Klerus. Er war ein Aufstand der Verzweifelten, der sehr heftig und total rücksichtslos von den etablierten Herrschern niedergeschlagen wurde. Die angebliche „Ordnung” der Klassen in einem hierarchischen System blieb weiterhin erhalten.
Der Bauernkrieg war nicht etwa nur auf den Raum Mitteldeutschlands begrenzt, sondern er hatte auch die Armen in weiten Teilen Badens, Württembergs, Südtirols und des Salzburger Landes erfasst.
Eine ARTE Dokumentation hat die bisher unterdrückte bzw. übersehene Teilnahme der Frauen an diesem Kampf dokumentiert. Zum Film ist verfügbar bis 7.8.2025: LINK https://www.arte.tv/de/videos/117712-000-A/die-frauen-des-bauernkriegs/

5. Beginn der deutschen Gewaltgeschichte
Die in Frankenhausen 1525 kämpfenden Bauern wurden Opfer eines Massakers der Herrschenden. Etwa 100.000 Bauern ließen in ihrem Kampf ihr Leben. Peter Seibert zeigt in seinem Buch „Die Niederschlagung des Bauernkrieges 1525“: Diese Niederlage der Bauern ist der „Beginn einer deutschen Gewaltgeschichte“, so der Untertitel zu Seiberts Studie (Dietz Verlag, Bonn 2025). Nach der Hinrichtung Müntzers am 27. Mai 1525 wurde sein Kopf sichtbar für alle aufgespießt, als Zeichen der absoluten Niederlage der Sache der Bauern. Seibert zeigt, welchen Repressionen die Bauern nach ihrer Niederlage unterworfen waren. So wurde etwa die Leibeigenschaft noch einmal verschärft. Der adligen Opfer des Krieges wurden öffentlich voller Trauer gedacht, die vielen tausend toten Bauern (die Frauen zumal) sind meist als namenlose “Masse” untergegangen un der Erinnerung entschwunden. So ist Siegergeschichte bis heute. Zur aktuellen Müntzer – Ausstellung in Mühlhausen: LINK

6. Müntzer als Reformator reformiert Einsichten Luthers
Zu unseren schon 2016 publizierten Hinweisen zu Thomas Müntzer noch einmal grundsätzliche Erinnerungen:
Müntzer war zwar kein Universitäts-Theologe. Aber er war „ein Theologe, ein Seelsorger und Prediger.“ Er wurde ja als katholischer priester ausgebildet mit Studien an der Universität in Frankfurt/Oder!  Der Müntzer Forscher Hans – Jürgen Goertz hat eine „völlig überarbeitete und teilweise neugeschriebene“ Ausgabe seines Standardwerkes (von 1989) „Thomas Müntzer. Revolutionär am Ende der Zeiten“, im C.H.Beck Verlag veröffentlicht,  erschienen 2015.
Goertz erinnert: Müntzer wollte „die Lehre der Wittenberger Reformatoren „in ein besseres Wesen führen“ zu wollen (S. 276). Das ist entscheidend: Müntzer verändert, reformiert sozusagen die Einsichten Luthers: Sie führen ihn ins Politische, ins Eintreten für die Armen. „Es ist Zeit, auf den Bauernkrieg zurückzukommen, damit wir wieder eine Reformation in den Blick nehmen, die sich in ihrer Radikalität von Luthers tröstlichen Wahrheiten gelöst hat“, schreibt auch Lynda Roper (S. 14.)

7. Mit Gott eins
Selbst wenn Luther von einer „Neubestimmung der christlichen Identität“ sprach als Konsequenz seiner Gnadenlehre, so wird man zu Müntzers speziellen Glauben betonen müssen: Er hat die reformatorische Spiritualität aus dem Innenraum des Spirituellen befreit, und zwar auf eine originelle Weise. Die theologische Basis dafür ist: Jeder Christ ist durch die Gnade sozusagen unmittelbar mit Gott eins. Und das hat Konsequenzen, auch politische!

8. Eine Theologie der Revolution, inspiriert von der Mystik
In den Herzen der Gläubigen redet Gottes Geist: Der heilige Geist spricht zumal in den besonders Erwählten, zu denen sich Müntzer rechnete. Und diese Erwählten verstehen es, den Geist Gottes aktuell in der politischen Situation zu deuten und in die Praxis umzusetzen. Die Laien, vor allem die Bauern, wissen aufgrund ihrer unmittelbaren Gotteserfahrung, also durch ihre eigene Erfahrung des heiligen Geistes: Durch ihren Befreiungskampf will Gott selbst einen Herrschaftswechsel politisch und sozial durchsetzen. „Müntzer hat tatsächlich eine Theologie der Revolution `avant la lettre erfunden. Diese Theologie erwuchs aus dem Geist der Mystik, aus dem Eindruck, den die apokalyptische Zeitströmung auf ihn ausübte…“( Goertz, S. 280). Problematisch bleibt der extreme Anspruch Müntzers, berufen zu sein, die Auserwählten (Arme Bauern) und die Gottlosen (die Fürsten, die sich nicht bekehren) nicht nur als solche zu erkennen, sondern auch die Auserwählten in einen politischen Kampf gegen die Gottlosen zu schicken. Die Herrschenden waren für Müntzer nicht Wesen von unantastbarer heiliger Würde. Luther wetterte zwar gegen die Herrschaft der Päpste, aber nicht gegen die Herrschaft der Fürsten. Er brauchte sie für den Erfolg seiner Reformation.

9. „Eine fügliche Empörung“
Hans- Jürgen Goetz zeigt in seiner Studie: Müntzer sprach von einer, so wörtlich „füglichen Empörung“, also von einem Aufstand „der nicht egoistischen, herrschsüchtigen Motiven entspringt, sondern Intentionen verfolgt, die sich in aller Gelassenheit dem Willen Gottes anvertrauen und selbstlos auf das zukünftige Reich des Friedens und der Gerechtigkeit ausgerichtet sind. Das ist zwar keine pazifistische Gesinnung, aber doch eine skrupulöse Haltung gegenüber der Anwendung von Gewalt im allgemeinen.“ (S. 285).

10.  Müntzer bleibt ein Außenseiter in den Kirchen!
Wird die Erinnerung an Müntzer wenigstens ins Nachdenken darüber führen, dass christliche Erlösung – im Sinne Jesu von Nazareth – niemals nur eine seelische Erlösung sein darf? Sondern auch, dass die „seelisch Erlösten“ um Gerechtigkeit für alle kämpfen sollen?
Man wird dazu angesichts der offenbar schon konservativen Wende – auch in den meisten Kirchen heute – skeptisch bleiben.
Und auch dies zum Schluss: „Keine Kirche hat sich bemüht, das Denken Thomas Müntzers aufzunehmen und im Laufe der Jahrhunderte weiterzuentwickeln“, so der Historiker Hans-Jürgen Goertz. (S. 275).

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

Kultur darf sich niemals abschotten. Dialog und Austausch müssen gelten.

“Kultur. Eine neue Geschichte der Welt”: Ein provozierendes Buch von Martin Puchner.

Ein Hinweis von Christian Modehn, veröffentlicht am 5.5.2025.

1.
Martin Puchner, Professor für Vergleichende Literaturwissenschaft in Cambridge, USA, hat dort 2023 sein Buch „Culture“ vorgelegt: In den 15 Kapiteln seines Buch (auf Deutsch „Kultur. Eine neue Geschichte der Welt“) zeigt Puchner, dass die Kultur bzw. die Kulturen etwas Aufregendes, Anregendes, ganz neu zu Entdeckendes sind – zumal angesichts der nationalistischen Starre und Enge sowie der fundamentalistischen Fixierung heutiger konservativ – populistischer Regierungen und „Bewegungen“…
Marin Puchner stellt sein Thema gut dokumentiert und leicht zugänglich vor, voller überraschender Einsichten, man möchte sagen: durchaus „spannend“ beim Lesen.

2.
Der Autor befreit in den 15 Kapiteln – den in sich abgeschlossenen Essays – von der Vorstellung, eine Nation „besitze“ ihre Kultur. Oder: Kultur sei etwas Fertiges und Abgekapseltes. Genauso falsch ist: Als Kultur könne nur die von etablierten Kulturmanagern geförderte und staatlich unterstützte „hohe Literatur“ oder die „klassische Oper“ und das „große Schauspielhaus“ usw. gelten.
Jede konkrete Kultur – etwa eines Landes, eines Sprachraums etc. – ist Resultat von Begegnungen mit anderen Menschen und deren Kultur. Die eigene Kultur ist ein mühsam erworbenes, immer weiter zu entwickelndes Resultat von Lernbereitschaft und Innovation: Nur sie ermöglichen die Zusammenfügung unterschiedlicher Kulturen zu einer dann eben neuen oder erneuerten Kultur. Und die wird dann ihrerseits selbstverständlich wieder von anderen rezipiert und auch umgeformt.

3.
Martin Puchner schreibt: „Kulturen gedeihen auf dem Boden der freien Verfügbarkeit von vielfältigen Formen des Ausdrucks und der Sinnstiftung, von Möglichkeiten und Experimenten. Und in dem Maß, in dem Kontakte mit Fremden diese Optionen erweitern, fördern sie die Produktion und Entfaltung von Kultur“. Dagegen neigen die auf Exklusivität und Reinheit (der eigenen Kultur) bedachten national begrenzten Leute mir ihrer „volksbezogenen“ Kultur dazu, kulturelle Alternativen auszuschließen, Möglichkeiten des Austauschs zu begrenzen und darüber zu wachen, dass derlei Experimente nicht zu weit getrieben werden. (siehe S. 379).

4.
Diese ängstliche offizielle Kulturpolitik ist heute weithin an der Macht, sie entspricht der konservativen und populistischen Wende in den sich Demokratie nennenden Staaten. Dieses enge Verständnis von Kultur als eigene „Kulturpolitik der Abwehr“ muss in Beziehung gesetzt werden zur aktuellen Politik der „Schließung der Grenzen Europas und der USA“ für Fremde, Ausländer, für Flüchtende zumal. Diese Schließung der Grenzen wird von Martin Puchner zwar nicht aktuell angesprochen, aber seine Position ist deutlich: Auf diese Weise “verarmen geistig“, so Puchner, die konservativen und populistischen Menschen und ihre Kulturpolitiker. An die „geistige Verarmung“ sollten sich der neue deutsche Innenminister Dobrindt und sein Meister Merz stets erinnern, die AFD wird dazu sicher nicht in der Lage sein: Die neuen Grenzkontrollen lassen uns in Europa, in Deutschland, auch geistig und kulturell weiter verarmen, sie sind bereits Ausdruck geistiger Armut. Denn die strengen Grenzkontrollen und Zurückweisungen und Rückweisungen und Abschiebungen sind auch kein Ausweg, keine wirksame Hilfe angesichts der umfassenden, auch materiellen Armut und das Elend in den vom Kapitalismus arm gemachten Ländern des globalen Südens.

5.
Hier können die 15 Essays des Buches nicht im einzelnen vorgestellt werden. Gemeinsam ist allen: Sie beschreiben die Lebendigkeit von Kultur, wenn sie aus Begegnungen mit anderen Kulturen, oft nicht ohne Konflikte, entstehen. Von Nofretete über Platon und König Ashoka und dann weiter zu der christlichen Mystikerin Hildegard von Bingen und den Pariser Salons vor der Französischen Revolution handeln etwa die Studien des Buches. Sie zeigen an ausgewählten Beispielen, dass die Geschichte der Kulturen der Welt nur als Austausch, Begegnung und Konflikt zu verstehen ist.

6.
Ein Beispiel: Zurecht erinnert Martin Puchner daran: Die Revolution der Sklaven auf Haiti (damals französisch Saint Domingue genannt) und ihre erkämpfte Unabhängigkeit im Jahr 1804 wurde „als ein bedeutendes Ereignis in der Weltgeschichte lange Zeit ignoriert“ (S. 293). Ein bißchen Nachhilfe zu diesem Thema bietet das Kapitel des Buches: Deutlich wird: Die Sklaven dieser französischen Kolonie ließen sich von den politischen und philosophischen Ideen der Aufklärung und der Französischen Revolution inspirieren, sie verachteten also nicht pauschal jene „europäischen Ideen“, bloß weil sie aus der „weißen Welt“ der „weißen Herrscher“ stammten. Damit ist deutlich: Der Ort des Ursprungs für allgemein gültige Prinzipien hat mit ihrer universellen Geltung nichts zu tun! Die Sklaven Toussaint Louverture und Dessalines, um nur zwei der Befreier Haitis zu nennen, haben die Ideen der Aufklärung „für ihre Zwecke nützen können“. Freilich wurde der Weg in die Freiheit und Unabhängigkeit Haitis sofort von den Kolonialmächten mit allen Mitten bekämpft. Afroamerikanische Schriftsteller und antirassistische Schriftsteller äußerten sich im 19. Jahrhundert in „lobenden Tönen“ über den Befreier Toussaint Louverture (ebd.). Auch Hegel sprach schon lobend über die Befreiungstat der schwarzen Sklaven, wie die Philosophin Susan Buck – Morse in ihrer Studie „Hegel und Haiti“ (Suhrkamp, 2011) gezeigt hat. Im ganzen hatte die haitianische Revolution viele Feinde unter den Kolonialmächten. Aber auch die innenpolitischen Repressionen nach der haitianischen Revolutionen müssen beachtet werden. Ein glückliches, d.h. für alle Haitianer menschenwürdiges Leben hat die Revolution leider nicht erzeugt, davon spricht Martin Puchner nicht. Die Befreiung Haitis und die Gründung der Republik schon im Jahr 1804 (!) ist jedenfalls nicht nur an internen Streitereien eher gescheitert, Schuld war vor allem die nach wie vor kolonialistische und rassistsiche Haltung Europas und der USA gegenüber Haiti bis heute, gegenüber den „Schwarzen“…

7.
Ein zweites Beispiel: Einzelne Kulturen schaffen sich ihre Identität durch Mythen oder Erzählungen, in denen die Übernahme kultureller Güter und Werte der „anderen“ beschrieben wird. Der Autor spricht von einer „Aufpfropfung fremder Kulturen auf die eigene Kultur bzw. auch von Kulturtransfer (S. 175). Und er berichtet ausführlich über diesen lange dauernden Prozess der „Aufpfropfung“ am Beispiel der Orthodoxen Kirche Äthiopiens, sie ist seit dem 4.Jahrhundert in dem Land schon lebendig. Gerade für jene, die an der Geschichte des vielfältigen Christentums interessiert sind, ist der Essay bedeutsam , er hat denTitel „Die Königin von Äthiopien heißt die Diebe der Bundeslade willkommen“ (S. 171 ff.). Es geht um die Mythen und Erzählungen: Die Königin von Saba sei in den Besitz der „heiligen“ „Bundeslade mit den Tafeln der 10 Gebote des Moses“ (gelagert im Tempel zu Jerusalem) gekommen. Der grundlegende äthiopische Text dazu ist die Erzählung „Kebra Nagast“, die bis heute eine große Rolle in Äthiopien spielt. Der Besitz dieser „Bundeslade“ ist förmlich der Mittelpunkt äthiopischer Kultur und der äthiopisch orthodoxen Kirche. „Die Schrift „Kebra Nagast“ räumt ein, dass die eigene äthiopische Kultur von einer anderen Kultur (dem Judentum) abstammt, sie verkündet dann aber die eigene Überlegenheit“ (S. 179).
In Jamaika suchten die Bewohner (ehemalige afrikanische Sklaven) eine Quelle ihrer Identität: Einer der führenden Köpfe in dieser Suche nach Identität war derGewerkschafter und Publizist Marcus Garvey. „Er machte Äthiopien mit seiner uralten Geschichte und Schrifttradition zu einem wichtigen Bezugspunkt für Jamaikaner.“ (S. 188). Die Jamaikanische Rastafari – Bewegung hat sich auf äthiopische Traditionen bezogen. „DieRastafari-Bewegung müsste als ein glänzendes Beispiel für einen Transfer mit einer Verschmelzung verschiedener Kulturen gelten. Die Nachfahren von Sklaven aus Afrika mussten sich eine Vergangenheit erschaffen, die ihnen eine andere Zukunft als die von den europäischen Kolonialherren angebotene verhieß.“(S. 189).
Der Autor fordert, die Erzählung „Kebra Nagast“ als einen wichtigen Text im Kanon der Welt-Literatur anzuerkennen.“ (S. 190).

8.
Für philosophisch Interessierte der Hinweis auf ein mir besonders wichtiges und aktuelles Kapitel des Buches: „Als Bagdad zu einem Speicher der Weisheit wurde“ (S. 149 ff.) Tatsächlich interessierten sich muslimische Herrscher und Gelehrte in Bagdad im 9. Jahrhundert und noch etliche Jahre länger für die Philosophie der „heidnischen Griechen“, vor allem für Aristoteles. Es wurde in Bagdad eine große Bibliothek errichtet, ein so genannter „Speicher der Weisheit“, der umfangreiche Raum zur Pflege und Bewahrung astronomischer, mathematischer, medizinischer und eben auch philosophischer Texte. Es handelte sich vor allem um Übersetzungen aus dem Griechischen ins Arabische. Die – auch christlichen – Übersetzer und die muslimischen Herrscher „waren zu dem Schluss gelangt, dass sich die in der Vergangenheit (Griechenlands) gewonnenen Erkenntnisse für die eigene Gegenwart nutzen ließen.“ (S. 155). Damals galt stark die Weisung des Korans, dass das Streben nach Wissen und Philosophie eine religiöse Pflicht für jeden Muslim ist. (S. 157). „Aus fremden Kulturen zu schöpfen, das wussten diese Übersetzungsprojekte, kann eine reichhaltige Quelle der Stärkung sein.“ (S. 159). Und dann die entscheidende Erkenntnis. „Die Araber waren die eigentlichen Erben der griechischen Antike.“ (ebd.). Der Philosoph Ibn Sina (980-1037), im Westen Avicenna genannt, spielte dabei eine entscheidende Rolle. Was war Bagdad damals nur für eine kulturell bedeutende durchaus tolerante Stadt!
Später wurden alle technische Errungenschaften Europas – bis zu den modernsten Waffen – in der muslimischen Welt übernommen: Aber es waren nur die Technik und die Naturwissenschaft, nicht aber die allgemein und universal geltende Philosophie der Menschenrechte. Die schönsten Autos in diesen sich religiös nennenden Staaten der arabischen Welt durften Frauen nicht selbständig fahren… Es ist die fundamentalistisch verstandene muslimische Religion, die den umfassenden Kulturaustausch bis heute behindert und stört und manchmal zerstört.

9.
Martin Puchner zeigt, wie Kulturen eines bestimmten Landes, einer Region, paradoxerweise möchte man sagen, überleben konnten: „In China blieben buddhistische Schriften und Statuen erhalten, obwohl sie zu den vorherrschenden konfuzianischen und taoistischen Sitten und Gebräuchen im Gegensatz standen. So wie griechische Philosophen in Bagdad posthum weiterlebten, obwohl sie keine Gefolgsleute des Propheten Mohammed gewesen waren“.“ (S. 378 – 379). Kulturgüter blieben also erhalten, obwohl sie den „Besitzern“ dieser kulturellen Zeugnisse nicht nur als befremdlich , sondern auch als Bedrohung erschienen. Diese „Besitzer“ ihnen befremdlich erscheinender Kultur waren eben keine „Puristen und Puritaner“, wie Puchner schreibt (S. 379). Nur Fundamentalisten praktizieren die  Zerstörung der ihnen fremd und feindlich erscheinenden Kulturen ihrer eigenen Länder. Man denke an die Kulturzerstörungen des Islamischen Staates oder an die Fundamentalisten der Kulturrevolution Maos, oder auch an den Kampf der Nazis gegen die ihnen „entartetet“ erscheinende wertvolle Kunst wie auch an die Bücherverbrennungen der Nazis. Dem gegenüber wirkt der „Index der Verbotenen Bücher“ der Päpste noch eher bescheiden. Der Index (das Lektüreverbot von etwa 6000 Büchern für Katholiken) wurde von Papst Paul VI. tatsächlich erst am 15. November 1966 (!) abgeschafft.

10.
Das Buch “Kultur“ von Martin Puchner zeigt in den 15 ausgewählten Kapiteln tatsächlich eine „neue Geschichte der Welt“, wie der Untertitel heißt. Die Erkenntnis wird gefördert, dass Dialog und Lernbereitschaft unter den verschiedenen Kulturen immer schon stattgefunden haben und hoffentlich heute weiter stattfinden – früher nicht ohne Konflikte und Erfahrungen von Leid und Einschränkungen, heute sicher auch nicht. Aber Dialog und Lernen der verschiedenen Kulturen voneinander ist anders nicht möglich.
Nur diese Lernbereitschaft als Offenheit im Respekt der gleichen Würde aller Kulturen weist den Weg in eine humanere Zukunft. Abschotten und sich mit rigiden Gesetzen abgrenzen sind der falsche, der inhumane Weg einer populistisch, das heißt immer auch egoistisch werdenden Welt des reichen kapitalistischen Nordens. Die Menschen – Welt muss die gemeinsame Welt der gleichberechtigten Menschen (und der zu bewahrenden Natur) in der Vielfalt werden.

Martin Puchner, „Kultur. Eine neue Geschichte der Welt“. Klett-Cotta Verlag Stuttgart, 2025, 428 Seiten, 35€. Aus dem Amerikanischen Übersetzt von Enrico Heinemann.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer-Salon.de. in Berlin.

Die Papstansprache Ostern 2025: Ausdruck des Elends.

Ein Hinweis von Christian Modehn am 20.4.2025

Eine Notiz am 21. 4.2025: Wir haben diesen Hinweis nach der Urbi – et – Orbi Veranstaltung am Ostersonntag geschrieben und veröffentlicht: Da wusste niemand, dass dieser Auftritt von Papst Franziskus der letzte und seine – von einem Priester verlesene – Osterbotschaft wohl die letzte öffentliche Äußerung ist. Uns hat die Osterbotschaft des elenden Papstes bewegt und zu kritischem Nachdenken geführt, das wir dann am Ostersonntag, 20.4.2025, veröffentlichten. Unsere Kritik an solchen allgemein gehaltenen, meist nur floskelreichen Papst – Ansprachen zu Ostern oder Weihnachten bleibt bestehen, trotz einer gewissen Trauer über den Tod dieses zweifellos ungewöhnlichen und in mancher Hinsicht mutigen Papstes Franziskus: Er war kein Freund des Klerus und seiner Macht, er sagte das öffentlich von Anbeginn seines Pontifikates! LINK Aber er hatte nicht die Kraft, den Klerus einzuschränken und das verheerende Zölibats-Gesetz  abzuschaffen. Die Macht dazu hätte er als Papst gehabt. Aber diese Macht hat er – aus Angst?, vor wem ?, nicht genutzt. Und den Frauen wollte er stur und fundamentalistisch nicht umfassend gleiche Rechte in der Kirche geben. Insofern bleiben die Erinnerungen an Papst Franziskus dann doch düster. Es ist halt nach wie vor ein Elend mit dem Papsttum… Ob der nächste Papst dieses Elend beseitigt, ist ungewiss… CM.

Am Ostersonntag 20.4.2025 geschrieben und veröffentlicht: 

1.
Papst Franziskus, Ostern 2025:
Er kann fast nicht mehr sprechen,
sich nicht mehr bewegen,
lässt seine Botschaft verlesen,
schaut stumm auf die Menschen des Peters-Platzes:
Ein Bild des Erbarmens. Des Elends.
„Urbi et Orbi“: Nur ein mühsamer Hauch. Der hilflose Pontifex maximus.
Muss das sein? Eine unerhörte Frage: Unsere Antwort: Nein. Das muss nicht sein.
Manche frommen Leute und auch Fundamentalisten werden hingegen jubeln: „So ein standhafter Schwerkranker, der sich auch noch öffentlich zeigt. Er ist wie der Apostel Paulus, der da sagte: Im Leiden bin ich groß“. Ähnliche Worte des Neuen Testaments werden gern zitiert, wenn sich katholische Kleriker, Päpste zumal, unersetzlich finden.

2.
Traurige Ostern 2025:
Nicht nur, weil ein Schwerkranker seine Botschaft verlesen ließ. Diese selbst ist hilflos und voller allgemeiner Sprüche. Es sind eher Gemeinplätze für eine schwerkranke, hilflose Welt voller Gewalttäter. Da hätte eine gewagte, humane Botschaft mit konkreten Forderungen gut getan. Warum nicht eine klare Zielvorstellung formulieren: Etwa: Die katholischen Gemeinden sollen Orte des Friedens und des Dialogs werden!
Aber nein: Wie immer beim „Urbi et Orbi“: Moralische Gemeinplätze, das tausendmal, schon von früheren Päpsten, ausgesprochene Bedauern: dass da und dort und nun überall und immer mehr Krieg und Hunger und Elend herrschen. Die Namen der verantwortlichen Übeltäter werden vom Päpsten aus diplomatischen Gründen niemals genannt: Päpste sind ja auch Staatschefs, da muss man vorsichtig sein und das Wohl der eigenen Kirche bedenken… Deswegen, aus diplomatischen Gründen, kein präzises Wort gegen den Kriegsherrn Putin, offenbar will der Papst es sich auch nicht mit dem Patriarchen und widerlichen Kriegsideologen Kyrill von Moskau verderben. Der Papst liebt ja so die Orthodoxie… Bloß keine Namen nennen, bloß nicht konkret werden!

3.
Wie erbärmlich die päpstlichen Worte zur Ukraine: „Möge der auferstandene Christus der gepeinigten Ukraine das österliche Geschenk des Friedens zuteilwerden lassen und alle Beteiligten ermutigen, ihre Bemühungen um einen gerechten und dauerhaften Frieden fortzusetzen.“ Erschreckend, diese päpstliche Friedenspolitik der leeren frommen Sprüche. „Bla Bla“, muss man sagen.
Auch kein Wort über den sich zum Faschisten entwickelnden Mister Trump, kein Wort über die miserablen sozialen Zustände im Heimatland Argentinien unter dem Libertären Milei und so weiter…

4.
Natürlich: Papst Franziskus ist nicht nur sehr alt, er ist auch schwer krank, wenn auch nun ständig „auf dem Weg der Besserung“, wie es offiziell jetzt immer heißt.
Natürlich: Kein vernünftiger Mensch will einen reaktionären Papst als Nachfolger. Aber es ist wahrscheinlich kein Zeichen der Heiligkeit für einen „heiligen Vater“, in einer Welt voller Gewalt, voller Diktatoren und Gewaltherrscher in den USA wie in Russland und Iran und China und Israel und so weiter und so weiter, an seinem Amt als Schwerkranker festzukleben und allgemeine fromme Sprüche zu Ostern in die Welt zu senden. Ein heiliger Vater sollte auch ein politischer Prophet sein.  Aber tatkräftige Propheten waren die Päpste eher sehr selten. Ob der Nachfolger von Papst Franziskus vieles besser und vernünftiger macht, ist auch unwahrscheinlich in dieser abgeschotteten Welt der Kleriker. Ein Elend ist es mit dem Papsttum, mit der ewigen Klerusherrschaft…

5.
Diese gut gemeinte, aber inhaltlich leere und schlicht –  fromme Papstrede 2025 werden einige mit einem weinenden Auge hören und lesen, Worte von „diesen armen Greis, der sich so viel Mühe gibt.“
Die frommen Massen auf dem Petersplatz haben ihrem Idol zugejubelt, in die Höhe, förmlich und fröhlich – verzückt in den Himmel geschaut, um ihn, den „heiligen Vater“ auf der Loggia hoch oben zu sehen… Oft hatten die Frommen und die Schaulustigen eine Flagge ihres Landes in der Hand: Ausdruck des katholischen Universalismus oder des katholischen Nationalismus?

6.
Aber es wird noch einige wenige Menschen geben, voller Irritation darüber, dass die katholische Kirchenführung die Botschaft des Evangeliums einfach nicht besser, konkreter, politischer und in prophetischer moderner Sprache sagen kann und sagen will.

7.
Von der theologischen Deutung der Auferstehung Jesu von Nazareth durch die Kirchenführung wollen wir hier eher schweigen. Nur dieses: Warum verbreiten Päpste und Prälaten theologischen Unsinn noch heute : „Das Grab Jesu war leer“? Der Geist eines jeden Menschen erlebt die Auferstehung, nicht der Leib.

Und die Protestanten sind die großen Schweigenden zu allem, was Rom und den Papst und urbi et orbi betrifft. Ökumenische Zusammenarbeit nennt man das.

Die Ansprache des Papstes Ostern 2025: LINK

Die Wahl eines Papstes als sehr winziges Element von Demokratie in der katholischen Kirche:  LINK

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

Die Jüdisch-christliche Zivilisation: Nun eine Ideologie der Rechtsextremen.

Über den Betrug der Rechtsextremen. Ein neues Buch von Sophie Bessis.
Ein Hinweis von Christian Modehn am 11.4.2025

1.
Der oft benutzte Begriff „jüdisch – christliche Zivilisation“ wird jetzt von der jüdischen Historikerin Sophie Bessis in Paris als Betrug der Rechtsextremen analysiert und bewertet.
Der Begriff hat sich, eher harmlos – versöhnlerisch klingend, seit etwa 1980 durchgesetzt. In christlichen Kreisen der Theologen wird er auch formelhaft verwendet, manchmal nur in der Kurzform „jüdisch-christlich“.
Dem Begriff gilt jetzt alle Aufmerksamkeit zum Verständnis der Ideologie der Rechtsextremen. Er teilt im Verständnis der europäischen bzw. us-amerikanischen und der israelischen Rechtsradikalen die Menschen in gute und böse. Gut sind angeblich die Verteidiger der „jüdisch-christlichen Zivilisation“ und böse die „anderen“ ,für Rechtsradikale vor allem „die“ Muslime.

2.
Gegen die übliche Selbstverständlichkeit bzw. auch Gedankenlosigkeit im Umgang mit dem Begriff „jüdisch – christliche Zivilisation“ argumentiert die französische Historikerin Sophie Bessis. Sie wurde 1947 in Tunis in einer jüdischen Familie geboren und arbeitet als Historikerin, Journalistin und Autorin zahlreicher wissenschaftlicher Studien in Paris. LINK zur Person.

Ihr neues Buch „La Civilisation judéo-chrétienne: anatomie d’une imposture“, („Die jüdisch-christliche Zivilisation: Anatomie eines Betruges“), wurde publiziert im Verlag „Les Liens qui libèrent“, Paris. LINK zum Verlag.

Das Buch hat in Frankreich viel öffentliche Aufmerksamkeit gefunden, auf deutsch liegt es noch nicht vor.

3.
Der Begriff wird – auf Frankreich bezogen – im öffentlichen Diskurs etwa seit 1980 verwendet. Die konsequente „laicité“ als republikanische Idee ist damals als orientierende Philosophie genauso verschwunden wie die kommunistische Partei. Nun wird das „Jüdisch-christliche“, in dieser Verklammerung, als neue/alte Identität des Westens proklamiert. Eine Art freundliche Geste der Nicht-Juden, der Christen, nach der Vernichtung der Juden im Holocaust.

4.
Einige zentrale Erkenntnisse von Sophie Bessis zur „jüdisch-christlichen Zivilisation“:
Der Begriff markiert die Vorherrschaft einer religiösen Ideologie: Es gilt, mit ihm die europäische Zivilisation ganz entscheidend auf den jüdisch-christlichen Zusammenhalt und die „gemeinsame Geschichte“ zu gründen. Die beiden monotheistischen Religionen sollen also die europäische Zivilisation bestimmen. In der Fußnote 1 wird auf die Verwendung des Begriffes durch westliche Politiker verwiesen.
Damit wird aber vor allem eine andere monotheistische Religion, der Islam, explizit ausgeschlossen, schreibt Sophie Bessis. Und sie zeigt, dass die arabischen Nationalisten diese Formel „jüdisch-christlich“ ihrerseits aufgegriffen haben, um die Interventionen des Westens gegen „den Islam“ – negativ – zu bewerten und zu bekämpfen.

5.
In einem Interview mit „Radio France International“ (RFI) vom 6.4.2025 sagt die Autorin: „Der Islam gilt heute als die Gefahr, er gilt als Barbarei. Die aktuellen israelischen Regierungschefs haben deswegen diese Rhetorik des „Jüdisch – Christlichen“ übernommen, sie zögern nicht, dies öffentlich zu proklamieren. Diese Rhetorik gilt ihnen als letzter Schutzwall der Zivilisation gegen die `muslimische Barbarei`. Und dieser anti-islamische Diskurs Israels wurde übernommen von der Mehrheit der westlichen politischen Klassen… Der Staat Israel wird durch Monsieur Netanyahu und seinen israelischen Führern zum Vorposten der westlichen Zivilisation erklärt – durch die Verwendung des Begriffes „jüdisch-christliche Zivilisation.“

6.
Auch die extremen Rechten im Westen verwenden den Begriff. „Zuletzt hat Monsieur Bardella von der rechtsextremen Partei „Rassemblement National“ (einst „Front National“ von Le Pen begründet) diese Formel verwendet…“, berichtet Sophie Bessis.
Übrigens: Auf die Übernahme des Begriffes „jüdisch-christlich“ durch rechtsradikale Parteien hat schon der Radiosender „France Culture“ am 20.3.2021 aufmerksam gemacht. LINK  

Auch die Partei AFD benutzt die Floskel „jüdisch-christliche Zivilisation/ Kultur“ sozusagen als Inbegriff für Europa, um gegen den Islam und die Flüchtlinge zu polemisieren und die muslimischen Menschen zu vertreiben.

7.
Die Autorin setzt sich in dem Interview mit RFI weiter mit dem Anspruch von Netanyahu auseinander, alle Juden der Welt zu repräsentieren. Dieser Gedanke ist für die Jüdin Bessis unerträglich. Denn dann könnten „alle Juden“ auch für die furchtbare Politik Netanyjahus Politik bestraft werden…
Und Sophie Bessis setzt sich auch mit einem neuen Philo-semitismus in manchen Staaten Europas auseinander, der zumal seit dem 7. Oktober 2023 lebendig wird. Philo-semitismus ist bekanntlich eine ins Ignorant-Positive gewendete Form des Antisemitismus, nur eben exzessiv freundlich erscheinend. Israels rechtsextreme Regierung pflegt mit dem rechtsextremen Präsidenten Orban in Ungarn eine tiefe Verbundenheit, auch mit Präsident Modi in Indien sowie mit zahlreichen neofaschistischen Parteien, für die Antisemitismus eigentlich typisch und wesentlich ist. Aber sie verschleiern diese ihre traditionelle Ideologie, um gegen „den“ Islam zu kämpfen.

8.
Genauso wichtig ist die Erkenntnis von Sophie Bessis: Der Begriff „jüdisch – christliche Zivilisation“ ist Ausdruck einer Illusion von einer angeblich lange währenden kulturellen und religiösen Nähe und Verbundenheit von Juden und Christen: Dieser Begriff ignoriert aber die Jahrhunderte des christlich geprägten Antisemitismus. Der harmlose Begriff verwischt den Jahrhunderte alten Hass der Christen und der Kirchen auf die Juden.

9.
Die Autorin glaubt nicht, dass der Begriff „jüdisch – christliche Zivilisation“ alsbald in der Umgangssprache wie in der Sprache der Politiker verschwindet. Dafür sind die Rechten und Rechtsradikalen leider zu stark.
Dabei liegt Sophie Bessis alles daran, dass dieser verschleiernde Begriff auch politisch immer weiter analysiert wird, um ihn danach beiseite zu legen zugunsten des Begriffes einer humane Weltzivilisation, in der die universellen Menschenrechte gelten. Wir meinen: Zu dieser humanen Weltzivilisation gehören auch die Religionen, auch der Islam: Er wird sich aber wie das Christentum und das Judentum und der Hinduismus usw. korrigieren und reformieren müssen durch die universell gelten Menschenrechte. Denn die Religionen können intern keine radikale Reform ihrer Dogmen usw. gestalten, das kann nur die allgemeine Vernunft. Zur humanen Welt – Zivilisation gehört vor allem auch der Humanismus, der seit der Renaissance Europa zu bestimmen versucht mit seiner Philosophie der Toleranz.

10.
In der christlichen Theologie werden die Adjektive „jüdisch – christlich“ seit vielen Jahren verwendet, in der katholischen Kirche etwa seit dem 2. Vatikanischen Konzil (1962-65). Der Begriff soll – nach dem Holocaust – die Verbundenheit des christlichen Glaubens mit dem Judentum signalisieren. Beispielsweise hat der niederländische Theologe und Poet Hub Oosterhuis – neben vielen anderen Theologen – diese Worte „jüdisch-christlich“ oft gesprochen und geschrieben: Voraussetzung dafür war und ist: Die meisten christlichen Theologen sehen eine enge Verbundenheit des Neuen Testaments der Christen mit der hebräischen Bibel der Juden. Davon spricht Sophie Bessis in ihrem Buch nicht.
Aber darüber sollten Theologen sprechen, selbst wenn es eine Art Tabuthema ist: genauer hinzuschauen, was denn diese enge Verbundenheit des Neuen Testaments der Christen mit der hebräischen Bibel bedeutet. Jesus von Nazareth ist Jude, aber ein Jude mit einer ungewöhnlichen, einmaligen durchaus auch „anderen“ Spiritualität. War er als Jude vielleicht aus dem herrschenden Judentum damals spirituell „hinausgewachsen“? Immanuel Kant hat 1793 seine These zu publizieren gewagt: Jesus von Nazareth hat in Bezug auf das Judentum eine „gänzliche Revolution in Glaubenslehren bewirkt“ (Fußnote 2). Aber dies ist ein anderes Thema…

Fußnote 1: Zitat aus der politischen Website BLAST in Frankreich: „Les hommes politiques en truffent leurs déclarations, s’en réclamant ad nauseam pour justifier leurs actions. Un candidat à l’élection présidentielle américaine de 2000 assurait ainsi qu’« être la seule superpuissance donnait aux États-Unis des responsabilités, en particulier celle d’intervenir à l’extérieur pour protéger les valeurs judéo-chrétiennes (2) ». Le monde est partagé entre « les cultures judéo-chrétiennes » et les autres (3). En France, on consacra en 1998 un colloque à « l’intégration politique des Français musulmans et leur place dans l’espace judéo-chrétien (4) ». Dans une interview au quotidien Le Figaro le 29 mai 2024, l’ex-président Nicolas Sarkozy brandissait lui aussi les « racines judéo-chrétiennes » de l’Europe. Écrit-on sur l’économie ? On y fait référence (5). Siehe: https://www.blast-info.fr/articles/2025/sophie-bessis-la-civilisation-judeo-chretienne-anatomie-dune-imposture-les-bonnes-feuilles-Ep8Ugq3ETDaUeibgnbV5vQ. BLAST vom 15.3.2025.

Fußnote 2: Seite B 190 in „Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft“.

Das wichtige Buch “La civilisation judéo-chrétienne: Anatomie d’une imposture”von Sophie Bessis ist im Verlag Les Liens qui libèrent in Paris 2025 erschienen, es hat 124 Seiten und den Preis von 10 €.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

 

 

 

 

Dietrich Bonhoeffer – der Provokateur!

Für Bonhoeffer sind Gerechtigkeit und „Reich Gottes auf Erden“ der absolute Mittelpunkt.
Ein Hinweis von Christian Modehn am 2. 4. 2025.

Das Motto:
Dietrich Bonhoeffer, der große Theologe und NAZI – Widerstandskämpfer, viel zitiert und selten in der Praxis respektiert, würde heute wohl auch eine Form von Widerstands üben: Es wäre der Widerstand gegen die dogmatische Borniertheit der Kirchen. Gegen das Fortsetzen der uralten Hierarchien und Klerus Herrschaft. Gegen die Bürokratie in den Kirchen trotz permanenten Schwunds an Mitgliedern. Und, um das Wesentliche zu sagen, er würde wohl sich selbst zitieren: Aus seinem Brief im Nazi – Gefängnis Tegel: „Ist nicht die Gerechtigkeit und das Reich Gottes auf Erden der Mittelpunkt von allem? Nicht um das Jenseits, sondern um diese Welt … geht es doch.“ So Bonhoeffer in seinem Brief aus dem Nazi – Gefängnis Berlin – Tegel am 5.5.1944. Fußnote 1.

“Die Kirche muss aus ihrer Stagnation heraus…Wir müssen es auch riskieren, anfechtbare Dinge zu sagen, wenn dadurch nur lebenswichtige Fragen aufgerührt werden.” (Bonhoeffer, Notiz im Brief aus dem Gefängnis Tegel am 3.8.1944.)

1.
Wer Bonhoeffer liest, lernt, was wesentlich ist. Deswegen muss man heute feststellen: Von allerhand Nebensächlichkeiten reden die Christen und ihre Kirchenführer nach wie vor. Von Strukturreformen und Strukturreförmchen, von mehr oder von weniger Halleluja in Gottesdiensten und so weiter. Aber sie sprechen eben nicht vom politischen Kampf zugunsten globaler Gerechtigkeit, auch Klimagerechtigkeit, sie sprechen nicht von dem, was Reich Gottes auf Erden sein könnte und sollte: Friede, Gleichheit, Brüderlichkeit, Freiheit. Nur darauf kommt es an … zum Überleben der Welt und der Menschen!

2.
Dietrich Bonhoeffer hatte als Widerstandskämpfer gegen die Nazis ein deutliches Wissen von dem, was entscheidend und wichtig ist und von dem, was beiseite gelegt, abgeschafft werden sollte in den Kirchen. Im Nazi – Gefängnis Berlin -Tegel hatte er 1944 noch die Kraft, wenn auch situationsbedingt fragmentarisch, die christlichen Religion, die Kirchen, in Europa zu analysieren und globale Vorschläge zur Reformation zu machen. Seine Gefängnisbriefe aus dem Jahr 1944 sind unter dem Titel “Widerstand und Ergebung” veröffentlicht. Dietrich Bonhoeffer wurde am 9.4. 1945 in Flossenbürg, Bayern, hingerichtet, LINK

3.
Die Christen in Deutschland und ihre Kirchenführer täten gut daran, zumal bei dem stetigen Schwund an Mitgliedern und dem sehr geringen Ansehen ihrer Institutionen, die Zukunft der Kirchen radikal neu zu verhandeln und neu zu gestalten. Sehr hilfreich, sehr inspirierend kann dabei die Auseinandersetzung mit den radikalen Erkenntnossen Bonhoeffers im Gefängnis Tegel sein. Die Erinnerung an Bonhoeffers 80. Todestag am 9. April kann also nur eine für die Institution Kirche „gefährliche Erinnerung“ sein, eine verstörende, aufrüttelnde Erinnerung, allerdings ist es eher unwahrscheinlich, dass dies bei dem üblichen „Betrieb“ der Gedenktags – Feierlichkeiten und der Routine der Kirchenbürokratie der Fall sein wird. „Wir müssen es auch riskieren, anfechtbare Dinge zu sagen, wenn dadurch nur lebenswichtige Fragen aufgerührt werden.“ Fußnote 2.

4.
Die Kirchen und ihre TheologInnen, die evangelischen zumal, forschen zwar seit Jahrzehnten zu Dietrich Bonhoeffer. Die Zahl der entsprechenden Studien und Biografien ist – auch international gesehen – „sehr groß“. Die Wissenschaftler wissen von Bonhoeffer sehr viel. Die Kirchen und die verbliebenen Christen wissen einiges „in der Theorie“, wollen sich aber von ihm nicht in der eigenen Praxis inspirieren lassen – zugunsten einer neuen Kirche in „religionsloser Zeit“.

5.
Das Gedicht Bonhoeffers „Von guten Mächten treu und still umgeben“ fehlt als Kirchenlied fast nie in einer liturgischen Handlung: Im Gottesdienst sonntags, zur kirchlichen Trauung, zur Bestattung und so weiter. Das Lieblings-Lied der heutigen Protestanten (mehrfach vertont !) wurde sogar ins neue katholische Gesangbuch „Gotteslob“ aufgenommen. Der Publizist Volker Weidermann, durch theologische Publikationen bisher eher nicht hervorgetreten, widmet dem berühmten Bonhoeffer Gedicht – Bekenntnis eine umfangreiche, sehr beachtenswerte, zum Teil berührende Interpretation in DIE ZEIT vom 27. März 2025. Dieses „ausserkirchliche“ Interesse an dem Gedicht liegt daran, dass Bonhoeffer hier den Gott der Bibel mit den eher dogmatisch – offen zu verstehenden guten, behütenden „Mächten“ verbindet. Und diese „guten Mächte“ werden von ihm contrafaktisch, als total anders als die absolut bösen Mächte der totalitär Herrschenden definiert. Die guten Mächte werden trotz allem und letzten Endes hilfreich – herrschend sein, bestimmend, tragend, Sinn stiftend.

6.
Die Kirchen halten dieses Glaubensbekenntnis Bonhoeffers, wenige Wochen vor seiner Hinrichtung geschrieben im Kellergefängnis der Nazis in der Prinz -Albrecht-Straße, für zeitlos und international gültig. Hingegen: Die radikalen Äußerungen Bonhoeffers zur Zukunft der Kirchen in einer religionslosen Welt, ebenfalls im Gefängnis 1944 geschrieben, halten die Kirchen für interessante, aber eben doch bloß zeitbedingte Reflexionen. Sie seien sozusagen nur bedingt von den erbärmlichen Lebensbedingungen im Nazi- Gefängnis. Und wegen dieser „Begrenzung“ eben nicht nicht von allgemeiner inspirierender Gültigkeit.
Aber diese Abwehr von Bonhoeffers Erkenntnissen ist falsch. Gerade in existentiell extremen Situationen werden Wahrheiten entdeckt, die über den aktuellen Moment der Notiz bleibend gültig sind. Genau das schreibt Bonhoeffer selbst im Gefängnis Tegel: „Die Seele bildet in der Einsamkeit Organe, die wir im Alltag kaum kennen.“ (Fußnote 3).

7.
Bonhoeffers Gedanken im Gefängnis sind keineswegs außergewöhnliche Ausrutscher: Er hatte schon 1934 bewiesen, wie er unter einer Erstarrung der Kirchen gelitten hatte, als er sich in dieser Sache Rat suchend ausgerechnet an den Hinduisten und Humanisten Mahatma Gandhi wandte: Am 17. Oktober 1934 verfasste Bonhoeffer an ihn einen ausführlichen Brief. Darin spricht er von der Botschaft Christi, die so viele Menschen enttäusche und zwar aufgrund der Erscheinungsform der Kirche. Und Bonhoeffer drückt seine Überzeugung aus, dass das Christentum ganz anders werden muss, und zwar durch eine „Neugeburt“: Und die sei nichts anderes als der praktische Respekt der Kirche vor der Bergpredigt Jesu. Was aber ist der Inhalt der Bergpredigt Jesu? Es geht ausschließlich um humane Werte, die Bonhoeffer später auch in seinen Überlegungen zur Kirche im Gefängnis 1944 formulierte!
Dieser Brief Bonhoeffers an Gandhi wurde erst 2020 entdeckt und er beweist einmal mehr: Die radikale Kritik am Zustand der Kirchen ist für ihn kein spezielles Thema aus der Einsamkeit des Nazi – Gefängnisses. Radikale Kirchenkritik ist DIE Dimension im Denken Bonhoeffers. Der Brief an Gandhi: Fußnote 4.

Zur politrischen Analyse Bonhoeffers “Die Menschen werden durch Diktatoren, Rechtsextreme dumm gemacht”: LINK.

8.
Wie erinnern an einige zentrale Ausführungen Bonhoeffers in seinen Briefen, die im Gefängnis Tegel seinem Freund, Eberhard Bethge, zukommen lassen konnte. Sie wurden nach seinem Tod in „Widerstand und Ergebung“ publiziert.

9.
Die erste zentrale Erkenntnis Bonhoeffers findet sich in einer Passage anläßlich der Taufe des Sohnes seines Freundes Eberhard Bethge, die Überlegungen sind in „Widerstand und Ergebung“ unter dem Titel „Du wirst heute zum Christen getauft“ publiziert. Fußnote 5.
Einige wichtige Erkenntnisse:
Die Kirche muss nach Bonhoeffer ganz neu verstehen, was Versöhnung und Erlösung, Heiliger geist, Kreuz und Auferstehung bedeuten. „Alles das ist so fern“…
Die jetzige Kirche kämpft nur um Selbsterhaltung, sie ist unfähig, „Träger des versöhnenden und erlösenden Wortes für die Menschen und die Welt zu sein“.
Und wahres Christsein wird heute nur in zweierlei bestehen: „Im Beten und im Tun des Gerechten unter den Menschen.“
„Es wird später eine neue Sprache in der Kirche gesprochen werden“, so Bonhoeffers Hoffnung, „vielleicht ganz unreligiös, aber befreiend und erlösend wie die Sprache Jesu…“
Diese Überlegungen Bonhoeffers sind Teil der von ihm selbst noch geplanten „Bestandsaufnahme des Christentums“ (von der er in seinem Brief am 2.8.1944 schreibt.) Fußnote 6.

Nebenbei: Bestandsaufnahme des Christentums: Wer wagt sich an ein solches Projekt heute? Wer macht eine Bestandsaufnahme des Papsttums und der Päpste? Wer macht eine kritische eine Bestandsaufnahme der so furchtbar engen Kirche – Staat-Beziehungen etwa in den Lutherischen Kirchen oder der Konkordate des Vatikans mit faschistischen Diktatoren, etwa in Spanien ?

10.
Hinweise zum theologischen Hintergrund der Reflexionen Bonhoeffers zur Kirche und zum Glauben bieten einige Überlegungen zur„religionslosen Zeit“, notiert in einem ausführlichen Brief an Eberhard Bethge am 30.4.1944, (Fußnote 7).
„Wir gehen einer völlig religionslosen Zeit entgegen“.
„Die Menschen werden radikal religionslos“
Es gibt heute kein „religiöses A-Priori der Menschen“ mehr, also die traditionelle These sei ungültig: Jeder Mensch ist schon als Mensch “irgendwie“ religiös.
„Unserem ganzen bisherigen Christentum wird das Fundament entzogen“
Bonhoeffers Diagnose: Es gibt in den Kirchen heute nur einige „letzte Ritter“ (also noch dogmatische Fromme, CM) oder ein paar „intellektuell Unredliche“ wie er sagt, bei denen „wir“ (als Pfarrer) „religiös“ noch landen können. Unter den Bedingungen werden die „klassischen“, bisher vertrauten Kirchen verschwinden.

11.
Welche dogmatische Lehre, welche Struktur, kann Kirche dann noch haben? „Was bedeutet eine Kirche, eine Gemeinde, eine Predigt, eine Liturgie, ein christliches Leben in einer religionslosen Welt?“
Kann Kirche “von Gott sprechen ohne Religion“, also ohne religiösen Bezug?
Bonhoeffer ringt mit der Frage, welche Bedeutung das Transzendieren des Menschen hat. Einerseits lehnt er das „religiöse A-Priori“ in jedem Menschen ab. Andererseits spricht er in seinem Brief vom 9.3.1944 von Bindungen ans Übersinnliche unter den Mitgefangenen, von deren „Glauben an Übersinnliches“: Etwa: „Drück mir die Daumen“, „Unberufen (toi – toi)“, „Holz anfassen“, „Keiner entgeht seinem Schicksal“… Fußnote 8.

12. Ein persönliches Bekenntnis Bonhoeffers:
 „Oft frage ich mich, warum mich ein christlicher Instinkt häufig mehr zu den Religionslosen als zu den Religiösen zieht?“ (Fußnote 9). Unter Religionslosen kann Bonhoeffer freier und ehrlicher den Namen Gottes aussprechen als unter den üblich-Frommen. Sie sprechen von Gott, auch aus Denkfaulheit, wie Bonhoeffer ausdrücklich sagt, als einem „deus ex machina“, einem Gott, der zu einer Art Lückenbüßer degradiert wird.
„Ich möchte von Gott sprechen nicht an den Grenzen, sondern in der Mitte, nicht in den Schwächen, sondern in der Kraft, nicht also bei Tod und Schuld, sondern im Leben und im Guten der Menschen“.
Dieses Sprechen von Gott gilt wohl auch für Kirche im ganzen, es kann heute aber nur gelingen, wenn tatsächlich der Inhalt der kirchlichen Verkündigung ein anderer wird. Vieles Uralte und Angestaubte muss verschwinden (wie das unsägliche Dogma der Erbsünde).

13.
Die Kirchen in Deutschland beginnen langsam und zögernd anzuerkennen, dass die Gestalt der christlichen Religion heute sehr weitgehend keine Zustimmung mehr findet. Der entscheidende Lernschritt ist: In dieser „religionslosen Welt“ hat die Kirche vor allem die Aufgabe, die humane Botschaft bzw. die Weisheitslehren Jesu von Nazareth zu sagen und selbst praktisch zu leben: Also die humanen Haltungen, die in der Bergpredigt, in den Gleichnissen Jesu (Barmherziger Samariter usw…) oder in den „Reden Jesu zum Weltgericht“ (Matthäus 25, 31 ff, bes. 35 ff.) zur Sprache kommen.Alle Riten, alle Liturgien, alle Predigten, Wallfahrten, Segnungen, “heilige Jahre“ mit ihrem verstörenden Ablass usw. können irgendwie als kulturelle Veranstaltungen weiterhin stattfinden, aber sie können im Sinne Bonhoeffers nicht länger als authentischer Ausdruck des christlichen Glaubens gelten. Nur darauf kommt es an: Wie Bonhoeffer sagt: „Beten und Tun des Gerechten.“ Das heißt ins Heute übersetzt: „Innere Sammlung, Meditation, Poesie UND gleichzeitig Kampf um Gerechtigkeit und Frieden für alle.“ Das ist wenig und viel und eigentlich alles.

14.
Über die manchmal anklingende Abweisung der Philosophie und der Metaphysik durch Bonhoeffer wäre eigens zu reden und wird zu einem späteren Moment geschehen. Vor allem sehen wir seine Abweisung des „religiösen A-Priori“ kritisch, und er selbst relativiert diese seine Überzeugung auch: Siehe Nr. 11 in diesem Hinweis.
Und geradezu in die mystische Philosophie führt die kurze Notiz am 3.8. 1944: „Das Jenseitige ist nicht das unendlich Ferne, sondern da Nächste“ (Fußnote 10). Das heißt: Gott ist in mir….in jedem Menschen. Das ist aber schon wieder Metaphysik…

15.
Eine Interpretationshilfe bietet Bonhoeffer selbst fast am Ende seiner schriftlichen Äußerungen, am 3.8.1944 noch im Gefängnis Tegel: „Ich fühle mich als ein `moderner` Theologe, der doch noch das Erbe der liberalen Theologie in sich trägt“ (Fußnote 11). Und liberale Theologie verschmäht philosophisches Denken bekanntlich nicht.

16.

„Ist nicht die Gerechtigkeit und das Reich Gottes auf Erden der Mittelpunkt von allem? Nicht um das Jenseits, sondern um diese Welt … geht es doch.“ Dieses Wort Bonhoeffers, zu Beginn dieses Hinweises schon erwähnt, kann als Mittelpunkt des theologischen und religiösen und auch persönlich – spirituellen Denkens und Lebens Bonhoeffers gelten. Und zwar mit gutem Grund: Auch dem Propheten Jesus von Nazareth und seiner Botschaft ging es um nichts anderes.

So wird deutlich: Es gibt eine Unfähigkeit der Kirchen, damals wie heute, in ihrer Praxis wie in ihren “großartig” ausgebauten Theologien, tatsächlich diesem einen Mittelpunkt zu entsprechen. Die Erstarrung der Kirchen, ihre so geringe Kreativität, ihr fehlender politischer Mut zugunsten der Gerechtigkeit und der Gleichheit aller Menschen einzutreten  – ist auch in der Ignoranz – oder der Angst – begründet, diesem Mittelpunkt zu entsprechen. Kirchen, die diesem von Bonhoeffer genannten Mittelpunkt entsprechen, bleiben nicht so, wie sie zuvor und “immer schon” waren. Sie werden selbst zu Orten der Gerechtigkeit und des Reiches Gottes. Und sie hören auf, Behörden und Bürokratien und Klerus – Männer – Vereine (wie die katholische Kirche) zu sein.

17.

Der evangelische Theologe und Publizist, Autor des vielbeachteten Buches “Die Sache mit Gott” (1966!), Heinz Zahrnt,  bewertet die geringe Wirkung von Bonhoeffers Vorschlägen zur Erneuerung der Theologie, der kirchlichen Sprache, dem religionslosen Christentum im Jahr 1966: “Bonhoeffer hat die Erneuerung der christlichen Verkündigung nicht erlebt. Und wir haben sie bis auf den heutigen Tag nicht erlebt. Die Kirche hat ihre Gestalt noch nicht verändert und erneuert. Zu einem großen Teil kämpft sie nach wie vor um ihre Selbsterhaltung, als wäre sie ein Selbstzweck. Es ist nach dem Kriege genau das eingetreten, wovor Bonhoeffer die Kirche gewarnt hatte: Durch eine vorzeitige neue organsatorische Machtentfaltung hat sie ihre Umkehr und Läuterung verzögert. “(Zit. nach der DTV Ausgabe, 1972, S. 182).

Fußnoten:
1: Seite 144, in: Dietrich Bonhoeffer „Widerstand und Ergebung“, 23. Auflage 2019, Gütersloher Verlagshaus
2. „Widerstand…“ S. 201 vom 3.8.1944.
3.“Die Seele bildet in der Einsamkeit Organe, die wir im Alltag kaum kennen” ist ein Zitat von Dietrich Bonhoeffer, das in seinem Brief an seine Verlobte Maria von Wedemeyer vom 19. Dezember 1944 aus dem Gefängnis in Berlin-Prinz-Albrecht-Straße stammt.
4. Brief an Gandhi: https://www.dietrich-bonhoeffer.net/bonhoeffer-aktuell/bonhoeffer-einzelmeldung/news/bisher-unbekannter-brief-entdeckt/
Einige Zitate: „Die westliche Christenheit muss aus der Bergpredigt neu geboren werden…“
“Wenn es irgendwo ein sichtbares Beispiel für das Erreichen solcher Ziele gibt, sehe ich es in Ihrer Bewegung. Ich weiß selbstverständlich, dass Sie kein getaufter Christ sind; doch die Menschen, deren Glauben Jesus pries, gehörten zumeist auch nicht zu der offiziellen Kirche ihrer Zeit.“ Der vollständige Text des Briefes: siehe unten.
5. „Widerstand … S. 157f.
6 .„Widerstand… S. 211.
7. „Widerstand… S. 140 f.
8. „Widerstand… S. 126.
9. „Widerstand.. S. 142
10. „Widerstand. S. 200..
11. „Widerstand, S. 201.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

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Siehe auch unseren Beitrag zu einigen Erkenntnissen in “Widerstand und Ergebung”, veröffentlicht 2019. LINK

Der Brief Bonhoeffers an Mahatma Gandhi: Deutsche Übersetzung des Briefes von Dr. Wolfgang Huber
Quelle: https://www.dietrich-bonhoeffer.net/bonhoeffer-aktuell/bonhoeffer-einzelmeldung/news/bisher-unbekannter-brief-entdeckt/

Pastor Lic. Dietrich Bonhoeffer
23, Manor Mount. S.E 23.London. 17. Oktober 1934
Verehrter Mahatmaji!
Es geschieht auf Grund der außerordentlich bestürzenden Situation in den europäischen Ländern und in meinem eigenen Land, Deutschland, dass ich es wage, mich persönlich an Sie zu wenden; und ich hoffe, Sie werden mir das verzeihen. Ich habe lange Zeit gewartet, aber nun haben die Dinge sich so zugespitzt, dass ich es nicht für gerechtfertigt halte, länger zu warten. Wie ich weiß, haben Sie ein offenes Ohr für jede Notlage, wo auch immer sie auftritt; deshalb vertraue ich darauf, dass Sie es nicht ablehnen, mir Hilfe und Rat zuteil werden zu lassen, obwohl Sie mich nicht kennen, und mir meine Fragen nachsehen.
Die große Not in Europa und besonders in Deutschland besteht nicht in der wirtschaftlichen und politischen Unordnung, sondern es geht um eine tiefe geistliche Not. Europa und Deutschland leiden unter einem gefährlichen Fieber und sind dabei, sowohl die Selbstkontrolle als auch das Bewusstsein für das zu verlieren, was sie tun. Die heilende Kraft für alle menschliche Bedrängnis und Not, nämlich die Botschaft Christi, enttäuscht immer mehr nachdenkliche Menschen auf Grund ihrer gegenwärtigen Organisationsform. Gewiss gibt es hier und dort einzelne Christenmenschen, die das ihnen Mögliche tun, um die organisierte Christenheit zu einer grundlegenden Erneuerung zu bewegen; aber die meisten organisierten Körperschaften der christlichen Kirchen wollen die tatsächliche Herausforderung nicht wahrnehmen. Als christlicher Pfarrer finde ich diese Erfahrung enttäuschend und niederdrückend. Ich habe keinen Zweifel daran, dass nur wahres Christentum unseren westlichen Völkern zu einem neuen und geistlich gesunden Leben verhelfen kann. Aber die Christenheit muss sehr anders werden, als sie sich gegenwärtig darstellt.

Es hat keinen Sinn, die Zukunft vorauszusagen, die in Gottes Hand liegt; aber wenn uns nicht alle Zeichen täuschen, läuft alles auf einen Krieg in naher Zukunft hinaus; und der nächste Krieg wird gewiss den geistlichen Tod Europas zur Folge haben. Deshalb brauchen wir in unseren Ländern eine wirklich geistlich geprägte und lebendige christliche Friedensbewegung. Die westliche Christenheit muss aus der Bergpredigt neu geboren werden; das ist der entscheidende Grund dafür, dass ich Ihnen schreibe. Aus all dem, was ich von Ihnen und Ihrer Arbeit weiß, nachdem ich Ihre Bücher und Ihre Bewegung über einige Jahre studiert habe, schließe ich, dass wir westlichen
Christinnen und Christen von Ihnen lernen sollten, was mit dem Wirklichwerden des Glaubens gemeint ist und was ein Leben erreichen kann, das dem politischen Frieden und dem Frieden zwischen ethnischen Gruppen gewidmet ist. Wenn es irgendwo ein sichtbares Beispiel für das Erreichen solcher Ziele gibt, sehe ich es in Ihrer Bewegung. Ich weiß selbstverständlich, dass Sie kein getaufter Christ sind; doch die Menschen, deren Glauben Jesus pries, gehörten zumeist auch nicht zu der offiziellen Kirche ihrer Zeit. Wir haben große Theologen in Deutschland – der größte von ihnen ist nach meiner Überzeugung Karl Barth, dessen Schüler und Freund ich glücklicherweise bin –, die uns von neuem die großen theologischen Gedanken der Reformation lehren; aber keiner zeigt uns den Weg zu einem neuen christlichen Leben in kompromissloser Übereinstimmung mit der Bergpredigt. In dieser Hinsicht suche ich bei Ihnen Hilfe.
Die große Bewunderung, die ich für Ihr Land, seine Philosophie und seine Führer, für Ihr persönliches Wirken unter den Ärmsten Ihrer Mitmenschen, für Ihre erzieherischen Ideale, für Ihr Eintreten für Frieden und Gewaltlosigkeit, für die Wahrheit und ihre Kraft empfinde, hat mich dazu gebracht, dass ich unbedingt im nächsten Winter nach Indien kommen möchte – und zwar zusammen mit einem Freund, der durch die gleichen Gedanken und Fragen bewegt ist. Er ist Physiker und Ingenieur. In ganz Europa bin ich gereist und habe ich gelebt. Ich fuhr in die USA, um zu finden, wonach ich suchte; doch ich fand es nicht. Ich möchte mir nicht selbst vorwerfen müssen, dass ich eine große Gelegenheit in meinem Leben versäumt habe, um die Bedeutung christlichen Lebens, eines wirklichen Gemeinschaftslebens, von Wahrheit und Liebe in der Wirklichkeit zu verstehen. Die Frage, die ich Ihnen vorlegen möchte, ist, ob ich die Erlaubnis erhalte, mit Ihnen einige Zeit in Ihrem Ashram zu verbringen, um Ihre Bewegung zu studieren. Ich habe kein Vertrauen in kurze Interviews, sondern bin davon überzeugt, dass man miteinander leben sollte, wenn man einander kennenlernen möchte. Ich habe jetzt genug Geld gespart, um meine Reise zu bezahlen, müsste aber in Indien sehr billig leben. Halten Sie das für möglich? Ließe sich beispielsweise eine zu Ihrer Bewegung gehörende Familie finden, bei der ich wohnen könnte, und wäre eine Art von Hauslehrertätigkeit für deren Kinder eine mögliche Gegenleistung? Natürlich ist diese Frage von geringerer Bedeutung als mein großer Wunsch, Ihre Bewegung kennenzulernen – ein Vorhaben, für das ich jedes mögliche Opfer zu bringen bereit wäre.
Ich bin 28 Jahre alt, Deutscher, Dozent der Theologie an der Berliner Universität, gegenwärtig Pfarrer von zwei deutschen Gemeinden in London. Zugleich bin ich internationaler Jugendsekretär des Weltbunds für internationale Freundschaftsarbeit der Kirchen; in der ökumenischen Bewegung arbeite ich seit einigen Jahren, woraus viele gute Freundschaften erwachsen sind. Ich habe einige Bücher geschrieben – über die Lehre von der Kirche, über Schöpfung und Fall – und erlaube mir, Ihnen mit getrennter Post einen sehr kurzen englischsprachigen theologischen Artikel zu schicken, den ich vor drei Jahren in den USA geschrieben habe.
Nun möchte ich Sie nicht länger für meine Angelegenheiten in Anspruch nehmen. Eine Antwort von Ihnen erwarte ich mit großer Spannung. Ich füge einen Brief von Mr. C. F. Andrews bei. Auch den Bischof von Chichester, Dr. Bell, habe ich gebeten, Ihnen ein paar Worte über mich zu schreiben.
Nochmals bitte ich Sie um Entschuldigung dafür, dass ich mich persönlich an Sie gewandt habe. Ich verbleibe, verehrter Mahatmaji, sehr ehrerbietig.
Ihr mit Ihnen verbundener
Dietrich Bonhoeffer

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Abelard oder die (Ohn-) Macht der Vernunft … im Mittelalter

Über die aktuelle Bedeutung des Philosophen und Theologen Petrus Abelard
Ein Hinweis von Christian Modehn

Ein Vorwort: Warum an Abelard erinnern? Weil er als Theologe schon im Mittelalter allen Wert darauf legte: Die Vernunft des Menschen ist entscheidend im Studium der Dogmen und Kirchenlehren:  „Der Mensch kann nur glauben, was er zuvor verstanden hat. Und es ist lächerlich andere zu lehren, was sie nicht verstehen können“ (Zitat von Abelard, siehe Fußnote 1.)

1.
Für das „Mittelalter“ haben Etiketten und Klischees („dunkel“, „unterentwickelt“, „abergläubisch“…) keine vorrangige Geltung. Die Jahrhunderte zwischen Altertum und Renaissance, „Mittelalter“ genannt, sind von lebendiger Vielfalt, das „Licht“ (die Vernunft) setzt sich langsam durch, gegen die Finsternisse des (Aber)-Glaubens…
Das gilt besonders für die Philosophien. Der Plural Philosophien muss betont werden: Thomas von Aquino war keineswegs der einzige maßgebliche oder einflußreiche Denker, das behaupten manchmalTheologen, zumal katholische. Streit, Debatte, und damit Ketzereien waren selbstverständlich.

2.
Wir wollen an Petrus Abelard erinnern, den Philosophen und Theologen, der traditionelle Lehren nicht gehorsam wiederholte, der den Zweifel pflegte und Kritik lobte; und vor allem: Der eine neue Interpretation des Christentums vorlegte: Ein Beispiel: Die Vorstellung von einem himmlischen Vater – Gott, der seinen Sohn (Christus) dem Kreuzestod zur „Erlösung der Menschheit“ überlässt, lehnte Abelard ab.

3.
Mit dem französischen Philosophen Petrus Abelard (geboren im Jahr 1079 in Le Pallet, in der Nähe von Nantes, gestorben am 21. April 1142 bei Chalon-sur-Saone) machte die „Weltgeschichte einen Ruck!“ Er war “einer erfolgreichsten Neuerer in der Geschichte der Philosophie“ und auch der Theologie: Diese Bewertung ist für einen der großen Kenner mittelalterlicher Philosophien, Prof. Kurt Flasch, nicht zu hoch gegriffen. So schreibt er in seinem Buch „Kampfplätze der Philosophie“ (Frankfurt M., 2008, S. 139 bzw. 131): „Durch Zweifeln kam Abälard zum Forschen, durch Forschen zur Wahrheit“, (S. 129), „er dachte die Wahrheit als etwas, das noch zu finden ist“ (ebd.). Probleme mit der Kirche, die auch damals glaubte“, „die Wahrheit zu besitzen“, waren für ihn damit „vorgrammiert.”

4.
Literarisch Interessierte kennen Abelard von den Korrespondenzen mit Héloise, seiner Gebliebten. Heute haben Forscher ihre Zweifel, dass Abelard Autor dieser Liebesbriefe ist. Es empfiehlt sich, schreibt Kurt Flasch, vorerst „Abelards philosophisches Werk ohne Zuhilfenahme des Briefwechsels mit Héloise zu interpretieren“. So schreibt Flasch in seiner umfangreicher Studie „Das philosophische Denken im Mittelalter“ (Reclam, 4. Auflage, 2020, S. 241). Über die tragische Liebesbeziehung Abelard – Héloise gibt es bekanntlich viele literarische, durch Phantasie angereicherte Zeugnisse, auch von Rousseau.
Tatsache ist, ohne hier eine umfangreiche Biographie zu präsentieren: Der Onkel der Héloise, der angesehene Priester Fulbert, duldete die Liebesbeziehung nicht: Héloise zog sich dann in ein Kloster zurück. Nach allerhand Querelen ließ Fulbert den Abelard überfallen und entmannen: Und der Ärmste zog sich dann als Mönch ins Kloster St. Denis zurück, das er bald aber wieder verließ: Er hatte ein sehr bewegtes, unruhiges Leben zwischen der Universität Paris und Klöstern als den Zufluchtsorten vor seinen vielen theologisch – konservativen Gegnern, wenn nicht Feinden. Dennoch ist die Fülle seiner Werke voller neuer Ideen erstaunlich. Da spricht ein Denker, der mit der philosophischen Vernunft auch die theologischen Lehren untersucht, interpretiert und neu formuliert. Die Übergänge zwischen Philosophien und Theologien waren im Mittelalter eher selbstverständlich.
Das – lateinisch verfasste – umfangreiche Werk des Philosophen und Theologe Abelard ist erhalten.
Er war ein radikaler Erneuerer…, deswegen wurde er von einflußreichen konservativen Autoritäten kritisiert und verleumdet, wie Bernhard von Clairvaux oder Wilhelm von Thierry. In einem „Konzil“ von Sens (in Burgund) wurde ihm im Jahr 1140 noch der Prozess gemacht, er galt dann als Häretiker, meinte der Papst. Abelard wollte in Rom widersprechen, starb aber auf der Reise dort hin.

5.
Dabei waren viele Lehren Abaelards, die im Konzil von Sens (1140) verurteilt wurden,  in heutiger kritischer theologischer Sicht durchaus treffend und inspirierend.

– „Der Heilige Geist ist die Seele der Welt.“ Das heißt: Dies ist eine  „Definition“ des “heiligen Geistes” in der Welt  durchaus modern und hilfreich.

– „Der freie Wille aus eigener Kraft reicht aus, um etwas Gutes zu bewirken.“ Das heißt: Die Aussage bezieht sich auf die „Schöpfung“ des Menschen durch Gott. Und Gott hat dem Menschen einen freien Willen gegeben und die Vernunft, deswegen kann der Mensch sich frei entschieden, Gutes zu tun und gut zu sein.

– „Christus hatte nicht den Geist der Gottesfurcht.“ Das heißt: Christus war als „Menschensohn“ auch Gott gegenüber frei und erkannte: Gott ist Liebe, er ist kein Tyrann, der willkürlich immer noch ins Weltgeschehen eingreift …

„Die Macht der Priester, zu binden und zu lösen, wurde nur den Aposteln gegeben und nicht ihren Nachfolgern.“ Das heißt: Der Klerus, Papst, Bischöfe usw. maßen sich an, so Abelard, von Gott dazu bestimmt zu sein, über das Wohl und Wehe und Heil der Menschen zu entscheiden.

– „Äußere Handlungen machen den Menschen weder besser noch schlechter“. Das heißt: Abelard legt allen Nachdruck darauf: Der ethische Wert einer Handlung eines Menschen wird nicht im äußeren Tun sichtbar. Der ethische Wert des Menschen ist die innere, seelische Qualität, das Reflexionsvermögen, der gute Wille. (Quelle: https://www.pierre-abelard.com/)

6.
Ein modern Philosoph und modern zu nennender  Theologe war Abelard aber sicher noch nicht, selbst wenn er den Wert der Erkenntnis des einzelnen Menschen auch in der Ethik anerkannte. „Abelard löste den Schein auf, als sei ethisches Handeln nur Konformität mit objektiven Regeln… Er hob hervor, dass die innere Zustimmung allemal in unserer Macht steht“, schreibt Kurt Flasch in „Das Philosophische Denken im Mittelalter“ , S. 251.

7.
In seiner Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie lehrte er, für mittelalterliche Verhältnisse eher unüblich, dass Gott einzig Liebe sei: „Der Gott Abelards sah sein eigenes Interesse darin, von dem Menschen frei geliebt und von ihnen als seinen Freunden, nicht seinen Knechten, verstanden zu werden“ (S. 252). Aber, hier wie in anderen theologischen Themen, hat sich Abelard nicht durchgesetzt, betont Kurt Flasch. „Weder Thomas von Aquino noch Luther folgten ihm…Sie kontaminierten seine Ideen mit den Vorstellungen, die er hatte überwinden wollen.“ ((S 253).

8.
Trotz dieser Probleme und der eher geringen Rezeption seiner Vorschläge: Abälard hat im Mittelalter als ein verfolgter Außenseiter, hoch gebildet und unter Studenten sehr geschätzt, „eine neue Variante des christlichen Denkens geschaffen“, sagt Kurt Flasch. Abelard setzte sich für den Dialog mit Juden und Arabern ein. „Es war Abelards Überzeugung, dass die göttliche Weisheit, die zweite Person der Trinität, auch die nichtchristlichen Denker inspiriert habe. Auf dieser Grundlage begann Abelard die Tradition friedvoller (irenischer) Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie …so gelang es bald, ein neues Konzept für das Verhältnis zu Islam und Judentum zu entwickeln“, schreibt Flasch (S. 253) , ein Konzept, das man als „natürliche“, mit dem Menschen als Menschen schon mitgegebene Religion bezeichnen könnte.
Und Kurt Flasch kann zurecht nicht darauf verzichten zu betonen, wie sehr Luther in seiner Theologie (auch des Antisemitismus) „weit unter dem Niveau Abaelards, Bulls und Nikolaus von Kues stand. Luther verlöre sofort, wenn man ihn mit mittelalterlichen Autoren auch nur mittleren Ranges vergliche (S. 681 in Reclam Buch)

9.
Über die Wirkungsgeschichte dieses ungewöhnlichen mittelalterlichen Denkers wäre zu sprechen: Manche Verbindungen zum Denken Hegels könnten sich andeuten: Für Hegel war seine eigene Philosophie mit der Theologie eng verflochten: Seine Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie habe als Philosophie die gleichen Inhalte wie die Theologie, betonte er, nur: Seine Philosophie sage eben den Glauben in Begriffen aus, sie hebe dadurch den anschaulichen Glauben ins begriffliche Denken auf…In seiner „Geschichte der Philosophie“ geht Hegel nur kurz auf Abelard ein. Mittelalterliche Philosophien waren nicht der Schwerpunkt Hegels.

10.
Papst Benedikt XVI. erwähnte in seiner „Generalaudienz“ vom 4. November 2009 Abelard im Zusammenhang bzw. im Vergleich mit dem viel konservativeren Mönch Bernhard von Clairvaux. Über Abelard sagte Benedikt XVI.: „Er bestand darauf, die Absicht des Subjekts als einzige Quelle für die Beschreibung der Freundlichkeit oder Bosheit moralischer Handlungen zu betrachten und so die objektive moralische Bedeutung und den Wert von Handlungen zu vernachlässigen: gefährlichen Subjektivismus. Dies – wie wir wissen – ist ein sehr aktueller Aspekt für unsere Zeit, in der Kultur oft von einem wachsenden Trend zum ethischen Relativismus geprägt zu sein scheint: Nur das Selbst entscheidet, was im Moment gut für mich wäre.“ (Quelle: https://www.vatican.va/content/benedict-xvi/de/audiences/2009/documents/hf_ben-xvi_aud_20091104.html)

11.
Es tut gut, an so genannten „eckigen Gedenktagen“ innezuhalten und sich auch bislang eher unbekannten Philosophen und Theologen zuzuwenden. Dabei wird deutlich, wie sehr unsere „übliche Bildung“ allzu sehr fixiert ist auf groß gemachte Größen, also auf Sieger und deren „runde Gedenktage“, diese groß gemachten, dogmatisch oder politisch korrekten Größen sind solche, die sich durchgesetzt haben, weil die Herrschaft, auch die Kirchenherrschaft, mit diesen bequem für die eigenen Ziele der Herrschaft umgehen konnte. Mit Abelards Erfolg hätte die Macht des Klerus auf Dauer keinen Bestand gehabt, die freie, auch theologische Forschung und Wissenschaft hätte sich früher durchgesetzt, die dumme, von Zweifeln völlig unberührte Machtgier der Päpste, etwa eines Bonifaz VIII., hätte keine Chancen gehabt. Mit einer gewissen geschichtsphilosophischen Melancholie endet also dieser „eckige Gedenktag“ an Petrus Abelard.

12.
Und heute? In Abelards Geburtsort Le Pallet bei Nantes wurde 1978 ein „Kulturverein Abélard“ gegründet, der auf seiner website zahlreiche Essays und Hinweise zu dem bedeutenden, aber in Frankreich sehr viel mehr als in Deutschland bekannten Philosophen und Theologen bietet. Allein der unterschiedloiche Umfang der wikipedia Beiträge zu Abelard auf Französisch und auf Deutsch ist erstaunlich. In Frankreich sind Straßen und Schulen nach Abelard benannt. Der “Kulturverein” in Le Pallet empfiehlt u.a. auf seiner website auch einen  Spaziergang durch Paris auf den Spuren Abelards…

Fußnote 1:
Zit. In „Histoire de la France religieuse“, Tome 1, dirigé par Jacques le Goff. Edition du Seuil, Paris, 1988, s. 342-343. Den Beitrag verfasst André Vauchez.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

 

 

Die PapstWAHL: Es gibt doch ein wenig Demokratie in der katholischen Kirche

Hinweise zu einer bevorstehenden Papstwahl
Von Christian Modehn am 23.3.2025

Das Motto: “Wenn schon bei der Papstwahl (WAHL!) minimale demokratische Grundsätze üblich sind, dann kann es ja eigentlich in der Kirche insgesamt nur besser werden…das heißt: Dann könnte doch “eigentlich” die ganze Kirche demokratisch organisiert werden, den universell geltenden Menschenrechten verpflichtet.” Absolute Utopien zu äußern, ist in der katholischen Kirche noch ein letzter Rest von positiver Verzweiflung…

1.
Bald wird wohl eine Papst-WAHL stattfinden. Und man glaubt es kaum: Es ist tatsächlich eine WAHL.
Also gibt es doch ein ganz klein wenig Demokratie in der katholischen Kirche?

2.
Dass die römisch -katholische Kirche keine Demokratie ist und wohl niemals eine Demokratie sein wird, haben Päpste immer gelehrt. Zuletzt noch Papst Franziskus, als er ins einem Buch „Leben“ (S. 64) erklärte:„Die Kirche ist, wie ich häufig genug sagte, kein Parlament“! Welche Regierungsformen haben kein Parlament? Alle autoritär regierten Regime…
Die Herren der Kirche sind also felsenfest überzeugt: Christus als Stifter der Kirche will als Regierungsform die absolutistische Monarchie des Papstes.

3.
Dazu gibt es zahllose hilflose, aber kritische Erläuterungen: In der katholischen Wochenzeitung “Kirche und Leben“ (Münster) schreibt der katholische Pfarrer Stefan Jürgens sehr richtig und treffend: „Die katholische Kirche ist eine absolutistische Monarchie. Sie wird regiert von Papst und Bischöfen, deren Autorität aufgrund der Weihe als unumstößlich gilt. Dadurch können sie so viel Schaden anrichten, wie sie wollen: Sie bleiben im Amt… Nichtgeweihte Katholiken bleiben abhängige Untertanen.“ Quelle: LINK

4.
Ein ganz klein wenig Demokratie gibt es aber doch noch in dieser Kirche: Wenn ein neuer Papst gewählt werden soll, also in der Konklave, gibt es wirklich etwas Demokratie, weil das elementare Wählen – Dürfen zur Demokratie gehört. Wenn heute, am 23. 3.2025, ein Papst gewählt werden müsste: Dann würden sich 138 Kardinäle „unter 80 Jahren“ an der Wahl beteiligen dürfen. Noch ältere Herrschaften scheiden als Kandidaten aus.

5.
Aber: Die Wahlmänner, die Kardinäle, sind nicht vom Kirchenvolk gewählt worden. Sie wurden in einsamen und durchaus willkürlichen Entscheidungen einzig des Papstes in dieses Wählerkollegium berufen. Einzig nicht demokratisch bestimmte alte Herren, meist auch gar nicht wirkliche Repräsentanten der Glaubenden in ihren Bistümern, wählen also… Dies ist nicht gerade ein starkes Symbol für Demokratie…

6.
Aber, wie gesagt, der Papst wird in der Sixtinische Kapelle des Vatikans von Kardinälen gewählt: Ein bißchen demokratisch mutet die – selbstverständlich vom Papst allein bestimmte – Regelung der Wahl an: Wenn sich nach 34 Wahlgängen (sic) die offenbar zerstrittenen Kardinäle auf keinen Papst – Kandidaten einigen konnten: Dann soll eine Stichwahl stattfinden zwischen den zwei an absolut vorderster Stelle Platzierten. Als zum Papst gewählt gilt, wer eine qualifizierte Mehrheit erreicht hat. Sollte es gar nicht erst bis zu den nun wirklich unwahrscheinlichen 34 erfolglosen Wahlen kommen, dann gilt: Gewählt ist der Kardinal zum Papst, der eine Zweidrittelmehrheit (!) auf sich vereinigen kann.

6.
Noch einmal: Der Papst wird also nicht von seinem Vorgänger ernannt; es sucht kein Gremium, wie bei der Nachfolge des Dalai Lama, Hände ringend in den Dörfern und Städten nach einem geeigneten (jungen?) Kandidaten. So viel Esoterik mag selbst der Vatikan nicht.

7.
Auch das ist doch demokratisch in dem Konklave: Es gibt ganz offen und offiziell zugegeben Parteibildungen unter den Kardinälen: Die einen sind theologisch konservativ bzw. reaktionär, die anderen nicht ganz so konservativ. Und die kämpfen gegeneinander, auch schon, solange ein Papst lebt.

8.
Es gibt sogar so etwas wie Wahlpropaganda: Vor den eigentlichen Wahl – Sitzungen werden von einigen Kardinälen kurze Statements gehalten, in denen die besonders auffälligen Papstkandidaten Vorstellungen ihres „Programms“ skizzieren. Kardinal Bergoglio soll einen ziemlich radikalen Kurz – Vortrag in diesem Vor – Konklare gehalten haben: „Die Kirche solle aus sich selbst herausgehen und sich öffnen“, war die Hauptaussage (Fußnote 1).

9.
Gar nicht demokratisch hingegen ist die absolute „höchste Geheimhaltungsstufe“ während des ganzen Konklave: Nur Kardinäle sind anwesend, der ganze Wahl- Saal ist abgeschotte, kein Journalist ist als Beobachter dabei. Demokratische Transparenz ist ausgeschlossen. „Die Fenster werden geschlossen, alle Funknetze abgeschaltet“, beschreibt Papst Franziskus die eigene Wahl zum Papst in seinem Buch „Hoffe“, Seite 241. LINK

10.
Die äußerst bescheidenen demokratischen Elemente der Papstwahl werden allerdings von einer theologischen Frage gestört: Denn nach katholisch – theologischer Überzeugung, ist es der heilige Geist, die dritte Person der göttlichen Trinität, die die Wahl des neuen Papstes letztlich leitet und bestimmt. Im üblichen Prozedere der Papstwahl handelt also indirekt Gott selbst durch die Kardinäle: Die aber dann üblicherweise mit Zweidrittelmehrheit einen der ihren zum Papst wählen. Also ein bißchen mag Gott wohl auch demokratische Mehrheitsentscheidungen! Diese göttliche Vorliebe für etwas Demokratie gilt allerdings nur bei der Papstwahl. Wenn Laien etwa in Mehrheitsentscheidungen einen Priester zum Bischof wählen wollen…. Nein, das geht ja nun gar nicht… Das will Gott nicht! Niemals! Sagen die auf Gottes Seite sich glaubenden Kleriker.

11.
Das Problem ist nur: Wie gottverlassen sind dann eigentlich die Kardinäle der Mindeheit, die diesen Kardinal gerade nicht zum Papst wählten? Und wenn wirklich einmal 34 Wahlgänge notwendig sind, um den Pontifex maximus zu wählen: Hat dann der heilige Geist förmlich gestreikt? War Gott zu schwach? Waren die Herren Kardinäle zeitweise gottverlassen?

12.
Der heilige Geist wird in der Bibel oft als ein Wehen oder ein Windhauch, sogar als Sturm zu Pfingsten, beschrieben. Auch dafür gibt es in dieser Kirche jetzt noch materiell – sichtbare, geradezu wunderbare Restbestände. Denn die Wahlergebnisse der in der Sixtinischen Kapelle wählenden Kardinäle werden mitgeteilt durch das Wehen von Rauch aus einem häßlichen Schornstein: Grauer Wind (also sozusagen ein bißchen grauer heiliger Geist) signalisiert die fehlgeschlagene Wahl. Erst der weiße leichte, reine, man möchte sagen göttliche Wind als Rauch sagt: „Wir haben einen Papst,“

13.
Alle, die sich in diese autoritäre, nicht – demokratische Kirche eingebunden fühlen oder bloß katholische Folklore lieben, jubeln bei diesem Spektakel. „Wir“ haben wieder einen ein bißchen demokratisch gewählten, aber dann letztlich und immer nicht – demokratisch agierenden Stellvertreter Christi auf Erden…

14.
Man stelle sich vor:
Die katholische Kirche als Organisation mit eins Komma vier MILLIARDEN Mitgliedern in allen Ländern dieser Erde würde sich offiziell als demokratisch strukturiert und regiert zeigen, inklusive der offiziellen Anerkennung und Realisierung der universell gelten allgemeinen Menschenrechte (Uno, 1948): Was wäre dies für ein Zeichen in dieser jetzt verrückt gewordenen en Welt, in der immer mehr Staaten und Menschen ins reaktionär Antidemokratische und Faschistische abrutschen?

15.
Weiß der Papst und seine klerikale Clique eigentlich, welches Unheil – auch als Trostlosigkeit – er anrichtet, wenn er die universell geltenden Menschenrechte, auch und vor allem für Frauen, in seiner eigenen Männer- Organisation, katholische Kirche genannt, ignoriert? Welch eine Schande für die heutige Menschheit.

Fußnote 1:
Das Buch von Papst Franziskus, „Leben“. 2024, Seite 213 f.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin