Der philosophische Glaube – Eine Alternative für heute!

Die Erkenntnis von Karl Jaspers – provozierend, aber aktuell!
Ein Hinweis von Christian Modehn am 11.2.2025.

1.
Im Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon Berlin haben wir schon oft darauf hingewiesen: Die Krisen der Kirchen (in Europa und der westlichen Welt) sind Krisen der Inhalte, die diese Kirchen immer noch verbreiten. Mit anderen Worten: Wir haben dafür plädiert, einen elementaren, einfachen, vernünftigen Glauben zu entdecken und zu pflegen, indem die vielen unverständlich und unglaubwürdig gewordenen Glaubensinhalte (Dogmen) beiseite gelassen werden. Das tun die Kirchen aber bisher nicht, sie verwenden alle Energie auf so genannte Reformen, die aber nicht mehr sind als bescheidene Struktur-Reformen. Oder glaubt jemand im Ernst, der alles beherrschende Klerus der katholischen Kirche würde jemals Frauen als Priesterinnen zulassen?

2.
In unserem Plädoyer für Diskussionen über die not-wendige Vernunftreligion haben wir an die Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie von Immanuel Kant ausführlich erinnert: Das heißt an seine Form einer elementaren christlichen (!) Religion, wie sie sich aus der Vernunft selbst gestalten und entwickeln lässt. LINK.

3.
In diesem Hinweis jetzt geht es um eine andersartige, aber zum Thema sehr gut passende Erkenntnisse des Philosophen Karl Jaspers. Für ihn stand die Frage nach der Bedeutung von Religion und speziell von Christentum immer im Zentrum seiner Interessen und vielfältigen Publikationen.

4.
Wir wollen erinnern an den „Philosophischen Glauben“ von Karl Jaspers. Vor allem in zwei Büchern hat er sich ausführlich zum Thema geäußert: „Der philosophische Glaube“ (1948) und „Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung“ (1962). Den philosophischen Glauben hat Jaspers durch philosophische Überlegungen freigelegt, das ist die eine Bedeutung des Titels. Aber dieser so entwickelte Glaube hat dann auch – zweitens – bestimmte philosophische Inhalte.

5.
Der philosophische Glaube wird durch philosophische Reflexionen auf die Existenz des Menschen entwickelt. Existenz heißt Sein – Können, Existenz also als Möglichkeit, auf verschiedene Weise meine Freiheit zu gestalten. Und Existenz ist als Bezeichnung für den Menschen immer auch geistiges Überschreiten bestimmter Grenzen. Dieses Grenzen-Überschreiten ist Transzendieren, das im Sinne von Jaspers dann auch als „Ziel“ des Transzendierens eine ungreifbare, undefinierbare Transzendenz („Gott“ möglicherweise genannt) berührt.

6.
Innerhalb der Reflexionen des Menschen auf das, was ihn eigentlich in seinem Dasein im Letzten gründet und begründet, kommt Jaspers zu der Erkenntnis: „Wo ich eigentlich ich selbst bin, bin ich gewiss, dass ich es nicht durch mich selbst bin.“ (Fußnote 1). Ich bin also notwendigerweise auf etwas Gründendes verwiesen. Das mich und das Dasein aller anderen (die Welt) Gründende kann ich nicht als wissenschaftliche, als exakte und beweisbare Erkenntnis vorweisen: Die Annäherung an dieses alles Gründende ist eher eine Form des Glaubens. Darum der Titel „philosophischer Glaube“. Und wenn er sich begrifflich äußert, dann in „Chiffren“, wie Jaspers sagt, in Worten, die nur Hinweise sind, die „vieldeutige Spiegelungen der Transzendenz sind“ (Hans Saner), sie entziffern die Existenz, sie werden der Transzendenz „nie habhaft“ (Hans Saner, Fußnote 3)

7.
Den Menschen zeichnet also die geistige Verbundenheit mit etwas letztlich „Gründendem“ aus, dieses ist aber in seiner universalen Qualität ganz anders als alle Objekte dieser Welt. Für Jaspers ist dieses Gründende die Transzendenz. Und wer diese Erkenntnis vollzieht, sein Leben frei gestaltet, entwickelt in sich selbst den „philosophischen Glauben“.
Und weil Menschen in allem Denken und aller Praxis – auch umthematisch – dieses alles Gründende sozusagen nicht los-werden, also immer von ihm in der geistigen Freiheit begleitet werden, kann Jaspers sagen: „Der philosophische Glaube ist der unerläßliche Ursprung allen echten Philosophierens“ (Fußnote 2). Hans Saner, der langjährige Assistent von Karl Jaspers schreibt: „Jaspers würde sagen: Ich habe mich für (philosophischen) Glauben entschieden, weil das philosophische Denken in einem objektiven Sinn letztlich auf Glauben zurückgeht.“ (Fußnote 4). In seiner großen Studie „Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung“ von 1962 schreibt Jaspers noch deutlicher: „Glaube ist die Kraft, in der ich mir gewiss bin aus einem Grunde, den ich wohl bewahren, aber nicht herstellen kann… Glaube ist der Grund vor aller Erkenntnis. Der Grund wird im Erkennen heller, aber nie bewiesen“ (a.a.o. s 49).

8.
Der philosophische Glaube ist als explizites „Bekenntnis“ Sache einer Minderheit von einzelnen, denn Philosophie ist für Jaspers immer auch Dialog, im letzten ist es aber auch dann der einzelne, der sich selbst in sein Denken vertieft. Dieser philosophische Glaube kennt keine Dogmen wie der kirchliche Glaube, dieser beruft sich auf Offenbarung, auf „heilige Bücher“, auf das Sprechen Gottes selbst und auf die Interpretation dieser Worte allein durch einen erwählten Klerus. Im philosophischen Glauben ist es immer der einzelne, der sich wertschätzen kann, seine eigenen existentiellen Erfahrungen mit der ungreifbaren, aber sozusagen nur „berührbaren“ Transzendenz zu machen. So sehr Jaspers die in Dogmen erstarrte Offenbarungsreligion in den Kirchen kritisiert: Für ihn ist der eigentliche philosophische Gegner der Nihilist, er kapselt sich in seiner Welt ein, ignoriert, dass der Mensch immer wesentlich Grenzen überschreitet, also transzendiert, in der Offenheit lebt.

9.
Von aktueller Bedeutung ist: Jaspers weist explizit jeden Anspruch der Religionen auf Ausschließlichkeit (etwa: „Wir haben die göttliche Wahrheit“) zurück. Diesen „Ausschliesslichkeitsanspruch“ kritisierte Jaspers schon 1948 nicht nur im Christentum, sondern auch „im jüdischen Gesetzesglauben und in der nationalen Religion, im Islam“ (Fußnote 5). Auf S. 89 f. bietet Jaspers eine ganze Liste, welche Dogmen und Lehren der monotheistischen Religionen aus der Sicht des philosophischen Glaubens „preiszugeben“ (so wörtlich) sind.
„Preiszugeben ist die nationale Religion, wie sie in den frühen Stadien der biblischen Religion als israelische Jahwereligion wirklich war…
Preiszugeben ist die Gesetzesreligion und die Priesterherrschaft, wie sie über das Alte Testament von christlichenKirchen fortgesetzt und beansprucht wird.“
Und jetzt, entscheidend, schreibt Jaspers: „Preiszugeben ist die Christusreligion, die in Jesus Gott sieht und, auf einen Opfergedanken des Deuterojesaja angewandt, auf Jesus das Heilsgeschehen gründet…“ Jaspers legt allen Wert darauf: „Der Christusgeist ist die Gegenwärtigkeit des Göttlichen in jedem Menschen“ (Fußnote 6). LINK zum Konzil zu Nizäa.

10.
Welche wesentlichen Lehren des philosophischen Glaubens nennt Jaspers u.a. (Fußnote 7):
„Der Gedanke des einen Gottes.
Das Bewusstsein der Entscheidung zwischen Gut und Böse im endlichen Menschen.
Die Liebe als Grundwirklichkeit des Ewigen im Menschen.
Die Tat als Bewährung des Menschen.
…. die letzte und einzige Zuflucht bei Gott.“

11.
Jaspers weiß, dass der philosophische Glaube inhaltlich gesehen „blaß“ wirkt. Aber Jaspers will mit seinem Vorschlag auch den religiösen Glauben erneuern, er denkt dabei an die verborgenen Elemente des philosophischen Glaubens im religiösen Glauben. So kann es zu einer möglichen „Verwandlung der Religion in Philosophie oder philosophische Religion kommen. Das wird gewiss nicht der Weg der Menschheit sein, wenn auch vielleicht der Weg einer Minderheit“ (Fußnote 8). Vielleicht heute auch derer, die aus den Kirchen zu tausenden austreten, aber doch eine spirituelle Verbundenheit mit dem alles Gründenden z.B. suchen,

12.
Der Vorschlag von Jaspers, einen philosophischen Glauben in der Existenz selbst zu entdecken und zu fördern, ist auf vielfache Kritik auch von Theologen gestoßen. Philosophisch hat sich Jürgen Habermas davon abgesetzt und einige Argumente im ersten Band seiner großen Studie „Auch eine Geschichte der Philosophie“ ( Suhrkamp, 2019, S 100 ff.) mitgeteilt: Indem Jaspers von dem undefinierbaren gründenden Grund aller Existenz spricht, „lenkt er den philosophischen Glauben und damit die Philosophie überhaupt von den Wissenschaften weg an die Seite der religiösen Lehren und metaphysischen Weltbild (S. 101). Die Frage aber ist: Kann man wissenschaftlich exakt von dem Thema, dem gründenden Grund, sprechen? Oder bewegt sich dann nicht alles selbstkritische Denken in einer gewissen „Grauzone“ der Melange von Sagbarem und Unsagbarem, also von Spiritualität?

13.
Es gilt, die Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie Jaspers`(aber auch seine politische Kritik an Zuständen der BRD damals) wieder intensiver zu studieren, aber es sollte nicht bei einem bloß historischen Interesse bleiben: Die Entwicklung eines „philosophischen Glaubens“ oder einer heutigen Vernunftreligion bleibt dringend, wenn auch vonseiten der TheologInnen dazu kaum konstruktive Anregungen zu erwarten sind.

Fußnote 1:
„Jaspers“. Rowohlts Bild Monographien. Von Hans Saner. 1999, S. 102.

Fußnote 2:
Ebd.

Fußnote 3:
Ebd, S. 103.

Fußnote 4:
Hans Saner, S. 103.

Fußnote 5:
Karl Jaspers, „Der philosophische Glaube“, Fischer Bücherei ,1958, S. 83.

Fußnote 6:
ebd., S. 91.

Fußnote 7:
ebd. S. 92

Fußnote 8:
ebd. S 93.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

CDU/CSU sollten Christen nicht wählen!

Ein Hinweis auf eine Publikation von kath.de vom 11.2.2025
Von Christian Modehn

1.
Die CDU/CSU ist für Christen (die noch wissen, was dieser Titel eigentlich bedeutet) NICHT wählbar. Das “C” dieser beiden Parteien ist bloß noch Kulisse, Irreführung, raffiniert eingesetzter Schein, vielleicht ein Witz.

Zu dieser Erkenntnis kommt – zusammenfassend gesagt und interpretierend –  Christoph Paul Hartmann in seinem Beitrag für die website katholisch.de vom 11.2.2025, gelesen am 11.2.2025 um 14.00 Uhr. LINK.

katholisch.de ist das „Nachrichtenportal der katholischen Kirche in Deutschland“!

Der Beitrag ist sehr erhellend und unbedingt lesenswert, zumal für jene, die noch daran denken, am 23.2.2025 CDU/CSU zu wählen.

Der Beitrag von Christoph Paul Hartmann gehört zu einer Serie“Die Parteiprogramme zur Bundestagswahl“ .

Wir zitieren hier nur einige Erkenntnisse aus dieser Analyse des Parteiprogramms der Unionsparteien zu Bundestagswahl 2025.

„Mehr Markt, weniger Staat” (S. 20) und andere Floskeln bevölkern dieses Programm, in dem statt konkreter Zahlen oder Strategien markige Slogans im Mittelpunkt stehen.
„Den subsidiären Schutz (für Flüchtlinge) an sich (S. 41) wie den Familiennachzug für Menschen mit subsidiärem Schutzstatus abzuschaffen gehört ebenso zum Programm von CDU/CSU wie Asylverfahren außerhalb der EU.“
„Von muslimischen Einrichtungen erwartet die CDU/CSU dagegen eine Art Gesinnungsprüfung: Sie sollen sich zum Existenzrecht Israels und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen. (Warum sagt die CDU/CSU nicht: Nur wer sich zu den universell geltenden Menschenrechten, auch für Palästinenser, bekennt, steht auf dem Boden des Grundgesetzes? Eine ergänzende Frage von Christian Modehn)

Im Text von kath. de heißt es weiter:
„Klar wird: Der Stil der Union ist schärfer und populistischer geworden, auch auf Kosten von Minderheiten. Das zeigt sich auch beim Abschnitt über Bürgergeldempfänger (29), aus dem durchaus eine Art Generalverdacht herausgelesen werden kann. Oder ideologischen Passagen wie der Ablehnung der Gendersprache (wobei die Union nicht definiert, was diese von gendergerechter Sprache abgrenzt, die sie befürwortet).
Zur Klimapolitik schreibt kath.de in seiner Interpretation des CDU/CSU Programms: “Wir sehen in der individuellen Mobilität den Inbegriff von Freiheit und spielen deshalb unterschiedliche Verkehrsmittel nicht gegeneinander aus. Anti-Auto-Haltung, Fahrverbote für Innenstädte, das Umwidmen von Parkplätzen und ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen lehnen wir ab.” Man will aber auch weiter chemische Pestizide (S35) auf deutschen Äckern. Das Programm ist hier zwar konservativ, doch dezidiert christlich oder auf Linie der Kirchen ist es nicht.“

Zusammenfassend aus dem Kommentar von kath.de: Die Union nähert sich dem Populismus, was sich nicht zuletzt in nur sehr spärlichen konkreten Maßnahmen ablesen lässt. Christliche Werte als eigene Entität oder als Orientierung in der Sozialpolitik (um die Katholische Soziallehre geht es überhaupt nicht) bleiben außen vor. Als konservatives Merkmal sind die volkskirchlichen Reste noch Teil der Fassade, christliche Inhalte treten dagegen mehr und mehr zurück. Sie taugen nur noch zur Abgrenzung des “wir” von den “anderen”. Im Programm lässt sich nachlesen: Die Union wendet sich von der Merkel-Zeit ab und stellt ihren Kurs auf Populismus. Sie folgt damit anderen konservativen Parteien in Europa, die in der Annäherung an extreme Kräfte ihr Heil suchen. Nicht zuletzt die jüngst entschiedene Ablehnung des Unions-Kurses durch Bischöfe und kirchliche Verbände zeigt, dass sich christliche Überzeugung und die Parteien mit dem C voneinander wegbewegen.“

2.
In einem „Gemeinsamen Aufruf“ mit dem Titel “Einstehen für unsere Demokratie“ ,
unterschrieben von den Vorsitzenden der christlichen Kirchen in Deutschland zur Wahl des 21. Deutschen Bundestages am 23. Februar 2025,
ist mit keinem Wort die Rede von der lächerlichen und inzwischen völlig überflüssigen Verwendung des „C“ in der CDU und CSU.
Dieser offizielle Kirchen – Bischofs – Text enthält das übliche allgemeine BlaBla der ökumenischen „Eintracht“, der intellektuelle Gipfel der bischöflichen Erkenntnis ist: „Bitte wählen Sie Parteien, die sich für unsere Demokratie einsetzen!“
Vor der AFD wird explizit nicht gewarnt, es wird nicht gesagt: Diese Partei ist für Christen nicht wählbar. Es heißt nur in der üblichen Allgemeinheit: „Wir halten daran fest, dass Extremismus und vor allem völkischer Nationalismus mit dem Christentum nicht vereinbar sind.“

3.

Siehe auch unseren Beitrag vom 29.1.2025 zum selben Thema: LINK:

Copyright: Christian Modehn, religionsphilosophischer-salon.de

 

 

 

“Politiker und Bürger dürfen nie am Grundgesetz rütteln“ (Karl Jaspers).

Ein Hinweis auf die Aktualität des Philosophen Karl Jaspers
(Geboren am 23.Februar 1883; gestorben  am 26.2.1969)

Von Christian Modehn.

Ein Vorwort. Ich muss gestehen: Mich hat das – zufällige – Zusammentreffen der Bundestagswahl am 23. Februar 2025 und des Geburtstages von Karl Jaspers am gleichen Tag irgendwie motiviert, an einige grundlegende politische Einsichten Jaspers` zu erinnern. Das heutige Gerede bestimmter Politiker von Korrekturen und Veränderungen am Grundgesetz sowie die unsägliche Stärke der rechtsradikalen Partei AFD können durch Erinnerungen an philosophische Erkenntnisse nicht unmittelbar beendet werden. Aber Demokraten können sich in der Erinnerung an elementare philosophische Einsichten bestärkt sehen, die Demokratie gegen die Feinde der Demokratie und gegen die bürgerlich – konservativen Kollaborateure mit der AFD zu verteidigen. Weiter diskutuert werden sollte die Kritik von Jaspers an der “Parteienoligarchie”. (siehe dir Nr. 5 dieses Hinweises).

1.

Der Philosoph Karl Jaspers hat sich nie nur auf „typisch-philosophische, etwa metaphysische“ Fragen begrenzt. Die Analyse politischer Verhältnisse vor allem der Bundesrepublik war ein Schwerpunkt seiner Publikationen. (Siehe Fußnote 1, S. 879)
Jaspers hat sich vernünftig wie leidenschaftlich mit dem Grundgesetz des Bundesrepublik auseinandergesetzt, etwa anläßlich der Debatten um die Notstandsgesetze. Jaspers zeigt, dass das Grundgesetz „unter dem Druck der Erinnerung des NS-Unheils entstanden ist“ (Fußnote 2, dort S. 412, Jaspers äußerte sich zur Bundesrepublik vor allem im Umfeld der Debatten über die „Notstandsgesetze“.
Als „Grundantrieb“ sieht Jaspers bei den Verfassern des Grundgesetzes das Bemühen, „eine Wiederholung (des NS-Regimes) unmöglich zu machen.“ Aber: „Dahinter stehe auch „ein Misstrauen gegen das Volk (heute).“ Mit anderen Worten: Die Autoren des Grundgesetzes wollten vor allem durch staatliche Institutionen das Unheil des Faschismus verhindern, meint Jaspers, und nicht in gleicher Weise auch durch kritische Bildung und Neuorientierung der Bürger zur Überwindung der Nazi – Ideologie gelangen.

2.

Trotz dieser Vorbehalte schreibt Jaspers: „Es ist heute unser Glück, dass wir das Grundgesetz besitzen. Denn hier sind die unantastbaren Grundrechte klar formuliert…. Hier liegt der Fels, auf dem allein der freie Staat der Bundesrepublik steht, solange der Fels hält… Das Grundgesetz muss eingeprägt werden in die Herzen der Staatsbürger. Die Politiker dürfen es nie vergessen. Das Rütteln an den Grundrechten lässt uns in die Anarchie der Niedrigkeiten fallen, aus der Gewalt und Diktatur der Ausweg sind“ (S. 413).

3.

ABER :
„Das Grundgesetz ist im Volk fast nicht bekannt. Es fehlt das Bewusstsein, die Verletzung des Grundgesetzes sei das größte politische Verbrechen , weil es unser staatspolitisches Dasein in Frage stellt.“ (S 413).

4.

Jaspers kritisierte sehr viele Politiker der ersten Jahrzehnte der Bundesrepublik: Sie sprechen zwar „von der Verworfenheit des NS-Regimes“, aber „die Politiker aller Parteien sind vorwiegend daran interessiert, das unklare Bedürfnis des Volkes, politisch für die Vergangenheit NICHT haften zu wollen, nur `vornehm` … im Bundestag zu artikulieren… Der Funke radikaler Neubesinnung – angesichts des NS – Regimes – zündet nicht,“ schreibt der Politologe Kurt Sontheimer in seiner Jaspers – Studie „Menetekel über die Bundesrepublik“ (Siehe Fußnote 3).
Warum dieser Hinweis auf die bekannte Verquickung sehr vieler BRD Politiker mit dem NAZI-Ungeist und den Nazi – Organisationen? Sontheimer gibt als Interpret von Jaspers die Antwort: „Das Ganze der Demokratie ist (wegen der Bindungen so vieler an die Nazis) nicht in Ordnung, eben weil die neue demokratische Gesinnung, die alle Teile der Demokratie tragen und durchwirken müsse, nicht da sei. Demokratie gebe es bei uns in der BRD nur als eine äußerliche Demokratie der Institutionen, nicht auf der Grundlage einer demokratischen Gesinnung der Bürger“ (a.a.O. S 431). Sontheimer nennt (im Jahr 1975) die Analyse des Philosophen Jaspers „etwas erschreckend Bestimmtes“. Jeder und jede kann überprüfen, ob diese Analyse heute noch gültig ist und wenn ja, in welcher Form. Sontheimer jedenfalls meinte: Jaspers habe die unverkennbar autoritär-restaurativen Tendenzen in der Bundesrepublik in den Gründerjahren der Republik klar erkannt, siehe dazu a.a.O., S. 435.

5.

Aus einem Beitrag der Wochenzeitung FREITAG (26.4.2021) anläßlich einer Erinnerung an die Publikation „Wohin treibt die Bundesrepublik“ (1966) von Karl Jaspers:
“Zum Thema Gerechtigkeit schrieb Jaspers: „Gerechtigkeit gibt es sowenig wie je, außer in dem Grad der Nachgiebigkeit gegenüber Interessen, die von genügend starken Gruppen vertreten werden. Jeder Bundesrepublikaner, der das alles sieht, will, daß es besser werde.“
Jaspers äußert Kritik am Lobbyismus seiner Zeit, der Wirtschaftsinteressen gegen das Allgemeinwohl durchsetzte. Jaspers fordert, dass sich alle Akteure der Demokratie darauf zu konzentrieren hätten, Freiheit, Recht und Gerechtigkeit als Maßstab ihrer Handlungen zu nehmen. Dass die Regierungen diese Werte immer wieder ignorierten, bezeichnete er als „Treibenlassen“. Darum auch der Titel des viel gelesenen und diskutierten Buches von Jaspers „Wohin treibt die Bundesrepublik?“ (1966).
Demokratische Werte, die Politiker nicht ernsthaft vertreten, verkommen zu leeren Worthülsen. Jaspers sah schon damals, dass es Menschen, Firmen oder Politiker gab, die in der Struktur der demokratischen Ordnung und der in ihr angelegten Freiheit den Missbrauch zugunsten von Eigen-, Partei- und Wirtschaftsinteressen trieben.
Jaspers kritisierte damals die Herrschaft der  „Parteienoligarchie“..

Was “Parteienoligarchie” heute aktuell in der Bundesrepiblik bedeuten kann, nennt Silke Borgstedt (Geschäfstführerin des SINUS-Instituts für Markt -und Sozialforschung) am 10.2.2025: ” Der ewige Streit der Koalitionspartner ist der Mehrheit der Deutschen sehr auf die Nerven gegangen. Im Moment empfinden viele die  Politik als einen Marktplatz der Egoismen.” (Tagesspiegel, 10.2.2025, S. 12). Also als eine Form der Parteien-Oligarchie.

Und diese Erkenntnisse auszusprechen in der noch weithin spießigen und miefigen BRD damals, brachten Japsers unerhörte Kritik und Verleumdung ein, ergänzt Christian Modehn. Dabei war der Philosoph Karl Jaspers politisch (um nicht zu sagen politologisch) umfassend gebildet, siehe die Rowohlt Monographie über Karl Jaspers von Hans Saner (1999) S. 63.  Man bedenke, dass damals (1966 – 1969) das NSDAP Mitglied Kurt Georg Kiesinger (CDU) Kanzler der Bundesrepublik Deutschland war.

6.
Zusammenfassend: Die Überlegungen von Karl Jaspers machen darauf aufmerksam: Der alte Un – Geist der Nazis hat sich auf allerhand verschiedenen Wegen von rechtsradikalen und konservativen bzw. sich liberal nennenden Parteien bis heute in weiten, auch jüngeren Kreisen der Bevölkerung erhalten. Und das wurde bis vor wenigen Jahren von den meisten Politikern der demokratischen Parteien ignoriert. Sie sind also mit-schuld an der neuen Macht der (neuen) Rechtsradikalen auch in der AFD.

Fußnote 1:
„Der Philosoph ist nicht Prophet… Aber er vertritt das Menschsein in einer oft auch fehlgreifenden Weise. Er will erinnern, überliefern, beschwören, appellieren… Er ist nicht im Besitz der Wahrheit, aber er lebt im Ernst des Suchens in der Zeit“. „Philosophische Autobiographie“. In: Karl Jaspers, „Mitverantwortlich. Eine philosophisch-politisches Lesebuch“, Piper Verlag. Dort S. 87.

Fußnote 2:

“Aspekte der Bundesrepublik Deutschland“ in: Karl Jaspers, „Mitverantwortlich. Eine philosophisch-politisches Lesebuch“, Piper Verlag.

Fußnote 3:
„Menetekel über die Bundesrepublik“ von Kurt Sontheimer. IN: Karl Jaspers in der Diskussion, hg. von Hans Taner. Piper Verlag München 1973, das Zitat auf S. 431.

Ein kurzer Hinweis zur aktuellen Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie von Karl Jaspers: LINK.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

Papst Franziskus als Mann mit festen Prinzipien!?

Die Jesuitenzeitschrift “Stimmen der Zeit” entdeckt den “prinzipiellen” Hintergrund von Papst Franziskus bzw. Kardinal Bergoglio!

Ein Hinweis von Christian Modehn am 5.2.2025

1.
Papst Franziskus orientiert sich in seinen Entscheidungen – wie auch schon in Argentinien als Oberer der Jesuiten und dann als Erzbischof von Buenos Aires – an einigen abstrakten Prinzipien, sie nennt der Jesuit und Theologieprofessor em. Michael Sievernich „Binome“.

Papst Franziskus hat also seine Prinzipien: Das mag für viele etwas Neues sein, glaubte man doch bisher, der Papst würde eher pastoralen „Launen“ folgen: In der Jesuitenzeitschrift „Stimmen der Zeit”, Ausgabe Februar 2025, will Pater Sievernich unter dem Titel „Die vier Prinzipien des Papst (sic) Franziskus“ zeigen, wie diese Prinzipien einen Zugang bieten zum Verständnis des Denkens und Handels des Papstes (bzw. einstigen Erzbischofs). Der Beitrag wurde anläßlich der Veröffentlichung der so genannten Autobiografie des Papstes mit dem Titel „Hoffe“ publiziert.

2.
Diese wahrscheinlich philosophisch zu nennenden Prinzipen sind für Papst Franziskus universell gültig, betont P. Sievernich. Er nennt einige Beispiele: Die Zeit sei für Bergoglio/Franziskus wichtiger als der Raum. Beim Begriff Zeit denkt Franziskus wohl besonders an die offene, zu gestaltende Zukunft. Raum hat für ihn, so darf man interpretieren, offenbar etwas Stagnierendes. Aber: Raum ist doch immer doch auch Lebensraum, die Welt, die Natur, Heimat, das Volk usw…

3.
Philosophisch problematisch ist eine weitere Bevorzugung des Papstes hinsichtlich der Binome, seiner Prinzipien: Er behauptet: „Die Realität ist mehr wert als die Idee.“ Klingt zunächst symathisch, ist aber näher betrachtet problematisch: Denn Realität als solche, sozusagen absolut objektiv, gibt es nicht, Realität gibt es nur als das sprachlich von unterschiedlichen Menschen unterschiedlich Erkannte, und damit nähert sich eine solche Realität stark der vom Papst zurückgesetzten Idee an… Naheliegend muss man fragen: Wer könnte denn von sich behaupten, die Realität als solche objektiv zu kennen – die Antwort: doch wohl nur der Papst?

4.
Die Frage der höheren Erkenntnis durch die Kirchenführer und Päpste drängt auch sich auf, wenn man liest: „Die Einheit ist mehr wert (superior) als der Konflikt; das Ganze ist mehr wert als der Teil.“ Dieses Zitat von Jorge Bergoglio stammt aus seinem Buch „Meditationen für Ordensleute“, 1982 ein Argentinien (auf Spanisch) erschienen. Das ist wichtig: Die Ordensleute (und wohl alle Katholiken) sollen die Einheit (mit dem Oberen, dem Papst etc.) mehr schätzen als den Konflikt, also die Auseinandersetzung und das Beharren auf subjektiven eigenen Meinungen. Wer eine solche Einheit als höher geltend propagiert, will mit seiner Zurückstellung von Konflikten eben keine Debatten, keinen öffentlichen Streit. Es ist ja der Papst selbst, der für Einheit sorgt und dadurch Konflikte entschärft, übersieht, ignorierst, wie auch immer. Diese Interpretation der Vorliebe Bergoglios/Franziskus´) für die Einheit wird unterstützt durch seine Behauptung: „Das Ganze ist dem Teil übergeordnet“: Das heißt: Der einzelne (als ein Teil im Ganzen) möge sich bitte dem Ganzen fügen. Aber wer ist das Ganze, und wer bestimmt, was das Ganze will? Bei Hegel war es der Weltgeist. In der katholischen Kirche weiß es der unfehlbare Papst.

5.
Der Aufsatz von Prof. em. Michael Sievernich zeigt also einen nach Prinzipien denkenden und handelnden Papst. Aber konkrete Beispiele für die Anwendung dieser Prinzipien, werden nicht genannt. In welchem Licht erscheint dann etwa der Umgang Kardinal Bergoglio SJ mit den beiden rebellischen Jesuiten (Pater Franz Jalics und Pater Orlando Yorio) in der Zeit der Militärdiktatur Argentiniens: Sollten sie sich auch dem Ganzen fügen? Pater Franz Jalics (1927-2021) hat es ja später getan, so wurde im Vatikan behauptet. Überhaupt wundert sich der Leser sehr, dass die Zeit der argentinischen Militärdiktatur in dem Beitrag von Prof. em. Sievernich kaum erwähnt wird. Das wird eigentlich das dringende Thema der selbstverständlich kirchenunabhängigen historischen Bergoglio/Papst Franziskus – Forschung sein. Hoffentlich.

6.
Aber der Beitrag in „Stimmen der Zeit“ zeigt deutlich, aus welchen Quellen sich Bergoglio/Franziskus diese Prinzipien zusammenbaute: Etliche wichtige Namen von Theologen werden da genannt: Lucio Gera etwa, der argentinische Theologe, der die Volksreligion über alles schätzte, was bekanntlich Papst Franziskus als Liebhaber der ziemlich diffusen Volksreligiösität (Liebe zu Ablässen, Heiliges Jahr, Teufelsaustreibungen, Reliquien, Heiligenkulte – Pater Pios offener Sarg im Petersdom usw.) übernimmt. Inspirierend waren bzw. sind für Bergoglio/Franziskus Romano Guardini (1885-1968) und der Jesuit Erich Przywara (1889-1972) und Pater Henri de Lubac (1896-1991), auch der explizite Gegner der angeblich marxistischen Befreiungstheologie Gaston Fessard SJ (1897-1978) wird als „Lehrer“ Bergoglio erwähnt. Man kann nur staunen, dass als Lehrer oder wenigstens als „Inspiratoren“ von Bergoglio/Papst Franziskus nicht die Befreiungstheologen, der Peruaner Gustavo Gutierrez oder Brasilianer Leonardo Boff, erwähnt werden, eine Erwähnung von Hans Küng oder Karl Rahner SJ in der Liste der wichtigen Theologen Bergolios/Franziskus zu erwarten, wäre wohl zu anspruchsvoll. Im ganzen jedenfalls sind es nur Theologen aus der frühen Mitte des 20. Jahrhunderts, die für Bergoglio/Franziskus wichtig und prägend sind … im Blick auf sein Interesse an bestimmten Prinzipien.

7.
Interessanterweise weist Prof. Michael Sievernich, der ein guter Kenner der lateinamerikanischen Kirche und der dortigen Gesellschaft ist, darauf hin: „Das Binom von Wirklichkeit (realidad) und Idee dürfte übrigens für argentinische Ohren Reminiszenzen an den Peronismus auslösen.“ Und es ist sehr enttäuschend, dass Sievernich diese seine Erkenntnis überhaupt nicht weiter vertieft. Denn es ja allmählich bekannt, dass der junge Jorge Bergoglio mit der Jugendorganisation der Peronisten eng verbunden war.
Dies ist wichtig: der irische Journalist und Kulturwissenschaftler Colm Tóibín schreibt in der sehr empfehlenswerten großen Kultur – Zeitschrift „Lettre International“, Frühjahr 2021: „Bergoglio ist ein Peronist, und die Pointe des Peronismus ist es, dass er sich niemals definieren lässt. Die Montoneros, die in den siebziger Jahren Argentinien mit einer Terrorismuskampagne überzogen, waren Peronisten. Und die Eiserne Garde, die rechte Gruppe, mit der Bergoglio in Verbindung stand, bestand ebenfalls aus Peronisten. Präsident Carlos Menem war Peronist und die Präsidenten Kirchner waren es auch. Ein Peronist zu sein, heißt alles und nichts. Es heißt, dass man zeitweise mit genau den Dingen einverstanden sein kann, die man ansonsten ablehnt. Man kann sowohl Reformer sein wie gleichzeitig ein Konservativer“ (S. 74). …“Bergoglio konnte in einem Augenblick den Anarchisten spielen und im nächsten in seine autoritäre Rolle zurückfallen“ (S. 73).Wahrscheinlich sind dies die bisher eher übersehenen Einschätzungen, die zum Porträt Bergoglio/Papst Franziskus unbedingt dazugehören.  Ob der “Peronist” Bergoglio in diesem Sinne noch zum “Prinzipien-Papst Franziskus” passt, sei dahin gestellt. Siehe auch LINK.

8.
Diese historisch gut begründete Aussage Tóibins steht der These gegenüber, Bergoglio/Franziskus sei ein Mann der Prinzipien. So klar ist also diese Aussage von Prof. Sievernich dann doch nicht. Ist Franziskus dann doch der eher launische, irgendwie pastoral gesinnte Jesuit, der „allen alles werden“ will, aber de facto niemandem gerecht wird?

9.
Hier noch einmal die vier Prinzipien des Papstes Franziskus, wie sie Prof. Sievernich kommentiert:
Das erste Prinzip lautet: „Die Zeit ist mehr wert als der Raum.“
Das zweite Prinzip lautet: „Die Einheit wiegt mehr als der Konflikt.“
Das dritte Prinzip lautet: „Die Wirklichkeit ist wichtiger als die Idee“
Das vierte Prinzip lautet: „Das Ganze ist dem Teil übergeordnet“.

9.
Es müssen viele kritische Studien gesammelt werden, um die große – auch humane – Problematik dieser vier Herrschaftsprinzipien eines Papstes aufzuzeigen und Widerspruch zu leisten. Post mortem des Papstes wird diese eventuell marginal möglich sein, in kirchenunabhängigen Medien natürlich.
PS: Ich wundere mich nicht, dass ausgerechnet der sehr konservative italienische Politiker Rocco Buttiglione diese vier Prinzipien des Papstes lobt, so betont es jedenfalls Prof. em. Sievernich SJ. Er behauptet – sehr zu recht – dass dieser höchst umstrittene italienische Politiker „enge Verbindungen zum Vatikan hat“. Wikipedia jedenfalls schreibt u.a über Buttiglione: „2002 ermittelte die Staatsanwaltschaft von Monaco wegen des Verdachts der Geldwäsche zugunsten seiner Partei gegen Buttiglione. Es wurde jedoch kein Beweis dafür gefunden, dass er gegen monegassisches Recht verstoßen hat. Gianpiero Catone, ein leitender Mitarbeiter Buttigliones, wurde in Italien wegen betrügerischen Bankrotts angeklagt. Gegen diesen wird zudem wegen des Verschwindens mehrerer Millionen Euro aus italienischen und EU-Fonds ermittelt.“ (Siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Rocco_Buttiglione, gelesen am 5.2.2025)

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

 

Warum soll der Superreichtum der Milliardäre öffentlich obszön genannt werden?

Die 23. der „Unerhörten Fragen“

Von Christian Modehn am 29.1.2025

Auch diese „unerhörte Frage“ verlangt Erläuterungen.

Zuerst eine Definition:
Obszön, aus dem Lateinischen obscenus, bedeutet schmutzig, schamlos, unanständig, die guten Normen und Werte brechend und zerstörend.
Wer sich obszön verhält, weckt bei anderen Menschen Gefühle des Ekels.
Die obszönen Superreichen wecken jedoch eher den Neid bei den vielen Millionen „Nicht – Superreichen.“ Und dieser Neid führt zur Überschuldung der „Nicht – Superreichen“. Und Überschuldung sehr vieler führt zu politischen Krisen und zur Akzeptanz von rechtsextremen Populisten.

Auch diese unerhörte Frage ist also alles andere als eine bloße theoretische – philosophische „Spielerei“.

Die Erläuterungen:

1.
Die ständige Zunahme des Reichtums der Milliardäre und Multi – Millionäre weltweit wird seit vielen Monaten ebenfalls weltweit ständig wissenschaftlich dokumentiert. Um nur von Deutschland zu sprechen: Hier leben 249 Milliardäre, es sind die Top 10 der Reichsten, und diese Herrschaften kontrollieren 67 % der Vermögenswerte. Hingegen: Die untersten HÄLFTE der Bevölkerung in Deutschland kontrolliert NUR 1 % (in Worten EIN Prozent) der Vermögenswerte.. LINK

Und Carsten Schröder u.a.: MillionärInnen unter dem Mikroskop: Datenlücke bei sehr hohen Vermögen geschlossen – Konzentration höher als bisher angenommen. In: DIW Wochenbericht 29/2020, 511-521.

Weitere Fakten zur Zunahme der Superreichen: Siehe die wichtige OXFAM Studie. 2025: Fußnote 1:
Oder auch den Hinweis der Soziologin Eva Illouz, Fußnote 2:

2.
Diese ungerechte Situation kann und darf nicht nur distanziert und neutral statistisch betrachtet oder als eine Art normale Entwicklung im Kapitalismus beschrieben werden, zu der es – angeblich – keine Alternative gibt. Soviel „Positivismus“ oder „Neutralität“ oder „liberale Großzügigkeit“ ist dem Thema absolut unangemessen: Denn hinter der Statistik verbirgt sich zunehmende Armut weitester Kreise der Bevölkerung, sie können die Miete nicht mehr zahlen, sind vom sozialen Leben ausgeschlossen, weil das Geld für Bildung und Nahrung fehlt usw., die vielen hundert weiteren Beispiele zunehmenden Elends sind bekannt. Vom Hungersterben der Millionen Menschen in der so genannten „Dritten Welt“ ganz zu schweigen, diese erbärmlichsten Menschen in Sudan, Kongo, Haiti usw. sterben auch deswegen, weil die von der reichen Welt (auch den Milliardären) gemachten Wirtschaftsbeziehungen tödlich für sie sind.

3.
Der ganz überwiegende Teil der Menschheit muss sich als Opfer verstehen, und zwar als Opfer des Superreichtums der Superreichen. Es geht also um eine Analyse und Bewertung dieses Täter – Opfer – Verhältnisses, in diesen Begriffen wurde bisher der Superreichtum der Superreichen nicht besprochen. Aber es wird Zeit, dass allgemein erkannt wird: Welchen Schaden der Superreichtum der Superreichen für die Menschheit und – ökologisch – die Welt anrichtet.

4.
Die Superreichen erzeugen durch ihr Verhalten viele Opfer, also Menschen, die unter dem Superreichtum der Superreichen leiden und zu Tode kommen (Hungersterben). Es wird Zeit, dass sich die vielen Millionen Opfer des Superreichtums der Superreichen wehren. Aber diese Herrschaften lassen sich wohl durch Fakten zu ihren Untaten nicht erreichen, sie werden sich deswegen auch nicht schämen. Da werden nur politische Aktionen der Demokraten einen Ausweg bieten. Ob die moderat und so höflich und nett von den vielen Opfern und deren Interpreten geführten Debatten etwa um „Reichensteuer“ da weiter helfen, ist sehr die Frage.

Superreiche erzeugen viele tausend Opfer:
Beispiel: Superreiche verschmutzen die Umwelt wegen ihrer monströsen Autos, ihrer Privatjets, ihrer riesigen Yachten, ihrer vielen nur selten bewohnten Luxuswohnungen in vielen Metropolen oder Villen in bestimmten „äußerst hübschen Gegenden“, Cote d Azur, Mallorca etc…). „Wer viel Geld hat, kann bestehende soziale und ökologische Missstände stabilisieren oder gar vergrößern“ (Jörg Alt). Zu den Super – Luxus-Yachten der Superreichen siehe die Studie des Soziologen Prof. Gregory Selle: LINK. Nur ein weiteres Beispiel: „Große Vermögen im Globalen Norden beruhen oft auch auf sozialer und ökologischer Ausbeutung im Globalen Süden“ (Der Sozialwissenschaftler Jörg Alt, in „Stimmen der Zeit“, Februar 2025.).

5.
Die ständige Zunahme des Reichtums der Milliardäre und Multi-Millionäre ist also ein humanes Problem. Eine Herausforderung für eine halbwegs humane Zukunft. Und das heißt: Der horrende Reichtum der Milliardäre ist auch und vor allem eine Frage der Moral zu diskutieren, des humanen Verhaltens in einer – angeblich – human-sein-wollenden Welt. Diese moralische Betrachtung des Themas ist notwendig, sie erinnert an den nun einmal nur moralisch zu nennenden Skandal, dass einige wenige in absolutem Saus und Braus leben, d.h. in ihrer Langeweile ständig „feiern“ und ihr Geld förmlich verbrennen: Aber nur mit kleinen Spenden (nämlich mal eine Million dort hin, eine andere dahin, je nach Gönnerlaune) ihrer jeden Menschen universell treffenden Verantwortung gerecht werden, also zu teilen. Die Realität des Gemeinwohls, einer der wichtigsten Werte der Menschheit, ist fast verschwunden. Und das darf nicht so bleiben. Ein Beispiel für viele: Für welchen objektiven Unsinn/Blödsinn ein erzkatholischer Millionär in Polen jetzt spendet, siehe den Bau einer monströsen Marienstatue in Polen: LINK:

6.
„CDU/CSU und FDP hatten unter dem Druck der Lobbyisten kein Interesse daran, dem Auftrag des Bundesverfassungsgerichtes von 1995 nachzukommen, Reformen der Vermögenssteuer durchzuführen,“ schreibt der Jesuit und Sozialwissenschaftler Jörg Alt in der Monatszeitschrift „Stimmen der Zeit“, Heft 2, 2025.
CDU/CSU und FDP sind also von Lobbyisten der Ultrareichen abhängig und machen in deren Sinn Politik,

7.
Der CDU/CSU und vielleicht auch der FDP ist es irgendwie dann doch noch etwas peinlich, wenn ihre Abhängigkeit von Lobbygruppen der Reichen zunehmend bekannt wird und damit die demokratische Qualität dieser Parteien auch so „ein bißchen“ in Frage steht. Lobbyabhängigkeit kann man ja schon in Lateinamerika heute nicht mehr ertragen. Im Wahlkampf Februar 2025 wird vor allem von der CDU/CSU nur von „Flüchtlingen“ von den bedrohlichen Andere und einem möglichst totalem Grenzschutz gesprochen, und nicht von Gerechtigkeit, nicht von einer gewissen Beendigung des Superreichtums der Superreichen. Diese Politik ist die Politik der Abschottung, des Sich – Verbarrikadieren in einer Festung, diese Politik hat ihre Grundlage in der Abwehr nicht nur der Superreichen, mit anderen zu teilen und eine für alle (!) humane Welt zu gestalten, in der es dann gar keine Flüchtlinge geben bräuchte.

8.
Unsere unerhörte Frage nennt den Superreichtum der Milliardäre obszön. Damit kommt eine moralische Beurteilung in die Debatte, und das ist gut so: Denn alles humane Handeln der Menschen unterliegt nicht nur rechtlichen Normen, sondern auch moralischen, d.h. universell geltenden humanen Normen.

9.
Das Verhalten von Menschen obszön zu nennen, ist Ausdruck eines kritischen humanen – moralischen Bewusstseins. In dieser „unerhörten Frage“ wird jetzt die Qualifizierung von menschlichem Handeln als obszön aus dem bislang üblichen Rahmen des Sexuellen und Pornografischen herausgenommen: Damals galt als obszön: Heftige Sexszenen im Kino, zur öffentlichen Schau dargestellte Nacktheit oder gar öffentlich gezeigter Sex. Das alles galt bis vor einigen Jahren in Deutschland als obszön. Dann wurden viele toleranter.
Jetzt aber gilt also obszön das zur Schaustellen von absolutem Luxus (Yachten!) durch Milliardäre und Multimillionäre und überhaupt das ethische Verhalten der Superreichen. Wir genießen Champagne und Kaviar in Luxusrestaurants und … vor der Tür dieser Restaurants (er)frieren die Obdachlosen. Sie bekommen beim Weggehen der Pelzmantel-Träger 1 Euro Spende … Obszön wird also zu einem politischen Begriff.

10.
Der Begriff obszön beschreibt jetzt die Zusammenarbeit der Superreichen und der Milliardäre etwa mit dem Regime von Donald Trump: „Eine kleine Gruppe extrem reicher Menschen kooperiert (mit Trump), um die Demokratie und ihre zentralen Prinzipien von Gleichheit und Schutz von Grundrechten abzuwickeln“, schreibt Nicole Deitelhoff treffend im „Tagesspiegel“ vom 27.1.2025, Seite 9.

11.
Das Verhalten der Milliardäre und der sie unterstützenden „gut bürgerlichen- christlichen“ und liberalen Parteien obszön zu nennen, ist natürlich gewagt und gefährlich: Weil ein moralischer Begriff wie obszön die ansonsten streng neutral argumentierende Debatte über Reichtum und Armut („bloß nicht den Superreichen zu nahe treten, sie haben ja so viel Macht, können sich rächen“, was ja leider, siehe Trump Aktionen stimmt) verändert zugunsten einer von Gerechtigkeit bestimmten Gesellschaft und eines gerechten demokratischen Staates. Erinnert wird hier daran, dass Demokratie und Gerechtigkeit austauschbare Werte sind. Wer Demokratie will, der will Gerechtigkeit. Wer populistisch den „Führer“ will, wählt den Niedergang der Gerechtigkeit und der Demokratie.

12.
An der Bewertung des Superreichtums als obszön festzuhalten, bringt Klarheit in die Wahrnehmung unserer heutigen so genannten demokratischen Gesellschaft. Natürlich, das ist auch eine Tatsache: Überall gibt es unmoralische Menschen, in allen Klassen und in allen Organisationen gibt es Leute, die sich obszön (nicht im sexuellen, sondern im politischen Sinne) verhalten. Aber dieses obszöne Verhalten der „kleinen Leute“ erzeugt nicht so viel Opfer wie das obszöne Verhalten der Superreichen.

13.
Dies zu sagen, ist vielleicht ungewöhnlich und und gefährlich, aber es bringt mehr Licht in die beschriebenen Verhältnisse. Die Millionäre von „tax me now“ LINK  sind leider eine Ausnahme, aber sie zeigen, wie ein gerechter Staat, wie eine gerechte Gesellschaft aussehen könnte, wenn Milliardäre human werden.

14.

Der CDU Politiker und Kanzlerkandidat Februar 2025 Friedrich Merz gehört nicht in die Gruppe der Milliardäre. Aber gehört zum erlesenen Kreis der Multi – Millionäre in Deutschland.
Darüber berichtet die TAZ (Autor: Jost Maurin) am 1.2.205 auf Seite 16.
Merz nennt sich als Multimillionär – verlogen – „Teil der gehobenen Mittelschicht“, so die TAZ. Mit dieser irreführenden Bezeichnung will der CDU Chef Merz sich den schlichteren Mittelständlern, den CDU Wählern, anbiedern, will sich ärmer machen als er ist. Nur so kann er diese „Mittelstandspartei“ führen. Die TAZ fragt bei dem Betroffenen nach “Kann sich Merz (auch Söder CSU ist Millionär) die Sorgen der kleinen Leute vorstellen?” Die TAZ schreibt: „Diese Frage der TAZ ließen Merz und Söder bis Redaktionsschluss unbeantwortet.“

Zuvor hatten schon etliche andere Medien über den Multimillionär Friedrich Merz berichtet:
„Das geschätzte Vermögen von Friedrich Merz beträgt 12 Millionen Euro.“
Quelle: LINK https://www.vermoegenmagazin.de/friedrich-merz-vermoegen/. Gelesen am 1.2.2025

„Interessanterweise fühlt sich Merz trotz seines Einkommens nicht der Oberschicht zugehörig. Er hat sein Vermöge nicht nur durch seine politische Tätigkeit, sondern auch als Lobbyist und Berater für verschiedene Firmen erworben.
Laut des Vermögensmagazins beträgt Friedrich Merz` Vermögen um die 12 Millionen Euro.2
So auch FOCUS am 13.2.2024: LINK : Gelesen am 1.2.2025.
Es ist eine Frage an Psychologen, ob diese enorme Selbstsicherheit und Arroganz von Merz (und auch Söder) auch von ihrem „Multi – Millionärsdasein“ stammt? Bei Trump sind diese Zusammenhänge ja evident.

15.
Als nächstes dringendes Thema einer unerhörten Frage steht an: Ist große Privat – Eigentum immer heilig? Ist Eigentum etwa der neue Gott? Dazu haben wir schon eine historische Vor-Studie im Blick auf Proudhon veröffentlicht: „Eigentum ist Diebstahl.“ LINK:

FUßNOTE 1. 
OXFAM: Quelle: Januar 2025 veröffentlicht: https://www.oxfam.de/system/files/documents/oxfam-factsheet-davos-2025-milliardaersmacht-beschraenken-demokratie-schuetzen.pdf
Das lesenswerte Dokument selbst lesen, hier nur ein kurzer Auszug:

„Weltweit ist im Jahr 2024 das Gesamtvermögen der Milliardär*in-
nen um zwei Billionen US-Dollar gestiegen. Ihr Vermögen wuchs
damit 2024 dreimal schneller als 2023. Das Vermögen eines*einer
Milliardär*in vergrößerte sich im Durchschnitt um zwei Millionen
US-Dollar pro Tag. Bei den reichsten zehn Milliardären waren es
sogar 100 Millionen US-Dollar pro Tag. Selbst wenn diese zehn
Milliardäre über Nacht 99 Prozent ihres Vermögens verlieren wür-
den, blieben sie Milliardäre. Im Jahr 2024 kamen insgesamt 204
neue Milliardär*innen hinzu. Dies entspricht durchschnittlich fast
vier neuen Milliardär*innen pro Woche. Damit stieg die Zahl der
Milliardär*innen gemäß Forbes-Reichenliste auf 2.769. In Deutschland stieg 2024 das Gesamtvermögen der Milliardär*in-
nen um 26,8 Milliarden US-Dollar. Es kamen neun neue Milliar-
där*innen hinzu, insgesamt sind es laut Forbes-Reichenliste 130.
Deutschland hat damit nach den USA, China und Indien die meisten Milliardär*innen.
Während Superreiche immer reicher werden, ist die Zahl der Men-
schen, die unter der erweiterten Armutsgrenze der Weltbank von
6,85 US-Dollar leben, seit 1990 unverändert bei fast 3,6 Milliarden
geblieben. Das entspricht aktuell 44 Prozent der Menschheit.
Frauen sind besonders von Armut betroffen. Weltweit müssen
733 Millionen Menschen infolge von Armut hungern – etwa 152 Mil-
lionen mehr als 2019. Die Weltbank geht davon aus, dass es mehr
als ein Jahrhundert dauern wird, die Armut zu überwinden, wenn
die derzeitigen wirtschaftlichen Wachstumsraten anhalten und
die Ungleichheit nicht abnimmt. Laut ihren Berechnungen könnte
Armut dreimal schneller beseitigt werden, wenn die Ungleichheit
verringert würde.
Viele Länder stehen vor dem Bankrott, sind durch Schulden ge-
lähmt und haben nicht die finanziellen Mittel, um Armut und
Ungleichheit zu reduzieren. Länder mit niedrigem und mittlerem
Einkommen geben im Durchschnitt 48 Prozent ihres Haushalts für
die Rückzahlung von Schulden aus. Das ist weit mehr als sie für
Bildung und Gesundheit zusammen aufwenden…..

Fußnote 2:
Fakten zum Reichtum. Eva Illouz, im Buch „Explosive Moderne“, S. 125 f.: „Mitte des 20. Jahrhunderts verdienten die Geschäftsführer großer Firmen im Schnitt 20-mal so viel wie die unter ihnen beschäftigten Arbeiter. Bei heutigen – 2024- CEOs sind es 300-mal so viel“.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin. www.religionsphilosophischer-salon.de

Die Kirchen in Deutschland sind jetzt gegen die MERZ CDU/CSU!

Ein Hinweis zum historischen Bruch zwischen den Kirchen und den beiden sich christlich nennenden Parteien
Von Christian Modehn am 29.1.2024.

Ergänzung am 8.2.2025:

Der katholische Theologe Prof. Matthias Möhring-Hesse (Uni Tübingen) hat auf der website von kath.de  am 8.2.2025 einen Gastbeitrag verfasst, der sehr gut die Distanz eines katholischen Theologen  zur jetzigen CDU und zu den Taktiken des Herrn Merz darstellt. Wir hoffen sehr, dass viele noch CDU Wähler diesen Beitrag gründlich studieren und ihre Konsequenzen ziehen. Hier nur ein Auszug aus dem lesensweren Beitrag:

„In der vergangenen Woche brachte der SPD-Fraktionsvorsitzende, Rolf Mützenich, die Hölle ins Spiel...: In ihrem Bestreben, im Wahlkampf eine “Wende der Migrationspolitik” (Friedrich Merz) vorzuführen, haben die Unionsparteien – “sehenden Auges” (Angela Merkel) – eine parlamentarische Mehrheit mit der extrem-rechten AfD herbeigeführt und damit das “Tor zur Hölle” aufgestoßen. Ein gewaltiges Bild, zweifelsohne. Rhetorisch übertrieben, womöglich. In der Sache – zutreffend….Indem die Unionsparteien eine parlamentarische Mehrheit mit der extremen Rechte gebildet haben, haben sie – so Mützenich – das “Tor zur Hölle” geöffnet. Dieser Vertrauensbruch durch Merz ist von nachhaltiger Wirkung: Wenn die parlamentarische Mehrheit in der letzten Woche mit der extremen Rechten gesucht wurde, dann wird sie auch in näheren und weiteren Zukunft gesucht werden. Die erste Mehrheit mit der extremen Rechten hat etwas von der endgültigen Abwendung von der Demokratie – und genau dieses etwas kann mit der Metapher von der Hölle ins Bild gesetzt werden.

Es kommt darauf an, dass sich die Unionsparteien den Schaden, den sie verursacht haben, eingestehen und in das von Demokrat:innen bespielte Feld politischer Auseinandersetzungen zurückkehren. In beiden Hinsichten haben sich die Unionsparteien und allen voran ihr Kanzlerkandidat bislang verweigert – und haben stattdessen ihre eigene Abwendung umgedeutet und – schlimmer noch – auf ihre Kritiker:innen hin projiziert.“

Prof. Matthias Möhring – Hesse. Quelle: LINK

Ergänzung am 11.2.2025: Die CDU/CSU sollte von Christen nicht mehr gewählt werden. Das “C” dieser Parteien ist eine Lüge LINK:

1.

Die Kirchen und ihre verantwortlichen offiziellen LeiterInnen in Deutschland werden im Ton jetzt klarer und schärfer: In ökumenischer Eintracht weisen sie heute (29.1.2025) deutlich die Pläne der so genannten „christlichen“ Parteien und ihres Führers Merz zurück, die Asylgesetze nun radikal nach nationalistischem Gusto und gegen europäische Bestimmungen zu verändern. Diese Kritik der Kirchen ist ein Ereignis. Und es könnte heute der Tag sein, an dem die letzten Reste der Bindung von Christen, die sich nicht nur so nennen, an diese CDU/CSU aufgegeben werden. Es stehen vielleicht Namensänderungen dieser Parteien bevor? Das wäre wenigstens ehrlich. Siehe dazu auch den Kommentar von Pater Stefan Kiechle SJ, Redakteur der Monatszeitschrift „Stimmen der Zeit“.

2.

Zum ökumenischen Dokument der Kirchen: Verfasst von der Prälatin Anne Gidon als Bevollmächtige des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und Prälat Karl Jüsten für das Kommissariat der deutschen Bischöfe, es ist ein Brief an die Fraktionen des Bundestags.

Siehe den aktuellen Beitrag vom 30.1.2025, der auch deutlich macht, dass ein reaktionärer katholischer Bischof (Voderholzer, Regensburg) gegen dieses vernünftige Schreiben protestiert: : LINK:

Die ist der LINK  vom 29.1.2025: https://www.tagesspiegel.de/politik/befremden-uns-zutiefst-christliche-kirchen-geisseln-plane-von-cdu-und-csu-13105660.html

3.

Der Kommentar von Pater Stefan Kiechle SJ zu „Christen und CDU/CSU“:

https://www.katholisch.de/artikel/59155-fuer-christen-wird-es-immer-schwerer-die-cdu-von-merz-zu-waehlen

4.

Kanzler Scholz sagt am 29.1. 2025 zu CDU Friedrich Merz: “Die Kirchen haben vor Ihren Vorschlägen gewarnt”: LINK

5.

Bleibt nur unsere philosophisch begründete Hoffnung, dass dieser Brief der Kirchen weit verbreitet wird, dankend und denkend in den Gemeinden entgegengenommen wird…. und dass dieser Brief anstelle von Predigten am Sonntag (auch am 23.2.) verlesen wird ….

Copyright: Christian Modehn Religionsphilosophischer Salon Berlin
www.religionsphilosophischer-salon.de

 

Das Trump – Regime kritisieren: Die großartige Bischöfin Mariann Edgar Budde.

Ein Hinweis von Christian Modehn am 22.1.2025.

Ergänzung am 2.2.2025: Siehe auch den Hinweis zur Einschätzung von Trump durch die Theologin Hille Haker, USA.Hier Nr.9.

1.
Die Bischöfin hat Mut: Sie kritisiert beim traditionellen Gottesdienst einen Tag nach der Amtseinführung Präsident Trump und die Seinen und seine Clique. Und die sitzen in den Kirchenbänken, sie müssen zuhören, schließlich geben sie sich ja irgendwie als „Gott-gläubig“ aus, wie Trump oder als katholisch wie sein Vizepräsident Vance, sie können also die “National Cathedral” im Nordwesten von Washington D.C. nicht verlassen.

Diese Worte der Bischöfin Mariann Edgar Budde (65) von der Episcopal-Church werden – weltweit – im Gedächtnis bleiben, es sind mutige Worte, man könnte sagen von prophetisch – kritischem Geist bestimmt: So viel Mut hat nur eine Frau gegenüber dem selbsternannten All-Herrscher. Ein Auszug aus der Predigt der Bischöfin:

2.
„Lassen Sie mich eine letzte Bitte äußern. Millionen Menschen haben ihr Vertrauen in Sie gesetzt. Und wie Sie gestern der Nation erzählt haben, haben sie die schützende Hand eines liebenden Gottes gespürt. Im Namen unseres Gottes bitte ich Sie, Erbarmen mit den Menschen in unserem Land zu haben, die jetzt Angst haben.“ Und die Bischöfin erwähnt schwule, lesbische und transgender Familien, Trump hatte in seinem Wahn schon in seiner Antrittsrede erklärt, dass er per Dekret verfügt, dass es nur zwei Geschlechter gibt, Transgender Menschen haben keine Lebensrecht.
3.
Die Bischöfin denkt auch an die von Trump Wahn bedrohten Einwanderer, sie sagt: „Diese Menschen bestellen unsere Felder, sie reinigen unsere Bürogebäude, arbeiten in Geflügelfarmen und auf Schlachthöfen, waschen das Geschirr ab, nachdem wir in Restaurants gegessen haben, und diese Einwanderer übernehmen Nachtschichten in Krankenhäusern“. Sie seien vielleicht keine offiziellen Staatsbürger, „aber sie zahlen Steuern und sind gute Nachbarn“. Und sie seien gläubige Mitglieder „unserer Kirchen, Moscheen, Synagogen, Gurdwaras und Tempel.“

4.
Wie zu erwarten explodierte Trump nach dieser kritischen prophetischen Rede der Bischöfin: Er wetterte gegen die, wie er sagte, linksradikale Trump -Hasserin, nannte sie eine so genannte Bischöfin, der Gottesdienst sei insgesamt langweilig gewesen. Und natürlich auch dies: Trump fordert von der Bischöfin und der Kirche eine Entschuldigung. Republikaner – Politiker wollen die Bischöfin auf die „Abschiebeliste“ setzen…Interessant, dies nun noch mal offiziell zu hören: „Abschiebeliste“.

5.
Wie erbärmlich devot und ergeben dagegen war das Gebet, das der New Yorker Cardinal Timothy Dolan zur Amtseinführung sprach (Fußnote 1), wie albern auch die religiöse Show, an der sich auch ein Rabbiner und ein Evangelikaler mit frommen Worten beteiligten, Bilder der Trump Ergebenheit bestimmter Religionsführer, die Ergebenheit erinnert manche an die Verbundenheit der Russisch – Orthodoxen Kirche mit dem Diktator PUTIN.

6.
Es ist davon auszugehen, dass das Trump – Regime auch einen Kirchen – Kampf eröffnen könnte und dann genau unterscheidet: Zwischen Trump -gewogenen Frommen, vor allem den Evangelikalen, die werden gefördert. Und die anderen, die kritischen Theologen und Bischöfen aus den verbliebenen kritischen und weithin vernünftigen so genannten „Mainline – Churches“ (Episcopals, Presbyterians, einige Lutheraner und etliche Katholiken), sie werden wohl unter Trump ausgegrenzt und mundtot gemacht.

7.
Die Predigt von Bischöfin Mariann Edgar Budde ist nicht nur historisch, sie ist ein Hoffnungszeichen, dass sich Widerstand gegen Trump schon jetzt, sofort, äußert. Und auch dies: PolitikerInnen mit demokratischer Gesinnung in den wenigen verbliebenen demokratischen Staaten hätten wohl nie und nimmer den Mut, solche Worte an Mister Trump zu richten. Sie bleiben diplomatisch, wollen es sich nicht mit dem absoluten Machthaber verderben, sie haben Angst vor Trump. Er wird als absoluter Herrscher akzeptiert?

8.

Die in den USA lehrende deutsche Theologin Hille Haker sieht in der aktuellen Politik der Regierung von Donald Trump Parallelen zu den Anfängen der Nazi-Herrschaft im Deutschland der 1930er Jahre.

„Wir können uns plötzlich vorstellen, wie das nach dem Ermächtigungsgesetz 1933 gewesen ist”, sagte Haker am Wochenende dem Bayerischen Rundfunk. Die Demokratie werde auf dramatische Weise abgebaut.

Haker nannte ein Beispiel von ihrer Arbeitsstelle. Sie lehrt seit 2012 theologische Ethik an der Loyola University Chicago, einer Einrichtung des katholischen Jesuitenordens. Jüngst habe sie von der Uni eine Mail mit Verhaltenstipps für den Fall bekommen, dass Grenzpolizisten in die Vorlesungssäle kommen, um nach Menschen ohne Papieren zu suchen. Man solle sofort die an der Uni zentral zuständige Person kontaktieren, so Haker. Es gehe insbesondere um die Abschiebung von Menschen aus Lateinamerika, führte die Wissenschaftlerin aus. Ein Kollege mit kubanischen Wurzeln, aber US-Staatsbürgerschaft, trage aus Sorge vor Kontrollen nun ständig eine Kopie seines Passes im Portemonnaie. Es handle sich bei dem Mann immerhin um den US-Botschafter beim Vatikan unter Präsident Barack Obama. „Wenn selbst der Angst hat – und zwar nicht abstrakte Angst, sondern Angst, dass er aufgegriffen wird -, dann weiß man doch, was hier los ist”, sagte Haker. Ähnliches wie aktuell für Menschen mit lateinamerikanischem Hintergrund könne bald auch für religiöse Minderheiten wie Muslime gelten, ergänzte sie.

Die Theologin äußerte sich in diesem Zusammenhang pessimistisch in Sachen Rechtsschutz: „Die Hoffnung, dass die Gerichte da dazwischengrätschen, so wie das 2017, 2018, 2019 der Fall gewesen ist – das wird hier nicht mehr hinhauen, weil es dieser Administration eigentlich ziemlich wurscht ist, was die Gerichte sagen.”

Allerdings sei die Hälfte der US-Gesellschaft gegen den Präsidenten eingestellt, betonte Haker. Es gebe eine unglaubliche Willenskraft, sich Trumps Politik entgegenzustellen, und zahlreiche Hilfs- und Solidaritätsmaßnahmen etwa für Migranten.

https://www.vaticannews.va/de/kirche/news/2025-02/theologin-trump-politik-erinnert-an-ermachtigungsgesetz.html?utm_source=newsletter&utm_medium=email&utm_campaign=NewsletterVN-DE

…………

Fußnote 1:
Aus dem Gebet von Cardinal Dolan für Trump am 20.1.2025::
„We, blessed citizens of this one nation under God, humbled by our claim that “In God We Trust,” gather indeed this Inauguration Day to pray: for our president Donald J. Trump, his family, his advisers, his Cabinet, his aspirations, his vice president; for the Lord’s blessings upon Joseph Biden, for our men and women in uniform, for each other, whose hopes are stoked this new year, this Inauguration Day, we cannot err in relying upon that prayer from the Bible, upon which our president will soon place his hand in oath, as we make our own the supplications of King Solomon for wisdom as he began his governance…“

……….

Zur Predigt von Bischöfin Mariann Edgar Budde etwa den Bericht in der Tageszeitung Standard, Wien: https://www.derstandard.at/story/3000000254028/die-pastorin-die-trump-nicht-zum-ersten-mal-die-leviten-gelesen-hat

Und auch ein Video: https://de.video.search.yahoo.com/yhs/search?fr=yhs-tro-freshy&ei=UTF-8&hsimp=yhs-freshy&hspart=tro&p=Mariann+Edgar+Budde&type=Y219_F163_204671_042423#id=0&vid=7648f2b81cb1279903393fe80cc53d6b&action=click

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.