Ein Kommentar von Christian Modehn am 26.7.2025
Katholiken, fundamentalistische Protestanten und Muslime vereint: In der Abwesenheit auf dem CSD! Deutlicher kann die Ablehnung des Kampfes um Menschenrechte nicht sein. Eine Koalition der sehr Konservativen.
1.
Die 47. CSD-Veranstaltung, Parade, Demo, war sicher eine der bedeutendsten der letzten Jahre, nicht nur wegen der vielen tausend TeilnehmerInnen, vor allem wegen der klaren politischen Ansage. “Nie wieder still“, so das Motto, will die Queer – Community sein, wenn es um Menschenrechte, um Gleichberechtigung für queere Menschen geht. Und der laute scharfe Protest wird nötig sein, vereint mit allen demokratischen Kräften, die für umfassende Gleichberechtigung eintreten außerhalb des konservativen Mainstreams der CDU/CSU und der als rechtsextrem eingestuften AFD. Gewalt gegen queere Menschen ist leider auch in Berlin alltäglich geworden. Da braucht die ganze Gesellschaft Zusammenhalt. Aber man achte darauf, dass katholischen CDU /CSU Politiker jetzt sehr heftig alte, in ihrer Sicht „korrekte“ Positionen wieder durchsetzen. Ein sehr rechter Block formiert sich weiter…Siehe die Auseinandersetzungen um die Berufung der Juristin Frauke Brosius-Gersdorf ins Bundesverfassungsgericht.
2.
Was also ein historisches Datum ist: Zwei große Organisationen waren auf der 47. CSD Demo NICHT dabei, weder mit einem eigenen Wagen oder wenigstens mit einem öffentlich sichtbaren Fahrrad: Etwa mit dem Titel „Muslime für die Gleichberechtigung der muslimischen Queers in unseren Gemeinden“ oder „Die katholische Kirche in Berlin ist mit den Queers selbstverständlich solidarisch“.
Diese beiden großen religiösen Organisationen waren auf der CSD Demo nicht zu sehen: Die islamischen Gemeinden und die offizielle katholische Kirche in Berlin. Während sich spirituell interessierten Queers freuten, dass die Evangelische Kirche in Berlin offiziell mit einem eigenen Wagen vertreten war mit der Generalsuperintendentin Julia Helmke an Bord.
3.
Es ist mehr als blamabel für das Ansehen der katholischen Kirche, dass sie sich nun in bester Gesellschaft befindet mit den zweifelsfrei mindestens sehr konservativen, sicher queer – feindlichen Moschee- Gemeinden. Katholiken und Islam also vereint im öffentlichen Fernbleiben auf einer wichtigen Demo, die ja nicht nur die Menschenrechte der Queers, sondern aller Minderheiten einfordert, also für eine wahre Demokratie eintritt.
4.
So zeigt sich ein gespaltenes Bild der Christen: Die Evangelische Kirche Berlin ist auf dem CSD-Fest ganz groß dabei, die offizielle katholische Kirche hält sich fern. In ihrem immer noch gültigen Katechismus, sagt der Vatikan ganz offen, dass Homosexualiät als Verirrung gilt und Queers bitte keusch leben müssen. Was ja bekanntlich faktisch und nachweislich für viele zölibatäre Priester nicht gilt.
5.
Diejenigen, die als Katholiken noch ein Gespür für die dringende öffentliche Solidarität mit Queers bewahrt haben – wegen der rechtsradikalen Gewalt gegen Queers z.B. – schämen sich hoffentlich über ihre Kirchenleitung. Und protestieren, aber: wie so oft vergeblich……
Der Autor dieses Kommentars war dabei, als Erzbischof Heiner Koch gleich nach seiner Ernennung zum Erzbischof von Berlin im Jahr 2015 ein Schwules Aktionsbüro in der Bülowstr. in Schöneberg sehr interessiert mindestens zwei Stunden lang zum Gespräch besuchte. So viel Interesse, wenn nicht Mut hat der Erzbischof jetzt, 2025, nicht mehr. Hätte er doch wenigstens einige Berliner Priester und Ordensleute, auch Nonnen, zur Demo geschickt, „Gay priest of Berlin“: Das hätte man gern nun auch öffentlich gelesen und respektiert. Aber auf diese angstvolle Weise des Fernbleibens zeigt sich die katholische Kirche Berlins abermals auf ihrem Weg ins Getto. Eine für viele Millionen umgebaute St. Hedwigskathedrale mit der neu gebauten Residenz des Erzbischofs setzt da auch keinen anderen Akzent von Offenheit. Zumal in der Nachbarschaft zur teuer erbauten Kathedrale die große Anlage des Katharinenstiftes in der Greifswalder Str. verkauft wird. Auch die „Basis“ der kleinen Gemeinden interessiert nicht: Repräsentation (Kathedrale!) und politisches Agieren im Hintergrund zugunsten des allheiligsten Verbots der Freigabe von Schwangerschaftsabbruch sind wichtiger.
6.
Protestanten, wie der Autor dieser Zeilen, freuen sich jedenfalls über das Engagement der Evangelischen Kirche in Berlin. Und auch der Autor hofft nur, dass die evangelische Kirche nicht dringend von den Katholiken “gebeten” wird, in „ökumenischem Geist” demnächst nicht mehr auf einer CSD Parade dabei zu sein.
Der unterschiedliche Umgang mit der CSD Parade durch Protestanten und Katholiken zeigt einmal mehr, wie gering eigentlich die gemeinsame christliche Basis ist. Ökumene, so hat man den Eindruck, ist oft bloß ein Wort, für Katholiken…Zu fragen wäre auch: Wo sind denn beim CSD die Evangelikalen, die Pfingstgemeinden, die Baptisten, die Neuapostolischen, die “freien Gemeinden” innerhalb des Protestantismus? Stehen sie etwa den Katholiken in der Hinsicht näher als der Evangelischen Kirche in Berlin? Fundamentalisten verstehen einander oft sehr gut…
7.
Die offizielle katholische Kirche hat auch jetzt kein deutliches öffenlich sichtbares Interesse daran, sexuelle Minderheiten offiziell und deutlich zusammen mit progressiven Organisationen und Parteien zu schützen oder für eine Politik der Gleichberechtigung der Geschlechter einzutreten.
Die katholische Kirche ist hier wie fast überall längst wieder der alten Ideologie der “klassischen” Geschlechterrollen und vor allem Frauenrollen und der Ignoranz gegenüber den Menschenrechten von Queers verpflichtet. So entsteht seit einigen Monaten ein vielfach beobachter Kulturkampf mit führenden ultrareichen Katholiken in den USA, in Frankreich LINK, oder nun deutlich auch in Deutschland, siehe die führenden konservativen katholischen Kreise in der CDU/CSU, die sich um das C als gültoge politische Aufforderung zur Menschlichkeit im Sinne Jesu von Nazareth nicht ein bißchen kümmern, siehe die aktuelle Abschiebungspolitik, die Reduzierung der Sozialpolitik,die Reduzierung der Hilfe für hungernde Menschen im globalen Süden, das schon fast totale Vertrauen in immer mehr Waffen usw.
Diese Katholiken lieben insgeheim oder öffentlich einen Führer, schätzen mindestens das Führungsprinzip und die Hierarchie, und einen heiligen Vater als Führer, als Papst, haben sie ja schon. Das heißt: Die katholische Ideologie des allmächtigen, unfehlbaren Papstes ermuntert rechte Katholiken noch weiter nach rechtsaußen abzusacken.
Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin