Ein Hinweis zur aktuellen politisch – religiösen Entwicklung in Frankreich
Von Christian Modehn am 13.8.2025
1.
Zwei reaktionäre, rechtsradikale und libertäre Milliardäre versuchen mit ihrem sehr reichlichen Geld, mit ihren entsprechenden Netzwerken und Auftritten in den “Social-Media” das Leben der katholischen Kirche in Frankreich zu prägen und für die Zukunft zu bestimmen. Die ersten erfolgreichen Schritte dieser Herren werden wissenschaftlich dokumentiert. Wichtig ist: Diese Milliardäre unterstützen die immer stärker werdende rechtsextreme Partei „Rassemblement National“ (Le Pen). Und ihre geförderten kirchlichen Projekte sind mindestens „rechtsextrem affin“. Ein Ende dieser gefährlichen Entwicklung ist kaum absehbar: „Der Katholizismus in Frankreich ist dabei, sich neu neu zu ordnen rund um die großen Mäzene.“, schreibt die immer um Objektivität bemühte katholische Tageszeitung „La Croix“., Paris am 11. Juni 2025.
2.
Selbst die immer unbedeutender und kleiner werdende katholische Kirche in Frankreich braucht Geld. Sie überlebt seit 1905 („Trennung von Kirchen und Staat) ohnehin nur von Spenden der „Kirch-Gänger“ und paradoxerweise auch von der finanziellen Unterstützung des Staates: Die manchmal in Deutschland noch „laizistisch genannte“ Republik zahlt einen Großteil des Erhaltes derjenigen Kirchengebäude, die vor 1905 gebaut wurden. Und die „République laique“ (das bedeutet nicht: laizistisch!) unterstützt seit Jahrzehnten mit Milliarden die in katholischer Sicht immer noch so wichtigen katholischen Privatschulen. Offenbar erwarten der Staat und seine Politiker, dass dort die Kinder aus „gutem Hause“ eine entsprechende und durchaus privilegierte Ausbildung erhalten. Den Unterricht in der sehr turbulenten Banlieue mit den vielen Armen und Ausländern überlassen Kirche wie Staat gern den „öffentlichen Schulen“. (Fußnote 1)… aber dies ist ein anderes Thema.
3.
Wir legen hier Fakten vor, die in der demokratischen Presse Frankreichs seit einigen Monaten dokumentiert werden, vor allem beziehen wir uns auf einen wichtigen Aufsatz des Soziologen Pierre Louis Choquet in der Kulturzeitschrift Zeitschrift ESPRIT (Paris), man fragt sich, warum solche wichtigen erhellenden Aufsätze nicht auf Deutsch erscheinen. (Fußnote 2).
4.
Es geht hier um zwei reaktionär- katholische Milliardären mit starker Bindung an rechtsextreme Parteien und rechtsextremes Denken.
Über den in Frankreich so genannten „Medien – Zaren“ Vincent Bolloré haben wir auf dieser website schon ausführlicher berichtet. LINK.
Zur Erinnerung: Durch sein breites vielfältiges Medien – Imperium von Paris -Match, über den Radiosender Europe 1, die Sonntagszeitung Journal du Dimanche bis zu seinem Fernsehsender CNews verbreitet er auch seine eigene, sehr konservative Theologie. Wenig informierte Leser und Zuschauer werden verführt zu denken: Was Herr Bolloré da an Katholizismus präsentiert, sei DER katholische Glaube.
5.
In der französischen, noch demokratischen Presse wird seit einigen Monaten vermehrt auch auf den katholischen Unternehmer Pierre-Eduard Stérin hingewiesen. Er ist Milliardär, „Libertarien“, wie man in Frankreich „Libertäre“ nennt (der argentinische Staatspräsident Milei ist libertär, auch viele Herrschaften aus der Trump – Clique in den USA sind es). Dabei hat Stérin auch enge Verbindung zur rechtsextremen Partei „Rassemblement National“. Der Soziologe Pierre Louis Choquet schreibt in dem schon genannten Beitrag von „Esprit“: „Sterin will die extreme Rechte unterstützen in ihrem Kampf um die Macht etwa durch sein ideologisch – umfassendes Projekt `Péricles`. (Zu Péricles Fußnote3). Der Unternehmer verbirgt nicht seine Feinschaft gegenüber den Flüchtlingen, und er zögert nicht zu erklären: Flüchtlinge aufzunehmen nützt nichts“ (Übersetzung CM).
Was etlichen noch wachen und kritischen Katholiken Sorgen macht, ist die – natürlich bischöflich – gar nicht kontrollierbare – Auswahl der Wohltätigkeit Stérins für konservative katholische Institutionen: Wer spendet, kann spenden, wem und für was er will, das gilt noch überall. Es sind bei Stérin etwa Häuser für schwangere Frauen in Not (Titel „La Maison de Louise“), für den Erhalt von Heiligenfiguren in der Öffentlichkeit („Calvaires“) oder kleiner Dorfkirchen auf dem Lande.
Zu der großen Menge seines Geldes ist Stérin durch die Restaurant – Reservierungs – Website „La Fourchette“ gekommen oder durch seine „SmartBox“, eine Art Geschenk-Tasche. Er steht jetzt an der Spitze eines Investmentfonds, der ein Vermögen von einer Milliarde 300 Millionen verwaltet. Sein Vermögen hat er einem „Stiftung – Fonds des Gemeinwohls“ übertragen. 80 bis 120 Millionen Euro aus seinem Gewinn spendet er pro Jahr für Projekte – seiner politisch-katholischen Wahl – immer für „das Gemeinwohl“, wie er sagt. Stérin wird in diesem Herbst auch aus eigener Initiative eine katholische Privatschule nur für Jungen eröffnen, ganz seinem konservativen pädagogischen Konzept entsprechend.
Die viel beachtete, kirchenunabhängige französische Internetzeitschrift “Streetpress” hat am 6.3.2025 einen Beitrag veröffentlicht mit dem Titel “Wie der Milliardär der extremen Rechten Stérin die Websites katholisch – reaktionärer Influencer überschwemmt”, Autor ist Nicolas Sonnet. LINK Er weist auf das weite Netzwerk Sterins hin, erinnert an die von ihm organisierten “Nächte der Influencer” im offiziell katholischen “Collège des Bernardins” in Paris (eine Art “Katholische Akademie”). Schon mehrere solcher “Nächte” der wechselseitigen Unterstützung katholischer Rechtsextremer gab es schon, “um gemeinsam mehr zu erreichen in der Evangelisierung”, im Sinne der genannten Herren. Der Einfuß Stérins reicht bis in die Ordensgemeinschaften: Der junge Dominikaner Paul André d Hardemare ist ein äußerst erfolgreicher Prediger in den Sozialen Medien, er ließ sich einige Zeit lang von Stérin finanzieren, nimmt aber selbst an den Wallfahrten der reaktionären Katholiken nach Chartres teil. “Jedes Jaj´rvorganisiert Stérin auzch die “Nächte des Gemeinwohls”, dies sind Abende der “caritativen Versteigerungen” nach us-amerikanischer Art, dabei kommen viele führende Industrielle (“Patrons”) zusammen, ebenso die alte Aristokratie, Aktivisten katholoischer Hilsvereine sowie Politiker aus rechten und rechtsextremen Parteien. Mit dem Ziel: Vereine zu finanzieren, die sich in der Galaxie
des Konservativen bewegen.”
6.
Für die katholische Kirche in Frankreich ist die überdimensionale Spendelust der reaktionären Katholiken eigentlich ein großes Problem.
Denn die Kirche in Frankreich kämpft tatsächlich um ihr spirituelles wie damit zusammenhängend um ihr materielles Überleben. Sie hat seit Jahren einen miserablen Ruf aufgrund der zahllosen Fälle von schwerem sexuellen Missbrauch auch durch z.T. “ultra-prominente” Priester, wie den als “heiligmäßig“ verehrten Sozialapostel Abbé Pierre 1912-2007. Die Zahl der Gottesdienst-Teilnehmer geht (deswegen?) ständig zurück, der französische Klerus vergreist, die kleinen Gemeinden können nur durch die Anwesenheit afrikanischer oder asiatischer Priester noch halbwegs „versorgt“ werden. Angesichts dieses Niedergangs katholischen Lebens gehen auch die Spenden der „normalen“ Kirchgänger zurück. Deswegen sehen sich die Bischöfe gehalten, gute Kontakte mit den staatlichen Behörden auch in der Provinz zu pflegen, also auch mit Politikern aus der rechtsextremen Partei „Rassemblement National“. Sehr bald könnte diese Partei die Regierung in Paris stellen, das ist eine begründete Prognose von Politologen. Die katholischen Bischöfe waren so klug bzw. vorausschauend – raffiniert, bei den letzten Wahlen, die überwältigende Wahlerfolge der Rechtsextremen auch im katholischen Milieu brachten, den Mund zu halten und schon gar nicht allzu kritisch gegen Rechtsextrem zu werden… Einige der Rechtsextremen sind ja nach außen hin sehr fromm, sie machen zu Tausenden Wallfahrten nach Chartres, loben die alte lateinische Messe (nicht nur bei den Pius – Brüdern!) und als Politiker schätzen sie die Kirchengebäude als Orte des nationalen Gedenkens der nationalen Traditionen, oder sie fördern die katholischen Schulen, dort sollen schließlich christliche, aber vor allem gut – bürgerliche Werte der „anständigen Leute“ (so verstehen sich die Rechtsextremen) gelehrt werden. Und dann gibt es da noch entscheidend die reaktionären katholischen Milliardäre, die ihre Form des Katholizismus ungeniert nach außen in ihren Medien vorstellen und propagieren oder Projekte fördern, die ihrer eigenen begrenzten Theologie entsprechen. Diese Herrschaften darf die Kirchenführung nicht verärgern, sie bringen noch Geld, das heilige Geld zum Überleben der insgesamt so tief ramponierten Kirche.
Die Kirche Frankreichs als verschwindende Minderheit driftet also, „not – gedrungen“ möchte man sagen, immer weiter nach rechts: Die wenigen jungen Priester in Frankreich, die am liebsten in langen Talaren durch die Straßen laufen, stammen denn auch aus dem „gut-bürgerlichem konservativen Milieu“ der Stadt Versailles…Und einzelne Bischöfe, wie in Toulouse oder Angers, sind so unverschämt, wegen sexuellen Missbrauchs verurteilte Priester jetzt mit offiziellen Aufgaben im Bistum zu betrauen. Der moralische Niedergang auch des hohen Klerus erlebt einen neuen, ganz anderen Höhepunkt. Darüber berichtet etwa die ausgezeichnete online Zeitung GOLIAS: LINK.
7.
Der Soziologe Pierre Louis Choquet fasst in der schon erwähnten empfehlenswerten Zeitschrift ESPRIT (gegründet von dem Philosophen Emmanuel Mounier, LINK) die Situation zusammen: „Aufgrund ihres großen Finanz-Vermögens versuchen diese Milliardäre die Kirche neu zu positionieren auf einer antimodernen und Pro – Business Ebene.“ Und in seiner Fußnote 21 schreibt der Autor: „Es gibt in der Kirche Herrschende und Beherrschte“. Und er meint: „Die Milliardäre sind längst zu den herrschenden Laien geworden, es sind ja in der Kirchensprache „Laien“, die da die Kirche auf ihre Weise im Sinne des Rechtsextremen durch ihr Geld bestimmen wollen. Eine einst vielleicht noch in Kirchen-Kreise naive Freude über die „Aktivität von Laien“ muss also doch sehr differenziert werden.
8.
Der Soziologe Pierre Louis Choquet beendet seinen Essay über die katholischen rechtsextremen Milliardäre mit dem Aufruf an die christlichen Gemeinden, “den unheilvollen Einfluss der `frommen Milliardäre`
zu “kontern” (contrer auf Französisch). Deren identitäre Religiosität erscheint als ein Symptom des Aufruhrs unserer Epoche”. Heute investieren diese Milliardäre “nur” in ihre Medien oder in ihre sozialen Werke und beeinflussen die pastorale Arbeit der Kirche. Und in Zukunft? Darum fragt Pierre Louis Choquet in dem ESPRIT Aufsatz: “Was wird diese Leute dann hindern, wenn die Spenden für die Kirche durch die Gläubigen immer kleiner werden, so dass diese Milliardäre dann auch die Priesterseminare und die theologischen Lehrstühle an den katholischen privaten Universitäten finanzieren?” … Und in ihrem theologisch – reaktionären Sinne dort theologisch eingreifen! Wird das Geld und die rechtsextreme Ideologie dieser Herren dann die Kirche vergiften? Man hat den Eindruck, dass die Verantwortlichen in der Kirche (nicht nur Frankreichs) an diese Zukunft nicht zu denken wagen.
Fußnote 1:
80, 5 Millionen Euro gab die französische Republik für den Erhalt der Kirchengebäude kürzlich aus. Und 10 Milliarden Euro hingegen beträgt die staatliche Unterstützung für die Privatschulen, die allermeisten sind katholische. Quelle: Siehe Fußnote 2.
Fußnote 2:
Der Beitrag wurde in der Zeitschrift „Esprit“ im September 2024 veröffentlicht. Der Titel „L Eglise catholique face à la montée de l extreme droite“. Die Zahlen in Fußnote 1 stammen aus diesem Aufsatz, dort die Fußnoten 3 und 4.
Fußnote 3:
„Péricles“ ist ein Think – Tank aus einer Mischung von Libertärem, Liberalem und sehr konservativ – Katholischem. Inspiriert wurde Péricles von der reaktionären „Heritage Foundation“ in den USA, auch zu Victor Orban in Ungarn gibt es enge Verbindungen.
Der Name „Péricles ist ein Acronym für Patriotes / Enracinés / Résistants / Identitaires / Chrétiens / Libéraux / Européens / Souverainistes), also: Patrioten, Verwurzelte, Widerständler, Identitäre, Christen, Liberale, Europäer, Souveränisten. Das heißt: Dieser Think – Tank ist nationalistisch, gegen LGBT, euroskeptisch, gegen Einwanderung usw… Siehe dazu den ausführlichen französischen Wikipedia-Beitrag:LINK.
Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin