Unmoralische Rechtsextreme: Gegen die Verachtung der universell geltenden Moral

Das Buch „Das M Wort“ von Anne Rabe
Ein Hinweis von Christian Modehn am 20.8.2025

1.
„Moral hat nichts mit Realitätsferne oder Ideologie zu tun“, betont die Schriftstellerin und Essayisten Anne Rabe in ihrem neuen Buch „Das M Wort. Gegen die Verachtung der Moral“. Ein wichtiges Buch, das zur richtigen Zeit veröffentlicht wird, da sich in Deutschland rechtsextremes Denken und Handeln mit einer weithin offiziell als rechtsextrem bewerteten Partei immer schärfer und aggressiver durchsetzen. Und konservative Parteien, wie die CDU/CSU, nichts Dringenderes zu tun haben, als möglichst viel ideologisches Material dieser Rechtsextremen zu übernehmen. Anne Rabes Buch ist eine deutliche Analyse der Gefahren von rechtsaußen. Sie kann sich zur AFD und ihrer Verbündeten kompetent äußern: Denn nicht nur politische Analysen sind für sie wichtig, sie unterstützt den demokratischen Widerstand gegen Rechtsaußen in kleinen und großen Städten, vor allem in Sachsen, sie ist mit den wenigen mutigen Menschen dort so verbunden, dass deren Einsatz ein Hoffnungsschimmer in dunklen Zeiten ist. Wir wünschen dem Buch viele LeserInnen.

2.
In einem Interview mit dem „Tagesspiegel“ (9.August 2025, Seite 24) antwortet Anne Rabe sehr deutlich auf die Frage: „Ist es unmoralisch, AFD zu wählen?“: „Diese Partei stellt die Grundsätze unserer Gesellschaft infrage. Als demokratischer Mensch darüber hinwegzusehen, ist unmoralisch… Wenn jemand auf Dauer die Gleichwertigkeit aller Menschen infrage stellt (wie die AFD), dann bedroht solch ein Menschenbild am Ende auch meine Existenz. Wenn man zur AFD schweigt, rutschen uns im Hintergrund all unsere Grundsätze weg. Wir müssen offen sagen, wer unsere Werte angreift. Und etwas dagegen tun.“

3.
In ihrem neuen Buch „Das M Wort. Gegen die Verachtung der Moral“ entfaltet Anne Rabe diese Erkenntnis faktenreich ausführlich, durchaus „spannend“ zu lesen. Wenn Moral als zentrale Orientierung für humanes menschliches Leben ignoriert wird, setzen sich Nationalismus, ökonomischer Egoismus, Bereitschaft zum Krieg, Frauenverachtung, Queer – Feindlichkeit usw… durch, es herrscht dann das Gesetz des Stärkeren bzw. der stärksten Partei und ihres Führers. In einem solchen Chaos werden dann z. B. kritsch gewordene Parteigänger dieser Ideologie wehrlos zugrunde gehen. Sie haben ja keinen Anspruch auf unversell geltende Menschenrechte…
Leider begrenzt Anne Rabe ihre Reflexionen auf Deutschland. Der Niedergang eines eigentlich einmal durchaus demokratischen Staates wie der USA wird nicht thematisiert, dabei ist Trump jetzt wie ein Alleinherrscher ein deutlicher Beweis dafür, das ein eigentlich demokratischer Staat sich in eine Art Diktatur entwickelt! Und dies, weil der nun (fast) absolute Herrscher und seine Clique moralisches Bewusstsein ignorieren bzw., falls einst vorhanden, verloren haben.

4.
Die LeserInnen in Deutschland werden im Buch auch an „längst vergangene“ und vielleicht schon längst vergessene politische Ereignisse erinnert, etwa im Umgang mit den Fremden, den so genannten „Asylanten“, den Flüchtenden. Dabei ist es nur gut 30 Jahre her, dass die CDU/CSU „eine gravierende Beschränkung des Asylrechts“ (S. 170) durchsetzte: CDU Generalsekratär Volker Rühe hatte damals per Rundschreiben an alle Gliederungen seiner Partei zugunsten dieses Projekts aufgefordert, für die starke Einschränkung des Asylrechts mit allen Mitteln der Propaganda einzutreten „Die CSU übernahm sogar die Parole der rechtsextremen Republikaner und titelte „Das Boot ist voll“ (S. 171, mit Hinweis auf eine Studie zu diesem Thema). Besonders Unmoralisches wird von Anne Rabe benannt: „ Keine extremistische Bewegung hat in Deutschland so viele Todesopfer und Verletzte gefordert wie der Rechtsextremismus. Und für keine andere Bewegung wurde so oft die Schuld nicht bei den Tätern selbst, sondern vorrangig bei den Opfern gesucht“ (S. 172).

5.
Anne Rabe weiß, dass ihre Erkenntnisse zu den von Rechtsextremen schon dominierten Verhältnissen eher zu Resignation und Ohnmacht führen können, auch unter den noch demokratischen LeserInnen, denen die Menschenrechte der unbestreitbare Ausdruck humaner Moral ist.

6.
Deswegen zitiert die Autorin zum Schluß Erich Kästner: „Die Ereignisse von 1933 bis 1945 hätten spätestens 1928 bekämpft werden müssen. Später war es zu spät…Man muss den rollenden Schneeball zertreten. Die Lawine hält keiner mehr auf.“ (S. 200). Und in ihren Worten sagt Anne Rabe: „ Das, was die Rechtsextremen bekämpfen, muss uns das Heiligste sein – eine Gesellschaft , deren höchstes Ziel die Freiheit und Gleichheit aller ihrer Mitglieder ist. Die Herausforderungen unserer unserer Zeit, wie die globale Erwärmung, die Verknappung der Ressourcen, die Verteilung von Macht und Reichtum aber auch der Versuch vieler Menschen, Armut und Gewalt zu entkommen, kennen keine einfachen Lösungen… Aber die Gewissheit, dass alle Menschen gleich sind, muss der Anker sein für unser Denken und Handeln.“ (S. 201)

7.
Und dann der entscheidende Satz: „Die Moral ist keine Last, sie befreit uns von unseren niederen Instinkten. Sie gibt uns die Freiheit zu hoffen, weil wir wissen: Dass eine humane Welt, die wir denken können, auch eine Welt ist, die es wirklich geben kann.“

8.
Philosophisch könnte dieser Gedanke weiter vertieft werden: Denn Moral als zentrale, entscheidende Lebensorientierung der Menschen ist das zentrale Kriterium, unmenschliches Verhalten von menschlichem, also vernünftigem Leben zu unterscheiden. Menschliches Leben als moralisches Leben ist in der treffenden Sicht Anne Rabes der praktische Respekt vor der wesentlichen Gleichheit aller Menschen.

Legen wir also endlich das Missverständnis beiseite, Moral habe nur etwas mit „sexuellem Leben oder dergleichen“ zu tun, gelte aber nicht in der Politik, der Ökonomie, der staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung.

Humane und universell geltende Moral findet ihren besten Ausdruck in den Menschenrechten, formuliert von der UN 1948, sie formulieren zwar Rechte, haben aber als Basis eine universell geltende Idee, eine MORAL vom Menschen. Es war der Philosoph Immanuel Kant, der mit der Entdeckung des universell geltenden “Kategorischen Imperativs” ein Kriterium formuliert hat, mit dem Menschen ihre persönlichen und politischen und ökonomischen Maximen hinsichtlich ihrer ethischen Gültigkeit überprüfen können und sollen. Also überprüfen, ob sie mit diesen ihren Maximen moralisch, also menschlich handeln oder nicht.

Anne Rabe, Das M Wort. Gegen die Verachtung der Moral. Klett-Cotta Verlag, 2025, 218 Seiten, 20€.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

 

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