Karfreitag: Alles Ewige, alles Wahre ist vernichtet.

Hegels Interpretation des Karfreitag … weltlich, säkular verstanden.
Ein Hinweis von Christian Modehn am 14.4.2025.

1.
„Gott selbst ist tot“: Dieser provozierende Satz gehört tatsächlich zur klassischen christlichen Spiritualität. Er steht im Zentrum am Karfreitag, beim Gedenken an den Kreuzestod Jesu von Nazareth, der dann freilich in der üblichen, orthodox genannten Formel als „Gottes-Sohn“ gedeutet und verehrt wird.

2.
Wir wollen die spirituelle Erkenntnis Satz „Gott selbst ist tot“ weltlich, also auch politisch, neu verstehen. Damit wollen wir auch der Forderung des Theologen und Nazi – Widerstandskämpfers Dietrich Bonhoeffer entsprechen: „Wir müssen es riskieren, anfechtbare Dinge zu sagen, wenn dadurch nur lebenswichtige Fragen aufgerührt werden.“ (Brief aus dem Nazi – Gefängnis Tegel am 3.8.1944). Und am 16.7.1944 notierte er die inzwischen bekannte, aber bis jetzt nicht realisierte Forderung einer „nicht-religiösen Interpretation der biblischen Begriffe“…Zu Bonhoeffers Provokationen: LINK.

3.
„Gott selbst ist tot“- dieser Satz ist wohl für klassisch Fromme befremdlich: Denn Gott kann doch gar nicht sterben, behaupten sie. Und darum haben sie den Satz „Gott selbst ist tot“ auch relativiert: Es war ja „bloß“ Gottes Sohn, Jesus Christus, der am Kreuz gestorben ist. Der Kreuzestod Jesu ist eine geschichtliche Tatsache, im Unterschied zur Auferstehung Jesu von den Toten, diese ist kein historisch nachweisbares Faktum.

4.
Wie fanden Christen zu der Erkenntnis „Gott selbst ist tot“? In Zeiten schlimmsten Leidens, der Trostlosigkeit im Dreißigjährigen Krieg, hat der Jesuit Friedrich von Spee (1591-1635) ein Gedicht bzw. Kirchenlied verfasst , die ersten Worte heißen: „O Traurigkeit, o Herzeleid, ist das denn nicht zu klagen! Gottes des Vaters einzig Kind wird zu Grab getragen.“
 Weitergedacht hat der protestantische Pfarrer und Dichter Johann Rist (1607-1667), als er im Jahr 1641 in einer zweiten Strophe den Inhalt radikalisierte: „O große Not! Gottes Sohn liegt tot, am Kreuz ist er gestorben…“.. Das Lied ist Teil des evangelischen Gesangbuchs (von 1993).

5.
Bis heute aktuell interpretiert und gedeutet wurde diese theologische Überzeugung „Gottes Sohn ist tot“ von dem Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831). Und Hegel weist uns den Weg zu einer weltlichen, säkularen Interpretation des Karfreitag – Satzes „Gott selbst ist tot“.

6.
Hegel hat in seinen mehrfach gehaltenen „Vorlesungen zur Philosophie der Religion“ in Berlin (1818-1831) im Blick auf den Karfreitag gelehrt: „Gott ist gestorben. Gott ist tot.“ Und Hegel übersetzt dann den Begriff Gott in weltliche Wirklichkeiten: Hegel fährt fort: „Dieses ist der fürchterlichste Gedanke, dass alles Ewige, alles Wahre nicht ist; dass die Negation selbst in Gott ist; der höchste Schmerz, das Gefühl der vollkommenen Rettungslosigkeit, das Aufgeben alles Höheren ist damit verbunden“ (Suhrkamp, Theorie Werkausgabe, Band 17, S. 291).

7.
Hegel spricht also davon, dass der Tod Gottes (bzw. des Sohnes Gottes) ein Ereignis ist, das als „Aufgeben alles Höheren“ übersetzt wird. Und das heißt konkret: „Alles Ewige, alles Wahre“ ist nicht mehr, es existiert nicht mehr, ist verschwunden, Ewiges und Wahres haben keine Bedeutung. In dieser grundstürzenden Erfahrung des Zusammenbruchs entsteht der „fürchterliche Gedanke und das Gefühl der „vollkommenen Rettungslosigkeit“, wie Hegel sagt. Der Tod Gottes ist also, Hegel folgend, säkular und neu als der Zusammenbruch der humanen Welt zu verstehen.

8.
Karfreitag sollte also der Tag der Besinnung auf den Zusammenbruch der humanen Welt sein. Und dies ist die heutige Weltsituation, die nicht Resultat eines Naturereignisses ist: Es sind vielmehr Menschen, die diesen Zusammenbruch aus freier Entscheidung betreiben: Menschen, die die Klimakatastrophe erzeugen und nicht umfassend korrigieren und bremsen können oder wollen. Es sind Menschen, die Mord und Zerstörung zu ihrem politischen Geschäft machen. Es sind Menschen, die Diktatoren und Autokraten und andere Verbrecher an die Macht wählen, in den USA, in Russland, in Israel, in Ungarn, in Indien und so weiter. Es sind Menschen, die in noch funktionierenden Demokratien die Feinde der Demokratie wählen, etwa die Partei AFD, die Rechtsextremen in Frankreich und den Niederlanden. Es sind Menschen, die als Lobbyisten einflußreich genug sind, um eine Reichensteuer, Millionärs-und Milliardärs-Steuer, politisch zu verhindern. Sie wäre ein Ausdruck der gerechten, d.h. der sozialen Demokratie. Dies wird von sich noch dreist „christlich” nennenden Parteien auch in Deutschland verhindert.

9.
Der Philosoph Hegel hat den Zusammenbruch der humanen Welt, der im Ereignis des Todes Gottes am Karfreitag angezeigt wird, im Rahmen seiner Philosophie dann wieder „aufgehoben“, d.h. in eine positive Denkrichtung verwiesen durch den religionsphilosophischen Gedanken der Auferstehung. Aber Hegel kommt das Verdient zu, überhaupt den Tod Gottes in aller Tiefe gedacht zu haben.

10.
Wichtig ist für uns in dem Versucht einer „weltlichen Interpretation des Karfreitags“: In seiner „Phänomenologie des Geistes“ (1807) bietet Hegel schon eine säkulare, vernünftige und nicht-religiöse Antwort auf die Frage: Wie kann der Mensch dem Tod, in unserem Beispiel auch dem Tod Gottes, begegnen?
In der Vorrede zur „Phänomenologie des Geistes“ (Seite 36 in der Suhrkamp – Ausgabe, Band 3) bezieht sich Hegel auf die Kraft des menschlichen Geistes – auch dem Tod gegenüber. Hegel schreibt: „Nicht das Leben, das sich vor dem Tode scheut und von der Verwüstung rein bewahrt, sondern das den Tod erträgt und in ihm sich erhält, ist das Leben des Geistes. Der Geist gewinnt seine Wahrheit nur, indem er in der absoluten Zerrissenheit sich selbst findet. Diese Macht ist der Geist nicht, indem er von dem Negativen wegsieht … sondern der Geist ist diese Macht nur, indem er dem Negativen ins Angesicht schaut, bei dem Negativen verweilt. Dieses Verweilen ist die Zauberkraft, die das Negative in das Sein umkehrt.“

11.
Dem Negativen ins Angesichts schauen: Das kann angesichts des genannten „Zusammenbruchs der humanen Welt“ bedeuten: Nicht nur schauen, nicht nur das Elend betrachten, sondern aktiv eintreten für die Rettung der Theorie betreiben, nicht nur ins Ästhetische sich zurückziehen, es geht um aktives „Verweilen“ beim Negativen, dem drohenden Tod. Dieses aktive Verweilen hat dann, wie Hegel schreibt, die „Zauberkraft, das Negative ins lebendiges, konstruktives Sein“ zu verwandeln. Diese Kraft, dem Negativen standzuhalten, kann von Hegel wie eine als Metapher „Zauberkraft“ genannt werden: Aber bei diesem Begriff „Zauberkraft“ spielt nichts Esoterisches , Wunderbares eine Rolle, sondern es wird nur das Überraschende formuliert: Einzig die „verweilende“, kritische Analyse der Verhältnisse, kann das „Negative in das Sein“, also in Leben, verwandeln. So kann der „Zusammenbruch der humanen Welt“ vielleicht noch aufgehalten werden.

12.
Karfreitag – weltlich, säkular verstanden, sollte also auch ein Tag des Gedenkens werden an die Widerstandskraft des Geistes, an die kritische Kraft der Vernunft angesichts der genannten miserablen Verhältnisse. Wahrscheinlich wird sich diese Widerstandskraft auf Dauer nur mobilisieren lassen, wenn sie selbst sich gegründet weiß in einem absoluten alles gründenden Sinnhorizont. Ein Gedanke, der dem Religions-Philosophen Hegel wichtig war. Und uns im Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon Berlin noch immer ist.

13.
Unser Thema könnte natürlich weiter vertieft werden mit Hinweisen auf Nietzsche, etwa auf die Rede von „Gott ist tot“ in der „Fröhlichen Wissenschaft“ (Nr. 125). Siehe Fußnote 1.
Uns interessiert sehr die Erkenntnis Nietzsches, am Schluss dieses Absatzes Nr. 125 formuliert: „Was sind denn diese Kirchen noch, wenn sie nicht die Grüfte und Grabmäler Gottes sind?“ Diese Frage haben die Kirche bis jetzt unbeantwortet gelassen. In dieser These, „Kirchen als Grabmäler Gottes“, sollte an die Mitschuld der Kirchenleitungen und der Christen erinnert werden am genannten „Zusammenbruch der humanen Welt“: Weil die Kirchenleitungen und die Frommen sich nachweislich ums Dogmatische und Spirituelle vor allem kümmerten und eben nicht um das auch politische Ziel der gerechten humanen Welt für alle. Theologisch nennt man dieses Ziel „Reich Gottes“. „Jesus verkündete das Reich Gottes … und gekommen ist die Kirche“, sagte sehr treffend der große französische Theologe Alfred Loisy (1857-1940). Er wurde von der römisch katholischen Kirche exkommuniziert.

 

Fußnote 1.

„Habt ihr nicht von jenem tollen Menschen gehört, der am hellen Vormittage eine Laterne anzündete, auf den Markt lief und unaufhörlich schrie: „Ich suche Gott! Ich suche Gott!“ – Da dort gerade viele von denen zusammenstanden, welche nicht an Gott glaubten, so erregte er ein großes Gelächter. Ist er denn verlorengegangen? sagte der eine. Hat er sich verlaufen wie ein Kind? sagte der andere. Oder hält er sich versteckt? Fürchtet er sich vor uns? Ist er zu Schiff gegangen? ausgewandert? – so schrien und lachten sie durcheinander. Der tolle Mensch sprang mitten unter sie und durchbohrte sie mit seinen Blicken. „Wohin ist Gott?“ rief er, „ich will es euch sagen! Wir haben ihn getötet – ihr und ich! Wir alle sind seine Mörder! Aber wie haben wir dies gemacht? Wie vermochten wir das Meer auszutrinken? Wer gab uns den Schwamm, um den ganzen Horizont wegzuwischen? Was taten wir, als wir diese Erde von ihrer Sonne losketteten? Wohin bewegt sie sich nun? Wohin bewegen wir uns? Fort von allen Sonnen? Stürzen wir nicht fortwährend? Und rückwärts, seitwärts, vorwärts, nach allen Seiten? Gibt es noch ein Oben und ein Unten? Irren wir nicht wie durch ein unendliches Nichts? Haucht uns nicht der leere Raum an? Ist es nicht kälter geworden? Kommt nicht immerfort die Nacht und mehr Nacht? Müssen nicht Laternen am Vormittage angezündet werden? Hören wir noch nichts von dem Lärm der Totengräber, welche Gott begraben? Riechen wir noch nichts von der göttlichen Verwesung? – auch Götter verwesen! Gott ist tot! Gott bleibt tot! Und wir haben ihn getötet! Wie trösten wir uns, die Mörder aller Mörder? Das Heiligste und Mächtigste, was die Welt bisher besaß, es ist unter unsern Messern verblutet – wer wischt dies Blut von uns ab? Mit welchem Wasser könnten wir uns reinigen? Welche Sühnefeiern, welche heiligen Spiele werden wir erfinden müssen? Ist nicht die Größe dieser Tat zu groß für uns? Müssen wir nicht selber zu Göttern werden, um nur ihrer würdig zu erscheinen? Es gab nie eine größere Tat – und wer nur immer nach uns geboren wird, gehört um dieser Tat willen in eine höhere Geschichte, als alle Geschichte bisher war!“ – Hier schwieg der tolle Mensch und sah wieder seine Zuhörer an: auch sie schwiegen und blickten befremdet auf ihn. Endlich warf er seine Laterne auf den Boden, daß sie in Stücke sprang und erlosch. „Ich komme zu früh“, sagte er dann, „ich bin noch nicht an der Zeit. Dies ungeheure Ereignis ist noch unterwegs und wandert – es ist noch nicht bis zu den Ohren der Menschen gedrungen. Blitz und Donner brauchen Zeit, das Licht der Gestirne braucht Zeit, Taten brauchen Zeit, auch nachdem sie getan sind, um gesehen und gehört zu werden. Diese Tat ist ihnen immer noch ferner als die fernsten Gestirne – und doch haben sie dieselbe getan!“ – Man erzählt noch, daß der tolle Mensch desselbigen Tages in verschiedene Kirchen eingedrungen sei und darin sein Requiem aeternam deo angestimmt habe. Hinausgeführt und zur Rede gesetzt, habe er immer nur dies entgegnet: „Was sind denn diese Kirchen noch, wenn sie nicht die Grüfte und Grabmäler Gottes sind?“

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer-Salon.de

 

 

Die Jüdisch-christliche Zivilisation: Nun eine Ideologie der Rechtsextremen.

Über den Betrug der Rechtsextremen. Ein neues Buch von Sophie Bessis.
Ein Hinweis von Christian Modehn am 11.4.2025

1.
Der oft benutzte Begriff „jüdisch – christliche Zivilisation“ wird jetzt von der jüdischen Historikerin Sophie Bessis in Paris als Betrug der Rechtsextremen analysiert und bewertet.
Der Begriff hat sich, eher harmlos – versöhnlerisch klingend, seit etwa 1980 durchgesetzt. In christlichen Kreisen der Theologen wird er auch formelhaft verwendet, manchmal nur in der Kurzform „jüdisch-christlich“.
Dem Begriff gilt jetzt alle Aufmerksamkeit zum Verständnis der Ideologie der Rechtsextremen. Er teilt im Verständnis der europäischen bzw. us-amerikanischen und der israelischen Rechtsradikalen die Menschen in gute und böse. Gut sind angeblich die Verteidiger der „jüdisch-christlichen Zivilisation“ und böse die „anderen“ ,für Rechtsradikale vor allem „die“ Muslime.

2.
Gegen die übliche Selbstverständlichkeit bzw. auch Gedankenlosigkeit im Umgang mit dem Begriff „jüdisch – christliche Zivilisation“ argumentiert die französische Historikerin Sophie Bessis. Sie wurde 1947 in Tunis in einer jüdischen Familie geboren und arbeitet als Historikerin, Journalistin und Autorin zahlreicher wissenschaftlicher Studien in Paris. LINK zur Person.

Ihr neues Buch „La Civilisation judéo-chrétienne: anatomie d’une imposture“, („Die jüdisch-christliche Zivilisation: Anatomie eines Betruges“), wurde publiziert im Verlag „Les Liens qui libèrent“, Paris. LINK zum Verlag.

Das Buch hat in Frankreich viel öffentliche Aufmerksamkeit gefunden, auf deutsch liegt es noch nicht vor.

3.
Der Begriff wird – auf Frankreich bezogen – im öffentlichen Diskurs etwa seit 1980 verwendet. Die konsequente „laicité“ als republikanische Idee ist damals als orientierende Philosophie genauso verschwunden wie die kommunistische Partei. Nun wird das „Jüdisch-christliche“, in dieser Verklammerung, als neue/alte Identität des Westens proklamiert. Eine Art freundliche Geste der Nicht-Juden, der Christen, nach der Vernichtung der Juden im Holocaust.

4.
Einige zentrale Erkenntnisse von Sophie Bessis zur „jüdisch-christlichen Zivilisation“:
Der Begriff markiert die Vorherrschaft einer religiösen Ideologie: Es gilt, mit ihm die europäische Zivilisation ganz entscheidend auf den jüdisch-christlichen Zusammenhalt und die „gemeinsame Geschichte“ zu gründen. Die beiden monotheistischen Religionen sollen also die europäische Zivilisation bestimmen. In der Fußnote 1 wird auf die Verwendung des Begriffes durch westliche Politiker verwiesen.
Damit wird aber vor allem eine andere monotheistische Religion, der Islam, explizit ausgeschlossen, schreibt Sophie Bessis. Und sie zeigt, dass die arabischen Nationalisten diese Formel „jüdisch-christlich“ ihrerseits aufgegriffen haben, um die Interventionen des Westens gegen „den Islam“ – negativ – zu bewerten und zu bekämpfen.

5.
In einem Interview mit „Radio France International“ (RFI) vom 6.4.2025 sagt die Autorin: „Der Islam gilt heute als die Gefahr, er gilt als Barbarei. Die aktuellen israelischen Regierungschefs haben deswegen diese Rhetorik des „Jüdisch – Christlichen“ übernommen, sie zögern nicht, dies öffentlich zu proklamieren. Diese Rhetorik gilt ihnen als letzter Schutzwall der Zivilisation gegen die `muslimische Barbarei`. Und dieser anti-islamische Diskurs Israels wurde übernommen von der Mehrheit der westlichen politischen Klassen… Der Staat Israel wird durch Monsieur Netanyahu und seinen israelischen Führern zum Vorposten der westlichen Zivilisation erklärt – durch die Verwendung des Begriffes „jüdisch-christliche Zivilisation.“

6.
Auch die extremen Rechten im Westen verwenden den Begriff. „Zuletzt hat Monsieur Bardella von der rechtsextremen Partei „Rassemblement National“ (einst „Front National“ von Le Pen begründet) diese Formel verwendet…“, berichtet Sophie Bessis.
Übrigens: Auf die Übernahme des Begriffes „jüdisch-christlich“ durch rechtsradikale Parteien hat schon der Radiosender „France Culture“ am 20.3.2021 aufmerksam gemacht. LINK  

Auch die Partei AFD benutzt die Floskel „jüdisch-christliche Zivilisation/ Kultur“ sozusagen als Inbegriff für Europa, um gegen den Islam und die Flüchtlinge zu polemisieren und die muslimischen Menschen zu vertreiben.

7.
Die Autorin setzt sich in dem Interview mit RFI weiter mit dem Anspruch von Netanyahu auseinander, alle Juden der Welt zu repräsentieren. Dieser Gedanke ist für die Jüdin Bessis unerträglich. Denn dann könnten „alle Juden“ auch für die furchtbare Politik Netanyjahus Politik bestraft werden…
Und Sophie Bessis setzt sich auch mit einem neuen Philo-semitismus in manchen Staaten Europas auseinander, der zumal seit dem 7. Oktober 2023 lebendig wird. Philo-semitismus ist bekanntlich eine ins Ignorant-Positive gewendete Form des Antisemitismus, nur eben exzessiv freundlich erscheinend. Israels rechtsextreme Regierung pflegt mit dem rechtsextremen Präsidenten Orban in Ungarn eine tiefe Verbundenheit, auch mit Präsident Modi in Indien sowie mit zahlreichen neofaschistischen Parteien, für die Antisemitismus eigentlich typisch und wesentlich ist. Aber sie verschleiern diese ihre traditionelle Ideologie, um gegen „den“ Islam zu kämpfen.

8.
Genauso wichtig ist die Erkenntnis von Sophie Bessis: Der Begriff „jüdisch – christliche Zivilisation“ ist Ausdruck einer Illusion von einer angeblich lange währenden kulturellen und religiösen Nähe und Verbundenheit von Juden und Christen: Dieser Begriff ignoriert aber die Jahrhunderte des christlich geprägten Antisemitismus. Der harmlose Begriff verwischt den Jahrhunderte alten Hass der Christen und der Kirchen auf die Juden.

9.
Die Autorin glaubt nicht, dass der Begriff „jüdisch – christliche Zivilisation“ alsbald in der Umgangssprache wie in der Sprache der Politiker verschwindet. Dafür sind die Rechten und Rechtsradikalen leider zu stark.
Dabei liegt Sophie Bessis alles daran, dass dieser verschleiernde Begriff auch politisch immer weiter analysiert wird, um ihn danach beiseite zu legen zugunsten des Begriffes einer humane Weltzivilisation, in der die universellen Menschenrechte gelten. Wir meinen: Zu dieser humanen Weltzivilisation gehören auch die Religionen, auch der Islam: Er wird sich aber wie das Christentum und das Judentum und der Hinduismus usw. korrigieren und reformieren müssen durch die universell gelten Menschenrechte. Denn die Religionen können intern keine radikale Reform ihrer Dogmen usw. gestalten, das kann nur die allgemeine Vernunft. Zur humanen Welt – Zivilisation gehört vor allem auch der Humanismus, der seit der Renaissance Europa zu bestimmen versucht mit seiner Philosophie der Toleranz.

10.
In der christlichen Theologie werden die Adjektive „jüdisch – christlich“ seit vielen Jahren verwendet, in der katholischen Kirche etwa seit dem 2. Vatikanischen Konzil (1962-65). Der Begriff soll – nach dem Holocaust – die Verbundenheit des christlichen Glaubens mit dem Judentum signalisieren. Beispielsweise hat der niederländische Theologe und Poet Hub Oosterhuis – neben vielen anderen Theologen – diese Worte „jüdisch-christlich“ oft gesprochen und geschrieben: Voraussetzung dafür war und ist: Die meisten christlichen Theologen sehen eine enge Verbundenheit des Neuen Testaments der Christen mit der hebräischen Bibel der Juden. Davon spricht Sophie Bessis in ihrem Buch nicht.
Aber darüber sollten Theologen sprechen, selbst wenn es eine Art Tabuthema ist: genauer hinzuschauen, was denn diese enge Verbundenheit des Neuen Testaments der Christen mit der hebräischen Bibel bedeutet. Jesus von Nazareth ist Jude, aber ein Jude mit einer ungewöhnlichen, einmaligen durchaus auch „anderen“ Spiritualität. War er als Jude vielleicht aus dem herrschenden Judentum damals spirituell „hinausgewachsen“? Immanuel Kant hat 1793 seine These zu publizieren gewagt: Jesus von Nazareth hat in Bezug auf das Judentum eine „gänzliche Revolution in Glaubenslehren bewirkt“ (Fußnote 2). Aber dies ist ein anderes Thema…

Fußnote 1: Zitat aus der politischen Website BLAST in Frankreich: „Les hommes politiques en truffent leurs déclarations, s’en réclamant ad nauseam pour justifier leurs actions. Un candidat à l’élection présidentielle américaine de 2000 assurait ainsi qu’« être la seule superpuissance donnait aux États-Unis des responsabilités, en particulier celle d’intervenir à l’extérieur pour protéger les valeurs judéo-chrétiennes (2) ». Le monde est partagé entre « les cultures judéo-chrétiennes » et les autres (3). En France, on consacra en 1998 un colloque à « l’intégration politique des Français musulmans et leur place dans l’espace judéo-chrétien (4) ». Dans une interview au quotidien Le Figaro le 29 mai 2024, l’ex-président Nicolas Sarkozy brandissait lui aussi les « racines judéo-chrétiennes » de l’Europe. Écrit-on sur l’économie ? On y fait référence (5). Siehe: https://www.blast-info.fr/articles/2025/sophie-bessis-la-civilisation-judeo-chretienne-anatomie-dune-imposture-les-bonnes-feuilles-Ep8Ugq3ETDaUeibgnbV5vQ. BLAST vom 15.3.2025.

Fußnote 2: Seite B 190 in „Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft“.

Das wichtige Buch “La civilisation judéo-chrétienne: Anatomie d’une imposture”von Sophie Bessis ist im Verlag Les Liens qui libèrent in Paris 2025 erschienen, es hat 124 Seiten und den Preis von 10 €.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

 

 

 

 

Die PapstWAHL: Es gibt doch ein wenig Demokratie in der katholischen Kirche

Hinweise zu einer bevorstehenden Papstwahl
Von Christian Modehn am 23.3.2025

Das Motto: “Wenn schon bei der Papstwahl (WAHL!) minimale demokratische Grundsätze üblich sind, dann kann es ja eigentlich in der Kirche insgesamt nur besser werden…das heißt: Dann könnte doch “eigentlich” die ganze Kirche demokratisch organisiert werden, den universell geltenden Menschenrechten verpflichtet.” Absolute Utopien zu äußern, ist in der katholischen Kirche noch ein letzter Rest von positiver Verzweiflung…

1.
Bald wird wohl eine Papst-WAHL stattfinden. Und man glaubt es kaum: Es ist tatsächlich eine WAHL.
Also gibt es doch ein ganz klein wenig Demokratie in der katholischen Kirche?

2.
Dass die römisch -katholische Kirche keine Demokratie ist und wohl niemals eine Demokratie sein wird, haben Päpste immer gelehrt. Zuletzt noch Papst Franziskus, als er ins einem Buch „Leben“ (S. 64) erklärte:„Die Kirche ist, wie ich häufig genug sagte, kein Parlament“! Welche Regierungsformen haben kein Parlament? Alle autoritär regierten Regime…
Die Herren der Kirche sind also felsenfest überzeugt: Christus als Stifter der Kirche will als Regierungsform die absolutistische Monarchie des Papstes.

3.
Dazu gibt es zahllose hilflose, aber kritische Erläuterungen: In der katholischen Wochenzeitung “Kirche und Leben“ (Münster) schreibt der katholische Pfarrer Stefan Jürgens sehr richtig und treffend: „Die katholische Kirche ist eine absolutistische Monarchie. Sie wird regiert von Papst und Bischöfen, deren Autorität aufgrund der Weihe als unumstößlich gilt. Dadurch können sie so viel Schaden anrichten, wie sie wollen: Sie bleiben im Amt… Nichtgeweihte Katholiken bleiben abhängige Untertanen.“ Quelle: LINK

4.
Ein ganz klein wenig Demokratie gibt es aber doch noch in dieser Kirche: Wenn ein neuer Papst gewählt werden soll, also in der Konklave, gibt es wirklich etwas Demokratie, weil das elementare Wählen – Dürfen zur Demokratie gehört. Wenn heute, am 23. 3.2025, ein Papst gewählt werden müsste: Dann würden sich 138 Kardinäle „unter 80 Jahren“ an der Wahl beteiligen dürfen. Noch ältere Herrschaften scheiden als Kandidaten aus.

5.
Aber: Die Wahlmänner, die Kardinäle, sind nicht vom Kirchenvolk gewählt worden. Sie wurden in einsamen und durchaus willkürlichen Entscheidungen einzig des Papstes in dieses Wählerkollegium berufen. Einzig nicht demokratisch bestimmte alte Herren, meist auch gar nicht wirkliche Repräsentanten der Glaubenden in ihren Bistümern, wählen also… Dies ist nicht gerade ein starkes Symbol für Demokratie…

6.
Aber, wie gesagt, der Papst wird in der Sixtinische Kapelle des Vatikans von Kardinälen gewählt: Ein bißchen demokratisch mutet die – selbstverständlich vom Papst allein bestimmte – Regelung der Wahl an: Wenn sich nach 34 Wahlgängen (sic) die offenbar zerstrittenen Kardinäle auf keinen Papst – Kandidaten einigen konnten: Dann soll eine Stichwahl stattfinden zwischen den zwei an absolut vorderster Stelle Platzierten. Als zum Papst gewählt gilt, wer eine qualifizierte Mehrheit erreicht hat. Sollte es gar nicht erst bis zu den nun wirklich unwahrscheinlichen 34 erfolglosen Wahlen kommen, dann gilt: Gewählt ist der Kardinal zum Papst, der eine Zweidrittelmehrheit (!) auf sich vereinigen kann.

6.
Noch einmal: Der Papst wird also nicht von seinem Vorgänger ernannt; es sucht kein Gremium, wie bei der Nachfolge des Dalai Lama, Hände ringend in den Dörfern und Städten nach einem geeigneten (jungen?) Kandidaten. So viel Esoterik mag selbst der Vatikan nicht.

7.
Auch das ist doch demokratisch in dem Konklave: Es gibt ganz offen und offiziell zugegeben Parteibildungen unter den Kardinälen: Die einen sind theologisch konservativ bzw. reaktionär, die anderen nicht ganz so konservativ. Und die kämpfen gegeneinander, auch schon, solange ein Papst lebt.

8.
Es gibt sogar so etwas wie Wahlpropaganda: Vor den eigentlichen Wahl – Sitzungen werden von einigen Kardinälen kurze Statements gehalten, in denen die besonders auffälligen Papstkandidaten Vorstellungen ihres „Programms“ skizzieren. Kardinal Bergoglio soll einen ziemlich radikalen Kurz – Vortrag in diesem Vor – Konklare gehalten haben: „Die Kirche solle aus sich selbst herausgehen und sich öffnen“, war die Hauptaussage (Fußnote 1).

9.
Gar nicht demokratisch hingegen ist die absolute „höchste Geheimhaltungsstufe“ während des ganzen Konklave: Nur Kardinäle sind anwesend, der ganze Wahl- Saal ist abgeschotte, kein Journalist ist als Beobachter dabei. Demokratische Transparenz ist ausgeschlossen. „Die Fenster werden geschlossen, alle Funknetze abgeschaltet“, beschreibt Papst Franziskus die eigene Wahl zum Papst in seinem Buch „Hoffe“, Seite 241. LINK

10.
Die äußerst bescheidenen demokratischen Elemente der Papstwahl werden allerdings von einer theologischen Frage gestört: Denn nach katholisch – theologischer Überzeugung, ist es der heilige Geist, die dritte Person der göttlichen Trinität, die die Wahl des neuen Papstes letztlich leitet und bestimmt. Im üblichen Prozedere der Papstwahl handelt also indirekt Gott selbst durch die Kardinäle: Die aber dann üblicherweise mit Zweidrittelmehrheit einen der ihren zum Papst wählen. Also ein bißchen mag Gott wohl auch demokratische Mehrheitsentscheidungen! Diese göttliche Vorliebe für etwas Demokratie gilt allerdings nur bei der Papstwahl. Wenn Laien etwa in Mehrheitsentscheidungen einen Priester zum Bischof wählen wollen…. Nein, das geht ja nun gar nicht… Das will Gott nicht! Niemals! Sagen die auf Gottes Seite sich glaubenden Kleriker.

11.
Das Problem ist nur: Wie gottverlassen sind dann eigentlich die Kardinäle der Mindeheit, die diesen Kardinal gerade nicht zum Papst wählten? Und wenn wirklich einmal 34 Wahlgänge notwendig sind, um den Pontifex maximus zu wählen: Hat dann der heilige Geist förmlich gestreikt? War Gott zu schwach? Waren die Herren Kardinäle zeitweise gottverlassen?

12.
Der heilige Geist wird in der Bibel oft als ein Wehen oder ein Windhauch, sogar als Sturm zu Pfingsten, beschrieben. Auch dafür gibt es in dieser Kirche jetzt noch materiell – sichtbare, geradezu wunderbare Restbestände. Denn die Wahlergebnisse der in der Sixtinischen Kapelle wählenden Kardinäle werden mitgeteilt durch das Wehen von Rauch aus einem häßlichen Schornstein: Grauer Wind (also sozusagen ein bißchen grauer heiliger Geist) signalisiert die fehlgeschlagene Wahl. Erst der weiße leichte, reine, man möchte sagen göttliche Wind als Rauch sagt: „Wir haben einen Papst,“

13.
Alle, die sich in diese autoritäre, nicht – demokratische Kirche eingebunden fühlen oder bloß katholische Folklore lieben, jubeln bei diesem Spektakel. „Wir“ haben wieder einen ein bißchen demokratisch gewählten, aber dann letztlich und immer nicht – demokratisch agierenden Stellvertreter Christi auf Erden…

14.
Man stelle sich vor:
Die katholische Kirche als Organisation mit eins Komma vier MILLIARDEN Mitgliedern in allen Ländern dieser Erde würde sich offiziell als demokratisch strukturiert und regiert zeigen, inklusive der offiziellen Anerkennung und Realisierung der universell gelten allgemeinen Menschenrechte (Uno, 1948): Was wäre dies für ein Zeichen in dieser jetzt verrückt gewordenen en Welt, in der immer mehr Staaten und Menschen ins reaktionär Antidemokratische und Faschistische abrutschen?

15.
Weiß der Papst und seine klerikale Clique eigentlich, welches Unheil – auch als Trostlosigkeit – er anrichtet, wenn er die universell geltenden Menschenrechte, auch und vor allem für Frauen, in seiner eigenen Männer- Organisation, katholische Kirche genannt, ignoriert? Welch eine Schande für die heutige Menschheit.

Fußnote 1:
Das Buch von Papst Franziskus, „Leben“. 2024, Seite 213 f.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

 

 

 

Menschen werden dumm gemacht – von Populisten, Autokraten und Rechtsextremen, sagt Dietrich Bonhoeffer

Der Theologe und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer über ein aktuelles politisches Übel.

Ein Hinweis von Christian Modehn am 17. März 2025.

Ein Vorwort:
Der Widerstandskämpfer, der protestantische Theologe Dietrich Bonhoeffer (er wurde am 9. April 1945 von Nazis hingerichtet), hat auch einen Essay über die Dummheit geschrieben. Damit meint er: Wie umgehen mit Menschen, die kritiklos und ohne eigenes Nachdenken ideologischen Parolen von rechtsradikalen Autokraten und Nazi – Populisten folgen. Und die dabei die Demokratie stören und zerstören. Und damit auch die eigenen freien, humanen Lebensbedingungen einschränken. Aber das wissen diese Menschen gerade nicht oder sie verleugnen für sich diese Tatsache. Deswegen nennen kritische Beobachter die politische Haltung dieser Menschen dumm. Also: Nicht der ganze Mensch ist dumm, es geht um die politische Haltung der Gedankenlosigkeit als Dummheit.
Wir empfehlen die Lektüre dieses Textes von Dietrich Bonhoeffer, der unter 17. hier nachzulesen ist.

Aber wir versuchen auch, von einem aktuellen Ausgangspunkt aus die Bedeutung der immer schwierigen Reflexionen über Dummheit hervorzuheben. Dass Dummheit ein philosophisches Thema ist, steht außer Frage. Warum? Weil es zu viele dumme Menschen gibt, die es nicht wagen, „sich des eigenen Verstandes kritisch zu bedienen“, wie Immanuel Kant sagte.
………….

Dieser Hinweis hat zwei Kapitel: 

Erstens: Allgemeine philosophische Reflexionen über die Dummheit. (Nr. 1-4)

Zweitens: Die Kritik Dietrich Bonhoeffers an der politischen Dummheit. (Nr. 5- 17)

………….

ERSTENS: Allgemeine philosophische Reflexionen über die Dummheit. 

1.

Nicht zuerst Autokraten sind dumm, sie sind meist sogar sehr raffiniert in ihrer Lügenwelt. Dumm sind auch nicht zuerst die gerissenen ParteiführerInnen von rechtsextremen Parteien inmitten der noch bestehenden Demokratien. Als dumm gelten Menschen, die blind und gedankenlos diese Autokraten wählen bzw. die rechtsextremen Parteien in Demokratien ihre Stimme geben.

2.

Diese Menschen gelten als dumm, weil sie, volljährig, erwachsen, oft mit einem Reifezeugnis ausgestattet usw., also „eigentlich“ bei Sinn und Verstand sind … dann aber Politikerinnen wählen bzw. unterstützen, die – laut öffentlich zugänglichen Parteiprogrammen – die Demokratie letztlich zerstören wollen. Diese so genannten Politiker wollen den Menschen ihre freie Lebenswelt Schritt für Schritt, langsam, aber systematisch, vernichten: Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Pluralität der Kulturen im eigenen Land, … absolute Gültigkeit der Gerichtsurteile des Rechtsstaates soll es nicht mehr geben … Solche PolitikerInnen zu wählen ist manchmal auch Ausdruck von Verzweiflung und Hilflosigkeit …vor allem aber: Ausdruck dafür, dass eigenes umfassendes Nachdenken stillgelegt wurde. Und gerade dies ist der Ausdruck von Dummheit.

3.

Damit soll keineswegs behauptet werden, alle humanen Qualitäten des einzelnen Wählers dieser Parteien seien total zerstört. Nur unter dieser Bedingung meinen wir, das unterstreicht auch Bonhoeffer, diese Menschen wieder für die Werte der Demokratie und des Rechtsstaates zu begeistern, als der einzig humanen Staatsform.

4.

Es gibt längst eine philosophische Debatte über die Dummheit. (Fußnote 1). Einige Autorinnen berufen sich – eher pessimistisch – auf das Sprichwort: „Gegen Dummheit ist kein Kraut gewachsen“.

Der Philosoph Martin Seel hat in einem kleinen Essay (Fußnote 3) Dummheit kurz definiert: “Dumm verhält sich, wer von seinen eigenen geistigen und körperlichen Gaben eine allzu geringe oder nachlässige Verwendung macht.” Und Martin Seel hat eine Verbindung gezeigt zu politischer Dummheit: “Nur was ihren simpen Maßstäben entspricht, halten Dumme für vernünftig. Was in ihrem Horizont liegt, halten sie für den Nabel der Welt, was über ihn hinaus geht, erscheint ihnen abstrus oder bedrohlich. Dumme schlagen um sich, sobald ihnen zugemutet wird, sich einer komplexen Realität zu stellen” (dort S. 63).

Brecht Brecht hat 1933 geschrieben: „ Hinter der Trommel trotten die Kälber, das Fell für die Trommel liefern sie selber“, ein Hinweis auf die deutschen Soldaten im Krieg, die dem „Ruf“ des Metzgers Adolf Hitler und seiner Gesellen folgen… Von der heutigen Psychologin und Autorin Heidi Kastner (Fußnote 1) stammt die Erkenntnis, „dass Nicht – Dumme immer das destruktive Potential der Dummen unterschätzen und immer wieder vergessen, dass es sich immer und überall als kostspieliger Fehler erwiesen hat, mit Dummen gemeinsame Sache zu machen“ (S. 90 im Buch „Dummheit“). Aber: „Gemeinsame Sache“ mit Dummen zu machen ist etwas anderes als mit bestimmten rechtsradikalen Leuten das geduldige Gespräch zu suchen, um sie zur Demokratie einzuladen und zur Demokratie „zurückzuholen“… Das mag als Utopie gelten, aber sie ist unverzichtbar für die Rettung der Demokratie und: der Qualität des humanen Lebens.

……

ZWEITENS: Die Kritik Dietrich Bonhoeffers an der politischen Dummheit. 

5.

Das schwierige Thema Dummheit – vor allem in der Politik – wollen wir also vertiefen durch die Erinnerung an einen Text des Widerstandskämpfers und vielseitig begabten protestantischen Theologen Dietrich Bonhoeffer. Er wurde vor 80 Jahren, am 9. April 1945 im KZ Flossenbürg, Bayern, hingerichtet.
Bonhoeffer hat Ende 1942 für einen kleinen Kreis von Freunden einen nur privaten Text verfasst mit dem Titel „Rechenschaft an der Wende zum Jahr 1943“: „An der Wende“ zum Jahr 1943 gab es an der Ostfront heftigste Kämpfe, der Glaube an den unbesiegbaren Führer begann schon zu schwinden…
Dieser Essay besteht aus mehreren kurzen Kapiteln (der ganze Text hat im Buch 15 Seiten). Er ist eine Art philosophisch – theologische Reflexion auf den eigenen geistigen Standort: „Ohne Boden unter den Füßen“ heißt das erste der siebzehn Kapitel, es folgt „Was hält stand?“, dann „Zivilcourage, „Vom Erfolg“ und gleich danach „Von der Dummheit“. (Siehe Fußnote 2, die Seitenangaben beziehen sich auf dieses Buch).

6.

Für Bonhoeffer drängt sich die Frage auf, in welcher geistigen Verfassung sind eigentlich die meisten Deutschen, als sie Hitler ihren Führer nannten und verehrten und sich in den Krieg stürzten. Die klare Antwort Bonhoeffer: Es war die Dummheit der Deutschen, dass dieser Adolf Hitler Millionen Menschen ins Verderben führen konnte und unter anderen Opfern 6 Millionen europäische Juden vernichten ließ von Deutschen und deren europäischen Kollaborateuren….

7.

Die Überlegungen Bonhoeffers zur politischen Dummheit so vieler Deutscher – als Ausdruck ihrer Ergebenheit für einen populistisch sich gebenden Verbrecher – sind sicher auch von Einsichten Karl Bonhoeffer, des Vaters und Psychiaters inspiriert.

8.

Wir nennen hier nur einige zentrale Einsichten Bonhoeffer, die im Kontext der Nazi – Herrschaft stehen, aber darüber hinaus allgemeine Bedeutung auch heute haben, zumal wenn man auf gegenwärtige Autokraten schaut und deren dumme Gefolgschaft. Nr. 15 bietet den ganzen lesenswerten Text.

9.
Entscheidend ist für Bonhoeffer: „Menschen werden – von Politikern, Autokraten – dumm gemacht, Dummheit ist also nichts Angeborenes.“ (Das gilt etwa für die LeserInnen von primitiven Boulevard – Druckerzeugnissen, CM).
„Jede äußere Machtentfaltung (eines Autokraten, Diktators) schlägt einen großen Teil der Menschheit mit Dummheit“ (also mit blinder Verehrung dieser Verbrecher etc..)
„In Gesprächen mit dem Dummem merkt man, man hat es im Gespräch nur mit über ihn mächtig gewordenen Schlagworten, Parolen etc. zu tun.“ (S. 16).

10.

Der Dumme glaubt an Fakes, so die aktuelle Einsicht Bonhoeffer: „Tatsachen, die dem eigenen Vorurteil widersprechen, brauchen einfach nicht geglaubt zu werden, in solchen Fällen wird der Dumme sogar kritisch – wenn die Tatschen unausweichlich sind, können sie einfach als Nichts sagende Einzelfälle beiseite geschoben werden.“
Die entscheidende Warnung Bonhoeffers vor dem Dummen: „Der Dumme ist gefährlicher als der Mensch der Bosheit. Der Dumme ist mit sich selbst zufrieden, er wird sogar gefährlich…“ (S. 15).

11.
Das Wesen der Dummheit ist ein allgemeiner menschlicher Defekt, nicht ein intellektueller Defekt, also kein Mangel an bestimmtem Wissen. „Selbst intellektuell Schwerfällige sind nicht dumm“, sagt Bonhoeffer, weil sie – etwa als technisch oder mathematisch Unbegabte – eine Weisheit bewahrt haben…

12.

„Der Dumme ist (von den Autokraten, Diktatoren) in seinem eigenen Wesen missbraucht, misshandelt.“ (S, 16). „So zum willenlosen Instrument geworden, wird der Dumme auch zu allem Bösen fähig und zugleich unfähig, dieses als Böses zu erkennen“. Man würde gern diese Erkenntnis Bonhoeffers mit der Erkenntnis Hannah Arendts verbinden, die Adolf Eichmann, den Erz – Verbrecher im Nazi – Staat, als Ausdruck der Banalität des Bösen, also Ausdruck schlimmster Dummheit, interpretierte.

13.

Gibt es für Bonhoeffer eine Befreiung von der Dummheit? Er ist zunächst skeptisch: „Weder mit Protesten noch durch Gewalt läßt sich hier etwas ausrichten… Niemals werden wir mehr versuchen, den Dummen durch Gründe zu überzeugen, es ist sinnlos und gefährlich“ (S. 15). „Dabei ist der Dumme im Unterschied zum Bösen restlos mit sich selbst zufrieden; ja, er wird sogar gefährlich, indem er leicht gereizt zum Angriff übergeht. Daher ist dem Dummen gegenüber mehr Vorsicht geboten als gegenüber dem Bösen.“ (Seite 15, „Widerstand und Ergebung“, auch Fußnote 2)

14.

Und doch glaubt Dietrich Bonhoeffer am Schluss seiner Überlegung an eine innere Befreiung des Dummen, also an eine Art Reinigung des Bewusstseins. Aber die geht nicht ohne die äußere, also politische Befreiung. Erst Demokratie und Rechtsstaat sowie Sozialstaat können politische Dummheit einschränken und überwinden.
Und was die „innere Befreiung“ (vielleicht als Therapie) angeht: Da ist der Theologe Bonhoeffer überzeugt. Ohne Verbindung des Menschen mit Gott, als dem Grund des Daseins und der absoluten Stimme im Gewissen, wird geistige und seelische Befreiung von Dummheit nicht möglich sein.

15.

Dem Kapitel „Von der Dummheit“ folgt gleich die auch theologisch argumentierende Reflexion zum Thema „Menschenverachtung.“ So will wohl Bonhoeffer deutlich machen: Die Kritik an – politisch – dummen Menschen hat nichts mit definitiver Verachtung dieser Menschen zu tun.

 

16. Menschenverachtung? Ein Essay Dietrich Bonhoeffers:
Die Gefahr, uns in Menschenverachtung hineintreiben zu lassen, ist sehr groß. Wir wissen wohl, daß wir kein Recht dazu haben und daß wir dadurch in das unfruchtbarste Verhältnis zu den Menschen geraten. Folgende Gedanken können uns vor dieser Versuchung bewahren: mit der Menschenverachtung verfallen wir gerade dem Hauptfehler unserer Gegner. Wer einen Menschen verachtet, wird niemals etwas aus ihm machen können. Nichts von dem, was wir im anderen verachten, ist uns selbst ganz fremd. Wie oft erwarten wir von anderen mehr, als wir selbst zu leisten willig sind. Warum haben wir bisher vom Menschen, seiner Versuchlichkeit und Schwäche so unnüchtern gedacht? Wir müssen lernen, die Menschen weniger auf das, was sie tun und unterlassen, als auf das, was sie erleiden, anzusehen. Das einzig fruchtbare Verhältnis zu den Menschen – gerade zu den Schwachen – ist Liebe, d.h. der Wille, mit ihnen Gemeinschaft zu halten. Gott selbst hat die Menschen nicht verachtet, sondern ist Mensch geworden um der Menschen willen.

17. Der vollständige Text Dietrich Bonhoeffers „Von der Dummheit“:

Dummheit ist ein gefährlicherer Feind des Guten als Bosheit. Gegen das Böse läßt sich protestieren, es läßt sich bloßstellen, es läßt sich notfalls mit Gewalt verhindern, das Böse trägt immer den Keim der Selbstzersetzung in sich, indem es mindestens ein Unbehagen im Menschen zurückläßt. Gegen die Dummheit sind wir wehrlos. Weder mit Protesten noch durch Gewalt läßt sich hier etwas ausrichten; Gründe verfangen nicht; Tatsachen, die dem eigenen Vorurteil widersprechen, brauchen einfach nicht geglaubt zu werden – in solchen Fällen wird der Dumme sogar kritisch –, und wenn sie unausweichlich sind, können sie einfach als nichtssagende Einzelfälle beiseitegeschoben werden. Dabei ist der Dumme im Unterschied zum Bösen restlos mit sich selbst zufrieden; ja, er wird sogar gefährlich, indem er leicht gereizt zum Angriff übergeht. Daher ist dem Dummen gegenüber mehr Vorsicht geboten als gegenüber dem Bösen. Niemals werden wir mehr versuchen, den Dummen durch Gründe zu überzeugen; es ist sinnlos und gefährlich. Um zu wissen, wie wir der Dummheit beikommen können, müssen wir ihr Wesen zu verstehen suchen. Soviel ist sicher, daß sie nicht wesentlich ein intellektueller, sondern ein menschlicher Defekt ist. Es gibt intellektuell außerordentlich bewegliche Menschen, die dumm sind, und intellektuell sehr Schwerfällige, die alles andere als dumm sind. Diese Entdeckung machen wir zu unserer Überraschung anläßlich bestimmter Situationen. Dabei gewinnt man weniger den Eindruck, daß die Dummheit ein angeborener Defekt ist, als daß unter bestimmten Umständen die Menschen dumm gemacht werden, bzw. sich dumm machen lassen. Wir beobachten weiterhin, daß abgeschlossen und einsam lebende Menschen diesen Defekt seltener zeigen als zur Gesellung neigende oder verurteilte Menschen und Menschengruppen. So scheint die Dummheit vielleicht weniger ein psychologisches als ein soziologisches Problem zu sein. Sie ist eine besondere Form der Einwirkung geschichtlicher Umstände auf den Menschen, eine psychologische Begleiterscheinung bestimmter äußerer Verhältnisse. Bei genauerem Zusehen zeigt sich, daß jede starke äußere Machtentfaltung, sei sie politischer oder religiöser Art, einen großen Teil der Menschen mit Dummheit schlägt. Ja, es hat den Anschein, als sei das geradezu ein soziologisch-psychologisches Gesetz. Die Macht der einen braucht die Dummheit der anderen. Der Vorgang ist dabei nicht der, daß bestimmte – also etwa intellektuelle – Anlagen des Menschen plötzlich verkümmern oder ausfallen, sondern daß unter dem überwältigenden Eindruck der Machtentfaltung dem Menschen seine innere Selbständigkeit geraubt wird und daß dieser nun – mehr oder weniger unbewußt – darauf verzichtet, zu den sich er gebenden Lebenslagen ein eigenes Verhalten zu finden. Daß der Dumme oft bockig ist, darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß er nicht selbständig ist. Man spürt es geradezu im Gespräch mit ihm, daß man es gar nicht mit ihm selbst, mit ihm persönlich, sondern mit über ihn mächtig gewordenen Schlagworten, Parolen etc. zu tun hat. Er ist in einem Banne, er ist verblendet, er ist in seinem eigenen Wesen mißbraucht, mißhandelt. So zum willenlosen Instrument geworden, wird der Dumme auch zu allem Bösen fähig sein und zugleich unfähig, dies als Böses zu erkennen. Hier liegt die Gefahr eines diabolischen Mißbrauchs. Dadurch werden Menschen für immer zugrunde gerichtet werden können. Aber es ist gerade hier auch ganz deutlich, daß nicht ein Akt der Belehrung, sondern allein ein Akt der Befreiung die Dummheit überwinden könnte. Dabei wird man sich damit abfinden müssen, daß eine echte innere Befreiung in den allermeisten Fällen erst möglich wird, nachdem die äußere Befreiung vorangegangen ist; bis dahin werden wir auf alle Versuche, den Dummen zu überzeugen, verzichten müssen. In dieser Sachlage wird es übrigens auch begründet sein, daß wir uns unter solchen Umständen vergeblich darum bemühen, zu wissen, was das Volk eigentlich denkt, und warum diese Frage für den verantwortlich Denkenden und Handelnden zugleich so überflüssig ist – immer nur unter den gegebenen Umständen. Das Wort der Bibel, daß die Furcht Gottes der Anfang der Weisheit sei, sagt, daß die innere Befreiung des Menschen zum verantwortlichen Leben vor Gott die einzige wirkliche Überwindung der Dummheit ist. Übrigens haben diese Gedanken über die Dummheit doch dies Tröstliche für sich, daß sie ganz und gar nicht zulassen, die Mehrzahl der Menschen unter allen Umständen für dumm zu halten. Es wird wirklich darauf ankommen, ob Machthaber sich mehr von der Dummheit oder von der inneren Selbständigkeit und Klugheit der Menschen versprechen.

18. Rezeption der Erkenntnisse Bonhoeffers zur Dummheit:

Die TAZ (Autor Stefan Hunglinger) zitiert in ihrem Bericht über den zerstörerischen Umgang  Trumps  mit der Demokratie in den USA auch Dietrich Bonhoeffers Reflexionen  zur Dummheit: TAZ am 15.12. 2025, Seite 16.

Fußnote 1:
Emil Kowalski, Dummheit, Eine Erfolgsgeschichte. J. B. Metzler Verlag 2. Auflage, 2022.
Heidi Kastner, Dummheit. Verlag Kremayr und Scherlau, Wien, 10. Auflage, 2022.

Fußnote 2:
 Dietrich Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung. Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft. Gütersloher Verlagshaus, 22. Auflage 2019, S. 15.

Fußnote 3: Martin Seel, “111 Tugenden – 111 Laster. Eine philosophische Revue”. S. Fischer Verlag, 2011, der Essay über Dummhei auf den Seiten 62-64. Wir empfehlen ausdrücklich dieses philosophische Buch! LINK

Leider wird in beiden Studien nicht der Essay „Von der Dummheit“ von Dietrich Bonhoeffer diskutiert!

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

Immer mehr “Konfessionslose” in den USA.

Ein Hinweis auf eine neueste Kirchen- Studie in den USA:
Von Christian Modehn, am 27.2.2025.

1.
Eine aktuelle Untersuchung des „PEW Research Center“ hat am 26.2.2026 den zunehmenden Abschied der Bürger der USA von den Kirchen dokumentiert. Die Studie hat den Titel „Studie der religiösen Landschaft“, realisiert durch Interviews mit 36.000 Bürgern der USA. Viele Details: LINK:

2.
Bei jungen Menschen sprechen Analysten von einer „erosion“, einem Zusammenbruch der Kirchenbindung. Nur noch weniger als ein junger Amerikaner von fünf bekennt, eine religiöse Ausbildung erhalten zu haben.

3.
Einige Fakten: Fast sechs von zehn US Amerikanern nennen sich (noch) Christen, das sind jetzt 62 Prozent. Im Jahr 2007 waren es noch 78 Prozent, im Jahr 2014 waren es 71 Prozent.

4.
Der Rückgang an Mitgliedern betrifft alle Kirchen in den USA. Bei den einflußreichen, mit Trump und seinen Republikanern verbundenen „Evangelikalen“ ist der Rückgang am geringsten: Gegenüber 2007 haben sie jetzt nur 3 Punkte weniger, sie bilden einen Anteil von 23 Prozent aller Christen in den USA.
Bei den Katholiken gibt es diese Entwicklung:
24 Prozent och 2007
21 Prozent noch 2014 und
2024 nur noch 19 Prozent.

Zu den klassischen protestantischen Kirchen der USA (Presbyterianer, Anglikaner, Lutheraner, Methodisten usw.) gehören jetzt nur noch 11 Prozent der US Amerikaner an, im Jahr 2007 waren es noch 18 Prozent.

5.
Das ist wirklich von größter Bedeutung: Die so genannten NONES), Leute ohne Mitgliedschaft in einer Kirche, zählen jetzt 29 Prozent der Bevölkerung, 2014 waren es nur 23 Prozent. 5 Prozent nennen sich Atheisten, 6 Prozent Agnostiker innerhalb der NONES. Sie haben ein Durchschnittsalter 38 Jahren; bei den Kirchenmitgliedern ist das Durchschnittsalter 54 Jahre (im Jahr 2007: 46 Jahre).

6.
Unter den jüngsten amerikanischen Kirchenmitgliedern sind mehr Männer als Frauen, die Analysten des PEW Research Centers nennen dies eine Umkehrung gegenüber früher, als Frauen stärkere Kirchenbindung zeigten.
Trotz dieser Erkenntnis: Frauen haben insgesamt noch eine stärkere Bindung an die Kirchen.

7.
Bei den „weißen Amerikanern“ mit Bindung an die klassischen Kirchen ist der Rückgang an Kirchenbindung am stärksten.

8.
Juden nennen sich 2023 1,7 % der Bevölkerung, Muslims 1,2 %, Buddhisten 1,1 % und Hindus 0,9%.

9.
Es ist inzwischen bewiesen, dass Evangelikale und fundamentalistische Christen auch in den anderen Kirchen eine starke Nähe zu Trump und den Republikanern haben. Und dass die Kirchenfernen und Atheisten eine stärkere Bindung an die Demokraten haben.

10.
Darf man als Philosoph und Theologe, der die Metaphysik und auch eine vernünftige (!) Form des Glaubens immer entwickelt und verteidigt, dann in dem Fall doch sagen: Hoffentlich nimmt die Zahl der Kirchenfernen in den USA zu, d.h. hoffentlich verschwindet der Glaube bzw. die Ideologie der Evangelikalen bald und die der Fundamentalisten… damit dadurch auch die Diktatur von Trump und Konsorten verschwindet!
Ein frommer Wunsch, gewiss, aber dieser Wunsch ist richtig. Ohne Evangelikale und ohne christliche Fundamentalisten, aber auch ohne jüdische und muslimische und hinduistische Fundamentalisten und Wahn – Religiöse könnte es in dieser unserer Welt besser aussehen und mehr Gerechtigkeit, mehr Demokratie herrschen. Und natürlich auch ohne radikale Missionare des Atheismus.

11.
Zugespitzt gesagt: Hoffen wir also auf eine weitere Entkirchlichung der USA, um dem Wahn Trumps und seiner Republikaner die Unterstützer zu entziehen. Die wenigen vernünftigen religiösen Menschen werden das alles gut und gern erleben und als Befreiung vom religiösen Opium feiern!

12.

Für Präsident Trump geht es nicht nur um “America first”. Sondern um “Christians first”, gemeint sind immer die evangelikalen und fundamentalistischen, die Republikaner wählenden Christen: LINK.  Nun gibt es auch ein “White House Faith Office” (ein so genanntes “Glaubensbüro im Weißen Haus”) zur Durchsetzung dieses fundamentalistischen Glaubens mit der fundamentalistischen Predigerin Paula White-Cain an der Spitze.  LINK.

Damit folgt Trump dem Diktator Putin, der mit seinem treuen Freund Patriarch Kyrill von Moskau (auch er KGB-Mitarbeiter einst)  ebenfalls eine Art Glaubensbüro unterhält. Das heißt auch hier: Ein ideologisches, nach außen hin “christliches” Amt zur Unterstützung seiner Gewalt/Kriegspolitik in der sich orthodox nennenden russischen Bevölkerung.

Siehe auch über “Religiöse Rechtsextreme in Deutschland und ihr Liebling Trump”: LINK:

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

Die Trump Hymne: Die neue Hymne der USA … mit nur einer Strophe!

„Ich bete an die Macht der Lüge“

Eine Satire von Christian Modehn am 21.2.2025

Die 100 Lügen von Trump in den ersten 100 Tagen seiner zweiten Herrschaft, TRUMP IST DER LÜGNER SCHLECHTHIN: LINK

1. Ein Vorwort:
Wir hatten schon 2017 auf dieser website beim Start von Trump als Herrscher eine kurze, knappe, aber treffende „Trump Hymne“ verfasst. Sie wird nun von allen Trump – Fans weltweit – auch in Deutschland in Kreisen rechtsextremer und konservativer – sich christlich nennender Parteien – immer öfter gesungen, und, bei Rechtsextremen üblich, gegrölt.

Die Melodie der Hymne ist bekannt, einschlägig bekannt, vor allem bei Militaristen unter dem Titel „Ich bete an, die Macht der Liebe!“

2.
Wegen des großen Interesses, in dieser verrückten Situation, heute, Februar 2025, mit sehr erschreckenden politischen Erfahrungen mit Trump und Konsorten: Also:
Noch einmal die „Trump Hymne“ aller Fans mit dem Titel „Ich bete an die Macht der Lüge“.

Und anschließend eine Strophe der eher wenigen verbliebenen, hilflosen Trump – Gegner, wenn nicht Trump – Feinde, unter Nr. 4.

3. DIE TRUMP HYMNE:
Mit dem Titel: „Ich bete an die Macht der Lüge.“

Ich bete an die Macht der Lüge,

die sich in Trump und andren zeigt

Ich geb mich hin den Lügenworten,

wodurch ich Wurm verblödet werd

ich will, anstatt mal nachzudenken

im Meer der Lügen mich versenken…

4.
Und die verbliebenen Trump Gegner und Trump Oppositionellen singen, ebenfalls der Melodie von „Ich bete an die Macht der Liebe“ folgend::

O Trump, dass dein Nam verschwinde

Im Geiste aller ausgelöscht

Möcht deine triste Lügenwelt

Aus Herz und Sinn vernichtet sein.

Im Wort, im Werk, in allen Wesen

Sei Wahrheit und sonst nichts vorhanden.
…………
5.
Der Text des alten, auch militaristisch üblichen “Kirchen-Liedes” … Das alte Lied: „Ich bete an die Macht der Liebe“:

Die erste Strophe:

Ich bete an die Macht der Liebe,
 die sich in Jesus offenbart;
ich geb mich hin dem freien Triebe,

wodurch ich Wurm geliebet ward;
ich will, anstatt an mich zu denken, 
i

ins Meer der Liebe mich versenken.

Die vierte Strophe dieses Liedes heißt im Evangelischen Gesangbuch – in der Neufassung der „Trump Gegner Hymne“ siehe 4.

O Jesu, dass dein Name bliebe
im Herzen tief gedrücket ein;
möcht deine süße Jesusliebe
in Herz und Sinn gepräget sein.
Im Wort, im Werk und allem Wesen
sei Jesus und sonst nichts zu lesen.

…..

Jetzt hat Trump im “Weißen Haus” ein “Glaubensbüro” “White House Faith Office” eingerichtet zur Unterstützung der evangelikalen und fundamentalistischen Christen in den USA. Die evangelikale Rednerin, nein “Predigigerin”, Paula White-Cain leitet dieses religiös-ideologische Büro. LINK: Das Motto von Trump ist bekanntlich auch “Christians First”. Wie er das seinen Freunden im Netanjahu – Regime in Israel erklären mag, ist ungewiss.

 

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

Das Trump – Regime kritisieren: Die großartige Bischöfin Mariann Edgar Budde.

Ein Hinweis von Christian Modehn am 22.1.2025.

Ergänzung am 2.2.2025: Siehe auch den Hinweis zur Einschätzung von Trump durch die Theologin Hille Haker, USA.Hier Nr.9.

1.
Die Bischöfin hat Mut: Sie kritisiert beim traditionellen Gottesdienst einen Tag nach der Amtseinführung Präsident Trump und die Seinen und seine Clique. Und die sitzen in den Kirchenbänken, sie müssen zuhören, schließlich geben sie sich ja irgendwie als „Gott-gläubig“ aus, wie Trump oder als katholisch wie sein Vizepräsident Vance, sie können also die “National Cathedral” im Nordwesten von Washington D.C. nicht verlassen.

Diese Worte der Bischöfin Mariann Edgar Budde (65) von der Episcopal-Church werden – weltweit – im Gedächtnis bleiben, es sind mutige Worte, man könnte sagen von prophetisch – kritischem Geist bestimmt: So viel Mut hat nur eine Frau gegenüber dem selbsternannten All-Herrscher. Ein Auszug aus der Predigt der Bischöfin:

2.
„Lassen Sie mich eine letzte Bitte äußern. Millionen Menschen haben ihr Vertrauen in Sie gesetzt. Und wie Sie gestern der Nation erzählt haben, haben sie die schützende Hand eines liebenden Gottes gespürt. Im Namen unseres Gottes bitte ich Sie, Erbarmen mit den Menschen in unserem Land zu haben, die jetzt Angst haben.“ Und die Bischöfin erwähnt schwule, lesbische und transgender Familien, Trump hatte in seinem Wahn schon in seiner Antrittsrede erklärt, dass er per Dekret verfügt, dass es nur zwei Geschlechter gibt, Transgender Menschen haben keine Lebensrecht.
3.
Die Bischöfin denkt auch an die von Trump Wahn bedrohten Einwanderer, sie sagt: „Diese Menschen bestellen unsere Felder, sie reinigen unsere Bürogebäude, arbeiten in Geflügelfarmen und auf Schlachthöfen, waschen das Geschirr ab, nachdem wir in Restaurants gegessen haben, und diese Einwanderer übernehmen Nachtschichten in Krankenhäusern“. Sie seien vielleicht keine offiziellen Staatsbürger, „aber sie zahlen Steuern und sind gute Nachbarn“. Und sie seien gläubige Mitglieder „unserer Kirchen, Moscheen, Synagogen, Gurdwaras und Tempel.“

4.
Wie zu erwarten explodierte Trump nach dieser kritischen prophetischen Rede der Bischöfin: Er wetterte gegen die, wie er sagte, linksradikale Trump -Hasserin, nannte sie eine so genannte Bischöfin, der Gottesdienst sei insgesamt langweilig gewesen. Und natürlich auch dies: Trump fordert von der Bischöfin und der Kirche eine Entschuldigung. Republikaner – Politiker wollen die Bischöfin auf die „Abschiebeliste“ setzen…Interessant, dies nun noch mal offiziell zu hören: „Abschiebeliste“.

5.
Wie erbärmlich devot und ergeben dagegen war das Gebet, das der New Yorker Cardinal Timothy Dolan zur Amtseinführung sprach (Fußnote 1), wie albern auch die religiöse Show, an der sich auch ein Rabbiner und ein Evangelikaler mit frommen Worten beteiligten, Bilder der Trump Ergebenheit bestimmter Religionsführer, die Ergebenheit erinnert manche an die Verbundenheit der Russisch – Orthodoxen Kirche mit dem Diktator PUTIN.

6.
Es ist davon auszugehen, dass das Trump – Regime auch einen Kirchen – Kampf eröffnen könnte und dann genau unterscheidet: Zwischen Trump -gewogenen Frommen, vor allem den Evangelikalen, die werden gefördert. Und die anderen, die kritischen Theologen und Bischöfen aus den verbliebenen kritischen und weithin vernünftigen so genannten „Mainline – Churches“ (Episcopals, Presbyterians, einige Lutheraner und etliche Katholiken), sie werden wohl unter Trump ausgegrenzt und mundtot gemacht.

7.
Die Predigt von Bischöfin Mariann Edgar Budde ist nicht nur historisch, sie ist ein Hoffnungszeichen, dass sich Widerstand gegen Trump schon jetzt, sofort, äußert. Und auch dies: PolitikerInnen mit demokratischer Gesinnung in den wenigen verbliebenen demokratischen Staaten hätten wohl nie und nimmer den Mut, solche Worte an Mister Trump zu richten. Sie bleiben diplomatisch, wollen es sich nicht mit dem absoluten Machthaber verderben, sie haben Angst vor Trump. Er wird als absoluter Herrscher akzeptiert?

8.

Die in den USA lehrende deutsche Theologin Hille Haker sieht in der aktuellen Politik der Regierung von Donald Trump Parallelen zu den Anfängen der Nazi-Herrschaft im Deutschland der 1930er Jahre.

„Wir können uns plötzlich vorstellen, wie das nach dem Ermächtigungsgesetz 1933 gewesen ist”, sagte Haker am Wochenende dem Bayerischen Rundfunk. Die Demokratie werde auf dramatische Weise abgebaut.

Haker nannte ein Beispiel von ihrer Arbeitsstelle. Sie lehrt seit 2012 theologische Ethik an der Loyola University Chicago, einer Einrichtung des katholischen Jesuitenordens. Jüngst habe sie von der Uni eine Mail mit Verhaltenstipps für den Fall bekommen, dass Grenzpolizisten in die Vorlesungssäle kommen, um nach Menschen ohne Papieren zu suchen. Man solle sofort die an der Uni zentral zuständige Person kontaktieren, so Haker. Es gehe insbesondere um die Abschiebung von Menschen aus Lateinamerika, führte die Wissenschaftlerin aus. Ein Kollege mit kubanischen Wurzeln, aber US-Staatsbürgerschaft, trage aus Sorge vor Kontrollen nun ständig eine Kopie seines Passes im Portemonnaie. Es handle sich bei dem Mann immerhin um den US-Botschafter beim Vatikan unter Präsident Barack Obama. „Wenn selbst der Angst hat – und zwar nicht abstrakte Angst, sondern Angst, dass er aufgegriffen wird -, dann weiß man doch, was hier los ist”, sagte Haker. Ähnliches wie aktuell für Menschen mit lateinamerikanischem Hintergrund könne bald auch für religiöse Minderheiten wie Muslime gelten, ergänzte sie.

Die Theologin äußerte sich in diesem Zusammenhang pessimistisch in Sachen Rechtsschutz: „Die Hoffnung, dass die Gerichte da dazwischengrätschen, so wie das 2017, 2018, 2019 der Fall gewesen ist – das wird hier nicht mehr hinhauen, weil es dieser Administration eigentlich ziemlich wurscht ist, was die Gerichte sagen.”

Allerdings sei die Hälfte der US-Gesellschaft gegen den Präsidenten eingestellt, betonte Haker. Es gebe eine unglaubliche Willenskraft, sich Trumps Politik entgegenzustellen, und zahlreiche Hilfs- und Solidaritätsmaßnahmen etwa für Migranten.

https://www.vaticannews.va/de/kirche/news/2025-02/theologin-trump-politik-erinnert-an-ermachtigungsgesetz.html?utm_source=newsletter&utm_medium=email&utm_campaign=NewsletterVN-DE

…………

Fußnote 1:
Aus dem Gebet von Cardinal Dolan für Trump am 20.1.2025::
„We, blessed citizens of this one nation under God, humbled by our claim that “In God We Trust,” gather indeed this Inauguration Day to pray: for our president Donald J. Trump, his family, his advisers, his Cabinet, his aspirations, his vice president; for the Lord’s blessings upon Joseph Biden, for our men and women in uniform, for each other, whose hopes are stoked this new year, this Inauguration Day, we cannot err in relying upon that prayer from the Bible, upon which our president will soon place his hand in oath, as we make our own the supplications of King Solomon for wisdom as he began his governance…“

……….

Zur Predigt von Bischöfin Mariann Edgar Budde etwa den Bericht in der Tageszeitung Standard, Wien: https://www.derstandard.at/story/3000000254028/die-pastorin-die-trump-nicht-zum-ersten-mal-die-leviten-gelesen-hat

Und auch ein Video: https://de.video.search.yahoo.com/yhs/search?fr=yhs-tro-freshy&ei=UTF-8&hsimp=yhs-freshy&hspart=tro&p=Mariann+Edgar+Budde&type=Y219_F163_204671_042423#id=0&vid=7648f2b81cb1279903393fe80cc53d6b&action=click

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.