Religiöse Giftmischer heute

Eine Erkenntnis Friedrich Nietzsches zu den Propagandisten „überirdischer Hoffnungen“

Ein Hinweis von Christian Modehn am 4.9.2025

1.
Wer heute nach einer treffenden Bewertung fundamentalistischer religiöser Führer in Religionen und Konfessionen sucht, wird bei Friedrich Nietzsche fündig. Und wie immer bei Erkenntnissen Nietzsches: Die LeserInnen müssen den Mut haben, sich „starken Herausforderungen“ zu stellen. Aber sie können dabei ins Weite, zu ungeahnten, störenden  Erkenntnissen gelangen…

2.
In der Vorrede seines Buches „Also sprach Zarathustra“ (§3) lässt Nietzsche seinen Zarathustra sagen: „Ich beschwöre euch, meine Brüder, bleibt der Erde treu (von Nietzsche kursiv) und glaubt denen nicht, welche euch von überirdischen Hoffnungen reden! Giftmischer sind sie, ob sie es wissen oder nicht.“

3.
Nietzsche spricht von religiösen, auf Transzendenz und Überirdisches fixierten religiösen Menschen. Für sie ist die Sorge um Welt und Leib und Gesellschaft nicht dringend wichtig.
Diese Worte Nietzsches gehören zwar zu seinem ausgebreiteten Plädoyer für den „Übermenschen“. Aber eine aktuelle Lektüre kann sich von Nietzsches Aussage so anregen lassen, dass sie diese auf unsere aktuelle religiös – politische Situation bezieht. Sie kann also diesen Satz aus dem ursprünglichen Kontext lösen und wie einen allgemein gültigen Aphorismus betrachten.

4.
„Der Erde treu bleiben“ kann also für ein aktuelles Verstehen bedeuten: Der Welt der Menschen und der ganzen Natur mit ihren Schönheiten und Problemen, mit ihren Sinn stiftenden Erfahrungen und ihren menschengemachten Katastrophen verbunden bleiben, also dieser vielfältigen Welt, unserer „Erde“, treu bleiben. Nicht in himmlische, esoterische Regionen abdriften. Die Sorge um Natur, Umwelt, Ökologie, Gerechtigkeit als die zentrale Herausforderung annehmen und „bearbeiten“: Das wäre – christliche – Religion heute.

5.
„Nicht denen glauben, die von überirischen Hoffnungen reden.“ Es ist für Prediger und Pastoren, Bischöfe und Päpste, buddhistische Mönche und Rabbiner usw. absolut üblich, dass sie oft – trotz besseren Wissens – immer wieder bei allen Problemen auf ein besseres Jenseits verweisen: Im „Himmel“ werden dann die ungerecht behandelten Menschen, die Hungernden und Ausgebeuteten, schon alles besser haben. Ob sie dann dort, im Himmel, mit ihren Unterdrückern, gut vertragen wird nicht erörtert… Unter ganz bestimmten Bedingungen kann eine inhaltlich offene Hoffnung auf etwas „Überirdisches“ durchaus einen begrenzten Sinn haben, das gilt für manche Menschen in ihrer Auseinandersetzung mit dem Tod. Aber Tatsche ist: Die überirdischen Hoffnung werden wie eine Ideologie von den religiösen Herrschern eingesetzt, als Vertröstung: Man denke an die ewige Wiederholung, bei allen nur denkbaren Katastrophen Bittgebet an Gott zu richten, als würde der Himmelherr nur darauf warten, alles was Menschen falsch gemacht mit einem göttlichen Wunder schnell zu korrigieren. Diese Propaganda soll die angebliche Qualität der religiösen Führer herausstellen, denn sie sind die Produzenten überirdischer Hoffnungen im Sinne von Opium, wie Marx sagt, oder von Gift, wie Nietzsche meint.

6.
„Diese religiösen Leute sind Giftmischer“, sagt Nietzsche weiter. Sie verbreiten also Ideologien, die für die Menschen schädlich, wenn nicht tödlich sind. Die religiöse, christlich sich nennende Rechte und die Rechtsextremen in den USA zum Beispiel werden in ihren evangelikalen, pfingstlyrischen oder traditionalistisch – katholischen Gemeinden und Vereinen zum göttlichen Jubel angeleitet, sie sollen Wunder in ihren Gemeinden sehen, sollen selbst Wunder erlebt haben, sie sollen im Gebet stark werden gegen alle Liberalen und Demokraten, sie sollen an „America Great again“ glauben und dafür sogar mit Waffengewalt kämpfen. Der Abbau des nur noch minimalen Sozialstaates in den USA ist diesen religiösen Giftmischern egal, denn sie stammen noch aus „besseren Kreisen“; das Ende der staatlichen Nothilfe für die Leidenden im globalen Süden ist ihnen schnuppe, sie sind absolut „überirdisch denkende“ Egoisten. Und ihr Nationalismus ist eine globale Variante des Egoismus.. Sie haben Gift – religiös- geschluckt, und produzieren wieder Gift, verbreiten dieses Gift als ihre Mission, und verderben dabei die Menschheit.

7.
Nietzsche fügt seinem Aphorismus über die religiösen Giftmischer unmittelbar den Satz hinzu: „Verächter des Lebens sind die Giftmischer, Absterbende und selbst Vergiftete, deren die Erde müde ist: ob sie es wissen oder nicht.“
Eine Hoffnung formuliert also Nietzsche: Wie trostvoll für uns: diese religiösen Giftmischer sind selbst schon vergiftet von ihrem eigenen Gift. Aber für uns sind die letzten Worte Nietzsches hier leider nicht mehr als ein Wunsch: Diese Leute nennt er „Absterbende und selbst Vergiftete, deren die Erde müde ist: ob sie es wissen oder nicht.“
Wollen wir hoffen, dass in diesem Falle Nietzsche recht hat.

8.
Jeder und jede kann weitere Beispiele finden über die religiösen Giftmischer im eigenen Umfeld, in eigenen Konfessionen und Religionen… in Deutschland, Europa und anderswo…

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

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