Papst Leo XIV. kritisch wahrnehmen: Bisher nur ein frommer Wunsch!

Ein Hinweis von Christian Modehn am 2.9.2025

1.
Gibt es allmählich eine systematische, regelmäßige kritische journalistische Recherche, eine theologische und historische Forschung zu Papst Leo XIV. bzw. zum Kardinal Prevost? Diese Frage stellen wir Anfang September 2025, vier Monate, nach dem „Regierungsantritt“ Leos am 8. Mai 2025. Und wir haben den begründeten Eindruck: Nein, diese kritische Forschung zu Papst Leo XIV. gibt es nicht. Nur vereinzelt werden kurze, eher flapsige Bewertungen publiziert, auf die wir hingewiesen haben. LINK.

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Am 8.9.2025 ergänzt: Wer Zeit und gute Nerven hat, kann die lobhudelnden Stellungnahmen von Papst Leo zu Orten reaktionär – katholischen Glaubens lesen, auf die Sainte Anne d Auray Feierlichkeiten in der Bretagne mit dem päpstlichen Sonderdelegierten, dem allseits als solchen bekanten reaktionären Kardinal Sarah, haben wir hingewiesen. Jetzt also, am 8.9.2025, der einschmeichelnde Brief des Papstes an den eigentlich und endlich aus Köln abzulösenden Kardinal RainerM. Woeli,  und eine Lobeshyme auf diese Wallfahrts – Kapelle in der Kölner Kupfergasse, Inbegriff der konservativ – naiven Volksfrömmigkeit, die der Papst als Augustiner sooooo mag. LINK Und Im Oktober 2025 wird der rektionäre Kardinal Burke aus den USA im Petersdom eine Messe nach uralter Art der Traditionalisten feiern , mit Zustimmung von Leo XIV.. LINK Der sollte doch endlich mal etwas Kritisches gegen den Dikator Trump, seinen Landsmann, sagen, melden mir Freunde aus den USA. Aber da wird vom Papst bestensfalls den amerikanischen Katholiken Nächstenliebe empfohlen, wie kürzlich in einer Videobotschaft des Papstes nach Philadelpihia.  Bloß immer nett sein, und eine “Einheit” pflegen, wie sein “Vater” Augustinus sagte….

Wir bleiben dabei: Dieser Papst Leo XIV. ist ein sehr Konservativer, der in theologischer Unentschiedenheit mal was für die Progressiven tut, aber sehr viel für die Konservativen. Ein Papst der Reformen, der notwendigen Reformation,  wird dieser Augustiner nie. Dazu sind die Augustiner, von Luthers Ketzerei immer noch verwirrt und erschüttert, viel zu wenig mutig, gar nicht wegweisend in eine vernünftige Zukunft des Christentums. Welche turbulenten Orte des sozialen Lebens hat dieser Papst in den vier Monaten seiner Herrschaft besucht? Papst Franzsikus war in dieser Zeit schon mal bei den Flüchtlingen auf Lampedusa, Leo war zwei Mal in den Gemächern von Castel Gandolfo. Zumal: Dieser Augustiener Orden hat keine Theologen, Augustiner leiten heute weltweit Pfarreien, und das wars dann weithin.. Mir sagte ein Freund aus Peru: Man glaube doch nicht, Bischof Prevost damals in Peru, heute Papst Leo, sei ein Befreiungstheologe, bloß weil er bei Überschwemmungen mit Gummistiefeln durch die Stadt gelaufen ist…

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2.
Unmittelbar nach „Regierungsantritt“ Leos XIV. haben wir gezeigt: Leos Denken ist von Augustinus bestimmt, Leo erinnert sozusagen permanent in seinen Predigten, Grußworten usw. an Augustinus, an seinen „Vater“, wie er sagte, als er sich als “Sohn des Augustinus“ bezeichnete. Diese Augustinus – Fixierung verheißt nichts Gutes, denn Augustin ist insgesamt ein höchst problematischer, in vielen Thesen abzulehnender Theologe.

3.
Wir können hier gar nicht alle Details zu Leo XIV. herausarbeiten. Da gibt es in dieser verrückten Welt wahrlich wichtigere, auch politische und philosophische Themen. Aber: Man lese nur Leos Predigt zur Eröffnung des Generalkapitels des Augustiner Ordens in Rom am 1.9.2025, bei der Leo in voller päpstlicher Pracht als Augustiner an der Messe teilnahm und eine Predigt hielt, die sozusagen von Augustinus – Zitaten wimmelt, abgesehen davon, dass Leo zu Beginn seiner Predigt an den nun wahrlich „bedeutenden“ Kirchenlehrer Didymus den Blinden mit einem Zitat erinnerte. Der Inhalt der Predigt wird von Vatican news treffend mit den sehr allgemeinen moralisch gefärbten Worten: „Hören, Demut, Einheit“ zusammengefasst. Es sind Ermahnungen alter Art, die der Papst da vorträgt. Man glaubt zu träumen, wenn man an all die euphorischen Worte von Journalisten und Theologen denkt, gleich nach der Papst Wahl: Er sei doch so international gesinnt, so sehr ein Freund der Armen, ein Kenner der lateinamerikanischen Befreiungstheologie, ein Freund des großen Papstes Franziskus…. Von all dem ist in dieser Predigt für einen internationalen Orden nichts zu hören. Er sagt seinen „Mitbrüdern“ nichts als fromme Erbauung uralter Art.

4.
Augustin ist bekanntlich ein Theologe des Altertums, mit einigen Zitaten aus dessen Jugendzeit versucht der Papst ihn zu „modernisieren“, was nicht gelingen kann, wenn man nur an das viel zitierte päpstliche Wort „Einheit“ denkt. Einheit im Sinne Augustins kann nur Einheit als Gehorsam gegenüber der kirchlichen Obrigkeit sein. Und Augustin verstand Einheit nur als siegreiches Endergebnis in seinem heftigen Kampf gegen die vielen angeblichen Irrlehrer seiner Umgebung. Leo sagte in seiner Predigt: „Denn was verbindet, kommt von ihm, dem heiligen Geist, aber was spaltet, kann nicht von ihm sein.“ Damit ist erneut ausgeschlossen, dass die Reformation, die der Augustiner Martin Luther einleitete und die zur begründeten Abspaltung von der total verkommenen Papstkirche führte, „nicht vom heiligen Geist“ stammt. Welch eine verheerende ökumenische Perspektive!

Die Predigt Leos am 1.9.2025:  LINK:
5.
Nur ein weiterer Hinweis: Papst Leo empfing Ende August eine hohe Auszeichnung des Augustiner Orden in den USA und er bedankte sich dafür in einer Videobotschaft von 13 Minuten. Wie Vatican-news berichtet, sagte der aus den USA stammende Papst Leo kein kritisches Wort über den Umgang mit Armen, Ausländern, Flüchtlingen etc. durch den Machthaber Trump und sein Regime. Nein, Papst Leo, milde gestimmt wie immer, rief den Orden höchst allgemein zur Nächstenliebe auf. „Durch Freundschaft, Beziehungen, Dialog und gegenseitigen Respekt können wir unsere Unterschiede überwinden und unsere wahre Identität als Schwestern und Brüder in Christus entdecken.“ Immerhin dann noch die wie üblich allgemein gehaltene Aufforderung an die Augustiner und sicher auch an die Katholiken in den USA: Als Kirche sind wir ermutigt, uns in der Kunst des Zuhörens zu erneuern – im Gebet, in der Stille, im Unterscheiden und Nachdenken. Wir haben die Möglichkeit und Verantwortung, auf den Heiligen Geist zu hören, aufeinander zu hören, auf die Stimmen der Armen und Ausgegrenzten.“ Ja, ja, wir haben die Möglichkeit…Es geht dem Papst aber nicht um eine dringende Notwendigkeit, „auf die Stimmen der Armen und Ausgegrenzten zu hören.“ Es geht ihm offenbar nicht darum, dass us-amerikanische Katholiken und mit ihnen die Augustiner zu Verteidigern der Menschenrechte werden in den sich zur Trump -Diktatur entwickelnden USA… LINK 

6.
Mit anderen Worten: Bei so viel Sanftheit und Milde ist nicht zu erwarten, dass Leo XIV. auch nur ansatzweise ein „prophetischer Papst“ wird. Unseres Erachtens war dies Papst Franziskus durchaus. Die Kardinäle wollten wohl mit der Wahl von Kardinal Prevost zu Papst Leo XIV. für Milde, Ruhe, Gelassenheit, freundliches Lächeln, EINHEIT bitte, Allgemeinheiten in politischen Fragen usw. sorgen.

7.

Man darf den begründeten Eindruck haben: Papst Leo XIV. ist überfordert angesichts der verrückten Situation dieser Welt, Rechtsextremismus, Antisemitismus, Ungleichheit, Verfall der Demokratie, zunehmende Armut im globalen Süden. usw., er ist überfordert mit seinen milden augustinischen Sprüchen. Und er ist auch überfordert, kritisch die Situation etwa der Kirche in Westeuropa wahrzunehmen: Er sieht nicht, dass diese römische Kirche, im alten Stil, immer weiter so fortgesetzt “wie immer”, nachweislich und objektiv bewiesen dem Ende entgegen geht. Die noch nachdenklichen Katholiken können die klerikale Welt, die Welt der uralten Dogmen, nicht mehr ertragen. Dabei weiß Papst Leo doch genau, dass die einst “blühenden” Provinzen des Augustinerordens in Holland, Belgien, Irland, Deutschland, USA, Kanada allmählich bestenfalls noch Altersheime sind, also vor dem Aussterben stehen. Das gilt für andere Orden auch, Zölibtsgesetze sind passé. Gott sei Dank. Das gilt auch für die Bistümer, die, wie in Deutschland und Frankreich, nur noch den “Import” von Priestern aus Polen, Nigeria, Philippinen, Indien überhaupt  noch das alte klerikale System fortsetzen können…Aber die Bischöfe und die Ordensoberen tun so, als ginge alles weiter “wie immer”…

8.

Man darf gespannt sein, mit welchen drei oder vier Augustinern der Papst alsbald in seinem Papstpalast zusammenleben wird. Hoffentlich sind einige kritische Theologen dabei, aber … sooo viele Theologen hat dieser Orden leider nicht. Aber vielleicht lädt er auch Mitglieder der Augustiner-Rekollekten, der Augustiner-Barfüßer oder der französischen Augustiner, Assumptionisten genannt, in seinen Palast ein. Denn es gibt eben nicht nur Papst Leos Augustinerorden (OSA als Abkürzung)…. von den anderen Augustinerorden spricht er nicht, ist dies seine viel besprochene augustinische EINHEIT?

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

Christian Modehn: M.A. in Philosophie und Staatsexamen in kathol. Theologie, ist freier Journalist und Autor und beobachtet aus der gebotenen Distanz den Katholizismus.