Karl Rahner – ein Modernist und liberaler Theologe ?

Gott als Geheimnis. Der christliche Glaube ist einfach. Die Liebe ist alles.

Ein Hinweis von Christian Modehn … anläßlich der Rahner Gedenktage 2024: Am 5. März 1904 geboren, Karl Rahner starb am 30. März 1984.

Wegen einiger Nachfragen ein kurzes Vorwort,verfasst am 27.2.2024:

Man beachte bitte das ungewöhnliche Profil des theologischen Denkens Karl Rahners: Es fällt förmlich aus dem Rahmen des Üblichen-Katholischen in der Mitte des 20. Jahrhunderts; selbst wenn Rahner sich in einigen seiner Aufsätze doch als klassischer, dogmatisch üblich-korrekter Theologe zeigte. Aber der entscheidende Grundansatz von Karl Rainers Theologie ist ungewöhnlich und neu und bleibend wegweisend. Darum in diesem kurzen Vorwort eine Art theologische Leitlinie zur Theologie Karl Rahners:

—„Das Christentum ist in seinem Wesen die Subjektivität des begnadeten Menschen von Gott her und auf Gott hin.“ (So Rahner, etwa im Lexikon Sacramentum Mundi, Stichwort: Christentum).
Rahner will sagen: Wer den christlichen Glauben verstehen will, muss die Strukturen und Dimensionen des menschlichen, subjektiven Geistes verstehen. In ihm ist alles „Inhaltliche“ schon enthalten, was der christliche Glaube bedeutet.
Diese Position erinnert an die theologische Schule des „Modernismus“ obwohl Rahner natürlich aus Furcht vor Verfolgungen durch Rom alles tat, um den Eindruck zu vermeiden, er sei ein – in römischer Sicht immer noch häretischer – Modernist. Aber, so meine These, er war es de facto in gewisser, seiner Weise. Und war gerade deswegen kreativ!

—Man beachte hier die Bindung Rahners an die Transenzendentalphilosophie, auch Immanuel Kants. „Rahner und Kant“ wäre ein wichtiges und vielleicht mal neu zu gestaltendes Thema im Jahr 2024, dem großen „Kant – Gedenken“.

—Diese Einordnung und Bindung der katholischen Theologie in die neuzeitliche Subjekt-(Transzendental)-Philosophie ist die entscheidende originelle Leistung Rahners.

— Der christliche Glaube ist also für Karl Rahner nicht eine große dogmatische Lehre, sondern zuerst eine innere, subjektive Erfahrung des einzelnen.

Entscheidend ist für Rahner: Der Mensch kann sein Dasein metaphysisch (philosophisch) und mystisch erfahren und deuten. Und als Christ kann er dann erkennen: Die in der Bibel beschriebenen Gotteserfahrungen sind nur geschichtliche, in Worte der damaligen Zeiten gefasste Auslegungen dieser immer gegebenen metaphysisch – mystischen Grunderfahreungen der Menschen überhaupt. Das ist auch eine Kernaussage einer liberalen, auch modernistisch zu nennenden Theologie. Wir halten dies für eine großartige Leistung Karl Rahners, der sich unter den strengen Bedingungen des damaligen päpstlichen Lehramtes natürlich nie “modernistisch” oder “liberal” hätte nennen dürfen, weil er an seinem Überleben im katholischen System damals dann doch interessiert war. So war Rahner – in gewisser, aber grundlegender Hinsicht – ein “liberaler” und “modernistischer” Theologe.

– Karl Rahner wollte die universale Dimension des christlichen Glaubens darstellen, die gegründet ist in der Verbundenheit mit dem Göttlichen in jedem Menschen.

Deswegen wird auch verständlich, dass Karl Rahner – nach dem Eindruck der Lesenden – sehr wenig Bibelzitate nennt in seinen Aufsätzen und Beiträgen und Büchern: Das ist meines Erachtens überhaupt kein Mangel, denn Rahner denkt aus dem Ereignis, dass die frühe Kirche Jesus von Nazareth als Menschen der ganz besonderen Verbundenheit mit Gott verstand. Und dieser Mensch Jesus mit der besonderen Verbundenheit mit Gott zeigt: Alle Menschen immer und überall sind auch mit Gott ewig verbunden. Und die Auferstehung Jesu zeigt nur: Das Ewige im Menschen – die geistige Verbundenheit mit Gott – ist stärker als die Macht des Todes. LINK

…………

1.
An einen katholischen Theologen, der tatsächlich auch heute das Prädikat bedeutend verdient, muss erinnert werden, an Karl Rahner.
Warum gerade an ihn? Weil Karl Rahner als einer der wenigen europäischen Theologen des 20. Jahrhunderts einen eigenen theologischen Ansatz hatte, weil er also kreativ war in Zeiten katholisch – theologischer Versteinerungen und Verdächtigungen, er eröffnete neue Dimensionen des theologischen Denkens, also er ermöglichte geistvolles Leben und er gab Impulse für (religions-)philosophisches Denken. Denn Rahner war philosophisch nicht nur gebildet, sondern hoch begabt. Und wer seine Beiträge liest, weiß: Da spricht ein philosophisch Denkender, man möchte sagen ein spekulativ denkender Theologe. Auch deswegen interessiert uns nach wie vor Karl Rahner.

2.
Dabei wissen wir: Karl Rahner hat nicht nur ein äußerst umfangreiches Werk hinterlassen, in dem auch seine eigener „typischer“ und nach wie vor theologisch wegweisender Ansatz enthalten ist, davon wird gleich nach einmal die Rede sein. Dass viele seiner Texte manchen viel Mühe machen bei der Lektüre, ist bekannt.
Vor allem auch dieser kritische Hinweis: Karl Rahner war als Jesuit eben auch immer dem Aufbau dieser faktischen römisch-katholischen Kirche eng verbunden und damit auch dem Lehramt, so sehr er auch die Macht Roms öffentlich heftig kritisierte. War es Hass – Liebe? Das würde ein Jesuit niemals zugeben… Aber Rahner wollte als ein Seelsorger dann doch die Katholiken sozusagen auferbauen in allerhand spirituellen Meditationen oder vielen Reflexionen etwa zu Maria oder zum Ablass oder zu Detailfragen der katholischen Messe und so weiter.
Karl Rahner gönnte sich kaum Erholung, man erinnere sich an sein Wort, dass er eben sein Leben arbeitend verbracht habe …1984 erschien das Buch “Bekenntnisse. Rückblick auf 80 Jahre”, darin wird Rahner am Ende eines längeren Interviews gefragt: “Was bedeutet Ignatius von Loyola (der Gründer des Jesuoitenordens) für Ihr persönliches Leben?”. Rahner antwortet: “Ich weiß nicht, was mit meinem Leben ist. Ich habe kein Leben geführt, ich habe gearbeitet, geschrieben, doziert, meine Pflicht zu tun und mein Brot zu verdienen versucht, ich habe in dieser üblichen Banalität versucht, Gott zu dienen, fertig” (S. 58, Herold-Verlag, Wien).

3.
Uns geht es hier nicht um den spirituellen Schriftsteller, sondern um den kreativen Theologen Karl Rahner. Wir haben schon früher zu zeigen versucht, dass Rahner durchaus im Grundansatz seines Denkens, der transzendentalen Theologie, ein Modernist genannt werden kann. Modernist ist ein katholischer Theologe, der die Moderne und ihre Ideen anerkennt und theologisch realisiert, sehr kurz gesagt.
Diese Denker pflegten die Päpste des 20. Jahrhunderts zu exkommunizieren, so geistlos waren diese vatikanischen Herrscher…
Rahner muss den Vorwurf, selber „Modernist zu sein, empfunden haben: Denn immer wieder wehrt er sich (aus Angst vor Prozessen im Vatikan), als Modernist bezeichnet zu werden: So unter anderem auch in „Herders Theologisches Taschen Lexikon“, 1973, Band 5, S. 240: Dort wehrt er sich, seine Ausführungen zur transzendentalen Offenbarung seien ein „Irrtum des Modernismus“. Dass einige seiner kompetenten und mutigen Interpreten, wie der Jesuit Prof. Philip Endean (Oxford), Rahner als durchaus als „liberalen Theologen“ interpretierten, also fast als Modernisten, ist bekannt und wird in meinem Beitrag erwähnt. LINK

4.
Was „transzendentale Offenbarung“ im Sinne Rahners bedeutet, wurde von ihm selbst oft lang und breit, schwer verständlich manchmal, erläutert. Nur so viel für „theologische Laien“: Rahner ist überzeugt, dass in jedem Menschen, also nicht nur unter Christen, der eine Geist Gottes lebendig ist. Dieser göttliche Geist drückt sich in religiösen Vollzügen und Texten aus, also auch in so genannten „nicht- christlichen“ Religionen. Dieser göttliche Geist in allen Menschen bestimmt deren geistiges Leben insgesamt, das Göttliche gehört sozusagen zum unabwendbaren Horizont jeder menschlichen Erkenntnis. Dass da Anklänge an Hegel sichtbar werden, ist klar.
Mit dieser universellen Präsenz Gottes (Rahner meint immer die Präsenz des Gottes, den die Bibel vielfältig beschreibt), wird sozusagen einerseits die Pluralität der Gottesverehrungen und andererseits die Einheit aller Religionen (Einheit durch die Stiftung in dem einen Geist) herausgearbeitet. Ob dieses Denken in heutiger Sicht zu stark euro-zentrisch ist, müsste diskutiert werden.
Wichtiger aber ist: Für diese transzendentale Theologie sind auch die christlichen Lehren, die biblischen Bücher, also das „Objektive“ der Lehren, Ausdruck der geistigen Verfassung der Menschen, sie sind sozusagen Produkt des in den Menschen anwesenden göttlichen Geistes. Die Bibel – ein Produkt frommer Menschen: großartig dieser Gedanke.

5.
Leider wird nach meinem Eindruck diese kreative Dimension im Denken Rahners eher selten heute von Theologen herausgearbeitet. Meine These: Rahner ist eigentlich ein sich ängstigender Modernist. Und er sollte sich darüber freuen und nicht schämen, das wird leider nicht diskutiert.
Nur Prof. Endean erkennt die Bedeutung, was die Modernisten im Denken Rahners angeht: „Rahners Vorhaben war im Grunde genommen dasselbe wie das ihre (der Modernisten)“, (zit. in „Stimmen der Zeit“, Spezial I 2004, S 67.)

In „Herder Theologisches Taschen-Lexikon“, Band 5, Seite 240 schreibt Rahner unter dem Stichwort Offenbarung: „Jeder (!) Mensch ist durch die Gnade Gottes in seiner transzendentalen Geistigkeit unreflex erhoben“, d.h. Jeder Mensch ist durch die Gnade Gottes „vergöttlicht“, Rahner verwendet das Wort „Vergöttlichung“ !: Jeder Mensch – also immer und überall, auch außerhalb der Kirche – hat also Anteil am göttlichen Leben, ohne dabei in irgendeiner Weise in seinem freien Menschsein beeinträchtigt zu sein oder dabei reflektiert diese seine „Vergöttlichung“ ALS „Vergöttlichung“ zu erleben und zu deuten. (a.a.O. S. 240).
Rahner meint – etwas ins Umgangssprachliche übersetzt: Das geistvolle Leben der Menschen vollzieht sich immer im Horizont des Unendlichen, das Rahner Gott zu nennen meint. Wenn nun Menschen diese ihre Lebenserfahrungen in diesem Horizont des Unendlichen aussagen und von Gott sprechen, dann ereignet sich eine kategoriale, d.h. sprachlich, begrifflich, satzhafte Aussage von gott, die man Offenbarung nennen kann. Die weite Religionsgeschichte mit ihren religiösen Schriften ist also Offenbarungsgeschichte. Dabei betont Rahner als katholischer Theologe: Diese Erkenntnisse gewinnen wir erst in der Kenntnis der jüdisch-christlichen Offenbarung. Diese Offenbarung meint Rahner auch deswegen als den Höhepunkt der Offenbarungsgeschichte deuten zu können und verstehen zu wollen.

6.
Prof.Philip Endean (+ 2023) schreibt treffend: „Rahners zentrale Botschaft wurde zwar gehört. Aber die damit verbundenen Herausforderungen für das konventionelle Denken waren so groß, dass die Botschaft nur in einer verkümmerten Form verstanden wurde.“ (zit. ebd.)

7.
Zur theologischen Meditation:
Wenigstens einige zentrale, kurz gefasste Erkenntnisse Rahners, die in gewöhnlichen römisch- katholischen Kreisen natürlich als Provokation wahrgenommen wurden und werden, zur theologischen Meditation:

– „Mein Christentum ist der Akt eines Sichloslassens in das unbegreifliche Geheimnis hinein. Mein Christentum ist darum alles andere als eine Erklärung der Welt und meiner Existenz. Der Christ hat weniger als jeder andere letzte Antworten. Seinen Gott kann der Christ nicht als einen durchschauten Posten in die Rechnung seines Lebens einsetzen, sondern nur als das unbegreifliche Geheimnis annehmen …“ (Karl Rahner, Warum ich heute Christ bin, zit. in Beitrag Philip Endean, a.a.O., s. 70 f.).

– „Die Kirche sagt eigentlich ganz wenig: nämlich, dass es ein unüberholbares Geheimnis realster Art in unserem Dasein gibt: Gott. Und dass dieser Gott uns nahe ist und sich in Jesus gezeigt hat. In diesem eigentlich ganz Einfachen haben Sie im Grunde schon das ganze Christentum“ . (Karl Rahner, Schriften zur Theologie, Band X, Benziner Verlag 1972, S. 283).

– „Es ist nicht auszuschließen, dass die normale Verkündigung Gottes das Gottesbild primitivisiert und unglaubwürdig macht, zumal eine Verkündigung, die nur lehramtliche Dogmen über Gott wiederholt… Es gibt einen Kampf gegen die Unzulänglichkeit unseres eigenen Theismus“ („Kirche und Atheismus“, in Schriften zur Theologie, Band XV. Benziner Verlag 1983. S. 149)

– „Nach der Lehre des Christentums ist die Nächstenliebe nicht bloß ein Gebot, das erfüllt werden muss, sie ist nicht bloß eine der vielen Verpflichtungen des Menschen und des Christen, sondern der Vollzug des Christentums schlechthin“ (zit, Karl Rahner, „Ich glaube an Jesus Christus, Benziger Verlag. 1968.)

Sechs Wochen vor seinem Tod hielt Karl Rahner einen bemerkenswerten Vortrag zum Thema Tod, darin zeigt sich der Theologe, der Philosoph, der Mystiker vor allem: LINK 

Weiterführend siehe auch: LINK.

Copyright: Christian Modehn, religionsphilosophischer-salon.de

Sexueller Missbrauch durch Kleriker – Hinweise zur Geschichte einer verdrängten und verleugneten katholischen Tradition.

Von Christian Modehn am 22.7.2023

1.
Die sexuelle Missbrauch durch katholische Kleriker ist kein neues Ereignis des 21. Jahrhunderts. Es wird Zeit, einige historische Tatsachen öffentlich zu machen. Und zu zeigen, dass der Schutz der angeklagten Kleriker schon damals vorrangiges Ziel der Hierarchie war. Und das ist mehr als ein „nur-historisches Thema“.

2.

Die Kirchenführung und die Theologen hatten – spätestens seit Einführung des Zölibatsgesetzes im 12. Jahrhundert – das abstrakte Ideal eines keuschen, und deswegen (!) heiligen Klerus vor Augen.
Von pädosexuellen Klerikern sind bis ins 20. Jahrhundert nur wenige Dokumente überliefert. In seiner Studie über die Geschichte der Sexualität des Klerus spricht der Spezialist, der Historiker Georg Denzler, nur undifferenziert von “Homosexualität im Klerus”. Das Thema der so genannten „Pädophilie“ bzw. „Pädosexualität“ unter Priestern und Ordensleuten wird nicht eigens erwähnt. Dabei ist klar, dass das Wort „Pädophilie“ erst Ende des 19. Jahrhunderts verwendet wird. Aber es liegt nahe, dass „Pädophilie“ auch „mit-gemeint“ ist, wenn etwa Konzilien von „Sodomie“ im Klerus sprechen, wie etwa das III. Laterankonzil schon im Jahr 1179. Dort wurde in Kanon 11 bestimmt: Wenn ein Kleriker der „Unzucht wider die Natur verfallen ist, dann soll er aus dem Klerus ausgestoßen und in ein Kloster verbannt werden, um dort Buße zu tun“. (Quelle: Das Buch „Kreuzfeuer“. München 1991, darin der Beitrag von Prof. Denzler, S.106.).
Man erinnere sich: Eine andere milde Strafe fiel auch Papst Benedikt XVI.nicht ein, als er den bekannten pädosexuellen Verbrecher, den Ordensgründer der „Legionäre Christi“, Pater Marcial Mariel, aller seiner hohen Funktionen enthob, aber ihn NICHT den Gerichten übergab, sondern… in ein Kloster zur Buße schickte, aus dem sich der Verbrecher nach Florida (USA) flüchtete…LINK

Da war selbst Papst Pius V. (1572) schon weiter, als er verlangte, dass „sodomitische Priester von der weltlichen Obrigkeit verurteilt werden sollen…“

Frühes Mittelalter: Der heilige Petrus Damiani.

3.

Zunächst muss der heilige Petrus Damiani (geboren 1006 in Ravenna – gestorben 1072 in Faenza, Italien) vor allem wegen seines Buches „Liber Gomorrhianus“ („Das Gomorrah Buch“) aus dem Jahr 1050 erwähnt werden.
Petrus Damiani war Mitglied eines Eremitenordens innerhalb der benediktinischen Tradition, er war Theologe, später auch Bischof von Ostia und dann auch führender Kardinal. In dieser Funktion setzte er sich leidenschaftlich für eine strenge Kirchenreform vor allem für eine „moralische Reinigung“ des Klerus ein. Er zog sich aber im Jahr 1061 aus der Kirchenpolitik in ein Kloster zurück, frustriert angesichts der fortbestehenden „amoralischen Zustände“ im Klerus. „Vielleicht war damals das `Laster` (gemeint ist Homosexualität im allgemeinen) unter dem Klerus so weit verbreitet, dass ein energisches Durchgreifen, wie Petrus Damiani es für notwendig hielt, zu einer spürbaren Dezimierung des Klerus geführt hätte“, so Prof. Denzler, S . 105.

4.

Im Titel seines Buches nimmt Petrus Damiani Bezug auf den alttestamentlichen Mythos von Sodom und Gomorra, in diesem Buch verurteilt Petrus Damiani offenbar auch pädosexuelle Praktiken durch Priester, selbst wenn er diesen Begriff nicht verwendet. Petrus Damiani spricht im 8. Kapitel seines Buches vom Umgang des Beichtvaters mit seinen „spirituellen Söhnen“, die vom Priester selbst missbraucht wurden. So Pierre J. Prayer, in seinem Buch, erschienen in Waterloo, Ontario, 182, S. 14. LINK
Im katholischen „Dom-Radio“ (Köln) schreibt Anselm Verbeek am 23.2.2022: „Gegenüber Papst Leo IX. prangerte Petrus Damini,`das höchst unflätige Leben im Klerus` an. Er empörte sich über `Unzucht und Missbrauch von Minderjährigen unter dem Deckmantel der Religion`.”

5.

Die Hinweise des Petrus Damiani zu sexuellem Missbrauch an „Spirituellen Söhnen“ dienten nicht der Aufklärung in der damaligen klerikal bestimmten Gesellschaft. Sie sind dem Autor Petrus Damiani wichtig, weil er jegliche praktizierte Sexualität, mehr noch: jegliche Akzeptanz von Leiblichkeit im Klerus aufs schärfste verurteilt. Wäre Petrus Damiani ein objektiver (und damit kirchenkritischer) „Aufklärer“ gewesen über die Vertuschungen der Pädokriminaliät im Klerus, dann wäre er gewiss nicht 1828 zum katholischen Kirchenlehrer feierlich ernannt worden und zu einem Heiligen, den übrigens Kardinal Ratzinger sehr lobte. Petrus Damiani gilt heute als der radikale Feind jeglicher Sexualität außerhalb der Ehe.

6.

Aber der Heilige empfiehlt dann die in Klerikerkreisen übliche Geheimhaltung des Missbrauchs: In einem Schreiben an Papst Nikolaus II. behauptet Petrus Damiani: „Würde die Unzucht bei den Priestern geheim betrieben, so sei es zu ertragen, aber die öffentlichen Konkubinen, ihre schwangeren Leiber, die schreienden Kinder, das sei das Ärgernis der Kirche“, berichtet wikipedia.

7.

Es ist ein Beleg für die Oberflächlichkeit katholischer Theologie und katholischer Geschichtsforschung, wenn in dem durchaus repräsentativen umfangreichen Band „Reformer der Kirche“ (Mainz 1970) ein Beitrag des katholischen Theologen und Historikers Jean Leclercq über Petrus Damiani erscheint. Und darin mit keinem Wort dessen Buch „Liber Gomorrhianus“ erwähnt wird (S. 540 f.). Hingegen wird berichtet: Er sei „ein Fürsprecher der freiwilligen Geißelung“ gewesen (S. 541) und habe diese Form des frommen Masochismus auch selbst praktiziert.
Nebenbei: Wen wundert es dann noch, dass dieser strenge Masochist heute in der katholischen Kirche offiziell als „Patron und Helfer gegen Kopfschmerzen” verehrt werden darf, so der Wikipedia Beitrag (Deutsch) über Petrus Damiani.

Missbrauch im Orden der Schulpriester, auch „Piaristen“ genannt, im 17. Jahrhundert.

8.

Der sexuelle Missbrauch durch Priester hat eine lange Tradition auch im 17. Jahrhundert. Sie wird deutlich greifbar in der umfassenden historischen Forschung von Karen Liebreich, sie studierte die Frühgeschichte des Ordens der “Piaristen”, der „Schulpriester“, gegründet vom heiligen Joseph Calasanz, 1617 von Papst Paul V. offiziell in Rom als Orden bestätigt. Calasanz lebte von 1557 – 1648.

Die Historikerin Karen Liebreich hat im Jahr 2004 ihre Studie „Fallen Order“ in New York, publiziert. Sie hatte Zugang zu entsprechenden Archiven in Rom, Florenz usw… Der Orden der Schulpriester hatte sich zu Beginn vor allem für den Unterricht armer Kinder (Jungen) in eigenen Ordensschulen engagiert. Und unter den Lehrern, den Ordenspriestern, sammelten sich bald – bei dieser „Spezialisierung“ auf den Unterricht von Knaben – tatsächlich Pädophile. „Bekannte pädophile Priester wurden von einer Ordens – Schule der Piaristen in die andere versetzt und so wurde Ihnen Zugang zu Kindern ermöglicht. „Der Ordensgründer Calasanz wusste doch, was geschieht, wenn Männer und Jungen miteinander allein gelassen werden, seine Schriften und seine Regeln für die Schule zeigen das“, schreibt Karen Liebreich auf S. 269. Aber die pädophilen Priester im Orden vernetzten sich, versuchten erfolgreich, Einfluss und Macht im ganzen Orden zu gewinnen: „Der Ordensgründer Joseph Calasanz wusste, was da an Missbrauch geschah, ebenso wie die Kardinäle, die Bischöfe und letztlich auch der Papst“ (ebd.). „Aber der Skandal der pädophilen Schulpriester wurde ignoriert, um den Ruf eines wichtigen Klerikers mit einflußreichen familiären Beziehungen zu schützen“. Und der Ordenspriester Stefano degli Angeli Cherubini (geb. 1600) wurde sogar noch mit vollem Wissen des Papstes sogar im Jahr 1643 oberster Chef des Ordens.

9.

Der Ordensgründer Calasanz deckte den pädophilen Verbrecher nun auch als seinen Vorgesetzten im Orden. „Kindesmissbrauch durch Ordenspriester wurde von Calasanz ignoriert und „zugedeckt“, und in jedem Fall „war immer seine erste Priorität der gute Rufe des Ordens und die Reputation der betroffenen Mitbürger“ (S. 257). „Erst als die Tatsachen auch in der Öffentlichkeit bekannt wurden, wurde der Orden der Schulpriester als Orden verboten, eine noch nie dagewesene Aktion der Kirche“ (ebd.). Das geschah 1646, immerhin hatte Papst Innozenz X. den Mut, einen von pädophilen Klerikern durchsetzten Orden zu verbieten. Aber 10 Jahre später konnte der Orden natürlich mit päpstlicher Erlaubnis (durch Alexander VII.) seine Aktivstem wieder aufnehmen… er hat seitdem eine nach außen hin erfolgreiche Geschichte mit vielen prominenten Schülern…
Roland Machatschke (Wien), Journalist und Mitarbeiter der Wiener Piaristen, hat einen ausführlichen Vortrag über die frühe Geschichte des Piaristen-Ordens veröffentlicht: LINK

10.

In dem umfassenden Lexikon  „Reformer der Kirche“ (hg. von Peter Manns, Mainz 1970), wird in dem Beitrag über den heiligen Joseph Calasanz, Seite 904-907) mit keinem Wort der sexuelle Missbrauch etwa durch Pater Cherubini erwähnt. Er wird nur als ein „Ehrgeiziger“ beschrieben, der „reiche Gönner hatte“ (S. 906). Als Ordensgeneral (1643) wurde Cherubini entlassen, aber die Autorin Hilde Firtel nennt als Grund nur „Unterschlagungen“, nicht sexuellen Missbrauch. Der Herausgeber Peter Manns, Mainz, war Professor für Kirchengeschichte in Mainz… er galt als „katholischer Luther-Spezialist“…

11.

Zu einer Auflösung eines korrupten Ordens waren die Päpste Johannes Paul II., Benedikt XVI. und Franziskus nicht bereit oder nicht in der Lage, als es darum ging, wegen der pädosexuellen Verbrechen Pater Marcial Maciels von den „Legionären Christi“ diesen Orden zu verbieten und aufzulösen, ein Vorschlag, der vielfach von Opfern Pater Maciels vorgebracht wurde… Aber der Einfluß des Ordensgründers unter den Kardinälen, seine öffentlich bekannte Freundschaft mit Papst Johannes Paul II., sein bekannter finanzieller Reichtum, seine vielen einsatzbereiten jungen Priester usw. verhinderten wohl die Auflösung dieses von vielen für korrupt gehaltenen Ordens…Verschiedene Studien zu den “Legionären Christi”:
LINK

Missbrauch im „Merzedarier-Orden“ im Spanien des 17. Jahrhunderts

12.
Über einen pädosexuellen Ordenspriester im Spanien des 17. Jahrhunderts liegt eine kleine historische Studie vor, sie hat Prof. Raphael Carrasco verfasst unter dem Titel „Sodomiten und Inquisitoren im Spanien des 16. und 17. Jahrhunderts“. Die Studie ist erschienen in dem Sammelband „Die sexuelle Gewalt in der Geschichte“, hg. von dem Historiker Alain Corbin, Wagenbach Verlag, 1992, dort S. 45-58. Die französische Ausgabe erschien 1989. Das Buch ist auf Deutsch nur noch antiquarisch verfügbar…Raphael Carrasco (Montpellier) geht der Frage nach: Wie konnte sich ein hoher Kleriker, des sexuellen Missbrauchs angeklagt, im Spanien des 17.Jahrhunderts aus der Affäre ziehen, nur weil er ein Kleriker war und „der gute Rufe der Kirche bewahrt werden musste“.

13.

Prof. Raphael Carrasco stellt in seinem Aufsatz den sexuellen Missbrauch eines Mönchs zunächst in den größeren Zusammenhang der Homosexualität (damals Sodomie genannt) im „Inquisitionsbezirk Valencia“ im 16. und 17. Jahrhundert. Schon 1497 hatten die „Katholischen Könige“ dort für Sodomiten die Strafe des Feuertodes festgelegt. In einem grundlegenden Text der katholischen Könige heißt es: „Es handelt sich um die Bestrafung des abscheulichen Delikts, das schon der namentlichen Erwähnung unwürdig ist, das Delikt zerstört die natürliche Ordnung, es wird durch Gottes Urteil gestraft, etwa durch Pestilenzen und andere Plagen“ (S. 46).
Im Gericht von Valencia war mit „19 Prozent der wegen Sodomie Angeklagten die Gruppe der Kleriker (die nicht weniger als 1 % der Bevölkerung repräsentierte), mit Abstand der höchste Anteil…Von 1575 bis 1590 wurden in Valencia vier Kleriker verbrannt, in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurden schwere Strafen gegen Kleriker, Galeere und Zwangsarbeit, verhängt“ (S. 54).

14.

Auch damals setzte sich der Schutz der Kleriker als oberstes Prinzip im Umgang mit sexueller Gewalt durch Priester durch: „Das Tribunal handelte allerdings mit äußerster Vorsicht, denn die verschiedenen Orden zeigten sich in der Verteidigung ihres guten Rufes ganz besonders aktiv“ (S. 54). Damals wie heute: Die Orden behaupten, sie müssen zuerst und vor allem ihre Mitglieder schützen … und nicht die Opfer…

15.

Raphael Carrasco konzentriert sich dann in seinem Aufsatz auf den Fall des Paters Joan Nolasco Risón aus dem Orden der „Merzedarier“ (dieser Orden besteht noch heute mit der Ordensabkürzung O.de.M.).
Pater Joan Nolasco Risón war Novizenmeister, also offiziell zuständig für die die Förderung der Spiritualität der jungen Männer, die damals im Alter von 16 Jahren in die Orden als Kandidaten und mögliche Mtglieder eintraten. „Der Novizenmeister hatte in seinem Konvent unaufhörlich und erfolgreich sexuellen Druck auf die jungen Leute ausgeübt, die ihm anvertraut waren“.
Pater Nolasco Risón hatte in seinem Kloster durch seine offensichtlichen „Aktivitäten“ eine Spaltung bewirkt: Es gab seine Komplizen, „die er anderswo auf günstigen Posten unterbrachte und die bis dahin seltsame Vorrechte genossen, und auf der anderen Seite die Reinen, die Schamhaften, Empörten sowie alle, die verfolgt und tyrannisiert wurden, weil sie dem Werben des Meisters widerstanden hatten“ (S. 55).
Es gab etwa einen kritischen Ordensbruder, Pater Jeronimo Ramirez, der dem sexuellen Missbrauch des Paters Nolasco Rison Einhalt gebieten wollte. Und was passierte? Der ganze Orden wollte den „guten Ruf“ bewahren, man beeinflusste den kritischen Pater Jeronimo Ramirez und versuchte, ihn zu überzeugen, doch bitte den prominenten Mitbruder im Orden nicht zu denunzieren. Aber die sexuell missbrauchten Novizen rebellierten. Und was tat der Beschuldigte? Pater Risón „versuchte die Novizen mit einer heftigen Rede voller unterschwelliger Drohungen einzuschüchtern“. (S. 55). Aber die Einschüchterungen nützen nichts. Die Inquisition hatte die Novizen zu Zeugenaussagen vorgeladen. „Diese Zeugenaussagen sind heute eine ganz außergewöhnliche Quelle für das Leben in den Novizinnen der Klöster am Ende des 17. Jahrhunderts.“ (S. 55).

16.

Die kirchliche Inquisitionsbehörde gab aber 1687 dem staatlichen Gericht die Zustimmung, Pater Risón (damals 54 Jahre alt) zu verhaften, allerdings „unter größter Geheimhaltung“, betont der Autor des Aufsatzes Raphael Carrasco (S.55). Wie zu erwarten: „Der Prozess gegen Pater Nolasco Rison versandte im Ermittlungsverfahren. Der Oberste Rat (der Inquisition) dachte, die zwangsläufig skandalöse Arznei, also die Bestrafung des Paters – sei schlimmer als die Krankheit (der sexuelle Missbrauch von Kindern“, S. 55. Der Verbrecher wurde also frei gesprochen, er u.a. war danach ein beliebter Prediger, im Jahr 1700 ist er verstorben.
In einem Lexikon Beitrag der „Königlichen Akademie der Geschichte“ in Madrid (verfasst von Manuel Alvar Lopez) ist von den Verfehlungen des Priesters Rison keine Rede.

Missbrauch durch einen Jesuiten im Frankreich des 18. Jahrhunderts

17.
Es geht um den Missbrauch durch den Jesuitenpater Jean-Baptiste Girard (1680-1733). Er wurde 1731 angeklagt, das Mädchen Marie-Cathérine Cadière im Beichtstuhl zum Sex verführt zu haben mit späterer Anstiftung zur Abtreibung. Der Skandal war damals in Frankreich sehr oft besprochen worden. “Die Aussagen anderer Beichtkinder Girards stützten die Anklage, doch wurde der Angeklagte am 10. Oktober 1731 in Toulon freigesprochen. Er musste allerdings in seine Geburtsstadt Dole zurückkehren, wo er bereits zwei Jahre später starb“ (Quelle: Wikipedia Beitrag, deutsch, über Jean-Baptiste Girard).

18.

Der philosophisch gebildete Schriftsteller Jean-Baptiste d` Argens ( 1703-1771) hatte über dieses Ereignis einen dicht am Ereignis orientierten Roman geschrieben, er wurde 1748 veröffentlicht unter dem Titel „ Thérèse Philosophe. Memoiren zu Ehren der Geschichte von Pater Dirrag und Mademoiselle Eradice“. Noch wird darüber debattiert, ob d` Argens tatsächlich der Autor des Romans ist. Der Marquis de Sade war von d` Argens als Autor überzeugt. Der Romanautor hatte den Jesuitenpater dann Dirrag genannt, die Leser wussten, wer gemeint ist.

19.

Der Historiker und Spezialist für die Literatur im Frankreich des 18. Jahrhunderts Robert Darnton hat diesen Roman als pornographischen Text gewürdigt. (Quelle: „Denkende Wollust“, Frankfurt am Main 1996, S. 7 – 44). Interessant ist der Hinweis Darntons: Die großen (staatlichen) Bibliotheken damals verwahrten diesen und andere “Porno”-Romane unter der Rubrik „l` Enfer“, „Die Hölle“, unter Schloss und Riegel.
Die “Porno”-Romane (hinsichtlich der Darstellungen sicher weit entfernt von entsprechenden Texten des 20. und 21. Jahrhunderts) waren im 18.Jahrhundert in Frankreich weit verbreitet und es gab viele entsprechende Publikationen, sie zeigten die sexuelle Freiheit einer bestimmten (hohen) Gesellschaftsschicht. Und sie waren in der Darstellung der Freiheiten, die sich einzelne Männer nahmen, auch ein versteckter Impuls an die Leser, sich auch die Freiheiten, vielleicht auch politische Freiheiten zu nehmen.

20.

Im Roman „Thérèse Philosophe“ verführt und missbraucht der Jesuitenpater und geistliche Betreuer Dirrag (Pater Girard) das fromme Mädchen durch seine spirituellen Geschichten, die auf Wahn beruhen: Etwa, dass die sexuelle Hingabe des Mädchen zu einer Erhebung der Seele führe oder dass Wunderwerkzeuge des heiligen Franziskus bei der Penetration zur Anwendung kommen. Interessant ist, dass damals schon der sexuelle Missbrauch durch Priester mit der Erfindung „heilsamer” religiöser Zusammenhänge begründet wurde, auch Pater Marcial Maciel argumentierte so, als er Jungen und Jugendliche missbrauchte…

21.

Es gab zu Zeiten des ancien régimes (aber auch schon vorher) die “prisons ecclésiastiques“, also die kirchlichen und kircheneigenen Gefängnisse, die in Klöstern untergebracht waren oder auch in Priesterseminaren. Es ist meines Wissens bisher nicht untersucht worden, ob in diesen “Klostergefängnissen” auch Priester eingesperrt wurden, die sich des sexuellen Missbrauchs schuldig machten. Vieles deutet darauf hin, dass auch Kleriker von ihren Oberen eingesperrt wurden, die sich der “libertinage” schuldig gemacht hatten…

Diese “Kirchlichen Gefängnisse” in Klöstern sind ein Thema, das bisher in Deutschland wenig Beachtung fand. In Frankreich hat etwa der Historiker Bernard Plongeron in seiner Studie”La vie quotidienne du clergé francais au 18. Siecle” (Hachette, Paris 1974, S. 65 f.) auf dieses Thema hingewiesen; eine größere Studie ist “À propos de la prison ecclésiastique sous l’Ancien Régime” von Jean-Pierre Gutton, erschienen in “Presses universitaires François-Rabelais” (1995).

Kurze Zusammenfassung

22.

Diese Beispiele sind nur Fragmente aus einer langen Geschichte des Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen durch katholische Kleriker. Es sind eben nur Fragmente, weil die Hierarchie entsprechende Dokumente meist umfassend vernichtete und Spuren verwischte, „um den guten Ruf der Kirche zu schützen“, wie es im Laufe der langen Missbrauchsgeschichte immer heißt. Und der Zölibat des Klerus bot Pädophilen einen Schutzraum, in dem sie sich, zur Ehelosigkeit verpflichtet, als sexuelle Einzelgänger förmlich ausleben und austoben konnten … und können.

Leider ist eine wichtige Studie vergriffen: Hertha Busemann: „Der Jesuit (Girard) und seine Beichttochter. Die Faszination eines Sittenskandals in drei Jahrhunderten“. BIS, Bibliotheks- u. Informationssystem d. Univ. Oldenburg. Mit e. Vorw. von Ernst Hinrichs. Oldenburg 1987.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

Die Auferstehung Jesu: Ostern ist das Fest des Ewigen im Menschen.

Ein Hinweis von Christian Modehn (März 2023).

Ostern feiern und dabei die Frage stellen “Was bedeutet die Auferstehung Jesu von Nazareth?” kann alle Menschen berühren. Nicht nur die wenigen “Kirchgänger”.  Die entscheidende Einsicht: Der Mensch hat Anteil am Ewigen, am Göttlichen. Nur deswegen kann der Tod ein Übergang sein in eine neue geistige Wirklichkeit. Diese Überzeugung ist selbstverständlich NICHT an eine Kirchenmitgliedschaft gebunden.

1.

Ein wichtiges, aber schwieriges Thema, „die Auferstehung Jesu von Nazareth“. Das Thema verweist auf die genauso schwierige Frage: Gibt es eine Form der Überwindung des Todes, also ein „Weiterleben“ nach dem Tod?
Theologien und Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phien können auf das Thema nicht verzichten, denn sie haben es mit der Lebensgestaltung, auch mit Sterben und Tod zu tun.
Hier wird eine dem Argument, also der Vernunft verpflichtete Interpretation des Auferstehung Jesu von Nazareth vorgestellt. Und diese vernünftige Deutung ist einfach, verglichen mit dem Wortschwall der vielen bloß subjektivistischen, fundamentalistischen Deutungen der Auferstehung Jesu.
Die universal geltende Vernunft ist also auch bei der Frage nach der Bedeutung der Auferstehung entscheidend. Vernünftiges Sprechen von Sterben, Tod und Auferstehung ist, dem Thema angemessenes, sozusagen sanftes, suchendes, fragendes Sprechen.

2.

Die Antworten auf die Frage „Was bedeutet die Auferstehung Jesu von Toten“ sind vielfältig. Am häufigsten wird bis heute in den Kirchen gelehrt und gepredigt: „Jesus ist seinem Grab entstiegen, und er ist als der leibhaftig Lebendige der Gemeinde erschienen. Er ließ sich sogar körperlich berühren (vgl. die Erzählung vom „ungläubigen Thomas“)… Und später ist der Auferstandene leibhaftig in den Himmel aufgefahren“. Diese sehr schlichte, aber regelmäßig bsi heute verkündete Lehre hat sich leider in den Köpfen festgesetzt. Und den christlichen Glauben zu einer mysteriösen Angelegenheit gemacht. Die üblichen Worte der Kirchen zur Auferstehung wecken kein nachvollziehbares Verstehen, sondern sie verbreiten den Nebel des Mysteriösen. So rutscht der christliche Glaube an die Auferstehung Jesu in den Bereich der Märchenerzählungen ab, aus Angst der Prediger und Theologen vor der Vernunft!

Man denke auch an die zahllosen Gemälde etwa aus der Barockzeit, die den Auferstandenen leibhaftig in der Welt herumlaufend zeigen oder das leere Grab mit schlafenden Grabeswächtern und siegreichen Engeln. Angesichts so viel wunderbaren Zaubers sagen dann viele Gläubige verzaubert: „Nach meinem Tod gibt es für mich im Himmel das große Wiedersehen mit den Eltern und dem lieben Onkel Heinrich und der Tante Charlotte“.
Man muss wohl diese private Spiritualität als Meinungsäußerung respektieren, aber es ist kein Ausdruck von Atheismus, wenn man sie theologisch und religionsphilosophisch für falsch hält. Sie hilft nicht zu einer reflektierten Spiritualität der Menschen im 21. Jahrhundert. Sie hilft nicht zu einer reifen Spiritualität reifer, d.h. kritisch nachdenklicher, vernünftiger Menschen des 21. Jahrunderts.

3.

Die Frage ist also: Soll die Auferstehung Jesu von Nazareth ein zauberhaftes Ereignis in einer wunderbaren Welt des Ostermorgens voller frommer Phantasien bleiben? Oder sollte die Auferstehung Jesu von Nazareth mit dem einen Satz erläutert werden: „Die Freunde Jesu erkennen bald nach seinem Tod: Wie Jesus als der “Auferstandene” haben alle Menschen in ihrem Geist Anteil am Ewigen, es ist der Geist des Ewigen, der göttliche Geist, der den Tod eines jeden, auch den Tod Jesu, überwindet. Es geht um ein ewiges, geistiges „Leben“, nicht um ein leibliches.“

4.

Ein Hinweis zu den Auferstehungs-Erzählungen im Neuen Testament:
Die zentrale Erkenntnis heißt: Nach seinem Tod wird Jesus von der Gemeinde, nach einer Phase der Trauer und des Entsetzens über seinen Tod am Kreuz, als der Lebendige erkannt.
In ihrem Nachdenken über Jesus von Nazareth wendet sich die Gemeinde noch einmal dem Leben und den Lehren ihres Propheten Jesus von Nazareth zu: Und sie entdeckt: Dieser Jesus von Nazareth war von außergewöhnlicher geistiger Kraft in seinem Umgang mit den Menschen, in ihm selbst wurde die göttliche Wirklichkeit deutlich. Die Gemeinde erkennt also das Göttliche, das Ewige im Leben Jesu von Nazareth. Und dieses Göttliche, dieses Ewige kann nur eine geistige Realität sein, sie kann als das Ewige im Menschen nicht sterben. Jesus nannte den Ewigen stets seinen Vater, er fühlte sich als sein „Sohn“, und lehrte zugleich: Ihr Menschen seid – im Bild gesprochen – ebenfalls Söhne und Töchter des Göttlichen, des Ewigen, meines und unseres „Vaters“ im Himmel. Weil die Menschen Anteil haben am Ewigen, sind sie in der Lage, Jesus als den Auferstandenen zu erkennen.
Im „Neuen Testament“ gibt es vier unterschiedliche Erzählungen über diese Einsicht der Gemeinde: „Unser Freund und Lehrer Jesus von Nazareth, der „Menschensohn“, ist nicht ins Nichts des Todes verschwunden. Wir erfahren und verstehen kraft unseres Geistes IHN als eine bleibende, geistige Präsenz über den Tod hinaus.“

5.

Diese Erzählungen von der Auferstehung Jesu im Neuen Testament sind keine Tatsachenberichte! Kein Journalist, kein Historiker, hat die Auferstehung Jesu gesehen. Die Auferstehungs-Erzählungen des Neuen Testaments beziehen sich nicht auf ein datierbares Ereignis. Sie sind Mythen, d.h. Erzählungen von Menschen, die mit diesem Jesus persönlich und voller Liebe verbunden waren und nach seinem Tod gemeinsam zu neuen, überraschenden Erkenntnissen kommen.

6.

Die Erzählungen von der Auferstehung Jesu sind also Mythen. Der Theologe Rudolf Bultmann nannte sein Programm das „Entmythologisieren“ der biblischen Erzählungen, und er meinte damit überhaupt nicht die Zerstörung des Inhalts von Mythen, sondern die Übersetzung der Mythen in nachvollziehbare moderne Sprache. Nur dann können etwa die Mythen der Auferstehung als Lebensorientierung gelten.
Lebensorientierung anbieten – das ist der Sinn von christlichen Erlösung. Von Erlösung spricht die Kirche ständig, aber was Erlösung inhaltlich nachvollziehbar bedeutet, wird meist ins Imaginäre, Phantastische geschoben, etwa in die Ideologie der Befreiung von der sogenannten Erbsünde.
Die Erkenntnis vom „Ewigen“ in jedem Menschen kann als Erlösung verstanden werden, im Sinne der Befreiung von der Angst, im Tod ins Nichts zu versinken. Es ist der Geist als die Präsenz des Ewigen, der als Geist den Tod eines jeden Menschen überwindet. Weitere Details zum „himmlischen Weiterleben“ zu nennen, würde nur zu haltlosen phantasievollen Spekulationen führen.

7.

Es bleiben Fragen zu den Mythen der Evangelisten: Etwa zum leeren Grab Jesu: Das Grab Jesu kann gar nicht leer sein, Auferstehung ist, wie gerade betont, ein geistiges Geschehen. Jesu Körper blieb also im Grab, und er wurde – geistig – als der Lebendige erfahren. Die Kirchen erlauben seit einiger Zeit auch die Feuerbestattung, offenbar wissen sie: Der Verstorbene lebt, geistig, auch wenn sein Körper zu Asche wurde.
Und nebenbei: Wäre der Auferstandene mit seinem alten, gekreuzigten Körper „auferstanden“, hätte er ja als ein Mensch noch einmal sterben müssen, was wäre dann aber passiert? Ein erneuter Prozess gegen ihn, den Kritiker des strengen religiösen Systems? Sinnlose Spekulationen sind das.
Der katholische Theologe Hans Kessler, Autor einer umfassenden Studie zum Thema, schreibt: „Wenn vom leeren Grab gesprochen wird, so ist dies nur eine Veranschaulichung der Auferstehung Jesu, ein Bild, ein Symbol, das die Erzählung farbiger machen soll. Der Osterglaube wird nicht vom leeren Grab begründet. Der Gedanke des leeren Grabes ist kein notwendiger Bestandteil des christlichen Auferstehungsglaubens. Eine im Grab aufgestellte Video-Kamera hätte den Auferstehungsvorgang nicht aufgenommen. Wer als religiöser Mensch auf einem leeren Grab besteht, leugnet das Menschsein Jesu Christi. Aber dass Jesus ganz Mensch ist, bleibt eine unaufgebbare Einsicht der Christenheit“. Zum Buch von Hans Kessler: LINK

8.

Wann gibt es die ersten schriftlichen Zeugnisse vom Glauben der Gemeinde an die Auferstehung Jesu?
Die erste schriftliche Äußerung hat der Apostel Paulus im Jahr 50 in seinem „Ersten Brief an die Gemeinde in Thessalonich“ notiert, also knapp 20 Jahre nach Jesu Tod am Kreuz. Auch Paulus nennt kein Datum der Auferstehung. Paulus kennt aber den bereits lebendigen Auferstehungsglauben der Gemeinde, er spricht von der gemeinsamen, alles entscheidenden Überzeugung: „Wenn Jesus gestorben ist, dann wird Gott durch Jesus auch die Verstorbenen zusammen mit ihm zu Herrlichkeit führen“ (4. Kapitel, Vers 14). Mit anderen Worten: Die Verstorbenen werden wie Jesus „auferstehen“. Damit sagt Paulus in seinen Worten das aus, was oben gezeigt wurde: Weil alle Menschen im Geist mit dem Ewigen verbunden sind, werden auch sie – wie Jesus – zur Herrlichkeit Gottes gelangen. Der katholische Theologe Giuseppe Barbaglio von der Universität Mailand schreibt in der theologischen Zeitschrift CONCILIUM (2006): „Jesus Christus ist als der Auferstandene unser älterer Bruder. Was ihm widerfuhr, wird uns widerfahren. Seine Auferstehung ist das Anheben unseres neuen Lebens … und unserer Auferstehung“.

9.

Die Rede vom „Ewigen im Menschen“ hat als notwendigen theologischen Hintergrund eine vernünftige Deutung des biblischen Bildes von der „Schöpfung“ der Welten durch Gott oder das Göttliche oder den Ewigen.
Nur diese kurze Erläuterung: Wenn „Gott“, der Ewige, die Welten „schafft“, dann kann Gott, der Ewige, dies nur realisieren, wenn diese Welten mit ihm, dem Göttlichen, verbunden sind. Wären die geschaffenen Welten total selbstständig, also außerhalb der Wirklichkeit des Ewigen, dann wäre Gott nicht mehr der Göttliche, der Alles Stiftende und Umfassende. Die gottlose Welt wäre eine Konkurrenz zu einem Gott, der dann keine göttlichen Qualitäten mehr hätte.
Die Welt und die Menschen können also nur in einer tiefen geistigen Verbundenheit mit Gott, dem Ewigen, dem lebendigen GEIST, verstanden werden. Eine Überlegung, die vor allem der Philosoph Hegel energisch vorgetragen hat.

10.

Die Gegenwart des Ewigen wird inmitten des Lebens erfahren und nicht nur theoretisch gedacht. Das ist die Überzeugung der frühen Christengemeinde, die der  Autor des 1. Johannesbriefes im Neuen Testament ausspricht, es ist ein Text, der am Ende des 1. Jahrhunderts geschrieben wurde. Der Autor schreibt:
„Wir wissen, dass wir aus dem Tod in das Leben hinübergegangen sind, weil wir die Brüder lieben. Wer nicht liebt, bleibt im Tod”. (1 Joh 3, 14). Und im 4. Kapitel, Vers 12, heißt es: “Niemand hat Gott je geschaut, wenn wir einander lieben, bleibt Gott in uns, und seine Liebe ist in uns vollendet”.

Mit anderen Worten: In der Liebe wird das Ewige in diesem menschlichen Leben erfahren.

Nur weil die Menschen lieben, also Liebe (er)leben (und Liebe ist immer mehr als Caritas, sie ist immer auch erotische Liebe), erfahren sie und denken sie das Göttliche, das im Menschen lebt. Dieses inmitten des Lebens präsente Göttliche wird den Tod überdauern. Diese Erkenntnis spricht der 1. Johannes Brief lapidar aus im Vers 6, Kap. 4: „Wir aber sind aus Gott”.

11.

Die Welt als eine „Schöpfung des lebendigen göttlichen Geistes“ verstehen: Dies ist das einzige Wunder, mit dem sich kritisches theologisches Denken auseinandersetzen muss. Andere „Wunder“ braucht kein Christ, kein religiöser Mensch. Der evangelische Theologe Prof. Stefan Alkier (Uni Frankfurt.M) schreibt in seinem Buch „Die Realität der Auferstehung“ (2009) diese entscheidenden Sätze: „Die Welt, alles Leben und auch das je meinige Leben entspringen […] nicht einem blinden Zufall, sondern der intentionalen Kreativität des sich liebevoll in Beziehung setzenden Gottes…Wer diese Hypothese nicht teilt, kann auch nicht mit den Schriften des Neuen Testaments […] von der Auferweckung Jesu Christi und der Hoffnung auf die Auferweckung der Toten sprechen“ (S. 238).

12.

Die Auferstehung Jesu sollte eine Lebensphilosophie inspirieren. Die Theologin Elisabeth Moltmann – Wendel schreibt: „Wenn wir aufmerksam werden auf die verwandelnden Kräfte, die schon hier unser Leben verändern, die uns anders sehen, fühlen, hören, schmecken lassen, dann können wir auch erwarten: Solche Kräfte werden nicht mit unserem biologischen Leben zu Ende sind. Wir können dem Schöpfersein Gottes zutrauen, dass es Energien gibt, die über unseren eigenen Lebenshorizont hinausreichen“.

13.

Man könnte fragen: Kann die hier angedeutete Interpretation der Auferstehung Jesu von Nazareth trösten?
Sterben und Tod gehören zwar zum „Wesen“ der Menschen, aber das Sterben wird verschieden erlebt und erlitten: Im Krieg viel brutaler genauso auch in Hungerkatastrophen, dieses Sterben ist gewalttätiger als in einem gepflegten Hospiz in Europa. Immer sollte es dabei um die gemeinsame Frage gehen: Wie hätte das vorzeitige Sterben noch verhindert werden können? Durch eine Friedenspolitik, durch eine solidarische Politik oder, möglicherweise durch den Respekt für einen gesunden Lebensstil im reichen Europa.
Aber selbst wenn diese Fragen durchgearbeitet sind, drängt sich die eine Frage auf: Ist mit dem Tod alles vorbei? Ist das Versinken im Nichts die Antwort? Waren die jungen Soldaten im Krieg Russlands gegen die Ukraine nichts als „Kanonenfutter“, nur „lebendes Fleisch“, das dann durch den „Fleischwolf“ des Krieges geschickt wurde, wie kürzlich ein Kriegsreporter in einer Talkshow sagte?
Wer an das Versinken des Verstorbenen im Nichts behauptet, verkündet seine Glaubensüberzeugung, genauso wie es eine Überzeugung, eine Glaubenshaltung ist, die Ewiges im Menschen, in jedem Menschen, erkennen kann.
Angesichts des Todes denken – dabei kann man, wie immer bei existentiellen Fragen, keine Evidenz erreichen, wie man sie in den Naturwissenschaften oder der Mathematik gewöhnt ist. Eigentlich ist dies eine Selbstverständlichkeit.

14.

Mystiker gehen soweit zu sagen: Die Menschen sind mit göttlichem Geist begabt, beschenkt, sie haben „den göttlichen Funken“ (Meister Eckart) ins sich. Viel mehr Worte sind dann nicht mehr nötig, um das Thema der Auferstehung anzusprechen, also das Thema „Das Ewige im Menschen, das den Tod überdauert“.

15.

Eine Frage bleibt: Gilt das auch für die schlimmsten Verbrecher, Kriegstreiber, Mörder, Diktatoren? Dass sie als Menschen die Chance hatten, der vernünftigen Kraft ihres Geistes und ihrem Gewissen zu folgen, steht außer Frage. Nur: Sie haben sich dann offenbar im Laufe des Lebens stets für das Böse entschieden. Und sie sind dabei selbst böse geworden und haben sich damit selbst bestraft. Was mit diesen Leuten sozusagen post mortem passiert, entzieht sich jeder ernsthaften philosophischen oder theologischen Aussage… Die klassische Theologie kennt die neutestamentliche Erzählung vom Endgericht – und da wird eine deutliche Sprache gesprochen.

16.

Diese Überlegungen sind keine abstrakten Spekulationen, sie haben auch politische Bedeutung. Wenn die Menschen wissen, sie sind mit dem Ewigen verbunden, dann haben alle Menschen eine besondere Würde. Dabei ist die wesentliche Gleichheit aller Menschen der Mittelpunkt der Menschenrechte, eine Gleichheit, die im Zusammenleben in einer gerechten Weltordnung realisiert werden muss.
Inspirierend bleibt dabei das „Auferstehungsgedicht“ des Schweizer Dichters Kurt Marti (1921-2017).
„Das könnte den Herren der Welt ja so passen,
wenn erst nach dem Tod Gerechtigkeit käme,
erst dann die Herrschaft der Herren,
erst dann die Knechtschaft der Knechte
vergessen wäre für immer!
Das könnte den Herren der Welt ja so passen,
wenn hier auf der Erde stets alles so bliebe,
wenn hier die Herrschaft der Herren,
wenn hier die Knechtschaft der Knechte
so weiterginge wie immer.
Doch ist der Befreier vom Tod auferstanden,
ist schon auferstanden und ruft uns jetzt alle
zur Auferstehung auf Erden,
zum Aufstand gegen die Herren,
die mit dem Tod uns regieren!“

17.

Die klassische Lehre heißt: Jesus von Nazareth hat den Tod überwunden. Aber das muss man verstehen und deuten: Mit Jesus haben alle Menschen Anteil am ewigen göttlichen Geist: Aber dies ist nur eine Dimension von Ostern.

18.

Genauso wichtig ist das Eintreten für die Menschenrechte und die Menschenpflichten. Ostern ist also auch ein politisches Fest, das Fest der universalen gleichen Würde aller Menschen.
Dass diese gleiche Würde aller Menschen endlich Realität wird, ist die zentrale Aufgabe der Kirchen, wenn sie behaupten, dem Auferstandenen zu folgen. Aber die Kirchen sind zur Zeit fixiert auf sich selbst, zumal die katholische Kirche („Synodaler Weg“, Zölibat etc.), so dass sie ihre entscheidende Aufgabe der Weltgestaltung beinahe vergessen. Diese Weltgestaltung wird in dem schönen biblischen Symbol „Reich Gottes“ ausgedrückt, als einer Welt der Gerechtigkeit und des Friedens. Darin liegt der Lebenssinn für Menschen, die sich Christen nennen.

19.

Ich habe schon mehrfach Hinweise zum Thema “Die Auferstehung Jesu von Nazareth vernünftig verstehen” publiziert, etwa in einer Ra­dio­sen­dung für den RBB im April 2016, der TEXT: LINK

Ein etwas ausführlicher Essay (2021) zum Thema Ostern und die AuferstehungJesu: LINK

Und speziell ein Hinweis “Kant und die Auferstehung Jesu”: LINK

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

 

Ein Jahr Krieg Russlands gegen die Ukraine. Der „Ökumenische Weltrat der Kirchen“ (Genf) bleibt nach wie vor “milde“ gegenüber den Kriegsherren in Moskau

Ein Hinweis von Christian Modehn zum Kriegstreiber, dem Patriarchen Kyrill von Moskau und seiner familiären Connection mit Genf. Veröffentlicht am 20.2.2023.

Siehe auch die 24, schon früher veröffentlichten Hinweise zum Thema “Kyrill I., die russisch-orthodoxe Kirche und Putin”: LINK

Siehe auch den Hinweis auf die heftige Präsenz der russisch-orthodoxen Kirche in Südafrika.  LINK

Die These dieses Hinweises vom 20.2.2023: Der “Ökumenische Weltrat der Kirchen” (ÖRK) in Genf kann sich bis jetzt nicht entschließen, den Chef der russisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Kyrill I. von Moskau und seine von ihm geführte Kirche aus diesem wichtigen und angesehenen internationalen ökumenischen Gremium als Mitglied rauszuwerfen oder wenigstens die Mitgliedschaft “ruhen zu lassen”. Dies als deutliche Strafe für die ideologisch-theologische Unterstützung Kyrills für Putin und seinen Krieg. Beide waren für den KGB tätig, beide sind vielfache Millionäre, beide sind Feinde des ukrainsichen Volkes und der Demokratie. Diese tolerante, verständnisvolle Haltung des ÖRK gegenüber Kyrill I. halten viele christliche Beobachter für einen Skandal, der aber noch korrigiert werden könnte, falls sich der ÖRK in dieser Hinsicht (Krieg Putins…) der Haltung der demokratischen Welt anschließen möchte. Ob das geschieht, ist angesichts der im folgenden dokumentierten Aussagen des neuen Generalsekretärs des ÖRK eher zweifelhaft. Es geht um die Frage: Wie naiv darf die christliche Nächstenliebe unter Christen sein? Müssen sich christlich nennende Kriegshetzer bestraft werden, auch von Christen und einem eigentlich doch geschätzten Gremium wie dem ÖRK? Mit anderen Worten: Wie stark blamiert sich eigentlich der ÖRK in dieser Frage bis heute? 

Zur Erinnerung nur diese Tatsachen aus der jüngsten Vergangenheit:  Kyrill hatte kürzlich den Tod junger russischer Soldaten – er nannte sie “unserer Jungs” – mit den Worten gerechtfertigt: “Sie erheben sich aus den Schützengräben und gehen dem Tod entgegen.” Kyrill hatte Gegner Russlands als “Kräfte des Bösen” und Russlands Präsident Wladimir Putin als wahren Christenmenschen bezeichnet.

1.
Die demokratische Welt versucht mit allen Mitteln, Putin zu isolieren, seinem kriegerischen Wahn ein Ende zu setzen und die Putin-Oligarchen wenigstens finanziell zu bestrafen.
Aber was machen die Christen, die sich im „Ökumenischen Rat der Kirchen“ (ÖKR) in Genf versammelt haben und in ihrem Club die meisten evangelischen und orthodoxen Kirchen (352 Mitgliedskirchen) zusammenführen…zu theologischen Debatten, Kongressen und vor allem zur Erzeugung von Dokumenten aus den vielen „Ausschüssen“, wie man dort sagt.
Einen der ihren, den Patriarchen Kyrill von Moskau, mit seiner Kirche seit 1961 Mitglied im ÖRK, ermahnen die Genfer ökumenischen Ratsmitglieder eher milde zur Zurückhaltung in seinem nationalistischen Hass auf den Westen. Von Kyrills schamloser Kriegs-Propaganda für seinen mordenden Freund Putin aus gemeinsamen KGB Zeiten, sprechen die ökumenischen Verantwortlichen in Genf nur zurückhaltend. „Man muss ja mit allen im Dialog bleiben“, heißt es. Dialog also auch mit Leuten, die Mord und Totschlag aufs Übelste praktizieren. Falls dieser besprochene und behauptete Dialog mit Kyrill häufig stattgefunden haben sollte, dann sollte bitte der ÖRK präzise und genau mitteilen, wie denn die Friedens-Erfolge ihrer so sanften Dialog-Strategie mit Kyrill und seiner nationalistischen Kirche aussehen. Davon ist sehr wenig zu hören, oder ist man so bescheiden und spricht nicht vom Dialog Genf-Kyrill?

2.
Es kommt noch schlimmer, schlimm für alle, die wissen, dass den Menschen in der Ukraine alle Hilfe und Nähe gebührt, und die wissen, dass die Überwindung Putins und seines christlich sich nennenden Ideologen, Patriarch Kyrill, jetzt dringend geboten und selbstverständlich ist.
Merkwürdige Äußerungen gibt es von dem neuen Generalsekretär des ÖRK, von dem aus der Republik Südafrika stammenden Theologen Professor Dr. Jerry Pillay, Mitglied einer der presbyterianischen Kirchen in Südafrika.
Prof.Dr. Pillay wurde am 17.Februar 2023 in Genf offiziell in sein hohes und international wichtiges Amt mit einem feierlichen Gottesdienst „eingesetzt“.

Um schon eine Zusammenfassung der Erkenntnisse zu bieten, die Prof. Dr. Pillay in dem jetzt folgenden Interview verbreitet: Der neue Generalsekretär des ÖRK gibt sich im ganzen gesehen eher Russland freundlich, er verliert kein Wort über das Leiden der UkrainerInnnen, mit anderen Worten: Er ist in der Einschätzung der Rolle Kyrills und seines Neffen, des Erzpriesters Mikhail Gundjajew, irgendwie naiv.

3.
Die Zeitung REFORME, die Kirchenzeitung der Kantone Genf, Bern, Jura und weiterer Kantone, hat mit dem neuen Generalsekretär Prof.Dr. Pillay aus Südafrika am 16.2.2023 ein Interview veröffentlicht. Das Interview stammt vom schweizerischen protestantischen Pressedienst „Protestinfo“, das Interview führte der Journalist Lucas Vuilleumier.  LINK.

Über den Autor Lucas Vuilleumier LINK

4.
Das Interview fand statt in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu Veröffentlichungen schweizerischer und vieler anderer Zeitungen über die Spionage – Tätigkeit Kyrills im ÖKR in den neunzehnhundertsiebziger Jahren. Diese Erkenntnisse beziehen sich auf neue Forschungen im „Schweizer Bundesarchiv“ . In den Zeitungsbeiträgen wurde die seit langem bekannte sichere Vermutung nun als Erkenntnis ausgebreitet: Der damalige sowjetische Bischof Kyrill war Mitglied des KGB, wie sein Freund Putin, und als solcher wurde Kyrill als Spion inmitten der Ökumene eingesetzt.
Siehe :LINK. Und auch: . LINK

5.
Die interessante Frage also ist, was sagt zu dieser auch international verbreiteten Erkenntnis der neue aus Südafrika stammende Generalsekretär Pastor Prof. Dr. Jerry Pillay?
„Es gibt tatsächlich Spekulationen zu dem Thema seit einer gewissen Zeit. Der ÖKR hat eines seiner „Zentralkomitees“ beauftragt, dass es diese Information (der Spionagetätigkeit durch Kyrill im ÖKR) verifiziert. Aber wir haben niemals Beweise in dem Sinne gefunden. Falls jemand diese besitzt, würden wir diese Beweise gern betrachten.“
Mein Kommentar dazu: Die Erkenntnisse liegen im Schweizer Bundesarchiv ja vor, vielleicht sollte der Generalsekretär des ÖRK mal nach Bern reisen….

6.
Zu diesen Äußerungen Pillays gleich kritische Bemerkungen
Erstens: Mit dieser Antwort wird versucht, von höchster Ebene des ÖRK die sehr deutlichen Hinweise auf Spionagetätigkeit durch Kyrill in Genf beiseite zu schieben.Kyrill soll in gutem Licht dastehen!
Zweitens: Die Verleugnung dieser Spionage – Tätigkeit durch den neuen Generalsekretär des ÖRK jetzt, mitten im Krieg Putins, hat Erstaunen hervorgerufen, und manche fragen sich, ob diese so moderate Einschätzung Kyrills durch den ÖRK auch etwas mit der offenkundigen offiziellen Freundschaft der Regierung Südafrikas mit der Russischen Föderation zu tun hat. Bekanntlich hat der russische Außenminister Lawrow vor kurzem noch Südafrikas Außenministerin Naledi Pandor in Pretoria getroffen: Sie sagte: “Ich bin stolz, dass wir exzellente diplomatische Beziehungen pflegen”, was Lawrow natürlich genauso sah (Quelle: Süddeutsche Zeitung, 23. 1.2023, Ein Beitrag von Bernd Dörries). Tatsache ist: Die Regierung Südafrikas gibt sich offiziell neutral, aber mit deutlicher Sympathie für Russland, offenbar aus alter Treue, weil Moskau einst den ANC im Kampf gegen das Apartheidsregime unterstützte… Die SZ schreibt weiter: „Auf die Frage, ob sie den russischen Besucher Lawrow erneut aufgefordert habe, aus der Ukraine abzuziehen, sagte Pandor, dass die Situation heute eine völlig andere sei, vor allem, weil es seither einen “massiven Transfer von Waffen” gegeben habe. Russland zum Rückzug aufzufordern, sei daher zu “simplistisch und kindisch“ (ebd.).

7.
Zur Erinnerung: Im ÖRK in Genf ist die Russisch-orthodoxe Kirche mit ihrem Kriegstreiber und Putin-Freund, dem Patriarchen Kyrill von Moskau an der Spitze, immer noch als ordentliches Mitglied vertreten.

Die Bindung Kyrills nach Genf, zum ÖRK, wird auch sozusagen familiär noch verstärkt: Denn der Neffe Kyrills, Mikhail Gundjajew (Gundjajew ist auch der bürgerliche Name des Patriarchen), ist der aktuelle Repräsentant des Moskauer Patriarchats im ÖRK in Genf. Man hat also vorgesorgt, dass alles Tun in Genf familiär besprochen werden kann, KGB Leute wissen, wie man agiert.

Der Journalist Lucas Vuilleumier vom protestantischen schweizerischen Pressedienst stellt die Frage an den Generalsekretär: „Verstehen Sie, dass dies (d.h. die hohe Funktion des Neffen des Patriarchen im ÖRK) ein gewisses Misstrauen erzeugen könnte?

Die Antwort des der ÖRK Generalsekretär, Prof.Dr. Jerry Pillay aus Südafrika: „Der Erzpriester Mikhail Gundjajew ist der ständige Repräsentant der russisch-orthodoxen Kirche beim ÖRK und der internationalen Organisation in Genf. Ich habe ihn am Montag, den 13. Februar (2023) getroffen, um mit ihm über diese Fragen zu diskutieren. Er hat erkennen lassen, dass er für die russisch-orthodoxe Kirche arbeitet, dass er seine Unterstützung für sein Land einbringe”.

Was immer diese „Unterstützung für sein Land“, also Putins Land, bedeutet, wird leider nicht weiter erfragt!

Dann folgen Sätze des neuen Generalsekretärs des ÖRK, die auch großes Erstaunen hervorrufen sollten:
Aber dies ist kein Grund den Verdacht aufkommen zu lassen, dass er (der Erzpriester und Neffe des Patriarchen) Beziehungen unterhält mit der russischen Regierung“.
Der Neffe redet also NICHT mit seinem lieben Onkel, dem Patriarchen, der ein gute Beziehung zu Putin hat? Wer soll diesen Blödsinn glauben?

Prof. Jerry Pullay fährt dann fort: „Sicherlich, die Anwesenheit des Erzpriester und Neffen des Patriarchen innerhalb des ÖRK kann Misstrauen hervorrufen. Aber es ist nicht opportun und nicht gerecht, Leute mit einer Etikette auszustatten oder jemanden ohne Beweis zu misstrauen. Der Erzpriester versichert und erklärt sehr deutlich, nicht für die russische Regierung zu arbeiten“.

Die richtige Frage heißt anschließend: „Wie können Sie denn wissen, dass er nicht lügt“

Die Antwort des Generalsekretärs:
„Hätte ich den geringsten Zweifel, hätte ich eine Untersuchung verlangt. Wir sind nicht die Polizei, aber wir haben die Möglichkeit, ernsthafte Maßnahmen gegen unsere Mitglieder zu ergreifen“.

Frage:
Wie können Sie sich schützen vor dieser Art von (politischer) Instrumentalisierung?

Der ÖRK Generalsekretär Jerry Pillay antwortet:
Der ÖRK begibt sich nicht in eine Hexenjagd, wenn sich jemand mit dem ÖRK anschließt. Wir arbeiten auf der Basis des Vertrauens mit den religiösen Chefs (sic!) und wir hoffen, dass jeder von denen ehrlich ist in seiner Verbindung mit Gott und in seinen Beziehungen zu anderen. Der ÖRK ist eine brüderliche Gemeinschaft der Kirchen und wir werden fortfahren, unseren Verantwortlichen der Kirchen zu vertrauen und wir werden auch bei Bedarf danach handeln“.

Frage:
Viele wundern sich, dass der ÖRK darauf verzichtet hat, die Mitgliedschaft der russisch orthodoxen Kirchen im ÖRK auszusetzen, diese Kirche unterstützt den Krieg, den Putin gegen die Ukraine führt, warum handelt der ÖRK so?

Antwort:
“Es gibt tatsächlich ein Aufruf, dass wir deutlicher sein sollen bei diesem Thema. Wenn Sie die Erklärungen unser Zentralkomitees untersuchen und auch die Resultate unserer letzten Vollversammlung (in Karlsruhe 2022):
Da haben wir dem Moskauer Patriarchat eingeschärft, eine akzeptablere Position anzunehmen. Und wir haben selbst Kyrill getroffen, um mit ihm darüber zu sprechen. Der ÖRK unterstützt weder den Krieg noch die Gewalt. Jedoch, wenn wir die Mitgliedschaft einer Kirche im ÖRK aussetzen, was gewisse Leute fordern, dann wird der Dialog abgebrochen, und dies ist nicht die Art und Weise, wie der ÖRK funktioniert. Gewiss, eine Aussetzung der Mitgliedschaft der russisch-orthodoxen Kirche im ÖRK könnte ein starkes Zeichen für gewisse Personen sein (für welche dieser gewissen Personen sagt der Herr Generalsekretär nicht, meint er die leidenden UkrainerInnen??, CM). Aber wir müssen bis zum Ende dieses Dialogs mit Kyrill gehen, um eine derartige Entscheidung zur Aussetzung der Mitgliedschaft zu treffen.”

Kommentar von Christian Modehn: Das letzte Treffen der ÖRK Verantwortlichen mit Kyrill in Moskau fand am 17. Oktober 2022 statt, falls es weitere Treffen und Dialoge gegeben hat, bitte ich um Nachricht.

Frage:
Vonseiten einer christlichen Organisation, gilt es da nicht eine Wahl zu treffen zwischen dem Evangelium und der „Aufrechterhaltung des Dialogs?

Antwort:
Wir können keiner Mitgliedskirche sagen: Das, was ihr macht oder denkt, widerspricht dem Wort Christi, ohne vorher theologische Unterhaltungen bis zu Ende geführt zu haben. Das ist das Wesen des Dialogs…”

Frage: Die besonders wichtig ist;
Der ÖRK hat sich trotzdem viel entschiedener verhalten, als eine gewisse Kirche in Südafrika die Apartheid verteidigte?

Antwort:
Ja. Die Kampagne des ÖRK gegen den Rassismus stellte eine klare Positionsbestimmung gegen die Apartheid und den Rassismus in Südafrika dar, das hat dazu geführt, dass sich die rassistische „Niederländisch-reformierte Kirche in Südafrika“ aus dem ÖRK zurückgezogen hat.

Kommentar: Vom Leiden der Schwarzen im Rassisten Regime ließ sich der ÖRK bewegen. Vom Leiden der Menschen in der Ukraine lässt sich der ÖRK nicht definitiv bewegen, sonst hätte der ÖRK Herrn Kyrill und seinen Apparat, „orthodoxe“ Kirche genannt, längst aus dem ÖRK verabschiedet. In Südafrika protestierte der ÖRK gegen einen Staat, im Krieg Russlands gegen die Ukraine müsste der ÖRK gegen ein kirchliches Mitglied des ÖRK handeln, aber das scheint aus christlicher “Dialogberitschaft” nicht möglich zu sein.
Wahrscheinlich will der ÖRK als die letzte relevante Organisation in der westlichen Welt in die Geschichte eingehen, die bis zum Schluss noch Dialoge mit dem verbrecherischen Regime Russlands führte.

Der Gesamteindruck
Das Interview offenbart einen gegenüber Putins Krieg und seinem religiösen Ideologen Kyrill hilflosen und ängstlichen ÖRK. Es ist bezeichnend für das Denken des Herrn Professor Pillay vom ÖRK, dass er kein einziges Mal das Wort Ukraine oder UkainerInnen oder gar das Leiden der Menschen in der Ukraine in den Mund nimmt. Dieser Herr im ÖRK offenbart nach meinem Eindruck eine gewisse Sympathie für Kyrill, vielleicht ist er auch zu sehr Südafrikaner, er will die neu entdeckte Liebe seines Landes zum heutigen Russland nicht gefährden. Wäre ja furchtbar, wenn Putin Südafrika nicht unterstützte…
Falls ich mich in dieser Sache täusche, freue ich mich über entsprechende gegenteilige Nachweise mir Daten und Fakten.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.    Übersetzung des Interviews aus dem Französischen: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

…………..

Falls das Interview mit dem neuen Generalksekretär Prof.Dr.Jerry Pillay nicht mehr im www. verfügbar sein sollte odetr entnommen wird, hier der französische Text:

Kirill espion à Genève: «Nous n’avons jamais trouvé de preuves en ce sens”

16 février 2023
Le chef de l’Eglise othodoxe russe, espion pour le KGB au Conseil œcuménique des Eglises (COE) à Genève dans les années 1970? Jerry Pillay, nouvellement à la tête de cette organisation comptant 352 Eglises, réclame des preuves. Et rassure sur l’actuel rôle du neveu de Kirill dans ses murs.

Le patriarche Kirill aurait agi en tant qu’espion pour le compte du KGB lorsqu’il siégeait au COE. Est-ce un risque inévitable pour une grande organisation internationale comme la vôtre?

Il y a effectivement des spéculations à ce sujet depuis un certain temps: cela ne date pas d’hier. Le COE a notamment mandaté l’un de ses comités centraux pour qu’il vérifie cette information. Mais nous n’avons jamais trouvé de preuves en ce sens. Si quelqu’un les possède, nous aimerions les consulter.

Le neveu de Kirill, Mikhail Goundiaev, est l’actuel représentant du Patriarcat de Moscou au COE. Comprenez-vous que cela puisse engendrer une certaine méfiance?

L’archiprêtre Mikhail Goundiaev est le représentant permanent de l’Eglise orthodoxe russe auprès du COE et des organisations internationales à Genève. Je l’ai rencontré ce lundi 13 février afin de discuter avec lui de ces questions. Il a indiqué qu’il travaillait pour l’Eglise orthodoxe russe, qu’il apportait son soutien à son pays, mais ce n’est pas une raison de soupçonner qu’il entretient des rapports avec le gouvernement russe. Certes, sa présence au sein du COE peut susciter de la méfiance, mais il n’est ni opportun ni juste d’étiqueter les gens ou de s’en méfier sans preuve. Il affirme clairement ne pas travailler pour le gouvernement russe.

Comment pouvez-vous savoir qu’il ne ment pas?

Si j’avais eu le moindre doute, j’aurais demandé une enquête. Nous ne sommes pas la police, mais nous avons la possibilité de prendre des mesures sérieuses contre nos membres.

Comment se prémunir contre ce genre d’instrumentalisation du COE?

Le COE ne se lance pas dans une chasse aux sorcières à chaque fois que quelqu’un nous rejoint. Nous travaillons sur la base de la confiance avec des chefs religieux et espérons que chacun d’entre eux est honnête dans son lien avec Dieu et ses relations avec les autres. Le COE est une communauté fraternelle d’Eglises et nous continuerons à faire confiance en nos responsables d’Eglises et agirons en cas de besoin.

Beaucoup s’étonnent que le COE ait renoncé à suspendre l’Eglise orthodoxe russe, qui soutient la guerre que mène Poutine contre l’Ukraine. Pourquoi?

Il y a effectivement un appel à ce que nous soyons plus clairs sur le sujet. Pourtant, si vous examinez les déclarations de nos comités centraux et les résultats de notre dernière assemblée, nous avons enjoint le Patriarcat de Moscou à adopter une position plus acceptable, et avons même rencontré Kirill afin de lui en parler. Le COE ne soutient ni la guerre ni la violence. Pour autant, si vous suspendez une Eglise, ce que certains demandent, le dialogue se rompt — ce qui n’est précisément pas la manière de fonctionner du COE. Certes, cette suspension serait un signal fort pour certaines personnes, mais nous devons aller au bout de ce dialogue avant de prendre une telle décision.

De la part d’une organisation chrétienne, n’y a-t-il pas un choix à faire entre l’Évangile et le maintien du dialogue?

Justement, nous ne pouvons pas dire à une Eglise membre que ce qu’elle fait ou pense est contraire à la parole du Christ sans avoir mené des conversations théologiques à terme. C’est l’essence même du dialogue, tandis que nous tentons de comprendre nos points de vue conformément aux Écritures.

Le COE s’était pourtant montré plus ferme quand certaines Eglises sud-africaines défendaient l’apartheid…

Oui. La campagne du COE contre le racisme représentait une prise de position claire contre l’apartheid et le racisme en Afrique du Sud, ce qui a débouché sur le retrait de l’Eglise réformée néerlandaise du COE.

Récemment, le COE a également refusé de s’aligner sur la position de l’ONU en décidant de ne pas parler d’apartheid concernant l’attitude d’Israël envers la Palestine. Pourquoi?

Je ne dirais pas que le COE a exprimé un refus. L’Assemblée a décidé de ne pas délibérer sur l’utilisation du mot «apartheid» afin d’approfondir les discussions à l’interne à propos de ce conflit. Si en 2016 j’ai moi-même écrit un article où j’utilisais ce terme, après avoir visité les deux pays, c’est parce que l’injustice que j’y ai vue à l’égard des Palestiniens m’a saisi. Venant moi-même d’Afrique du Sud, j’ai utilisé un terme que je connais très bien, mais qui dans le cas de ce conflit, en ce moment, n’est peut-être pas approprié.

Avez-vous peur des représailles?

J’ai surtout peur d’être mal compris. Quand j’ai publié cet article, un journaliste m’a traité d’antisémite, ce qui est inacceptable. Le COE est en constant dialogue avec la communauté juive et nous recevons régulièrement des rabbins du monde entier à Genève. Ce genre d’accusation mal informée et sans fondement vient bien souvent de personnes qui ont un agenda politique et sont heureuses de s’en servir. Le COE, lui, ne fait pas de politique. Mais si, dans le conflit israélo-palestinien, la violence vient des deux bords, je crois pouvoir dire que le système oppressif de l’État d’Israël sur la population palestinienne est injuste. Et le COE refuse l’injustice.

 

 

 

 

AFD und Katholiken: Pater Wolfgang Ockenfels in der AFD-nahen Stiftung Desiderius Erasmus.

Ein Hinweis von Christian Modehn.

Am 7.2.2023 veröffentlicht:

Anläßlich des Bestehens der rechtsradikalen Partei AFD wird gelegentlich auch von “Katholiken im Umfeld der AFD” gesprochen. Eine zentrale Figur ist dabei der em. Prof. für katholische Soziallehre Pater Wolfgang Ockenfeks aus dem Dominikanerorden.  Er ist auch Chefredakteur der Zeitschrift “Die Neue Ordnung”, eine Art “Sammelbecken” sehr konservativer katholischer Theologen, Bischöfe, Wissenschaftler, Journalisten.

Am 21.10.21 veröffentlicht:

Die AFD nahe Stiftung Erasmus könnte bald, vom demokratischen Staat finanziell gefördert, “aufblühen”. Bis zu 70 Millionen Euro könnte dieser AFD-Club dann aus Steuermitteln erhalten. Der Bundestag könnte diese Förderung einer äußerst rechtslastigen, manche sagen zurecht rechtsextremen Partei noch verhindern…
Wir haben schon Ende Juli 2018 darauf hingewiesen, dass zum Kuratorium der AFD nahen Stiftung auch ein sehr konservativer Dominikanerpater gehört, Wolfgang Ockenfels. Dem Provinzial der Dominikaner in Köln war diese Tatache kurzfristig mal peinlich, deswegen gab er eine offizielle Erklärung heraus, die dann kurze Zeit danach öffentlich nicht mehr zugänglich ist. Wer hat da Druck ausgeübt?
Und außerdem: Pater Ockenfels hat sich schon im Dezember 2014, kurz nach der Annexion der Krim durch Putin, als Putin-Freund und Putin-Verteidiger offenbart. Das passt gut zu seiner Nähe zur AFD.

Am 25. 7.2018 veröffentlicht:

Die AFD setzt sich in christlichen Kreisen immer mehr durch: Ein Thema auch für den Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon in Berlin, er weiß sich der Philosophie des demokratischen Rechtsstaates, der Menschenrechte und damit der allseitigen Religionskritik verpflichtet.
1.
Jetzt ist es nicht mehr unwahrscheinlich, dass es demnächst einen „Arbeitskreis von Theologen in der AFD“ geben könnte, selbstverständlich ökumenisch vereint. In der Lutherischen Kirche Sachsens (etwa in Bautzen) würde man sicher fündig werden; im Katholizismus hat nun der in konservativen Kreisen ohnehin umtriebige Theologe und Dominikanerpater Prof. Wolfgang Ockenfels ein Zeichen gesetzt: Er gehört zum „Kuratorium“ der AFD „nahen“(wie man vornehm sagt) „Stiftung Desiderius Erasmus“.
Dabei dauern die Verbindungen von Ockenfels zur AFD schön länger: Etwa im März 2017 sprach er über „Gewalt und Religion“ auf einer Tagung der AFD von Baden-Württemberg: Den Koran sollte man lesen, meinte er. Den Koran zu lesen hielt er dann aber für eine „grauenhafte Zumutung“, so berichteten sehr rechtslastige websites pünktlich zum Vortrag! Anfang 2017 betonte  Ockenfels: „Meiner persönlichen, nicht maßgebenden Meinung nach ist es – nach gründlicher Lektüre des AfD-Programms – nicht unchristlich, dieser Partei anzugehören oder sie zu wählen.“ (Quelle: Rolf Seydewitz: „Kirchen stehen ziemlich blamiert da“. In: Trierischer Volksfreund. 12. Januar 2017, abgerufen am 17. Juli 2018 (Interview).
Die schon lange andauernden Verbindungen von Ockenfels mit der rechtslastigen Wochenzeitung “Junge Freiheit” sind bekannt. Seit einigen Monaten ist Pater Ockenfels Kolumnist der “Jungen Freiheit”, so etwa zum “Heiligung statt Heilung” vom 6.4.2021. LINK

2.
Ockenfels jedenfalls kann aufgrund seiner weitreichenden vielfältigen Kontakte vor allem im rechts-konservativen katholischen Milieu nun seine AFD Affinität auch werbend in seinen Kreisen zur Sprache bringen: Er ist emeritierter Professor für Christliche Soziallehre an der theologischen Fakultät der Universität Trier (dort seit 1985, er hat also viele Religionslehrer usw. ausgebildet); er ist (Stand 2018) geistlicher Beirat im „Bund katholischer Unternehmer“; Beiratsmitglied der Akademie des deutschen Handwerks/Schloß Raesfeld; Präsident der Internationalen Stiftung Humanum (Lugano), Referent beim sehr konservativen „Forum deutscher Katholiken;” häufiger Mitarbeiter des sehr reaktionären katholischen Blattes „Der Fels“; Chefredakteur der Zeitschrift „Die Neue Ordnung“. Zur Redaktion gehören auch zwei andere Dominikaner, der eine, Pater Wolfgang Spindler, hat etwa kürzlich „Gedichte für und über Carl Schmitt“ in der Carl Schmitt Gesellschaft herausgegeben. Carl Schmitt war ja bekanntlich der „Kronjurist der Nazis“… Autor der „Neuen Ordnung“ von Pater Ockenfels ist auch der heftige Gegner/Feind von Papst Franziskus, Kardinal Walter Brandmüller.

3.
Am 24. Juli 2018 hat nun auch der für Pater Ockenfels zuständige Provinzialobere des Dominikanerordens in Köln, Pater Peter L. Kreutzwald, eine Stellungnahme publiziert.
Um es vorweg zu sagen: Diese Stellungnahme entspricht nicht der Bedeutung, dass nun ein katholischer Theologieprofessor sich in einer AFD Organisation engagiert. Diese Tatsache ist eine schlimme Wende, sie führt hin zur “Normalisierung” dieser AFD Partei und ihres Umfeldes sowie ihrer bekannten Connections mit rechtsextremen Parteien in Europa.
Im ersten Teil seiner Stellungnahme erwähnt Pater Kreutzwald die im Dominikanerorden offenbar übliche Pluralität: Man liebt dort die „kontroverse Diskussion“. Und angesichts dieser damit angedeuteten Toleranz im Dominikanerorden wird dann auch die „Haltung“ von Pater Ockenfels, also seine Sympathie für die AFD, als „persönliche Einzelmeinung“ förmlich abgewertet. Aber: „Diese persönliche Einzelmeinung“ wird „von der Provinzleitung nicht geteilt“. Immerhin, dies wird gesagt. Ob nun kontroverse Debatten, offenbar in dem Orden üblich, nun auch mit Pater Ockenfels geführt werden, auch öffentlich, wird vom Provinzial nicht einmal angedeutet. Wie toll wäre es doch, einmal einen kritischen Dialog unter Dominikanern, die nennen sich ja offiziell „Predigerbrüder, über das Thema öffentlich zu erleben.
Diese äußerst knappe allgemeine Abgrenzung des Ordensoberen bedeutet letztlich: Ein Ordensoberer ist gegenüber dem politischen Engagement eines zudem einflussreichen Ordensmitglieds machtlos; der Ordensobere zeigt hilflos, nicht mehr als die offizielle Ablehnung dieser Privatmeinung eines einzelnen Mitglieds im Orden mitzuteilen. Man könnte sich im Fall dieser gravierenden AFD Unterstützung ja auch denken: Dass der Ordensobere entscheidet, die Ordensmitgliedschaft des Betreffenden „ruhen“ zu lassen, solange dessen AFD Aktivitäten fortgesetzt werden.
Hingegen suggeriert der Kölner Ordensobere an der Stelle seiner knappen Stellungnahme, als wäre diese persönliche Einzelmeinung von Ockenfels nur von so geringer Bedeutung wie etwa eine absolute Vorliebe fürs vegetarische Essen oder für anstrengende Bergwanderungen. Mit anderen Worten: Der Ordensobere spielt in diesem ersten Absatz die AFD von Pater Ockenfels herunter. Damit wird indirekt für andere das Zeichen gesetzt: Wenn schon ein Dominikaner Theologe sich AFD nah engagiert, warum kann ich als katholischer Laie dies nicht auch? „Also los, wählen wir AFD“, sagen sich praktizierende Katholiken, die nachweislich oft noch sehr autoritätshörig sind.
Im zweiten, etwas längeren Teil der „Stellungnahme“ von Pater Kreutzwald wird dann ohne jeden ausdrücklichen Bezug zur AFD – Mitarbeit des Dominikaners Ockenfels nur Allgemeines zur politischen Situation Deutschland und Europas gesagt: Die AFD wird von dem Provinzial durchaus als „rechtsgerichtete Partei“ bewertet. Dass “rechtsgerichtet“ sehr milde klingt, ist klar! Kreutzwald gibt zu, diese Partei argumentiere mit „vereinfachender Polemik“ bis hin zu offener Feindseligkeit. Die Frage stellt der Provinzial an dieser Stelle nicht: Darf ein Theologe, darf ein Christ, sich zu dieser offenen Feindseligkeit (die die AFD nachweislich inszeniert) bekennen?
Zum Schluss erinnert der Obere an den Anspruch des Dominikanerordens, des Predigerordens, „in einer vernünftigen Sprache differenziert und ausgewogen die gegenwärtigen Herausforderungen ins Wort zu bringen“. DER TEXT von Pater Kreutzwald war kurze Zeit erreichbar über: http://www.dominikaner.de/  Am 21-10-2021: Diese Information des Provinzials ist schon seit längerer Zeit nicht mehr auf der website des Ordens auffindbar. Der “Fall Ockenfels” Ist wohl zu peinlich für die Ordensleitung?

4.

Auch der katholische Theologe David Berger (2010 Autor des heftig antiklerikalen Erfolgs-Buches „Der heilige Schein. Als schwuler Theologe in der katholischen Kirche“) gehörte kurze Zeit zum Kuratorium dieser AFD-Organisation. David Berger ist ein Kenner des Werkes des mittelalterlichen Theologen und Dominikaners Thomas von Aquin, deswegen hat er enge Verbindungen zu einzelnen Dominikanern in Berlin und in Rom (dazu in dem genannten Buch S. 128 ff.). Er hat sich vom konservativen katholischen Theologen erst zum heftigen Kirchenkritiker und Gay-Aktivisten nun wieder zum AFD nahen Theologen (zurück-?) “entwickelt”. Eine interessante “Karriere” in der AFD…Die allerdings im Juni 2019 ein Ende fand: David Berger ist aus dem Kuratorium der AFD Stiftung ausgeschieden…

Bemerkenswert jedenfalls ist die nach außen hin gezeigte Toleranz von Ockenfels gegenüber dem offen homosexuell lebenden, einstigen Chefredekteur des Gay – Magazins „Männer“ im schwulen Bruno Gmünder Verlag in Berlin: Gegenüber seinem damaligen Co-Beirat David Berger in der AFD Stiftung zeigte sich Ockenfels sehr tolerant: Er hielt den nun AFD affinen (ehemaligen ?) Gay-Aktivisten und Gay-Publizisten David Berger für einen „sehr anregenden, kompetenten Gesprächspartner“. Dabei ist diese tolerante Aussage von Ockenfels hoch erstaunlich: Sie steht wohl ganz im Dienste der gemeinsamen AFD-Verbundenheit: Denn Ockenfels hat sonst gegen alle „moderne“ Moral (der „68 er-Bewegung“) gewettert, gegen Feminismus und Gender-Forschung etwa. Gegen die so genannte „Homoehe“ argumentierte Ockenfels in einem von Norbert Geis (CSU – Hardliner) herausgegebenen Buch mit dem Titel „Homoehe“, er verfasste den Beitrag “Staatliche Prämierung der Unfruchtbarkeit“ (gemeint sind „die Homos“). AFD Homos sind jetzt – dank David Bergers Liebe zur AFD – offenbar nicht mehr so „unfruchtbar“. Inzwischen gehört Berger nicht mehr dem beirat der AFD nahen Stiftung an, CM, 7.2.2023)

5.

Pater Ockenfels, ein PUTIN-Freund:
Pater Ockenfels zeigt sich Putin – Freund und Putin – Verteidiger, und darin ist er auf der Linie der AFD. Man denke auch an Gaulands frühe Verteidigung der Annexion der Krim durch Putin… (Siehe unten, Fußnote 1)
Am 3. Dezember 2014, also wenige Monate nach der Annexion der Krim durch Putin (im März 2014 ), schrieb Pater Ockenfels in der sehr konservativen katholischen website kath.net :
„Aber die neuen Schaleks (das sind Journalisten im Werk von Karl Kraus, CM) beiderlei Geschlechts bevölkern zur Anheizung des neuen Konflikts unsere Medien, die ihren Haß auf den Teufel Wladimir Putin kaum noch zügeln können: Er sei sowieso krank, er habe Krebs, und überdies sei er paranoid, wie Herr Doktor Andreas Schockenhoff MdB per Ferndiagnose herausfand, statt sich als Christdemokrat einmal zu völkerrechtlichen Regeln, die für alle und reziprok gelten (sollten) und über die einseitige Interessen- und Machtpolitik hinausgehen, nachdenklich zu äußern. Die heute bei uns vorherrschenden antirussischen und antichristlichen Affekte werden freilich nicht vom Volksverhetzungsparagraphen erfaßt“.  Kath.net 3.Dezember 2014.

Fußnote 1: „Schon 2014, die AfD war erst wenige Monate alt, war Alexander Gauland zu Gast in der russischen Botschaft. ­Gauland, damals noch Landeschef in Brandenburg, ist heute Vorsitzender der Partei. Kurz nach dem Besuch trat er mit dem Kreml-Lobbyisten ­Wladimir Jakunin bei der Konferenz „Frieden mit Russland“ des rechtsextremen ­Magazins Compact auf. Er reiste nach Sankt Petersburg, traf einen nationa­listischen Oligarchen und diskutierte mit dem radikal antiliberalen Philosophen Alexander Dugin, den das US-Magazin Foreign Affairs „Putins Hirn“ taufte.
Und so ging es weiter: AfD-Politiker reisten zu Konferenzen in die Ost­ukraine, wanzten sich an die Putin-Jugend ran, trafen sich in Moskau mit der Kremlpartei oder der Stadtregierung… Quelle: TAZ: https://taz.de/Russland-und-die-AfD/!5579084/

Fußnote 2:
Der Dominikaner Pater Ockenfels ist ständiger Mitarbeiter der äußerst rechtslastigen website “kath.net”, seine Texte: https://kath.net/suche.php?suche=Ockenfels

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

Der Teufel hat keine Zeit. Ein neues Buch von Daniel Strassberg.

Eine kleine Hinführung ins philosophisch-politische Denken.
Ein Hinweis von Christian Modehn.

1.
Wieder einmal eine Möglichkeit, ins philosophische Denken zu kommen, bietet das neue Buch von Daniel Strassberg (Zürich). Er arbeitet als Psychoanalytiker und als Philosoph, eine nicht gerade häufige Kombination. 2022 hat er seine „philosophisch-politische Betrachtungen“ unter dem Titel veröffentlicht „Der Teufel hat keine Zeit“ (Rotpunktverlag, Zürich.) Zeit sollten sich allerdings die LeserInnen nehmen während der Lektüre, die anspruchsvoll, aber nicht schwierig ist und ins weitere Fragen führt. Und Fragen verunsichern, das ist auch der Hintergrund des Buches. Es verlangt Denkpausen, Unterbrechungen, anders geht es nicht im Philosophieren.
Der Titel „Der Teufel hat keine Zeit“ wird, soweit ich sehe, im Buch nicht weiter erklärt. Er soll vielleicht bedeuten: Der Teufel hat keine Zeit. Du als Mensch bist kein Teufel (normalerweise), also hast du Zeit und nimm dir Zeit zum Lesen (dieses Buches). Eine hübsche Werbung?

2.
Der Autor hat 41 „Betrachtungen“, kurze Essays, „Denk-Impulse“, veröffentlicht, die zuvor schon (von 2019 bis 2022) im Online-Magazin REPUBLIK.ch veröffentlicht wurden. In 6 Kapiteln werden diese philosophischen „Betrachtungen“ sortiert: Etwa: „Identität und Politik“, „Über die Liebe und andere Schwächen“, „Sprache und Wirklichkeit“… „Das Buch versucht die Bruchlinien zwischen dem Einzelnen und der Gesellschaft bewusst hervorzuheben, um so das komplexe Wechselspiel von gesellschaftlichem Wandel und veränderten Formen der Subjektivität auszuloten“, schreibt Strassberg (S. 14).

3.
41 philosophisch-politische Essays, leider (zu) eng/klein gedruckt auf 240 Seiten, kann man nicht umfassend rezensieren, es sei denn, es sollte ein neues Opus entstehen.
Was macht dieses Buch im ganzen zu einem „Einstieg“ ins philosophische Denken inmitten der Fragen und Herausforderungen der Gegenwart? Strassberg analysiert z.B alltägliches menschliches Verhalten („Ausreden“, „Sex“, Rechthaben“, „Scham“, „Nähe“ usw.).
In der philosophischen Reflexion auf den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine unterstreicht Strassberg die Bedeutung der Ideologie in diesem (und wohl in jedem) Krieg. Putin und die ihm ergebene russisch-orthodoxe Kirche verbreiten eine Ideologie unter den Russen: Der Krieg wird so in eine verfälschend gefärbte Groß-Erzählung künstlich eingebunden, in der dann der Krieg „nicht mehr völlig absurd erscheint“ (S. 27). Und die meisten, gläubig und dumm gehalten seit Jahrhunderten, akzeptieren das. Noch lange? Gibt es ein Ende der ideologischen Verblödung?

4.
Ein anderes Beispiel: Ohne Ausreden kann eigentlich kein Mensch in der Gesellschaft, im Staat, in der Familie etc. leben und bestehen, der Autor zeigt: „Wir sind allzeit dazu aufgerufen, schonungslos ehrlich zu uns selbst zu sein. Doch ein Leben ohne ein gerütteltes Maß und Selbstbetrug ist unerträglich. Ausreden ermöglichen es, Widersprüche zu leben, ohne dauernd über sie nachdenken zu müssen…“ (S. 41).
Ich habe weiter nachgedacht, was denn der Unterschied zwischen Ausrede und Lüge ist, und wie sehr so viele unserer demokratischen Politiker und internationalen Finanzjongleure und Bischöfe nicht längst die Praxis der Ausreden meisterlich beherrschen.
Treffend auch Strassbergs Analyse, wie „unsere schöne grenzenlose Welt“ dazu führt, dass wir keine räumliche Nähe mehr hochschätzen können und möchten. „Der physische Ort, an dem Menschen zusammenwohnen, begründet kaum noch gemeinsame Interessen“ (S. 167). Anregend auch die Reflexionen zum Thema Bürokratie, „die“ – aufgrund der Computer gesteuerten Fragen und Formulare CM. – „im besten Fall zur Anpassung, im schlimmsten zur Lüge und zum Betrug zwingt, also genau zu dem, was sie verhindern vorgibt“(S. 152).
Weitere „Kost/d.h. Denk-Proben“ zum Weiterdenken und Kritisieren natürlich ließen sich zu jeder „Betrachtung“ liefern.

5.
Fraglich bleiben für mich einige wie immer recht knapp mitgeteilte Denkresultate Strassbergs, etwa unter dem Titel „Das Unnütze“ (S. 140 ff.) Da wird über Adam Smith in einem überraschend wohlwollenden Ton gesprochen, als wäre er der Gründervater einer Theorie der Schönheit und Kultur. „Wir essen nicht, weil wir Hunger haben, sondern weil wir den raffinierten ästhetischen Genuss suchen – auch wenn er ungesund ist“, schreibt Strassberg (S. 139). Ob sich dieser Meinung einiger Leute in Zürich, Paris, New York, Berlin auch die Millionen Hungernden von Südsudan und Madagascar und so weiter anschließen, ist eher ausgeschlossen. Die vom Autor sehr verständnisvoll beschriebene Produktion der Luxus-Güter für die Luxuriösen, Millionäre etc., verdient wirklich weitere kritische Reflexionen. Ich habe sehr große Schwierigkeiten dem Schlusssatz dieses Kapitels auch nur annähernd zuzustimmen: „Unsere überaus effiziente Gesellschaft ruht auf dem verdrängten Fundament des Unnützen“ (S. 140).
Strassberg nennt seine sehr diskutable Überzeugung: „Nicht nützliche, sondern schöne und überflüssige Dinge sind das Schmiermittel jeder Ökonomie“ (ebd.) Da wird offenbar die übliche Kulturproduktion des Schönen für die Schönen (Oper, Ballett, Malerei etc.) mit der Produktion teuerster Mode und Cognacs etc. verwechselt. Wird durch die Produktion von Luxus-Mode und Luxus-Cognacs die Arbeitslosigkeit in Frankreich etwa erheblich reduziert? Eher nein, die Produktionen der genannten Güter sind also kein „Schmiermittel der Ökonomie“!

6.
Ein anderes Beispiel: In dem Beitrag „Warum Entscheidungen nie vernünftig sind“ (S. 120ff). Auf S. 124 heißt es: „Das vernünftige Abwägen von Argumenten, der herrschaftsfreie Dialog, der friedliche Wettstreit der Meinungen und Überzeugungen sind Fiktionen.“ Schon wieder gilt hier der vom Autor zweifellos gewünschte Widerspruch, wie sollte es denn auch anders sein in der Philosophie! Meine Frage also: Sind dann etwa auch die hier vorliegenden „Betrachtungen“ von Daniel Strassberg, die ja argumentieren und Überzeugungen bieten, auch Fiktionen? Ich hoffe nicht, und hoffe insgesamt nicht, dass Argumente und damit die ganze Philosophie ins Fiktive abgleiten. Fiktiv sind viele Romane. Philosophie ist eine Kunst, aber eine Lebenskunst mit geltenden Argumenten. Ist etwa die argumentierende Erklärung der universal geltenden Menschenrechte fiktiv? Viele Politiker betrachten die Menschenrechte als Fiktionen, faktisch. Normativ gesehen sind die Menschenrechte absolut keine Fiktion!

Daniel Strassberg, „Der Teufel hat keine Zeit. Philosophisch-politische Betrachtungen“. Rotpunktverlag. Zürich, 2022, 256 Seiten, 25 Euro.

Copyright: Christian Modehn, www.religionsphilosophischer-salon.de

Was bringen Gespräche mit Kyrill I., dem Patriarchen von Moskau und ideologisch – theologischem Kriegstreiber Putins? Gar nichts!

Ausführliches über ein Treffen von führenden Theologen des Ökumenischen Weltrates der Kirchen (ÖRK in Genf) mit dem Patriarchen Kyrill in Moskau am 17. Oktober 2022.

Ein Hinweis von Christian Modehn.

Am 27.10.2022 plädiert ein prominenter orthodoxer Erzbischof, Arsenios Kardamakis von Wien, für die Absetzung von Patriarch Kyrill. Es kommt also Bewegung im Umgang mit diesem Putin-Kriegstreiber… wenn sogar ein orthodoxer Amtsbruder, Erzbischof Kardamakis, für die Absetzung von Kyrill plädiert, dann ist das wohl ein Zeichen: Mit diesem Kriegstreiber kann man nicht mehr reden. Er gehört in ein bescheidenes Altersheim …. den Vorschlag der Absetzung Kyrills könnte der Weltrat der Kirchen ÖRK in Genf auch unterstützen …   LINK:

Am 26.10. 2022 wurde noch ein “Exklusives Interview mit Prof. Ioan Sauca” vom ÖRK veröffentlicht: LINK

Sauca ignoriert auch in diesem Interview vom 26.10.2022, dass Kyrill während dieser Begegnung in Moskau am 17.Okt. 2022 seine Kriegsideologie deutlich verteidigt hat: In einem leicht zu überlesenden Zwischensatz sagte Kyrill Wesentliches: „Krieg kann niemals heilig sein. Wenn jemand aber sich selbst und sein Leben verteidigen muss oder sein Leben zum Schutz anderer Menschen geben muss, sieht das anders aus“. WIE anders das dann aussieht, sagt Kyrill nicht explizit, aber der Schluss ist klar: In einem solchen Verteidigungsfall ist der Krieg eben doch heilig: Der Angegriffene muss sich verteidigen. Die früheren Stellungnahmen des geistlichen PUTIN-Ideologen lassen ohnehin keinen Zweifel: Kyrill meint, Russland müsse sich gegen den „Angreifer“ Ukraine verteidigen, dann wird der Krieg also durchaus heilig. Auf diesen entscheidenden Zwischensatz Kyrills ist die Delegation des ÖRK nicht eingegangen und geht auch Sauca am 26.10.nichrt ein. (vgl.Nr. 6 in diesem Hinweis).

1.
Man sollte mit Kriegstreibern und Kriegsherren im Krieg reden, sagen einige. Vielleicht bekehren sie sich zum Frieden, der den Namen verdient?
Unter vernünftigen Bedingungen ist Dialog immer eine gute Lösung.
ABER: Eine Dialog-Begegnung mit Patriarch Kyrill und führenden Vertretern des Ökumenischen Rates ÖRK (Genf) am 17.10.2022 zeigt: Man trifft sich, und Kyrill I. als theologischer Kriegsideologe verbreitet nur banale Freundlichkeiten. Und die Delegation aus Genf reagiert freundlich und milde. Deutlich wird: Zur Kritik an Putin bekehrt sich „Seine Heiligkeit“ , ehemaliger KGB Mann, natürlich nicht. Er denkt gar nicht daran, aus seiner Kirche eine oppositionelle Bewegung zugunsten der Anerkennung der Ukraine als eigenständigem Staat zu machen. Er redet vom Frieden, meint aber den Sieg Russlands über die Ukraine.

Man muss sich die Mühe machen, das nach dem „Dialog“ veröffentlichte offizielle Kommuniqué aus Genf, ÖRK, gründlich zu lesen. Link: https://www.oikoumene.org/de/resources/documents/wcc-communique-his-holiness-patriarch-kirill-meets-with-wcc-acting-general-secretary

2.
Dieser Hinweis hier ist alles andere als marginal. Er zeigt, dass die obersten Gremien der Ökumene in Genf gar nicht daran denken, mit der russisch-orthodoxen Kirche zu brechen, d.h. diese Kirche als Mitglied aus der weltweiten Ökumene derer, die sich Christen nennen und als Christen zu handeln versuchen, rauszuwerfen. Solche ein Schritt würde der weltweiten Isolierung des Putin Regimes nützen und später helfen, auch diese Kirchenführer (Kyrill I)…) zusammen mit Putin und Co. vor das alsbaldige Kriegsverbrecher – Tribunal zu stellen.
Aber der sogenannte Dialog in Moskau am 17.10.2022 mit Vertretern des ÖRK zeigt, soweit aus dem Kommuniqué ersichtlich, dass der oberste Boss dieser russisch-orthodoxen Kirche (und nicht nur er) ein Ideologe Putins ist, selbst wenn er sich geschickt verbal zu verstecken vermag.
Wenn man kritisch wäre in christlichen Kreisen würde man diesen Multi-Millionär nur noch Herrn Wladimir Michailowitsch Gundjajew nennen, geboren in Leningrad am 20.November 1946. Solche Ansprache macht die Delegation aus Genf aber nicht, sondern nennt ihn„seine Heiligkeit“. Wie ehrerbietig! Interessant ist, dass die offizielle Website des Moskauer Patriarchats diesen Herrn Gundjajew sogar wie Gott selbst als seine „allerhöchste Heiligkeit“ anspricht. Ein Skandal der Gotteslästerung, allein schon ein Grund, diesen Patriarchen aus dem ÖRK zu werfen.
Zur Anrede von Herrn Gundjajew als „Heiligster Patriarch“ siehe die offizielle Website: https://mospat.ru/de/news/89724/

3.
Es ist schon erstaunlicherweise so weit gekommen, selbst unter immer politisch-staatlich mild gesinnten Orthodoxen, dass jetzt der Ehrenprimas der christlichen Orthodoxie, Patriarch Bartholomäus, diesen Herrn Gundjajew alias seine Heiligkeit (offiziell in Moskau: Heiligstkeit !) Kyrill zum Rücktritt auffordert. (Link: https://www.domradio.de/artikel/bartholomaios-appelliert-erneut-kyrill). Diese Tatsache darf man sensationell nennen, wollen wir hoffen, dass die Dialog bereiten Herren und Damen im ÖRK in Genf sich dieser Position mit allen Konsequenzen anschließen.

4.
Die Tatsachen: Theologen der Ökumene aus Genf (ÖRK) fahren nach Moskau, sprechen am 17.10. 2022 mit Kyrill I. und „seinen Leuten“, wie er sagt. Dann wird am 20.10.2022 in Genf vom ÖRK ein offizielles Kommuniqué veröffentlicht.
Wer das Dokument liest, ist erstaunt und empört: Über die diplomatisch verschleiernden Worte Kyrills und über die fast angstvoll wirkenden, von Ehrerbietung bestimmten Worte und Fragen der Delegation aus Genf.
Kyrill I. spricht bei der Begegnung oft und freundlich vom Frieden und vom Dialog, sowie, ach das ist zu erwarten, von den üblichen „Missverständnissen“ seiner früheren kriegerischen Worte gegen die Ukraine und den moralisch angeblich total verdorbenen Westen.

5.
Kyrill I. spricht überhaupt nicht vom Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Er schwadroniert hingegen von einer „sehr kritischen Lage“, einer „schwierigen Lage“, von einer „schwierigen Situation am Donbas“, er spricht nur vom „politischen Kontext“, den „man beachten“ solle. Wenn der Patriarch und eindeutige Putin-Ideologe die Ukraine erwähnt, dann spricht er, alle wahren Kausalitäten in diesem Krieg verschweigend, von einem „Konflikt in Bezug auf die Ukraine“ oder von einem „Konflikt IN der Ukraine“. Dieses nur Nebel erzeugende Jonglieren mit Begriffen hat er zweifellos mit seinem gemeinsamen KGB Kollegen Putin beim sowjetischen Geheimdienst einst gelernt.

6.
Die „Schaffung von Frieden“ wird von Kyrill mehrfach erwähnt, es sei, klar und eindeutig gesagt: Da redet einer das übliche Bla-Bla, das man etwa aus Zeiten der vorwiegend kommunistisch-gesteuerten „Prager Friedenskonferenz“ schon seit 1960 kennt. In einem leicht zu überlesenden Zwischensatz sagt Kyrill dann doch Wesentliches: „Krieg kann niemals heilig sein. Wenn jemand aber sich selbst und sein Leben verteidigen muss oder sein Leben zum Schutz anderer Menschen geben muss, sieht das anders aus“. WIE anders das aussieht, sagt Kyrill nicht, aber der Schluss ist klar: In einem solchen Verteidigungsfall ist der Krieg eben doch heilig: Der Angegriffene muss sich verteidigen. Die früheren Stellungnahmen des geistlichen PUTIN-Ideologen lassen ohnehin keinen Zweifel: Kyrill meint, Russland müsse sich gegen den „Angreifer“ Ukraine verteidigen, dann wird der Krieg also durchaus heilig.
Komisch ist nur, dass diese Worte Kyrills eigentlich auch auf die von Russland angegriffene Ukraine passen, aber daran denkt der Russe Kyrill „dummerweise“ wohl gar nicht. Denn er ist überzeugt, dass es auch einen von ihm so genannten „metaphysischen Krieg“ gibt, einen Krieg „gegen böse Mächte und Gewalten“, und diese sind ja bekanntlich im dekadenten Westen sehr lebendig, wie Kyrill schon seit langem predigt. Und der Patriarch bezieht sich dabei sogar auf eine Stelle aus dem Neuen Testament, in der der Autor, Paulus genannt, im Epheserbrief – angesichts des nahenden Weltendes – „vom Krieg gegen dunkle Mächte und Gewalten“ spricht (6,12). Den Krieg führt also Russland „metaphysisch“, aber durchaus physisch tötend. Und ich möchte hier nur daran erinnern, wie viel Unsinn diese fundamentalistische Bibellektüre à la Kyrill I. erzeugt. Diese genannten Sätze des Autos Paulus im Epheserbrief werden heute von jedem vernünftigen Theologen beiseite gelegt.
Skandalös ist, dass, soweit aus dem Genfer Kommuniqué ersichtlich, diese Herren vom ÖRK auf diese Worte Kyrills gar nicht reagieren. Haben sie diese Worte überhört? Wollten sie diese Worte überhören?

Zur theologischen Wahnidee des “metaphysischen Krieges” schreibt der Publizist Peter Lachmann (Warschau) in “Lettre International”, 2022, Heft 138, S. 126:” Zu Putin steht denn auch bedingungslos das Moskauer Patriarchat, für das auch die Grausamkeiten der Zaren niemals ein Ärgernis darstellten, weil ihre Herrschaft von Gott komme, so wie des neuen Para-Zaren Putin. Patriarch Kyrill interpretiert Putins Aggression ganz in diesem Sinne: Der Krieg um das heilige Russland habe metaphysische Bedeutung, die Rückeroberung der Ukraine sei eine Sache der ewigen Erlösung“.

Auf diesen Blödsinn fällt der Ökumenische Rat der Kirchen rein und huldigt den metaphysischen Krieger Kyrill, genannt Patriarch,  allein schon durch ihren Besuch am 17.10.2022.

7.
Die Kirchen des Westens, die sich vor allem im ÖRK versammeln, haben nach Meinung Kyrills im Falle des „Konflikts“ sehr löblich “aktiv, aber neutral“ gedacht und gehandelt, sie haben „keine politische Seite gewählt“. Ob man sich als Demokrat darüber freuen soll, ist sehr die Frage. Jedenfalls freut sich Kyrill sehr, dass der ÖRK einstimmig beschlossen hat, die Russisch-orthodoxe Kirche als Mitglied im ÖRK zu belassen. Darüber wurde und wird ja gestritten, leider hat die Führung des ÖRK in Genf das letzte Wort. Genauso groß ist Kyrills Freude darüber, dass diese seine Kirche, die so eindeutig auf Seiten des Kriegstreibers Putins steht, bei der 11. Generalversammlung des ÖRK in Karlsruhe Anfang September 2022 mit einer Delegation vertreten sein durfte, trotz sehr berechtigter Widerstände gegen deren Anwesenheit.
Aber auch schweigt die Delegation aus Genf.

8.
Im ganzen gesehen meint Kyrill I.: Alle Kirchen sollten zusammenarbeiten, den Dialog pflegen, gemeint ist: im Sinne Putins. Kyrill sagte einige Worte, bleibt aber bei seiner kriegerischen Ideologie.
Man fragt sich, müssen zur Entgegennahme solcher bekannter Behauptungen ökumenische Delegationen nach Moskau zum Dialog reisen, lohnt wegen solchen Blablas der Aufwand? Dadurch soll nur der Eindruck geweckt werden: Wir Christen vom ÖRK sind doch soooooo dialogbereit, auch mit theologischen Kriegstreibern.
Seine ganze Verlogenheit fasst Kyrill in seinem Schlusswort zusammen: „Möge Gott uns dabei helfen, dass die christlichen Kirchen der Versuchung widerstehen, Teil einer politischen Macht zu werden“.
Zum Lachen dieser Satz: Die Russisch – orthodoxe Kirche ist unter seinem allmächtigen Chef Kyrill I. alias Gundjajew de facto längst „Teil einer politischen Macht“, nämlich Putins, aber auch diese Tatsache wird nach KGB Art weggelogen.
Aber das wissen doch alle kritischen Beobachter. Nur: Die ökumenische Delegation aus Genf (ÖRK) geht darauf überhaupt nicht weiter ein, jedenfalls berichtet das offizielle Kommuniqué davon nichts. Aber was nutzen mögliche Geheimabsprachen hinter verschlossenen Türen, falls es sie denn in einem Nebenraum des Palastes des Milliardärs und Patriarschen gegeben hat?

9.
Interessant sind die in dem Kommuniqué mitgeteilten Stellungnahmen des „geschäftsführenden Generalsekretärs des ÖRK“, des Rumänisch – Orthodoxen Priesters und Theologen Prof. Ioan Sauca. Im ganzen hat der Leser des offiziellen Kommuniqués den Eindruck: Da spricht ein devoter orthodoxer Theologe der rumänischen Kirche zu dem fast einen Ehrenprimat beanspruchenden Moskauer Patriarchen. Sauca ist sich nicht zu schade, den KGB Mitarbeiter und Putin Ideologen Kyrill mit „seine Heiligkeit“ anzusprechen. Sauca aus Genf spricht selbst nur diplomatisch (freundlich und „neutral“ für Kyrill) von einem „Krieg zwischen Russland und der Ukraine“, von russischem Angriffskrieg traut sich der Herr aus Genf nicht zu sprechen.
Sauca freut sich, dass die Erklärungen zum Krieg durch seine Genfer Kirchenorganisation sogar “unter Mitwirkung der jeweiligen Delegationen der Russisch-orthodoxen Kirche formuliert worden seien, wie nett, die Aggressoren formulieren Friedenserklärungen mit. Sauca betont, durch diese Begegnung in Moskau herauszufinden, was die russische Kirche und der ÖRK tun können, „um dem Blutvergießen ein Ende zu setzen“. Weiter oben habe ich gezeigt, dass Sauca und die Seinen auf diese Frage keine konkrete Antwort vom Herrn Patriarchen erhalten haben. So bleiben den Herren aus Genf nur die freundlichen Worte an die Moskauer Clique: „Wir schätzen die Russisch-orthodoxe Kirche. Sie ist eine der größten Mitgliedskirchen im ÖRK. Und wir alle wollen, dass die Russische Orthodoxe Kirche auch weiterhin Teil des ÖRK bleibt, denn Ihr Beitrag für die ökumenische Bewegung und auch die Einheit der orthodoxen Kirchen ist über die Jahre immer sehr wichtig gewesen.“ Wenigstens ein Hinweis hätte gut getan, welche theologischen, spirituellen, ökologischen Beiträge denn diese russisch-orthodoxe Kirche für die Weltchristenheit bisher geleistet hat. Es sind keine bekannt. Hat nicht die damalige Bischöfin Margot Käßmann im Jahr 2002 ihre Mitarbeit im ÖRK aufgegeben, weil sie förmlich angewidert war von der Frauenfeindlichkeit dieser Moskauer Herren-Patriarchen Clique? (Siehe dazu: https://www.landeskirche-hannovers.de/evlka-de/presse-und-medien/nachrichten/2002/09/04-679)

10.
Was bedeuten also diese demütigen Worte vonseiten Saucas? Will er etwa den Kriegstreiber Kyrill umstimmen? Nein, er will diese Kirche im ÖRK behalten, denn die russisch-orthodoxe Kirche hat im ganzen Bereich Osteuropas ca. 160 Millionen Mitglieder. Wird diese Kirche aus dem ÖRK geworfen, hat dieses oberste ökumenische Gremium dann nur noch bescheidene 400 Millionen Mitglieder weltweit, ein Ungleichgewicht gegenüber der römisch-katholischen Kirche, die jetzt 1,4 Milliarden Mitglieder hat. Das ist für Genfer Ökumeniker vielleicht unerträglich?! Die finanziellen Leistungen der Russisch-orthodoxen Kirchen für den Betrieb des ÖRK in Genf sind äußert bescheiden, wenn man den grandiosen Reichtum allein des Patriarchen Kyrill berücksichtigt: Im Jahr 2020 zahlte die Russisch orthodoxe Kirche 10.229 Schweizer Franken sozusagen als Mitgliedsbeitrag in Genf ein. Im Jahr 2021 waren es 10.618 Schweizer Franken. (Quelle. https://www.oikoumene.org/resources/documents/wcc-financial-report-2020).

11.
Nebenbei: Die „Begegnung Genf-Moskau fand in der „Residenz“ Kyrills, im Danilow Kloster statt, die Barock-Schloss ähnlichen Räumlichkeiten sind absolut glanzvoll und extrem opulent, so richtig passend für Christen, die behaupten, Christen zu sein und dem armen Jesus von Nazareth zu folgen. Und so richtig passend zu den armen Mütterchen, die immer noch in den armseligen Dörfern dem orthodoxen Glauben und seinem Patriarchen -auch noch Geld spendend – anhangen. Das sind Beispiele für die Erkenntnis: „Religion ist Opium des Volkes“…
Und auch dies nebenbei: Wer bei der Begegnung Moskau-Genf diese orthodoxen Gestalten in diesen Prunk-Räumen betrachtet, muss sehr an sich halten, um nicht zu fordern: Mögen doch diese so genannten orthodoxen „Geistlichen-Herren“ für längere Zeit zum Zwecke von geistlichen wie leiblichen Übungen die Lager Putins in Sibirien von Innen erleben. Und den Oppositionellen Nawalny dort treffen. Und mit ihm in aller Lager – Armut und Not debattieren. Dieser Wunsch wird nicht in Erfüllung gehen, selbst wenn, wie schon gesagt, der oberste „Ehren-Chef“ der Orthodoxen, Patriarch Bartholomäus von Konstantinopel, den Rücktritt seines Mitbauer Kyrill I. bzw. Gundjajew, fordert. Aber dieser Herr in Moskau wird dochnicht auf seinen Luxus verzichten, oder diesen ins Ausland, warum nicht nach Deutschland oder nach Zürich, mitnehmen.
Einige hübsche Fotos von der Residenz Kyrills kann man sich anschauen: https://mospat.ru/de/news/89724/. Über den Reichtum des Moskauer Patriarchen: Siehe den Beitrag, Nr. 13.

12.
Diese abstoßenden Gestalten, die sich Patriarchen oder Metropoliten und so weiter zu nennen erlauben, sind, summa summarum, eine Schande für die Christenheit. Auch diese russischen Kleriker vertreiben die letzten Menschen, die noch glauben, in einer christlichen Kirche, auch in der russisch-orthodoxen Kirche, eine Art geistliche, spirituelle und humane Heimat zu finden.
Der Klerus ist, so das Gesamtresultat, das sich auch aus den vielfachen Skandalen der römischen Kirche ergibt, eine Schande für die Christen geworden. Wer diese Schande überwinden will, muss die totale Herrschaft des Klerus, in Moskau wie in Rom und Köln und so weiter überwinden. Und den Leuten in Genf im ÖRK muss man mindestens dies sagen: Seid bitte nicht länger so naiv.

13.
Die beste und sehr lesenswerte Zusammenfassung zur Rolle Kyrills I. als theologischem Ideologen Putins und seines Krieges hat das „Zentrum der liberalen Moderne“ in Berlin verfasst mit allen genauen Details. Siehe den hervorragenden Beitrag von Armin Huttenlocher: https://russlandverstehen.eu/ukraine-krieg-kyrill-huttenlocher/

Nur eine „Kostprobe“als Zitat aus dieser hervorragenden Studie:
Macht­stre­ben und Luxus­le­ben hinter mit­tel­al­ter­li­cher Fassade:
Hinter einer kir­chen­sei­tig gepfleg­ten Fassade vor­mo­der­nen – um nicht zu sagen: spät­mit­tel­al­ter­li­chen – Auf­tre­tens ver­birgt sich ein Apparat, der sich nicht auf eine Pflege des See­len­heils beschränkt: Die Rus­sisch-Ortho­doxe Kirche (ROK) zählt zu den größten nicht­staat­li­chen Land­be­sit­zern in Russ­land, Belarus und der Ukraine. Neben Kirchen, Klös­tern und Land­gü­tern verfügt sie zudem über ein statt­li­ches Immo­bi­lien-Impe­rium. Exper­ten schät­zen die Ein­nah­men allein aus diesem Bereich auf umge­rech­net bis zu 1 Mil­li­arde US-Dollar jähr­lich. Hinzu kommen Gelder, die der ROK ver­fas­sungs­ge­mäß aus der Staats­kasse zuste­hen, und Spenden von Pri­vat­leu­ten und Wirt­schafts­un­ter­neh­men. Das Pres­se­büro von Kyrill I. sah sich vor einigen Jahren ver­an­lasst, nach­träg­lich auf einem bereits ver­öf­fent­lich­ten Foto eine goldene Luxus­uhr vom Hand­ge­lenk des Patri­ar­chen zu retu­schie­ren. Die Ein­kaufs­tou­ren seiner Entou­rage bei Besu­chen von Metro­po­lien (Diö­ze­sen) der ROK in New York, Chicago, London, Paris, Berlin oder Wien sind legendär.
Für aus­rei­chend Beweg­lich­keit des Klerus sorgt eine beein­dru­ckende Flotte aus Fahr­zeu­gen, vor­zugs­weise der geho­be­nen Klasse, Hub­schrau­bern und, Berich­ten zufolge, sogar Flug­zeu­gen. Bei Aus­lands­be­su­chen ist man stets Gast der jewei­li­gen Bot­schaft der Rus­si­schen Föde­ra­tion, wohnt in Vier‑, lieber noch Fünf-Sterne-Hotels und genießt den dazu­ge­hö­ri­gen Service. Die Ver­wal­tung der Besitz­tü­mer und der allein in Russ­land unge­fähr 115 Mil­lio­nen, welt­weit rund 150 Mil­lio­nen Gläu­bi­gen erfolgt ebenso wie die enga­gierte Offline- und Online-Kom­mu­ni­ka­tion der ROK mit­hilfe kirch­li­cher Medien samt eigener Trolle in Sozia­len Netz­wer­ken – soge­nann­ten „Kyrill-Bots“.
Per­so­nell ist die Rus­sisch-Ortho­doxe Kirche seit den 1970er Jahren eng mit den Geheim­diens­ten ver­bun­den. Seit der Bre­schnew-Ära gibt es keinen Patri­ar­chen der ROK, der nicht auch Wurzeln beim KGB bzw. dessen Nach­fol­ge­or­ga­ni­sa­tion FSB gehabt hätte. „Glei­ches gilt für die meisten Metro­po­li­ten (Erz­bi­schöfe) und für min­des­tens ein Drittel aller Pries­ter und Anwär­ter auf ein Pries­ter­amt bei uns“, sagt ein füh­ren­des Mit­glied der ROK im ver­trau­li­chen Gespräch. Und fügt hinzu: „Die Anwer­bung erfolgt im Pries­ter­se­mi­nar. Berichte für den FSB zu ver­fas­sen, gehört so selbst­ver­ständ­lich zum Leben als Pries­ter unserer Kirche, wie die Beichte zum Leben der Gläubigen.“ (https://russlandverstehen.eu/ukraine-krieg-kyrill-huttenlocher/).

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin