Papst Franziskus erzählt so einiges aus seinem Leben und will das Papsttum als “absolute Monarchie” abschaffen?

Warum einige Themen seines Buches „Leben“ dennoch wichtig sind.
Ein Hinweis von Christian Modehn am 2.4.2024

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Ergänzung am 5.4.2024: Wer sich mit den vielen Stellungnahmen, Büchern, auch der Autobiographie von Papst Franziskus befasst, hat es schwer: Nach der hier vorgestellten Autobiographie hat der Papst gleich schon wieder ein Interviewbuch veröffentlicht, meldet der BR am 5.4.2024: Der spanische Titel “El Sucesor”, die Fragen stellte Javier Martinez-Brocal, der als Journalist und “Vatikanologe” seine Ausbildung an der bekannten “OPUS-Dei -Universität” in Pamplona, Spanien erhielt. Martinez Brocal arbeitet für die bekannte sehr katholische und sehr konservative (PP- Partei) spanische Tageszeitung “ABC”. In diesem Buch “El Sucesor” LINK rechnet Papst Franziskus mit Benedikt XVI. Privatsekretär Erzbischof Georg Gänswein ab, lobt – wider Erwarten? – Ex-Papst Benedikt XVI, der sich bekanntlich als unmittelbarer Nachbar von Franziskus im Vatikan eingenistet hatte. Das Buch “El Sucesor” ersxcheint in dem großen Verlag Planeta, der auch über Bücher des Opus Dei Gründers veröffentlicht…LINK

Man darf fragen: Ist sich der angeblich so progressive Papst Franziskus bewusst, dass er sich mit diesem Buch dieses Journalisten in diesem Verlag in sehr konservative Kreise begibt, die dem OPUS DEI  nahestehen? Braucht er nun sogar Hilfe vom Opus Dei und einer der PP – Partei (gegen Ehe für alle, absolut gegen Schwangerschaftsabbruch etc.) nahestehenden Zeitung (ABC)?

Jedenfalls gilt: Die von Papst Franziskus früher schon genannten üblen “Schlammschlachten” im Vatikan gehen also nun auch von seiner päpstlichen Seite in aller Öffentlichkeit jetzt weiter. Ein bißchen wie in der Politik Argentiniens, damals wie heute, oder?
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1.
Einige Journalisten haben das neue Buch von Papst Franziskus mit dem Titel „Leben“ eine Autobiographie genannt. Für einen solchen Anspruch ist das vorliegende Buch wahrscheinlich nicht umfangreich genug, es hat nur 272 Seiten. Der Untertitel des international verbreiteten Werkes ist: „Meine Geschichte in der Geschichte“. Der Papst versucht also, in persönlicher Erinnerung an einige wichtige Ereignisse seine Sicht der erlebten Geschichte mitzuteilen. Geboren wurde Jorge Mario Bergoglio am 17. Dezember 1936 in Argentinien. Er ist Papst seit März 2013.

2.
Die LeserInnen sind wohl erstaunt, in welcher Ausführlichkeit sich Papst Franziskus in dem Buch seiner Jugendzeit zuwendet und wie bewegt er seine Meinungen über den (argentinischen) Fußball mitteilt. Offenbar will der Argentinier Papst Franziskus erneut seine oft bezeugte Nähe zum einfachen Volk, zu den eher ärmeren Leuten, ausdrücken. Die päpstliche Erinnerung an den Fußball mag zwar menschlich sympathisch sein, aber es gibt für einen Papst in einer „Autobiographie“ vielleicht dringendere Themen.

3.
Dennoch werden Historiker dieses Buch unter den vielen anderen immer wieder neuen Publikationen, Enzykliken und Interviews mit Papst Franziskus beachten müssen.

4.
Zunächst sind zwei eher beiläufig mitgeteilte Aussagen sehr erstaunlich:
Papst Franziskus äußert sich zur Psyche vieler Argentinier: „Anfangs begeistert man sich für etwas, kommt dann aber aus Mangel an Durchhaltevermögen nur mühsam bis ans Ende..Uns Argentiniern fehlt das Durchhaltevermögen nicht nur beim Fußball, sondern im täglichen Leben. Bevor wir etwas zu Ende führen, trödeln wir zu lange herum und erzielen deshalb vielleicht nicht das gewünschte Ergebnis“ (Seite 122).
Die Leser, zumal in Deutschland, denken bei diesen Worten an den – gelinde gesagt – sehr „mühsamen“ Umgang des Papstes mit dem „Synodalen Weg“ in Deutschland oder sie denken an des Papstes Nachlässigkeit, mit der er die „Causa Kardinal Woelki“ seit Jahren verschleppt.
Der Papst machte sich selbst aber etwas Mut, wenn er diesen Gedanken abschließt: „ Zu guter Letzt schaffen wir es zum Glück aber doch“ (ebd). Ein schwacher Trost… für deutsche Katholiken.

– Erstaunlich eine weitere, eher nebenbei formulierte Aussage von Papst Franziskus, die eigentlich, wenn man sie ernst nimmt, zur Abschaffung des Papsttums führen müsste: Auf Seite 255 heißt es: „Es stimmt, dass der Vatikan die letzte absolute Monarchie in Europa ist, und dort werden in seinem Inneren Grabenkämpfe ausgefochten und Hofintrigen gesponnen. Doch das müssen wir dringend überwinden“. Müssen “wir“ also die „Grabenkämpfe“ des vatikanischen klerikalen Beamtenwesens überwinden oder müssen wir sogar die absolute Monarchie abschaffen? Das bleibt in der Aussage des Papstes offen. Die „absolute Monarchie“ ist ja nichts anderes als die Wahlmonarchie des alle demokratischen Gewalten auf sich vereinigenden Papstes. Für diese Interpretation scheint zu sprechen, dass ein paar Zeilen weiter (S. 255) der Papst von den abzulehnenden „Zeiten eines Papst – Königs, einer Monarchie“ spricht. Man darf sich fragen, ob Papst Franziskus eigentlich weiß, was er da so alles fordert. Angeblich hat er alle seine Worte gut bedacht in diesem Buch! Siehe Nr. 13 in diesem Hinweis.

Man fragt sich weiter, ist sich Papst Franziskus der Konsequenzen seiner theologisch richtigen, aber eher nebenbei formulierten Aussage bewusst? Er will wohl – endlich – das Papsttum oder mindestens diese Form des Papsttums abschaffen! Nur ein Vorschlag: Ein modernes Papsttum der katholischen Kirche könnte sich ja aus mehreren gleichberechtigten Patriarchen etwa in Rom, Sao Paulo (Brasilien), Kinshasa und Seoul usw. gestalten…

5.
Diese Aussage „Papsttum ist keine absolute Monarchie“ (also vielleicht doch ein bißchen Demokratie) steht in einem gewissen Widerspruch zu der Aussage des Papstes in selben Buch: „Die Kirche ist doch, wie ich häufig genug sage, kein Parlament“ (S. 64). Also keine Demokratie. Aber auch keine Monarchie. Wieder eine offenbar schnell formulierte Aussage…

6.
Wenn HistorikerInnen und TheologInnen und unabhängige Katholizismus – ForscherInnen eines Tages das theologische Profil von Papst Franziskus kritisch fundiert herausstellen: Dann werden sie von diesen Themen sprechen müssen, das ist jetzt schon sicher:

– Die ausgeprägte und sehr intensive Verehrung Marias, der Mutter Jesu, die Papst Franziskus oft als „Gottes-Mutter“ bezeichnet. Sogar die volkstümliche Verehrung „Maria als der Knotenlöserin“ (in Augsburg ursprünglich verehrt) findet in dem Buch wieder eine Bestätigung. Papst Franziskus mag zwar in seiner Sorge um Arme und Flüchtlinge unter den Päpsten vorbildlich sein, er ist in seinem theologischen und spirituellen Denken konservativ. Man lese etwa S. 123: „Maria und ihr Sohn Jesus (in dieser Reihenfolge formuliert !, C.M. ) müssen immer an erster Stelle stehen“. Und S. 73: „Ich betete zur Muttergottes“ . Und auch der eher obskure Marien-Wallfahrtsort Fatima (Portugal) wird von dem Jesuiten – Papst gelobt und geliebt (S. 153). Manchmal fragt man sich, ob nicht Jorge Bergoglio besser in den Orden der Maristen oder Marianisten als in den Jesuiten – Orden eingetreten wäre.

Nebenbei: Bekanntlich sind die Jesuiten einem besonderen Gehorsam dem Papst gegenüber verpflichtet! Man spricht von dem “vierten Versprechen bzw. Gelübde (neben Armut, Ehelosigkeit und Gehorsm). Welchem Papst gehorcht dann aber besonders ein Papst, der selbst dem Jesuitenorden angehört? Hat der Jesuit Papst Franziskus vielleicht noch – unbewusst? – dem Papst emeritus Benedikt XVI. gehorcht? Und fühlte sich Papst Franziskus erst richtig frei, als Benedikt XVI. verstorben war? Und gehorcht Papst Franziskus sozusagen jetzt seinem “inneren Papst”, “nur noch” seinem Gewissen? Eine interessante Frage…

Ein weiteres Thema:
Die oft im Buch bekundete Liebe zum Gebet, zum Bittgebet und damit zur Bitte um Wunder, etwa, dass doch Christus (oder auch Maria) eingreifen möge und die Wünsche des Glaubenden (Papstes) erfülle. Wer die letzten Predigten desPapstes etwa im März 2024 gelesen hat: immer wird das Gebet als DIE Lösung beschworen, als die Lösung der Katholiken im Krieg, in Konflikten, Katastrophen usw. Als würde nicht besser eine konkrete, differenzierte politische Analyse etc. wirksam weiterhelfen. Diese totale und ständige Überbetonung des Gebets als tatsächloiches Wundermittel in allen Konflikten kann man theologisch nicht anders als Aberglauben bezeichnen. Der Putin – Freund Patriarch Kyrill betet auch für den Frieden aber als Sieg Putins; reaktionäre Katholiken in den USA beten für den baldigen Tod von Papst Franziskus; Evangelikale dort beten für den Sieg von Donald Trump; militante Gegner jeglicher Abtreibung beten für die „Mörder-Frauen“ etc. Wie soll der „liebe Gott“ da noch alle Gebets – Wünsche sortieren und gerecht beantworten? … Diese naive Bettelei bei Gott ist in Zeiten reflektierter Spiritualität nicht ernst zu nehmen. Ein Papst, der doch irgendwie ahnt, was beten theologisch heute bedeuten könnte, sollte etwa öffentlich sagen: Liebe Leute, denkt mehr nach, meditiert, handelt politisch im Sinne der der Menschenrechte, vertraut euch einem letztlich tragenden Sinn – Grund an…

Ein weiteres Thema:
Palast Franziskus wohnt bekanntlich nicht im prachtvollen und „pompösen”, wie er sagt, „Apostolischen Palast“ wie seine Vorgänger! Mit der interessanten Begründung: „Hätte ich mich entschieden, dort zu wohnen, hätte ich vermutlich über kurz oder lang einen Psychiater gebraucht!“ (S. 221). Darf man daraus schließen, dass eigentlich die Vorgänger – Päpste, die dort viele Jahre wohnten, wie Johannes Paul II. oder wie Papst Benedikt XVI., einen Psychiater vielleicht brauchten und sich dessen Hilfe erfreuten?

Mit der nun von Papst Franziskus erlaubten bescheidenen Segnung von Homosexuellen Paaren wird selbstverständlich NICHT eine Ehe für Homosexuelle angedacht oder gar gefeiert. Darauf legt der Pontifex Maximus wert! Denn die Homosexuellen bleiben ALS Homosexuelle in der Sicht des Papstes Sünder (S. 256, 258), dies ist ein theologischer Unsinn: Als wären nicht alle Menschen Sünder, aber die Homosexuellen sind doch nicht als Homosexuelle Sünder, sondern wie alle anderen Menschen auch, wenn man schon in diesen Kategorien noch denken will.

7.
Papst Franziskus mag offenbar das Bild der Urkirche, das weithin verbreitet wird, er schreibt: „In den christlichen Urgemeinden gab es kein Privateigentum. Das ist kein Kommunismus. Sondern das Christentum in reinster Form“ (S. 64). Trotz des Lobes der Urgemeinden meint Papst Franziskus, natürlich dürfe man die Urkirche heute NICHT als Modell verstehen.

8.
Über den Umgang von Pater Jorge Bergoglio als Provinzialoberer der Jesuiten in Argentinien während der Militärdiktatur dort (1976 – 1983) ist viel geschrieben und diskutiert worden. Argentinische Beobachter meinen, Pater Bergoglio habe zwei seiner linken, der Befreiungstheologie verpflichteten Mitbrüder im Jesuitenorden nicht wirklich geholfen, sondern habe sie sogar an die Militärjunta ausgeliefert. Eine Aussage, die Papst Franziskus immer entschieden zurückgewiesen hat. Auch in dem Buch „Leben“ geht er auf diese bis heute undurchsichtigen Zusammenhänge ein und bietet eine neue, bisher nicht bekannte Interpretation seines Umgangs mit den beiden linken, rebellischen Patres Orlando Yorio SJ und Francisco (Franz) Jalics SJ: Papst Franziskus schreibt diese ungewöhnlichen Worte in „Leben“: „Die Priester waren dabei, eine eigene Kongregation (also einen eigenen Orden, C.M.) zu gründen. Und als Provinzial der Jesuiten musste ich sie im Namen des Ordensgenerals darauf aufmerksam machen, dass sie in diesem Fall den Jesuitenorden verlassen müssten“. Dann folgt der nebulöse Satz: “Ein Jahr später war es (?, was ist „es“) tatsächlich so weit“. (S. 99). Was soll denn das heißen? Einen Orden haben die beiden ja nicht gegründet, sie wurden nach fünf Monaten der Inhaftierung und Folter durch die Militärs („Todesschwadrone“) zunächst ins Ausland abgeschoben…
Mit anderen Worten: Über die Nähe und Distanz von Pater Bergoglio zu den Militärs wird wohl noch weiter geforscht werden, trotz aller bekundeten Versöhnung des verfolgten Pater Jalics mit dem Papst, Pater Yorio starb schon 2000 in Uruguay.    Zu Bergoglio in Argentinien: LINK.

Ein weiterer Link auf einen unserer Hinweise zum Thema “Bergoglio in Argentinien” 2013 publiziert: LINK.

9.
Die weitere Forschung über Pater Bergoglio SJ und die Militärdiktatur wird durch eine winzige Äusserung von Papst Franziskus in seinem Buch „Leben“ angeregt: Pater Bergoglio, so berichtet der Mitautor des Buches „Leben“, Fabio Marchese Ragona, habe „desaparecidos“ (Verschwunde) betreut und er „steht für ihre Fälle in ständigem Austausch mit dem Apostolischen Nuntius in Argentinien“ (S.102).
Und dieser Nuntius ist ein Freund des Diktators Videla: Monsignore Pio Laghi war von 1974 -1980 päpstlicher Nuntius in Argentinien, also zu Zeiten der Militärdiktaturen (Jorge Videla) wie auch zu Zeiten des Leitungsamtes der argentinischen Jesuiten durch Pater Bergoglio. Wikipedia schreibt über den Diktatoren freundlichen Nuntius Laghi: „Er sah davon ab, gegen die Verbrechen (Morde, Verschwindenlassen, Folter, Kindesraub und andere Verbrechen) öffentlich zu protestieren. Stattdessen sagte der Nuntius bei einem Besuch der Garnison in Tucumán, Argentinien: „Was das Vaterland ist, wissen Sie, tun Sie gehorsam, was man Ihnen befiehlt, und bewahren Sie ruhig Blut.“ (Zitat: von dem Lateinamerika – Spezialisten Francois Houtard, der Titel seines Beitrags: „Johannes Paul II. als Restaurator der Weltkirche. In: Le Monde diplomatique, 14. Juni 2002. Wikipedia gelesen am 1.4.2024.)

10.
Auf S. 97 erwähnt Papst Franziskus den merkwürdigen Zusammenhang, dass der linke Bischof Enrique Angelelli (von La Rioja, Argentinien) Morddrohungen erhielt. „Angelelli, der auch den apostolischen Nuntius in Argentinien, Pio Laghi, über die erhaltenen Morddrohungen informiert hatte, wurde dann tatsächlich am 4. August 1976 am Steuer seines Wagens ermordet… Der Fall wurde noch am selben Tag (von den Diktatoren) als Unfall eingestuft und zu den Akten gelegt.“ Also der Nuntius konnte seinen Bischof nicht schützen, oder wollte er das gar nicht? Hatte doch doch auch der damalige Erzbischof von Buenos Aires, Kardinal Aramburu, „diese Version des Geschehens (Unfall des Bischofs) anstandslos akzeptiert“, berichtet der Papst in dem Buch Leben“. Und er fügt hilflos hinzu: „Das hat mich sehr geschmerzt“ (S. 97). Und genauso hilflos, eher kühl und unbestimmt der folgende Satz: „Aber auch für die Kirche waren das schwere Zeiten“ (ebd.). Die Auftrags – Mörder von Bischof Angelelli wurden erst 2014 zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt…
Auch über die zwei Aufenthalte Pater Bergoglio in Cordoba, Argentinien, (1990 und 1992) erfährt man nichts Genaues: War es eine Art Bestrafung, dass ihn seine damaligen Ordensoberen aus der Hauptstadt zu einer untergeordneten Funktion nach Cordoba versetzten?

11.
Weitere interessante, eher nebenbei erwähnte Tatsachen können hier ebenfalls nur nebenbei für weitere historische Forschungen erwähnt werden: Papst Franziskus sieht seit 1990 kein Fernsehen mehr (S. 139). Er bekennt auch, erwartungsgemäß, wie eigentlich alle befragten Bischöfe und Kardinäle und Päpste, dass er einmal, zweimal in ein „schönes und intelligentes Mädchen“ verliebt war (S. 72). Aber wie alle zölibatären Kleriker in solchen Fälle immer betonen, wollte er dem HERRN dienen. Nach einer Woche hatte der junge Jorge Bergoglio die plötzliche Liebe zum „sehr süßen Mädchen“ (S. 72) dann doch überwunden. Der Papst schreibt im Rückblick Worte, die von erotischer Begeisterung nicht gerade erfüllt sind. „Eine Woche ging mir ihr Bild nicht aus dem Kopf, und es fiel mir schwer zu beten. Doch dann habe ich es (?, CM) überwunden und gab mich mit Leib und Seele meiner Berufung (als Priester) hin“. Einige LeserInnen wird das „es“ stören, was ist ES, das Bild, das Mädchen, die Liebe? Eine merkwürdige, irritierende Formulierung…

12.
Papst Franziskus hat im Rahmen seiner Reformvorschläge 2018 dafür gesorgt, dass die Todesstrafe nicht mehr Teil der katholischen Lehre des Offiziellen katholischen Katechismus ist. 1992 hatte es noch im offiziellen Katechismus geheißen, die Todesstrafe könne in schwerwiegendsten Fällen angewendet werden“ (§ 2266 des Katechismus). Ausdrücklich wird dort geschrieben, dies sei die „überlieferte Lehre der Kirche“!! Papst Franziskus macht aus dieser traditionellen Bejahung der Todesstrafe (bis 2018) eine allgemeine, nicht differenzierende Aussage: „Die Kirche lehnt die Todesstrafe ab“ (Seite 63).Na ja, seit 2018 ist das offiziell, vorher nicht.

13.
Das Buch „Leben“ hat zweifellos einen hohen Anspruch, es will doch so etwas wie Autobiografie sein. Schließlich wurde das Buch lange und gründlich vorbereitet, wie der Mitarbeiter, der Journalist und Vatikanologe Fabio Marchese Ragona erwähnt. LINK.

14.
Um so schlimmer ist, dass wesentliche Themen des heutigen Leben des römischen Katholizismus von Papst Franziskus gar nicht diskutiert werden: Nur einige Beispiele: Sinnund vor allem Unsinn des Zölibats; Frauenpriestertum; Mangel an Priestern in Europa und damit der Niedergang der Gemeinden; die Bedeutung des Protestantismus; Kirche und synodale Leitung; Kirche und Reichtum, Eigentum (nicht nur in Rom). Wie war das Verhältnis zu dem sogenannten Papst emeritus Benedikt XVI. wirklich, er hatte sich ja in der unmittelbaren Nachbarschaft von Papst Franziskus eingenistet. Und sogar dessen Sekretär Georg Gänswein hatte Papst Franziskus als seinen „Präfekten des päpstlichen Haushaltes bis 2020 (!) beschäftigt. Hatte Franziskus Angst davor, sich ganz von Benedikt XVI. zu trennen, als er nun ausgerechnet noch den Intimus und treuen Freund von Ratzinger in sein eigenes engstes Umfeld holte?

15.
Diese Hinweise zeigen: Unter welchen sehr schwierigen Bedingungen Papst Franziskus im Vatikan lebt(e). Man denke an die heftigen und zweifelsfrei begründeten Attacken von Papst Franziskus in seiner Weihnachtsansprache gegen die Kurie schon am 22.12. 2014, solche heftigen kritischen Worte verdienen bis heute viel Beachtung. LINK

Ein Link auf einen unserer Hinweise zum Thema “Bergoglio in Argentinien” 2013 publiziert: LINK.

16.
Man vergesse nicht: Dieser Papst ist wohl der erste, der den Klerikalismus öffentlich aller heftigst kritisiert. Der Klerikalismus muss überwunden werden, betont er oft, der Klerikalismus sei, so wörtlich eine Pest“ („eine wahre Krankheit“, Seite 256), oder: “der Klerikalismus ist eine Geißel, eine Perversion,“ die das “Potential hat, die Kirche zu zerstören“. Bei der nächsten Papstwahl wird der Klerikalismus wie gewohnt wieder seine Macht zelebrieren. Und der nächste Papst wird wieder ein Kleriker sein. Der Klerikalismus wird erst verschwinden, wenn  auch Frauen Priesterinnen sind.

17.
Papst Franziskus ist vielleicht doch ein wütender Papst, ein Empörter, nicht nur über den Kapitalismus und Neoliberalismus, sondern auch und vor allem über die „Perversion und die Pest des Klerikalismus“, wie er sagt!!
Aber, leider, leider, reflektiert er nicht die Ursachen dieses Klerikalismus: Eine Ursache ist das völlig sinnlose Zölibats- Gesetz, ist die nach Außen hin geforderte Gehorsams- Struktur innerhalb der nur männlichen Priesterschaft in einer Kirche … als Pyramide organisiert.
Empörung ist das eine, Analyse das andere. Mit Empörung wird der Klerikalismus als tödliche Pest der katholischen Kirche nicht verschwinden. Mit anderen Kirchengesetzen und einer Kirchenreformation, die den Namen verdient, sicher schon.

Papst Franziskus. „Leben. Meine Geschichte in der Geschichte.“
HarperCollins Verlag, Hamburg 2024, 272 Seiten, 24€. Aus dem Italienischen übersetzt von Friederike Hausmann und Stefanie Römer. Das Buch mit dem Journalisten Fabio Marchese Ragona verfasst.

Copyright: Christian Modehn, Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon Berlin.