Widerspruch zu der These: „Politiker müssen keine besonders guten Menschen sein. Es reicht, wenn sie gute Politik machen”.

Ein Hinweis von Christian Modehn.

Dies behauptet Mark Schieritz, in: „Die Zeit“ vom 14. Juli 2022, Seite 10. Die These: „Politiker müssen keine besonders guten Menschen sein. Es reicht, wenn sie gute Politik machen”.

Das Zitat bezieht sich auf den Beitrag mit dem Titel „Viele Politiker rufen zum Sparen auf. Sollten sie selbst mal damit anfangen“….

1.
Der erste Widerspruch gegen diese These lautet:
Kann ein Mensch „besonders gut“ genannt werden, wie vom Autor Schieritz behauptet wird?
Nein, diese Behauptung „besonders gut“ ist viel zu diffus, viel zu wenig präzise, viel zu schwammig, Was wäre denn schon „besonders gut“? Ist vielleicht ein genau so wenig Präzises „sehr gut“, sogar „heilig“ gemeint?

2.
„Gut“ hingegen ist etwas Klares, Eindeutiges, oft auch Überprüfbares. Mit „gut“ als Kriterium für die Qualität eines Menschen sollten wir uns begnügen. Wobei alle moralischen Beurteilungen eines anderen Menschen, von außen gesehen, problematisch bleiben. Das lehren Philosophen.

3.
Philosophen lehren aber auch: Gut als Qualität eines Menschen bezieht sich auf dessen gelebte Moral, also auf sein gelebtes Leben. Gut ist also  ein Mensch, der z.B. den Einsichten des Kategorischen Imperativs folgt: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ Also: Wer als Politiker das Sparen als Maxime von anderen Menschen fordert, kann vor sich selbst ethisch nur bestehen, wenn er selbst diese Maxime lebt. Also als Politiker nachweislich spart. Und selbst als FDP Politiker z.B. das Tempolimit auf Autobahnen respektiert und dies per Gesetz gestaltet!

Politiker, die keine gute Politik machen, zum Beispiel  eine solche, die tatsächlich spürbare Veränderungen einleitet zu der von Menschen gemachten Klimakatastrophe, können schwerlich als besonders gute Politiker und gute Menschen gelten. Ein guter Mensch würde eine Klimakatastrophe nicht nur ewig in zahllosen Konferenzen besprechen, sondern entsprechend politische Reformen realisieren.

4.
Nur gute Menschen, solche, die z.B. dem Kategorischen Imperativ mit aller geistigen und politischen Energie zu entsprechen versuchen, können gute Politik machen. Nur Gute können Gutes im emphatischen Sinne tun. Das ist der ideale Begriff, der aber reflektiert werden muss.
Natürlich kann auch ein Mafia-Boss einen schönen Kindergarten oder ein Krankenhaus bauen, aber ist dies eine „gute Tat“ oder nur ein politischer – ökonomischer Schachzug?

5.
Noch einmal: Gute Politik, die diesen Namen verdient, die also am Gemeinwohl orientiert ist und nicht nur Superreichen Vorteile bringen will, kann nur von einem Politiker gestaltet werden, der selbst als moralischer Mensch nachweislich sich bemüht, gut zu sein und nicht bloß gut zu scheinen.
Es gilt: Gute Politik können nur gute Menschen machen. Man denke an Gandhi, Lumumba, Salvador Allende, aber selbstverständlich sind gute Politiker niemals „Heilige“.

Auffällig ist: Es gibt offenbar sehr wenige moralisch gute Politiker. Schlechte Politik als erfahrbar unmenschliche Politik sollte den Rückschluss erlauben, dass dann die handelnden Politiker nicht gerade moralisch gut sind, man denke an Trump, oder Putin, jeder kennt viele weitere Namen.

Henry Kissinger, Berater aller us-amerikanischen Präsidenten seit Kennedy, schreibt in seinem neuesten voluminösen Buch “Staatskunst”: Der absolute, durchaus rücksichtslose Wille zur Macht ist vielen Politikern gemeinsam…Wenn sie die eigene Gesellschaft spalten, so nehmen sie dies in Kauf.  Sie erwarteten dabei keinen Konsens und bemühten sich auch nicht darum” (So der Bericht zu dem Kissingerbuch in DIE ZEIT vom 7.7.2022, S. 58. ) Kissinger bezieht sich dabei auf Adenauer, de Gaulle, Nixon, Thatcher und andere.

6.
Darum steht die grundlegende Frage im Raum: Ist Politik nur ein Geschäft? Ein Geschäft, in dem man als “politischer Manager” für ein paar Jahre schnell Geld machen kann, um sich danach etwa „lupenreinen Demokraten“ in Russland sehr freundschaftlich anzuschließen, um noch mehr Geld zu erlnagen?

Oder ist die notwendige Voraussetzung für das Amt eines Politikers nicht auch ein nachweisliches Bemühen um moralische Qualität im Sinne des Kategorischen Imperativs z.B.

Politikersein ist jedenfalls kein „Job“, wie der eines erfolgreichen Geschäftsmannes. Politik ist aber zum Job geworden.

7.
Dieser Hinweis ist selbstverständlich kein Plädoyer für eine klerikale Politik, etwa im Sinne der Pro – Life – Bewegungen. Kirchengebote oder Gesetze der Thora oder Sprüche des Koran können niemals politische Leitlinien für Politiker sein. Religiöse Sprüche sind viel zu begrenzt, als dass sie universalen Anspruch für eine plurale Welt-Gemeinschaft sein könnten.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.