Der menschliche Gott
Interview über das Weihnachtsfest von Prof. Wilhelm Gräb, Humboldt Universität zu Berlin, veröffentlicht am 3. Dezember 2012
Die Fragen stellte Christian Modehn
„Alle Jahre wieder“… Viele Menschen erleben gerade die Tage vor Weihnachten und die obligaten Familienfeiern am Weihnachtstag selbst wie eine „ewige Wiederkehr des Gleichen“. Worin sehen Sie selbst einen Sinn, sich immer wieder und vielleicht immer wieder neu auf Weihnachten einzulassen?
Mir geht es wie den meisten. Es ist mir einerseits zuwider, dieser ritualisierte Geschenketausch und der ganze Gefühlskitsch. Andererseits freue ich mich doch auch jedes Mal wieder auf Weihnachten. Ich habe keine konkreten Erwartungen. Aber ich denke doch, es würde mir etwas fehlen im Rhythmus des Jahres, wenn Weihnachten ausfiele. Das liegt natürlich vor allem an den Kindern. Die sind inzwischen zwar erwachsen. Sie kommen auch nicht mehr alle an Weihnachten nach Hause, weil sie inzwischen selbst Familie mit Kindern haben. Aber wenn sie an Weihnachten nach Hause kommen, dann bestehen sie darauf, dass alles so ist und bleibt wie es immer war. Selbstverständlich gehört der Besuch des Gottesdienstes am Heiligabend auch zu unserem familiären Weihnachtsritual. Wenn Sie mich persönlich fragen, ob ich einen Sinn darin sehe, mich immer wieder auf Weihnachten einzulassen, so muss ich sagen, dass ich gar keine Chance habe, es nicht zu tun – es sei denn, ich würde aus meinem bisherigen Leben aussteigen und meine Familie verlassen – aber selbst dann, so denke ich, käme ich vermutlich nicht von Weihnachten los. Weiterlesen ⇘