Gibt es wichtige Opfer in Kriegen und Krisen und weniger wichtige?

Die 19. der „unerhörten Fragen“.
Ein Hinweis von Christian Modehn am 26.5.2024.

Aktuell (am 25.6.2024) zu den “Verhältnissen” der vor aller Welt verhungernden Menschen im Sudan: Siehe unten den TEXT bzw. LINK

1.
Diese Frage ist unerhört, sie wird kaum gehört und ist wahrscheinlich etwas frech und provokativ, eben unerhört.
2.
Es ist ja richtig und gut, dass wir stündlich, oft rund um die Uhr über die Entwicklung des Krieges Putins gegen die Ukraine und auch über den Mord der Hamas an 1.200 Juden und den Krieg Israels im Gaza-Streifen informiert werden, mit bisher ca. 36.000 von Israels Armee erschossenen, ermordeten Palästinensern, von den vielen tausend Verletzten ganz zu schweigen.

3.
Aber diese Fixierung der Informationen auf zwei Regionen – lenkt auch ab von den Krisen und Kriegen, dem Mord und Totschlag in anderen Regionen der Welt! Wieviele unschuldige Opfer werden in den großen Medien verschwiegen oder kurz vor dem Wetterbericht in den TV Nachrichten erwähnt? Wir denken jetzt an den Krieg in dem afrikanischen Staat Sudan. Natürlich könnte man auch von Mord und Totschlag in Haiti sprechen oder vom Abschlachten der Menschen im Osten der Demokratischen Republik Kongo im Konflikt mit Ruanda. Dort landen demnächst die in England abgewiesen afrikanischen Flüchtlinge…Auf die das Morden und Totschlagen in den Kriegen in Syrien, Jemen, Nigeria und so weiter und so weiter soll hier nur hingewiesen werden. Überall, diese „weniger wichtigen Menschen, diese weniger wichtigen Opfer“.

4.
Das objektive „Clingendael-Institute“ in Wassenaar (Niederlande) LINK ,  berichtet, dass im Sudan mindestens sieben Millionen Menschen vom baldigen Hungertod bedroht sind. LINK. Die verhungernden sieben Millionen sind auf der Flucht im eigenen Land, aber auch in die armen Nachbarstaaten… nur, weil sich zwei Herrenmenschen, die Generäle Mohammed Hamdan Daglo und Abdel Fattah al-Burhan, um die Macht streiten und dabei den Staat Sudan mit seinen 50 Millionen Einwohnern zugrunde richten.

5.

Wer zählt jetzt noch die vielen Tausend Hunger – Toten im Sudan? Wer hat praktisches Erbarmen mit den dort noch lebend-hungernden-durstigen Menschen? Zur aktuellen Situation, siehe auch im Deutschlandfunk, LINK

6.
Unsere unerhörte Frage also: Warum schaut die demokratisch verbliebene Welt diesem Massen – Sterben und Verhungern seit Monaten zu? Es gibt ja dort noch Netzwerke von Hilfswerken, wer organisiert wirksame Hilfe? Wer überlegt in den wichtigen demokratischen Gremien der Welt, wie die beiden absoluten Gewalttäter dort definitiv „zur Vernunft gebracht“ werden können? „Dafür braucht es einen viel stärkeren politischen Einsatz, ein Krisenmanagement auf höchster Ebene“, schreibt Arne Perras in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 24.5. 2024.

7.
Ist die Ignoranz gegenüber den krepierenden afrikanischen Menschen in Sudan auch Ausdruck eines Rassismus?

Wie soll ein vernünftiger Mensch mit der Aussage des bekannten Gastrokritikers Andrea Petrini umgehen: “Im Moment reisen zu wenige wegen des Essens nach Afrika” (Tagesspiegel, Wochende, 1. Juni 2024, S. 12). Eine weiterführende Idee: Warum wird nicht gefragt: Wo finden die besten wirksamen Abspreck – Kuren für stark Übergewichtige aus Europa in den Hungerzonen Afrikas statt?

8.
Weil wirksame Hilfe nicht geschieht, darf man doch die begründete Meinung haben: Es gibt auch in der demokratischen Welt eben wichtige Opfer und weniger wichtige Opfer. Die einen werden ständig beachtet, ihnen wird geholfen mit Milliarden Dollars und Waffen…. die anderen überlässt die demokratische Welt eher dem langsamen Tod.

9.
Ich höre es schon: „Aber diese Opfer in der Ukraine und in Israel stehen uns Deutschen (und allen Europäern) doch näher!” Mag ja sein. Wenn die Ukraine von Putin beherrscht werden sollte, ist Putins Krieg im übrigen Europa nicht mehr weit… und Deutsche fühlen sich zurecht den jüdischen Menschen in Israel verbunden. Aber Deutschland ist nicht absolut ergeben und gehorsam gegenüber einer Netanyahu Regierung, das sagen bekanntlich auch kritische jüdische Intellektuelle in Deutschland…

10.
Darum gilt dieser Imperativ. Menschlichkeit, auch als Rettung von Hungernden in höchster Not, hat nichts damit zu tun, ob uns Menschen „nahe“ stehen. Eine humane Menschheit muss alles tun, den in größter Not Leidenden zu helfen, egal, welche Religion sie haben, egal, welche Hautfarbe sie haben, wie gebildet oder ungebildet sie sind. Egal, ob die Leidenden in einem “für uns“ ökonomisch wichtigen Land leben, das wir ja dann aus ökonomischem Eigeninteresse schützen.

11.
Im Gedenkjahr „75 Jahre Grundgesetz“ wird die unantastbare Würde eines jeden Menschen ganz groß verbal herausgehoben. Auch die fernen Nächsten in Sudan haben diese absolut zu schützende Würde. Es gibt also keine moralische und ethische und deswegen auch keine politisch relevante Unterscheidung zwischen wichtigen Opfern und unwichtigen Opfern, d.h. es gibt keinen Unterschied zwischen wertvollen und weniger wertvollen Menschen. Solches zu denken zu sagen, ist Rassismus. Damit ist unsere 19.  unerhörte Frage definitiv beantwortet.

12.
In Paris fand im April 2024 eine Konferenz statt, um den leiden Menschen im Sudan zu helfen. „Zum Auftakt der Konferenz in Paris kündigte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock an, Deutschland werde dem Sudan weitere 244 Millionen (sic) Euro an humanitärer Hilfe zur Verfügung stellen. Gemeinsam kann es uns gelingen, eine furchtbare Hungerkatastrophe zu verhindern, aber nur, wenn wir jetzt gemeinsam aktiv werden”, betonte Baerbock. LINK .

13. Wie fern ist uns der Sudan?
Die Entfernung (Luftlinie) Berlin – Khartum (Sudan): 4.400 KM.
Die Entfernung (Luftlinie) Berlin – Washington DC (USA): 5.900 km.

14. ERGÄNZUNG am 25. Juni 2024:

Südsudan: Hilfswerk prangert Lage in Flüchtlingscamps an

Das österreichische Hilfswerk „Don Bosco Mission Austria” hat die Lage in den Flüchtlingscamps im Südsudan als „kritisch” bezeichnet. Das katholische Hilfswerk äußerte sich am Dienstag unter Berufung auf den Salesianerpater Allen Chrisrea, der vor Ort ist. Er erklärte, Hunderttausende in den Südsudan Geflüchtete bräuchten Lebensmittel, Trinkwasser, medizinische Versorgung und sichere Unterkünfte. Die Notwendigkeit für Hilfe wachse täglich.

Der Bürgerkrieg im Sudan führt weiter zu einer Massenflucht in die Nachbarstaaten. Seit Ausbruch des Machtkampfs zwischen rivalisierenden Generälen in Khartum sind laut dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen UNHCR neun Millionen Menschen im Sudan vertrieben worden. Fast zwei Millionen von ihnen sind ins Ausland geflohen. UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi warnte nach einem Besuch im Bundesstaat Weißer Nil vergangene Woche davor, dass durch die anhaltenden Kämpfe die Stabilität in der gesamten Region auf dem Spiel stehe: „Die militärischen Führer und diejenigen, die Einfluss auf sie haben, müssen den Frieden zur Priorität machen”, verlangte Grandi. Andernfalls würden die Menschen weiter in Nachbarländer wie den Tschad und den Südsudan fliehen. Diese hätten gerade erst eigene Konflikte überwunden und seien nicht in der Lage, weitere Millionen Menschen zu ernähren.
„Die militärischen Führer und diejenigen, die Einfluss auf sie haben, müssen den Frieden zur Priorität machen“
Don Bosco Mission Austria unterstützt mit finanziellen Mitteln die humanitäre Hilfe der Salesianer Don Boscos in der Region, etwa im Flüchtlingscamp in Kuajok, wie das Hilfswerk berichtete. Die geflüchteten Menschen fänden hier eine sichere Bleibe und erhielten Lebensmittel, Hygieneartikel sowie medizinische Hilfe. Sauberes Trinkwasser und sanitäre Anlagen verhinderten den Ausbruch von Krankheiten. Therapeutische Angebote sollen den Geflüchteten helfen, erlittene Traumata zu verarbeiten.

Neben Kuajok betreiben die Salesianer im Südsudan auch in Gumbo, Juba, Maridi, Wau und Tonj Gesundheitsstationen, Krankenhäuser, Schulen und Berufsbildungszentren. Mittlerweile versorgen sie an diesen Orten nach eigenen Angaben mehrere Zehntausend Menschen.
Hintergrund
Seit April 2023 liefern sich im Sudan die Armee von Militärherrscher Abdel Fattah al-Burhan und die RSF-Miliz (Rapid Support Force) seines früheren Stellvertreters Mohamed Hamdan Daglo einen blutigen Machtkampf. Zehntausende Menschen sollen bereits getötet worden sei. Manche Schätzungen gehen von bis zu 150.000 Toten aus.
Quelle: Vatican news am 25.6.2024

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