Sexueller Missbrauch durch Kleriker – Hinweise zur Geschichte einer verdrängten und verleugneten katholischen Tradition.

Von Christian Modehn am 22.7.2023

1.
Die sexuelle Missbrauch durch katholische Kleriker ist kein neues Ereignis des 21. Jahrhunderts. Es wird Zeit, einige historische Tatsachen öffentlich zu machen. Und zu zeigen, dass der Schutz der angeklagten Kleriker schon damals vorrangiges Ziel der Hierarchie war. Und das ist mehr als ein „nur-historisches Thema“.

2.

Die Kirchenführung und die Theologen hatten – spätestens seit Einführung des Zölibatsgesetzes im 12. Jahrhundert – das abstrakte Ideal eines keuschen, und deswegen (!) heiligen Klerus vor Augen.
Von pädosexuellen Klerikern sind bis ins 20. Jahrhundert nur wenige Dokumente überliefert. In seiner Studie über die Geschichte der Sexualität des Klerus spricht der Spezialist, der Historiker Georg Denzler, nur undifferenziert von “Homosexualität im Klerus”. Das Thema der so genannten „Pädophilie“ bzw. „Pädosexualität“ unter Priestern und Ordensleuten wird nicht eigens erwähnt. Dabei ist klar, dass das Wort „Pädophilie“ erst Ende des 19. Jahrhunderts verwendet wird. Aber es liegt nahe, dass „Pädophilie“ auch „mit-gemeint“ ist, wenn etwa Konzilien von „Sodomie“ im Klerus sprechen, wie etwa das III. Laterankonzil schon im Jahr 1179. Dort wurde in Kanon 11 bestimmt: Wenn ein Kleriker der „Unzucht wider die Natur verfallen ist, dann soll er aus dem Klerus ausgestoßen und in ein Kloster verbannt werden, um dort Buße zu tun“. (Quelle: Das Buch „Kreuzfeuer“. München 1991, darin der Beitrag von Prof. Denzler, S.106.).
Man erinnere sich: Eine andere milde Strafe fiel auch Papst Benedikt XVI.nicht ein, als er den bekannten pädosexuellen Verbrecher, den Ordensgründer der „Legionäre Christi“, Pater Marcial Mariel, aller seiner hohen Funktionen enthob, aber ihn NICHT den Gerichten übergab, sondern… in ein Kloster zur Buße schickte, aus dem sich der Verbrecher nach Florida (USA) flüchtete…LINK

Da war selbst Papst Pius V. (1572) schon weiter, als er verlangte, dass „sodomitische Priester von der weltlichen Obrigkeit verurteilt werden sollen…“

Frühes Mittelalter: Der heilige Petrus Damiani.

3.

Zunächst muss der heilige Petrus Damiani (geboren 1006 in Ravenna – gestorben 1072 in Faenza, Italien) vor allem wegen seines Buches „Liber Gomorrhianus“ („Das Gomorrah Buch“) aus dem Jahr 1050 erwähnt werden.
Petrus Damiani war Mitglied eines Eremitenordens innerhalb der benediktinischen Tradition, er war Theologe, später auch Bischof von Ostia und dann auch führender Kardinal. In dieser Funktion setzte er sich leidenschaftlich für eine strenge Kirchenreform vor allem für eine „moralische Reinigung“ des Klerus ein. Er zog sich aber im Jahr 1061 aus der Kirchenpolitik in ein Kloster zurück, frustriert angesichts der fortbestehenden „amoralischen Zustände“ im Klerus. „Vielleicht war damals das `Laster` (gemeint ist Homosexualität im allgemeinen) unter dem Klerus so weit verbreitet, dass ein energisches Durchgreifen, wie Petrus Damiani es für notwendig hielt, zu einer spürbaren Dezimierung des Klerus geführt hätte“, so Prof. Denzler, S . 105.

4.

Im Titel seines Buches nimmt Petrus Damiani Bezug auf den alttestamentlichen Mythos von Sodom und Gomorra, in diesem Buch verurteilt Petrus Damiani offenbar auch pädosexuelle Praktiken durch Priester, selbst wenn er diesen Begriff nicht verwendet. Petrus Damiani spricht im 8. Kapitel seines Buches vom Umgang des Beichtvaters mit seinen „spirituellen Söhnen“, die vom Priester selbst missbraucht wurden. So Pierre J. Prayer, in seinem Buch, erschienen in Waterloo, Ontario, 182, S. 14. LINK
Im katholischen „Dom-Radio“ (Köln) schreibt Anselm Verbeek am 23.2.2022: „Gegenüber Papst Leo IX. prangerte Petrus Damini,`das höchst unflätige Leben im Klerus` an. Er empörte sich über `Unzucht und Missbrauch von Minderjährigen unter dem Deckmantel der Religion`.”

5.

Die Hinweise des Petrus Damiani zu sexuellem Missbrauch an „Spirituellen Söhnen“ dienten nicht der Aufklärung in der damaligen klerikal bestimmten Gesellschaft. Sie sind dem Autor Petrus Damiani wichtig, weil er jegliche praktizierte Sexualität, mehr noch: jegliche Akzeptanz von Leiblichkeit im Klerus aufs schärfste verurteilt. Wäre Petrus Damiani ein objektiver (und damit kirchenkritischer) „Aufklärer“ gewesen über die Vertuschungen der Pädokriminaliät im Klerus, dann wäre er gewiss nicht 1828 zum katholischen Kirchenlehrer feierlich ernannt worden und zu einem Heiligen, den übrigens Kardinal Ratzinger sehr lobte. Petrus Damiani gilt heute als der radikale Feind jeglicher Sexualität außerhalb der Ehe.

6.

Aber der Heilige empfiehlt dann die in Klerikerkreisen übliche Geheimhaltung des Missbrauchs: In einem Schreiben an Papst Nikolaus II. behauptet Petrus Damiani: „Würde die Unzucht bei den Priestern geheim betrieben, so sei es zu ertragen, aber die öffentlichen Konkubinen, ihre schwangeren Leiber, die schreienden Kinder, das sei das Ärgernis der Kirche“, berichtet wikipedia.

7.

Es ist ein Beleg für die Oberflächlichkeit katholischer Theologie und katholischer Geschichtsforschung, wenn in dem durchaus repräsentativen umfangreichen Band „Reformer der Kirche“ (Mainz 1970) ein Beitrag des katholischen Theologen und Historikers Jean Leclercq über Petrus Damiani erscheint. Und darin mit keinem Wort dessen Buch „Liber Gomorrhianus“ erwähnt wird (S. 540 f.). Hingegen wird berichtet: Er sei „ein Fürsprecher der freiwilligen Geißelung“ gewesen (S. 541) und habe diese Form des frommen Masochismus auch selbst praktiziert.
Nebenbei: Wen wundert es dann noch, dass dieser strenge Masochist heute in der katholischen Kirche offiziell als „Patron und Helfer gegen Kopfschmerzen” verehrt werden darf, so der Wikipedia Beitrag (Deutsch) über Petrus Damiani.

Missbrauch im Orden der Schulpriester, auch „Piaristen“ genannt, im 17. Jahrhundert.

8.

Der sexuelle Missbrauch durch Priester hat eine lange Tradition auch im 17. Jahrhundert. Sie wird deutlich greifbar in der umfassenden historischen Forschung von Karen Liebreich, sie studierte die Frühgeschichte des Ordens der “Piaristen”, der „Schulpriester“, gegründet vom heiligen Joseph Calasanz, 1617 von Papst Paul V. offiziell in Rom als Orden bestätigt. Calasanz lebte von 1557 – 1648.

Die Historikerin Karen Liebreich hat im Jahr 2004 ihre Studie „Fallen Order“ in New York, publiziert. Sie hatte Zugang zu entsprechenden Archiven in Rom, Florenz usw… Der Orden der Schulpriester hatte sich zu Beginn vor allem für den Unterricht armer Kinder (Jungen) in eigenen Ordensschulen engagiert. Und unter den Lehrern, den Ordenspriestern, sammelten sich bald – bei dieser „Spezialisierung“ auf den Unterricht von Knaben – tatsächlich Pädophile. „Bekannte pädophile Priester wurden von einer Ordens – Schule der Piaristen in die andere versetzt und so wurde Ihnen Zugang zu Kindern ermöglicht. „Der Ordensgründer Calasanz wusste doch, was geschieht, wenn Männer und Jungen miteinander allein gelassen werden, seine Schriften und seine Regeln für die Schule zeigen das“, schreibt Karen Liebreich auf S. 269. Aber die pädophilen Priester im Orden vernetzten sich, versuchten erfolgreich, Einfluss und Macht im ganzen Orden zu gewinnen: „Der Ordensgründer Joseph Calasanz wusste, was da an Missbrauch geschah, ebenso wie die Kardinäle, die Bischöfe und letztlich auch der Papst“ (ebd.). „Aber der Skandal der pädophilen Schulpriester wurde ignoriert, um den Ruf eines wichtigen Klerikers mit einflußreichen familiären Beziehungen zu schützen“. Und der Ordenspriester Stefano degli Angeli Cherubini (geb. 1600) wurde sogar noch mit vollem Wissen des Papstes sogar im Jahr 1643 oberster Chef des Ordens.

9.

Der Ordensgründer Calasanz deckte den pädophilen Verbrecher nun auch als seinen Vorgesetzten im Orden. „Kindesmissbrauch durch Ordenspriester wurde von Calasanz ignoriert und „zugedeckt“, und in jedem Fall „war immer seine erste Priorität der gute Rufe des Ordens und die Reputation der betroffenen Mitbürger“ (S. 257). „Erst als die Tatsachen auch in der Öffentlichkeit bekannt wurden, wurde der Orden der Schulpriester als Orden verboten, eine noch nie dagewesene Aktion der Kirche“ (ebd.). Das geschah 1646, immerhin hatte Papst Innozenz X. den Mut, einen von pädophilen Klerikern durchsetzten Orden zu verbieten. Aber 10 Jahre später konnte der Orden natürlich mit päpstlicher Erlaubnis (durch Alexander VII.) seine Aktivstem wieder aufnehmen… er hat seitdem eine nach außen hin erfolgreiche Geschichte mit vielen prominenten Schülern…
Roland Machatschke (Wien), Journalist und Mitarbeiter der Wiener Piaristen, hat einen ausführlichen Vortrag über die frühe Geschichte des Piaristen-Ordens veröffentlicht: LINK

10.

In dem umfassenden Lexikon  „Reformer der Kirche“ (hg. von Peter Manns, Mainz 1970), wird in dem Beitrag über den heiligen Joseph Calasanz, Seite 904-907) mit keinem Wort der sexuelle Missbrauch etwa durch Pater Cherubini erwähnt. Er wird nur als ein „Ehrgeiziger“ beschrieben, der „reiche Gönner hatte“ (S. 906). Als Ordensgeneral (1643) wurde Cherubini entlassen, aber die Autorin Hilde Firtel nennt als Grund nur „Unterschlagungen“, nicht sexuellen Missbrauch. Der Herausgeber Peter Manns, Mainz, war Professor für Kirchengeschichte in Mainz… er galt als „katholischer Luther-Spezialist“…

11.

Zu einer Auflösung eines korrupten Ordens waren die Päpste Johannes Paul II., Benedikt XVI. und Franziskus nicht bereit oder nicht in der Lage, als es darum ging, wegen der pädosexuellen Verbrechen Pater Marcial Maciels von den „Legionären Christi“ diesen Orden zu verbieten und aufzulösen, ein Vorschlag, der vielfach von Opfern Pater Maciels vorgebracht wurde… Aber der Einfluß des Ordensgründers unter den Kardinälen, seine öffentlich bekannte Freundschaft mit Papst Johannes Paul II., sein bekannter finanzieller Reichtum, seine vielen einsatzbereiten jungen Priester usw. verhinderten wohl die Auflösung dieses von vielen für korrupt gehaltenen Ordens…Verschiedene Studien zu den “Legionären Christi”:
LINK

Missbrauch im „Merzedarier-Orden“ im Spanien des 17. Jahrhunderts

12.
Über einen pädosexuellen Ordenspriester im Spanien des 17. Jahrhunderts liegt eine kleine historische Studie vor, sie hat Prof. Raphael Carrasco verfasst unter dem Titel „Sodomiten und Inquisitoren im Spanien des 16. und 17. Jahrhunderts“. Die Studie ist erschienen in dem Sammelband „Die sexuelle Gewalt in der Geschichte“, hg. von dem Historiker Alain Corbin, Wagenbach Verlag, 1992, dort S. 45-58. Die französische Ausgabe erschien 1989. Das Buch ist auf Deutsch nur noch antiquarisch verfügbar…Raphael Carrasco (Montpellier) geht der Frage nach: Wie konnte sich ein hoher Kleriker, des sexuellen Missbrauchs angeklagt, im Spanien des 17.Jahrhunderts aus der Affäre ziehen, nur weil er ein Kleriker war und „der gute Rufe der Kirche bewahrt werden musste“.

13.

Prof. Raphael Carrasco stellt in seinem Aufsatz den sexuellen Missbrauch eines Mönchs zunächst in den größeren Zusammenhang der Homosexualität (damals Sodomie genannt) im „Inquisitionsbezirk Valencia“ im 16. und 17. Jahrhundert. Schon 1497 hatten die „Katholischen Könige“ dort für Sodomiten die Strafe des Feuertodes festgelegt. In einem grundlegenden Text der katholischen Könige heißt es: „Es handelt sich um die Bestrafung des abscheulichen Delikts, das schon der namentlichen Erwähnung unwürdig ist, das Delikt zerstört die natürliche Ordnung, es wird durch Gottes Urteil gestraft, etwa durch Pestilenzen und andere Plagen“ (S. 46).
Im Gericht von Valencia war mit „19 Prozent der wegen Sodomie Angeklagten die Gruppe der Kleriker (die nicht weniger als 1 % der Bevölkerung repräsentierte), mit Abstand der höchste Anteil…Von 1575 bis 1590 wurden in Valencia vier Kleriker verbrannt, in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurden schwere Strafen gegen Kleriker, Galeere und Zwangsarbeit, verhängt“ (S. 54).

14.

Auch damals setzte sich der Schutz der Kleriker als oberstes Prinzip im Umgang mit sexueller Gewalt durch Priester durch: „Das Tribunal handelte allerdings mit äußerster Vorsicht, denn die verschiedenen Orden zeigten sich in der Verteidigung ihres guten Rufes ganz besonders aktiv“ (S. 54). Damals wie heute: Die Orden behaupten, sie müssen zuerst und vor allem ihre Mitglieder schützen … und nicht die Opfer…

15.

Raphael Carrasco konzentriert sich dann in seinem Aufsatz auf den Fall des Paters Joan Nolasco Risón aus dem Orden der „Merzedarier“ (dieser Orden besteht noch heute mit der Ordensabkürzung O.de.M.).
Pater Joan Nolasco Risón war Novizenmeister, also offiziell zuständig für die die Förderung der Spiritualität der jungen Männer, die damals im Alter von 16 Jahren in die Orden als Kandidaten und mögliche Mtglieder eintraten. „Der Novizenmeister hatte in seinem Konvent unaufhörlich und erfolgreich sexuellen Druck auf die jungen Leute ausgeübt, die ihm anvertraut waren“.
Pater Nolasco Risón hatte in seinem Kloster durch seine offensichtlichen „Aktivitäten“ eine Spaltung bewirkt: Es gab seine Komplizen, „die er anderswo auf günstigen Posten unterbrachte und die bis dahin seltsame Vorrechte genossen, und auf der anderen Seite die Reinen, die Schamhaften, Empörten sowie alle, die verfolgt und tyrannisiert wurden, weil sie dem Werben des Meisters widerstanden hatten“ (S. 55).
Es gab etwa einen kritischen Ordensbruder, Pater Jeronimo Ramirez, der dem sexuellen Missbrauch des Paters Nolasco Rison Einhalt gebieten wollte. Und was passierte? Der ganze Orden wollte den „guten Ruf“ bewahren, man beeinflusste den kritischen Pater Jeronimo Ramirez und versuchte, ihn zu überzeugen, doch bitte den prominenten Mitbruder im Orden nicht zu denunzieren. Aber die sexuell missbrauchten Novizen rebellierten. Und was tat der Beschuldigte? Pater Risón „versuchte die Novizen mit einer heftigen Rede voller unterschwelliger Drohungen einzuschüchtern“. (S. 55). Aber die Einschüchterungen nützen nichts. Die Inquisition hatte die Novizen zu Zeugenaussagen vorgeladen. „Diese Zeugenaussagen sind heute eine ganz außergewöhnliche Quelle für das Leben in den Novizinnen der Klöster am Ende des 17. Jahrhunderts.“ (S. 55).

16.

Die kirchliche Inquisitionsbehörde gab aber 1687 dem staatlichen Gericht die Zustimmung, Pater Risón (damals 54 Jahre alt) zu verhaften, allerdings „unter größter Geheimhaltung“, betont der Autor des Aufsatzes Raphael Carrasco (S.55). Wie zu erwarten: „Der Prozess gegen Pater Nolasco Rison versandte im Ermittlungsverfahren. Der Oberste Rat (der Inquisition) dachte, die zwangsläufig skandalöse Arznei, also die Bestrafung des Paters – sei schlimmer als die Krankheit (der sexuelle Missbrauch von Kindern“, S. 55. Der Verbrecher wurde also frei gesprochen, er u.a. war danach ein beliebter Prediger, im Jahr 1700 ist er verstorben.
In einem Lexikon Beitrag der „Königlichen Akademie der Geschichte“ in Madrid (verfasst von Manuel Alvar Lopez) ist von den Verfehlungen des Priesters Rison keine Rede.

Missbrauch durch einen Jesuiten im Frankreich des 18. Jahrhunderts

17.
Es geht um den Missbrauch durch den Jesuitenpater Jean-Baptiste Girard (1680-1733). Er wurde 1731 angeklagt, das Mädchen Marie-Cathérine Cadière im Beichtstuhl zum Sex verführt zu haben mit späterer Anstiftung zur Abtreibung. Der Skandal war damals in Frankreich sehr oft besprochen worden. “Die Aussagen anderer Beichtkinder Girards stützten die Anklage, doch wurde der Angeklagte am 10. Oktober 1731 in Toulon freigesprochen. Er musste allerdings in seine Geburtsstadt Dole zurückkehren, wo er bereits zwei Jahre später starb“ (Quelle: Wikipedia Beitrag, deutsch, über Jean-Baptiste Girard).

18.

Der philosophisch gebildete Schriftsteller Jean-Baptiste d` Argens ( 1703-1771) hatte über dieses Ereignis einen dicht am Ereignis orientierten Roman geschrieben, er wurde 1748 veröffentlicht unter dem Titel „ Thérèse Philosophe. Memoiren zu Ehren der Geschichte von Pater Dirrag und Mademoiselle Eradice“. Noch wird darüber debattiert, ob d` Argens tatsächlich der Autor des Romans ist. Der Marquis de Sade war von d` Argens als Autor überzeugt. Der Romanautor hatte den Jesuitenpater dann Dirrag genannt, die Leser wussten, wer gemeint ist.

19.

Der Historiker und Spezialist für die Literatur im Frankreich des 18. Jahrhunderts Robert Darnton hat diesen Roman als pornographischen Text gewürdigt. (Quelle: „Denkende Wollust“, Frankfurt am Main 1996, S. 7 – 44). Interessant ist der Hinweis Darntons: Die großen (staatlichen) Bibliotheken damals verwahrten diesen und andere “Porno”-Romane unter der Rubrik „l` Enfer“, „Die Hölle“, unter Schloss und Riegel.
Die “Porno”-Romane (hinsichtlich der Darstellungen sicher weit entfernt von entsprechenden Texten des 20. und 21. Jahrhunderts) waren im 18.Jahrhundert in Frankreich weit verbreitet und es gab viele entsprechende Publikationen, sie zeigten die sexuelle Freiheit einer bestimmten (hohen) Gesellschaftsschicht. Und sie waren in der Darstellung der Freiheiten, die sich einzelne Männer nahmen, auch ein versteckter Impuls an die Leser, sich auch die Freiheiten, vielleicht auch politische Freiheiten zu nehmen.

20.

Im Roman „Thérèse Philosophe“ verführt und missbraucht der Jesuitenpater und geistliche Betreuer Dirrag (Pater Girard) das fromme Mädchen durch seine spirituellen Geschichten, die auf Wahn beruhen: Etwa, dass die sexuelle Hingabe des Mädchen zu einer Erhebung der Seele führe oder dass Wunderwerkzeuge des heiligen Franziskus bei der Penetration zur Anwendung kommen. Interessant ist, dass damals schon der sexuelle Missbrauch durch Priester mit der Erfindung „heilsamer” religiöser Zusammenhänge begründet wurde, auch Pater Marcial Maciel argumentierte so, als er Jungen und Jugendliche missbrauchte…

21.

Es gab zu Zeiten des ancien régimes (aber auch schon vorher) die “prisons ecclésiastiques“, also die kirchlichen und kircheneigenen Gefängnisse, die in Klöstern untergebracht waren oder auch in Priesterseminaren. Es ist meines Wissens bisher nicht untersucht worden, ob in diesen “Klostergefängnissen” auch Priester eingesperrt wurden, die sich des sexuellen Missbrauchs schuldig machten. Vieles deutet darauf hin, dass auch Kleriker von ihren Oberen eingesperrt wurden, die sich der “libertinage” schuldig gemacht hatten…

Diese “Kirchlichen Gefängnisse” in Klöstern sind ein Thema, das bisher in Deutschland wenig Beachtung fand. In Frankreich hat etwa der Historiker Bernard Plongeron in seiner Studie”La vie quotidienne du clergé francais au 18. Siecle” (Hachette, Paris 1974, S. 65 f.) auf dieses Thema hingewiesen; eine größere Studie ist “À propos de la prison ecclésiastique sous l’Ancien Régime” von Jean-Pierre Gutton, erschienen in “Presses universitaires François-Rabelais” (1995).

Kurze Zusammenfassung

22.

Diese Beispiele sind nur Fragmente aus einer langen Geschichte des Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen durch katholische Kleriker. Es sind eben nur Fragmente, weil die Hierarchie entsprechende Dokumente meist umfassend vernichtete und Spuren verwischte, „um den guten Ruf der Kirche zu schützen“, wie es im Laufe der langen Missbrauchsgeschichte immer heißt. Und der Zölibat des Klerus bot Pädophilen einen Schutzraum, in dem sie sich, zur Ehelosigkeit verpflichtet, als sexuelle Einzelgänger förmlich ausleben und austoben konnten … und können.

Leider ist eine wichtige Studie vergriffen: Hertha Busemann: „Der Jesuit (Girard) und seine Beichttochter. Die Faszination eines Sittenskandals in drei Jahrhunderten“. BIS, Bibliotheks- u. Informationssystem d. Univ. Oldenburg. Mit e. Vorw. von Ernst Hinrichs. Oldenburg 1987.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

Papst Johannes Paul II.: In Krakau, schon als Erzbischof, ignorierte er den Missbrauch im Klerus. Als Papst war er mit dem Täter P. Maciel befreundet.

Es gibt keine (klerikalen) Vorbilder: Der 2. Teil.   Der 1. Teil weist auf Kardinal Karl Lehmann, Mainz, hin.

Von Christian Modehn am 10.3.2023

Die katholische Journalistin Christine Pedotti (Paris) schreibt in der Wochenzeitung “Témoignage Chrétien” (16.3.2023): “Man müsste nun im Kirchenrecht die Kategorie der Rückgängigmachung der Heilig-Sprechung festlegen”.  Konkret meint sie:  Johannes Paul II. dürfte eigentlich nicht länger als “Heiliger” verehrt werden.

Er wurde als Papst wie ein Heiliger verehrt: PAPST JOHANNES PAUL II. (geb. 1920, als Papst gestorben 2005). Sofort nach seinem Tod forderten sehr viele Fromme, “santo subito”, er sollte sofort heilig gesprochen werden. Und das taten seine Nachfolger dann auch: Seit 2013 dürfen alle Katholiken den heiligen Papst Johannes Paul II. im Himmel um Fürsprache bei Gott anflehen. Zahlreiche, zum Teil monumentale Statuen und Denkmäler wurden vor allem in Polen zu Ehren des polnischen heiligen Helden und Papstes errrichtet.

Aber auch gegen ihn werden nun begründete Vorwürfe laut: Karol Wojtyla soll als Erzbischof von Krakau sexuellen Missbrauch von Priestern in “seinem” Erzbistum vertuscht haben. Das Motto heißt also immer wieder: Der Klerus schützt zuallererst den Klerus. Nicht die Opfer.

In Polen, dem Land des in die Kritik geratenen Papstes, werden diese Erkenntnisse wie erwartet zurückgewiesen.

Einige Zitate aus einer aktuellen Meldung des Bayerischen Rundfunks vom 6.3.2023:

Johannes Paul II. soll Missbrauch vertuscht haben
Der spätere Papst Johannes Paul II. soll ihm unterstellte Missbrauchstäter in Polen gedeckt haben. Das berichtet ein polnischer Investigativjournalist. Bereits zuvor hatte es ähnliche Vorwürfe gegeben, die aber in Polen zurückgewiesen wurden.
Von der Redaktion des Bayer. Rundfunks „Religion und Orientierung“. Am 6.3.2023.

Der verstorbene Papst Johannes Paul II. soll einem polnischen Medienbericht zufolge vor seiner Papstwahl Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche Polens vertuscht haben. In seiner Zeit als Kardinal und Bischof von Krakau habe Karol Wojtyla von Pädophilie-Fällen gewusst, berichtete der Privatsender TVN am Sonntag unter Berufung auf Recherchen des Journalisten Marcin Gutowski.

Bericht: Karol Wojtyla war über Missbrauchstäter informiert
Dem Bericht zufolge soll Wojtyla Priester seiner Diözese, über deren Taten er informiert war, in andere Gemeinden versetzt haben, um Skandale zu vermeiden. Einer der Priester wurde demnach von dem späteren Papst nach Österreich geschickt. Kardinal Wojtyla habe für ihn ein Empfehlungsschreiben an den Wiener Kardinal Franz König geschrieben, ohne ihn über die Vorwürfe gegen den Priester zu informieren.
Bereits Anfang Dezember 2022 erhob der niederländische Journalist Ekke Overbeek in einem Enthüllungsbuch schwere Vorwürfe gegen den früheren Papst und Vorgänger von Benedikt XVI. In Dokumenten hätte Overbeek Informationen zu konkreten Fällen gefunden, in denen Wojtyla wissentlich Missbrauchspriester in andere Bistümer versetzt habe.
Polnische Medien wiesen Vorwürfe gegen Papst Johannes Paul II. 2022 zurück
Polnische Medien gelangten damals zu einer anderen Einschätzung über die Rolle des späteren Papstes in seiner Zeit als Erzbischof. Kardinal Wojtyla sei “nach Aktenlage entschieden gegen einen Priester vorgegangen, der mehrere Kinder sexuell missbraucht hat”, schrieb die Zeitung “Rzeczpospolita”. Als Beispiel wird ein Fall genannt, in dem Wojtyla schnell und wachsam reagiert habe.
Der polnische Investigativjournalist Gutowski sprach nun für seine Recherchen mit Opfern pädophiler Priester, deren Angehörigen und ehemaligen Angestellten der Diözese. Er stützte sich auch auf Dokumente der ehemaligen kommunistischen Geheimpolizei SB und Dokumente der Kirche. Bereits vor zwei Jahren habe er die ersten Hinweise bekommen, dass Wojtyla vom sexuellen Missbrauch der ihm unterstellten Pfarrer gewusst und sie gedeckt haben soll, sagte Gutowski gegenüber TVN24. Die Diözese Krakau habe ihm allerdings den Zugang zu ihren Archiven verweigert, sagte der Journalist.

Katholische Kirche verweigerte Herausgabe von Dokumenten
Die katholische Kirche in Polen hatte sich bereits in der Vergangenheit geweigert, Dokumente herauszugeben – selbst an die Justiz oder an eine öffentliche Kommission, die Missbrauchsfälle untersuchte. Ein Zeuge, der anonym bleiben wollte, bestätigte, er habe Kardinal Wojtyla persönlich von pädophilen Handlungen eines Priesters im Jahr 1973 berichtet. “Wojtyla wollte zuerst sichergehen, dass es sich nicht um Bluff handelt”, sagte der Zeuge. “Er sagte, er würde sich darum kümmern und bat, es nirgendwo zu melden.”

Thomas Doyle, ein ehemaliger katholischer Priester aus den USA, nannte die Enthüllungen des Journalisten “revolutionär” Sie zeigten, “was viele Menschen schon seit Jahren vermutet haben: Dass Johannes Paul II. von diesem Problem wusste, bevor er Papst wurde”, sagte der Experte für Kirchenrecht, der als einer der Ersten über Missbrauchsfälle durch katholische Geistliche in den USA berichtet hatte. (Quelle: Mit Informationen von AFP und KNA, BR)

Ergänzung am 16.3.2023 von Christian Modehn:

Wir werden zurecht von einigen LeserInnen daran erinnert: Auch als Papst hat Karol Wojtyla sexuellen Missbrauch durch Priester ignoriert. Mit dem bekannten Täter Pater Marcial Maciel , Gründer und Chef (“Generaldirektor”) des Ordens der Legionäre Christi, war Johannes Paul II. eng verbunden, wenn nicht befreundet.  Dieser  vielfache Täter sexuellen Missbrauchs, an Seminaristen, aber auch an den eigenen Söhnen, Pater Marcial Maciel, war den vatikanischen Behörden spätetstens seit 1970 “einschlägig” bekannt. Diese Tatsache war dem ja sonst sehr aufmerksamen Papst Johannes Paul II. sicher nicht unbekannt. Aber er ignorierte diese Tatsache, weil er diesen Orden und seine vielen jungen Priester angesichts des Priestermangels einfach für seine klerikalen Ambitionen (“Neuevangelisierung” etc.) “brauchte”.

“Der Klerus zuerst” war also offenbar das Leitprinzip des Papstes. Verheimlichen, vertuschen, mit den Tätern befreundet sein, das war päpstliches Prinzip.

Pater Marcial Maciel erläutert in seinem Buch, mit dem, auf seine Petson bezogen, geradezu skandalösen Titel, “Christus ist mein Leben”, 2005, Edizioni ART, Roma, etwa S.180, ausführlich die enge Vertrautheit zwischen ihm und  Papst Johannes Paul II… Den Chef der Legionäre Christi erlaubte sich dann Papst Benedikt XVI., nach dem Tod des polnischen Papstes, einen Verbrecher zu nennen.

Johannes Paul II. hatte den Chef der Legionäre Christi ausersehen, ihn auf den Papstreisen nach Mexiko zu begleiten, der Legionär war auf päpstlichen Wunsch hin Teilnehmer an lateinamerikanischen Bischofskonferenzen und an römischen Bischofssynoden. Der Generaldirektor der Legionäre Maciel schreibt in dem genannten Buch: “Bei anderen Gelegenheiten wurde mir die Gnade zuteil, mit dem Heiligen Vater im Apostolischen Palast zu Mittag oder zu Abend zu essen…Der Heilige Vater brachte den Legionären Christi und unserer Laienorganisation Regnum Christi stets vorbehaltlose Unterstützung (sic) entgegen” (S- 180). Und der Ober-Legionär erinnert sich an die vielen gemeinsamen Gottesdienste und Empfänge für ihn und die Seinen in wunderbarer Herzlichkeit und Vertrautheit mit dem “Heiligen” Vater… Infos zu den Legionären Christi und deren Generaldirektor Pater Marcial Maciel.

 

Copyright:BR und Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

Ein “Legionär Christi” wird am 27. August 2022 feierlich zum Kardinal ernannt.

……Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie ist immer Kritik der Religionen, der Kirchen, deswegen dieser Hinweis:

Unter den neu ernannten Kardinälen (feierliche Ernennungszeremonie am 27.8.2022 im Petersdom) ist auch ein Mitglied des immer noch hoch umstrittenen Ordens “Legionäre Christi”.  Sein Name: Bischof Fernando Vérgez Alzaga, ein Finanzfachmann im Vatikan! Der äußerst finanzstarke Orden, gegündet von Pater Marcial Maciel, den sogar viele Kirchenleute wegen sehr vieler heftiger sexueller Schandtaten als Verbrecher bezeichnen, wird durch diese Kardinalsernennung sozusagen “normalisiert”, also ins Übliche des Klerikalen erhoben.

An ihren verbrecherischen Ordensgründer erinnern die “Legionäre Christi” (und die Laien vom “Regnum Christi”) explizit auch nicht mehr, die vielen Fotos ihres “Vaters” wurden aus den vielen Legionäre-Christi-Residenzen längst entfernt. Sozusagen eine Art “Entstalinisierung” auf Katholisch.

Vielleicht ist der nächste Papst ein “Legionär Christi”? Prinzipiell ist dies nun möglich, ausreichend Geld steht dem Legionär Christi ja im “Vorfeld” zur Verfügung…

Es ist Papst Franziskus persönlich, der ausgerechnet einen Legionär Christ zum Kardinal ernennt, ist dies ein Ausdruck der Dankbarkeit für die Finanzgeschäfte des spanischen Legionärs?

Wer wagt es noch, Papst Franziskus einen Progressiven, einen Reformer zu nennen? Er ist eher ein Jongleur, der es allen Tendenzen im Vatikan und der römischen Kirche irgendwie recht machen will.

LINK

Copyright: Christian Modehn,. Religionsphilosophischer Salon Berlin

Ein „Legionär Christi“ wird Kardinal.

Der Orden der Skandale, der Orden mit einem „zutiefst unmoralischen“ Ordensgründer, wird offiziell rehabilitiert und von Papst Franziskus belohnt.

Ein Hinweis von Christian Modehn.    Es gibt in diesen Kriegszeiten gewiss sehr viel dringendere Themen als schon wieder dieses leidige Thema “Legionäre Christi”.  Aber Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie ist als Religionskritik auch verpflichtet, problematische Entwicklungen in den Kirchen wahrzunehmen und darzustellen. Dazu gehören auch Entwicklungen, die sich hinter einer üblichen Kardinalsernennung verbergen. In der Form von Kardinalserennungen zeigt der Papst, zeigen die Päpste, immer ihre Allmacht: Sie können in absoluter Eigenmächtigkeit Kleriker zu Kardinälen ernennen, die später einmal den Pontifex MAXIMUS wählen, also den allerhöchsten und unfehlbaren Pontifex, den ersten aller Bischöfe.

1.
Der katholische Orden „Legionäre Christi“ und die von ihm geleitete Bewegung von Laien „Regnum Christi“ wurde begründet und Jahrzehnte lang geleitet von einem Priester, der in der kritischen Presse als „Verbrecher“ bezeichnet wird. Sein Name ist Marcial Maciel (1920-2008). Seine Untaten sind kaum aufzuzählen: Er war als pädosexueller Verbrecher zugleich auch ein Erbschleicher bei seinen sehr wohlhabenden Freundinnen. Der Ordengründer Maciel hat, so sagt der Orden jetzt selbst, mindestens 60 Kinder und Jugendliche mißbraucht, sogar seinen eigenen Sohn. Er hat aus seinem Orden ein mächtiges Finanzimperium gemacht, in dem er als „Generaldirektor“ (so der offizielle Titel in diesem Orden) schaltete und waltete wie ein Diktator. Er war nachgewiesen ein Freund von Papst Johannes Paul II. Denn er hatte die entscheidende Tugend: Nach außen treu und absolut die dogmatische Welt des Vatikans verteidigen. Diese Tatsachen sind bekannt und sie wurden, seit 2009 vom Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon Berlin, dokumentiert und kommentiert. LINK.

2.
Jetzt ist dieser Orden, der seinen verbrecherischen Gründer namentlich in der Öffentlichkeit nicht mehr nennt, rehabilitiert. Ihm werden jetzt sozusagen höchste Weihen verliehen: Papst Franziskus hat entschieden, den führenden Verwaltungschef des Staates „Vatikan-Stadt“, den 77 jährigen spanischen Legionär Christi, Bischof Fernando Vérgez Alzaga, zum Kardinal zu ernennen. Durch eine solche höchste Erhebung eines Mitglieds der Legionäre Christi wird der Orden selbst öffentlich geehrt, er kann sozusagen als normal, als respektiert gelten: Die Verbrechen des Gründers werden förmlich zugedeckt und ins allgemeine Vergessen geschoben. Vergez Alzaga ist ein der Verwaltung des Staates Vatikan schon seit vielen Jahren (seit 1972) dienender Technokrat und Finanzfachmann. Solche Leute brauchte Papst Franziskus, er hat den Legionär schon im August 2013 (als die Verbrechen des Ordensgründers noch weltweit dokumentiert wurden) zum Generalsekretär des „Governatorats der Vatikanstadt“ ernannt und somit zum stellvertretenden Regierungschef des Vatikanstaates.

3.
Vielleicht wird also in absehbarer Zeit ein Mitglied dieses hoch belasteten Orden sogar Papst? Prinzipell wäre das möglich. Dann würde die ganze Kirche, auch der Vatikan, vielleicht noch reicher und wohlhabender…Die Ernennung eines Legionärs Christi jetzt (Mai 2022) zum Kardinal ist ein weiterer Hinweis auf die theologische Unentschlossenheit und Unausgeglichenheit von Papst Franziskus. Er kann nicht oder er will nicht konsequent einen Kurs der Kirchenreform steuern und dabei etwa auch einen Orden, wie die Legionäre Christi mit ihrem verbrecherischen Gründer Pater Marcial Maciel “rechts liegen und einschlafen lassen”. Eigentlich hätte dieser Orden schon 2005 aufgelöst werden müssen, sagten viele mißbrauchte Ex-Legionäre Christi damals, aber … die Legionäre Christi hatten (und haben) im Vatikan zu viele Freunde. Nebenbei: Nach den Pädophilen-Skandal im Orden der Schulpriester (Piaristen),  wurde diese Gemeinschaft,kurz nach der Gründung,  für einige Zeit aufgelöst. LINK.

4.
Die Ernennung eines Legionärs zum Kardinal ist, milde gesagt, ein heftiger Einschnitt, manche Beobachter nennen diese Ernennung einen Skandal.
Ist erst mal ein Legionär Christi ein Kardinal, dann genießt der Orden wieder eine Reputation. Er ist förmlich “normalisiert”. Dann können die vielen jungen konservativen Legionäre in die Bistümer (warum nicht auch Deutschlands?) strömen und hier ihre konservative Theologie verbreiten, die letztlich darauf hinausläuft: Mehr Mitglieder für den Orden zu finden und neue Geldquellen für den Orden ausfindig zu machen … sagen einige kritische Beobachter.

5.
Und der Papst ignoriert auch zentrale Entwicklungen der politischen Gegenwart: Angesichts des Krieges Putins gegen die Ukraine wäre die Ernennung eines der vielen katholischen Bischöfe der Ukraine zum Kardinal ein Zeichen gewesen, auch gegen den Kriegs-Verbrecher Putin. Aber nein, Papst Franziskus ernennt, prinzipiell sehr originell und sehr löblich, den Apostolischen Vikar (so der bescheidene Titel, er ist kein „Bischof“) ausgerechnet der Mongolei zum Kardinal. In der Mongolei leben ca. 1.300 (eintausenddreihundert) Katholiken. Die Mongolei ist “nur” 5.300 km von der Ukraine entfernt, so können sich die verzweifelten Menschen in der Ukraine ein bißchen mit-freuen … über den Kardinal im mongolischen Ulan Bator.

Weitere Informationen über die Legionäre Christi und ihren kriminellen Ordensgründer und Freund des heiligen Papstes Johannes Paul II, Pater Marcial Maciel: Siehe LINK:

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

Vatican news schreibt am 29.Mai 2022:
Fernando Vérgez Alzaga L.C.: Der Legionär Christi wurde am 1. März 1945 in Salamanca (Spanien) geboren. Er war bereits seit 1972 in verschiedenen Funktionen an der Kurie tätig, darunter Büroleiter an der vatikanischen Güterverwaltung und Telekommunikations-Chef des Vatikans. Seit 2013 war er zunächst Sekretär des vatikanischen Governatorates, also der Behörde, die für die Verwaltung des Vatikanstaats verantwortlich ist. Im Oktober 2021 wurde er dann Nachfolger von Kardinal Giuseppe Bertello an der Spitze des Governatorates.

Neues von den Legionären Christi: Der Nachwuchs im Orden bleibt aus… und die alten Freunde des Gründers sind aktiv…

Ein Hinweis von Christian Modehn am 18.6.2021.

Der Grund für diesen erneuten Hinweis auf den katholischen Orden der Legionäre Christi (gegründet von dem als Verbrecher geltenden Pater Marcial Maciel): Der Orden klagt über den geringen „Nachwuchs“.

1.
Über die katholische Ordensgemeinschaft „Legionäre Christi“ hat der „Religionsphilosophische Salon Berlin“ seit 2007 regelmäßig berichtet, dadurch haben viele andere Journalisten überhaupt erst wichtige deutschsprachige Informationen erhalten und davon profitiert. LINK
Unser Interesse hat nicht nur theologische Gründe, sondern auch philosophische, also religionskritische Motive. An dieser von Päpsten bis zu Johannes Paul II. geliebten und bevorzugten Ordensgemeinschaft wird die systemische Korruption innerhalb der Kirche, als Klerus-Kirche, offensichtlich.

Der korrupte Ordensgründer und enge Freund des polnischen Papstes, also der sich Generaldirektor seines Ordens nennende Mexikaner Pater Marcial Maciel seit 13 Jahren tot. Aber die Korruption seiner Person und seines Ordens wirkt weiter und wird weiter dokumentiert. Bevor dazu einige Hinweise folgen, hier zur Erinnerung einige Fakten:

2.
Wenn man angesichts der Menge der Untaten richtig zählt, dann sind bislang dem Pater etwa 60 „Fälle“ sexuellen Missbrauchs und Vergewaltigungen nachgewiesen, Untaten, die er als nach außen hin zölibatär lebender Priester an seinen eigenen Kindern beging, geboren von seinen (sehr wohlhabenden) Gebliebten. Maciel war also nicht nur „pädophil“, er war offenbar bisexuell … Seine besondere Leidenschaft aber war das Geldbeschaffen in Millionenhöhe, Geld für sich und seinen Orden. All dies war in Rom, also im Vatikan und in seiner Heimat Mexiko und den USA, seit Jahrzehnten bekannt.

3.
Erst Papst Benedikt XVI. hat den greisen, aber aktiven Ordensgründer aus dem „Verkehr gezogen“, nicht etwa, dass er ihn den Justizbehörden übergab. Nein, Benedikt ermahnte ihn in der üblichen klerikalen Kumpanei zur Buße und zum zurückgezogenen Leben. Daran hielt sich der umtriebige Ordensgründer nun gar nicht, sondern nutzte die freie Zeit bei seinem Millionen-Vermögen (als „armer Ordensmann“), um noch mal das Leben zu genießen, er hielt sich vorwiegend in den USA auf, dort ist er in den Armen seiner Getreuen und Geliebten verstorben.

4.
Einige neue Erkenntnisse, die der Mexiko – Korrespondent der katholischen Tageszeitung LA CROIX, Diego Calmard, am 17.6.2021 in dieser Pariser Tageszeitung veröffentlicht.

Etwa ein Drittel der Mitglieder des Ordens lebt in Mexiko, dem Heimatland des Ordensgründers. „La Croix“ nennt 385 Legionärs – Priester in Mexiko. Sie hatten kürzlich dort ein „Ordenskapitel“, eine interne Konferenz und stellten fest: „Es gibt eine Notlage, was den Ordensnachwuchs betrifft, es gibt eine kontinuierliche Verminderung der Zahlen neuer Mitglieder“. Das bestätigt der ehemalige Legionär Christi, Cristian Borgono in „La Croix“: „Die Alten blieben, es gibt wenige Seminaristen, also Priesteranwärter. Die große Mehrheit der 300 Mitglieder, die aus dem Orden geflohen sind, waren eher jüngere Mitglieder“. Cristian Borgono hat die Facebook Legioleaks geschaffen.
Ende März 2021 musste der Orden 27 Namen weiterer Priester veröffentlichen, die 175 sexuelle Vergehen an Minderjährigen begangen haben, so “La Croix”.
Die Mexikanische Bischofskonferenz hat dieser Zeitung keine Stellungnahme gegeben, was sie jetzt vom Orden der Legionäre denkt. Der päpstliche Nuntius im Land, Bischof Coppola, versichert jedoch der Zeitung: „Die Legionäre erfüllen eine fundamentale Mission, die die Kirche vergessen hat: die spirituelle Begleitung“. Eine denkwürdige, man könnte sagen allzu wohlwollende Sympathiebekundung für diesen Orden. Der Nuntius betont: „Die Legionäre Christi sind ein Patient auf dem Weg der Heilung“.
Erstaunlich, dass der ehemalige Legionärspriester Christi Cristian Borgono über den neuen Chef des Ordens in Mexiko berichtet: „Pater Siman und andere Verantwortliche des Ordens standen dem Gründer, Pater Maciel, nahe“. Können diese Leute den Orden heilen?
5.
Tatsache ist ferner, dass der Orden sich bemüht, mit den Reichen in Mexiko, die man „Elite“ nennt, weiterhin in bestem Einvernehmen zu bleiben. Mit der Gattin des ehemaligen Präsidenten Vicente Fox gab es gute Kontakte. Bernardo Barranco, Religionssoziologe, meint, die Legionäre Christi hätten die Medien, die politische und ökonomische Macht in Mexiko infiltriert, das alles berichtet die katholische Tageszeitung La Croix. Pater Marcial Maciel ließ es sich nicht nehmen, die kirchliche Eheschließung des reichsten Mannes in Mexiko, Carlos Slim und seiner Gattin, zu leiten.
Roberto Blancarte, ehemaliger Botschafter Mexikos beim Heiligen Stuhl, meint, die Legionäre Christi hätten Milliarden US – Dollar bei diesen Kontakten erhalten, wörtlich: „Die Legionäre Christi haben zwei Ziele: Sie sind eine Art Maschine, um Priester auszubilden und um Geld anzuhäufen“.
Zu allen diesen aktuellen Aussagen wollte sich dieser Orden in Mexiko gegenüber „La Croix“ nicht äußern.

6.
Es bleibt die schon oft gestellte Frage: Warum muss dieser Orden, von einem Verbrecher gegründet, mit dem vorwiegenden Ziel, sehr viele Millionen für den Orden zu sammeln, überhaupt noch weiter bestehen? Es wäre ein Leichtes für den Papst, diesen Orden aufzulösen. Macht er sich Sorgen, was dann mit den Milliarden passiert, die der Orden besitzt, etwa, dass die Ex-Mitglieder dann alles für sich behalten? Was sind also die Gründe, diesen Orden weiter bestehen zu lassen, zumal die „berühmte“ Ordens – Universität Anahuac in Mexiko „längst nicht wegen der Qualität ihres Unterrichts berühmt ist“, wie “La Croix” schreibt. Und wirkliche Tätigkeit der Legionärs-Priester in den (priesterarmen) Gemeinden kaum erwünscht ist.

7.
Andererseits ist es ja durchaus ein positives Zeichen, wenn jetzt offenbar immer weniger junge Männer bereit sind, in den Orden der Legionäre Christi einzutreten. Aber angesichts der Chancen, in einem Orden mit sehr viel Geld eine traditionelle klerikale Karriere (immer den Talar tragen!) zu machen, ist wohl noch groß. So dass dieser Orden, immer noch durchsetzt von den alten Freunden des korrupten, manche sagen verbrecherischen Gründers, weiterhin die Kirche prägen und die Welt der Reichen und sehr Reichen „beglücken“ kann.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

Weitere Quellen:

Legioleaks: https://www.facebook.com/groups/623513181133578/

Über den Nuntius Franco Coppola:
https://www.swissinfo.ch/spa/m%C3%A9xico-abusos_nuncio-en-m%C3%A9xico-aclara-que-no-se-investiga-encubrimiento-a-marcial-maciel/46637008

Über Cristiano Borgono:
https://www.24-horas.mx/2020/02/11/inteligente-y-seductor-asi-convencio-el-fundador-de-los-legionarios-de-cristo-a-juan-pablo-ii/

Siehe auch den Beitrag in der Tageszeitung EL PAIS:
https://elpais.com/sociedad/2020-02-28/los-legionarios-de-cristo-publicaran-el-nombre-de-los-sacerdotes-condenados-por-pederastia.html

Der Religionssoziologe Bernardo Barranco: https://mvsnoticias.com/podcasts/manuel-lopez-san-martin/debemos-creerle-a-legionarios-que-quieren-redimirse-bernardo-barranco/

Und vor allem zu den Finanzgebahren des Ordens:
https://www.elnorte.com/aplicacioneslibre/preacceso/articulo/default.aspx?__rval=1&urlredirect=https://www.elnorte.com/urgen-investigar-a-fondo-a-legionarios/ar1849067?referer=–7d616165662f3a3a6262623b727a7a7279703b767a783a–
oder auch:
https://www.reforma.com/aplicacioneslibre/preacceso/articulo/default.aspx?__rval=1&urlredirect=https://www.reforma.com/pagan-por-sus-pecados/ar2152057?referer=–7d616165662f3a3a6262623b727a7a7279703b767a783a–

Zum „Kapitel“, der Konferenz, der Legionäre Christi in Mexiko im Mai 2021:

Convocan en México a la semana vocacional virtual 2021

Sexueller Missbrauch: Noch immer eine Tatsache im katholischen Orden der “Legionäre Christi”

Ein Hinweis zum Generalkapitel dieses Ordens in Rom seit dem 20.1.2020

Von Christian Modehn

Vor 15 Jahren wurden die Verbrechen des Ordensgründers der Legionäre Christi und der weltweiten Laiengemeinschaft „Regnum Christi“, Marcial Maciel, öffentlich im Vatikan als solche –endlich – anerkannt, wenn auch der Täter von der kirchlichen Obrigkeit (Benedikt XVI.) nicht der staatlichen Justiz übergeben wurde. Dies war üblicher Ausdruck der bekannten „Solidarität unter Klerikern“…

Nun tagt also jetzt in Rom ein so genanntes „Generalkapitel“ dieses Ordens. Und es wurde eröffnet mit dem Geständnis: Schon wieder ist vor kurzem ein Priester aus dem Orden der Legionäre Christi der Vergewaltigung von Mädchen in Cancun, Mexiko überführt worden. Fernando Martinez wurde in dem Priestertum entlassen. Associated Press hat nachgewiesen, dass Pater Martinez von einem ganzen Netzwerk innerhalb des Ordens Jahre lang in voller Kenntnis seiner Verbrechen „gedeckt“ wurde. Diese hilfreiche „Deckung“, „brüderliche Unterstützung in Untaten, war ja üblich zu Zeiten des Ordensoberen Maciel. Das mexikanische Magazin PROCESO berichtet darüber ausführlich!
Dieses Netzwerk der Pädoverbrecher innerhalb des Ordens der Legionäre Christi hat jetzt, nach all den Debatten auch in Klerus – Kreisen, vor allem in Mexiko für höchste Erregung gesorgt. Sogar der Nuntius dort, Mgr. Franco Coppola, hat sich an die Opfer gewandt mit dem Wunsch, „dass die vatikanische Glaubenskongregation sich mit diesem Netwerk der Unterstützung für den Pater Martinez befasst im Lichte der Erklärungen der Opfer“. Wie einfühlsam!

Bekannt ist auch: Der zuständige Obere der Legionäre Christi, hatte den Missbrauchstäter, Pater Martinez, nach Spanien versetzt, ohne dabei zu verlangen, dass er dort mit Kindern nicht mehr in Kontakt kommt. Also die übliche alte Weise des klerikalen Umgangs mit Pädo-Verbrechern. Inzwischen ist dieser Ordensobere Pater Eloy Bedia gar nicht mehr zum Generalkapitel nach Rom gereist.
Eine große Erschütterung hat die Nachricht ausgelöst:
Mindestens 20 enge Vertraute des Ordensgründer Marcial Maciel sind bei diesem Generalkapitel als offizielle Delegierte (insgesamt 66) vertreten. Etwa: Der alte Freund von Maciel, Pater Luis Garza, ist in Rom wieder dabei und Pater Anthony Bannon, der als Finanzgenie dafür sorgte, dass die Legionäre Christi von kundigen Katholiken sehr treffend „Millionäre Christi „genannt werden.
Das heißt: Die Getreuen Maciels repräsentieren den alten Ungeist dieses Ordens heute offiziell weiter. Und etliche Beobachter sagen: Dieser Orden gehört verboten und aufgelöst. Was ist schon ein katholischer Orden wert, der von einem Verbrecher und Psychopathen ca. 50 Jahre geleitet wurde? Ein Orden, der den Namen seines Gründers, nicht mehr zu nennen wagt (ein Rest von Scham?).
Xavier Leger, EX – Legionär Christi und Autor eines wichtigen Buches zum Thema, sagt in „La Croix“ vom 22.1.2020: „Die Legionäre verbringen heute ihre Zeit damit, die Kardinäle und die römischen Behörden zu verführen. Wann auch immer sie können, sagen sie dem Papst: Sie wollten die Kirche retten. Papst Franziskus macht in der Hinsicht nichts Wichtiges. Die Legionäre Christi zeigen sich wieder ganz bösartig, sie wollen ihre eigene Geschichte schön umdeuten. Man hätte den Orden schon vor 10 Jahren schließen sollen. Die Legionäre Christi sind gefährlich, ihr Denken und Reden ist nicht vereinbar mit dem Evangelium“.

Noch 2016 hatte ich einen weiteren sexuellen Missbrauch durch einen Legionär Christi aus Chile dokumentiert. LINK

Ganz nebenbei: Man lese die katholisch-reaktionäre website kath.net: Dort treten immer noch Legionäre als „geistliche Meister“ auf…

Wichtige aktuelle Infos über die Legionäre Christi in der Zeitschrift PROCESO, Mexico: https://www.proceso.com.mx/tag/legionarios-de-cristo

Dieser Hinweis verdankt sich vielen aktuellen Informationen der katholischen (!) Tageszeitung La Croix, Paris.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

Sexueller Missbrauch: Pater Marcial Maciel: Schon seit 1943 waren seine Untaten im Vatikan bekannt

Der sexuelle Missbrauch durch Kleriker wird immer umfassender

Von Christian Modehn
Vorweg eine Erinnerung: 1998 fahren zwei Missbrauchsopfer von Pater Maciel (Arturo Guzmán und José Barba Martin) nach Rom,sie treffen sich mit dem Untersekretär der Glaubenskongregation Gianfranco Girotti, sie beantragen bei ihm selbst ein Verfahren gegen den Täter Maciel(als solcher im Vatikan seit 1954 bekannt). Sie erfahren ein Jahr später, dass ihre Klage im Vatikan “ruht”. 2004 feiert Maciel mit allem Pomp im Vatikan sein 60. Priesterjubiläum. Erst im Dezember 2004 leitet Kardinal Ratzinger ein Verfahren gegen Maciel ein. 6 Jahre lang also eine deutliche Vertuschung der Verbrechen. Der Vatikan -Spezialist Marco Politi erinnert daran, (“Benedikt,Krise eines Pontifikats”,Berlin, 2012, Seite 382),dass der Vatikan schon die Untersuchungen des pädophilen Kardinals Groer, Wien, stoppte!
………….
Über Pater Marcial Maciel, den Gründer des katholischen Ordens „Legionäre Christi“ und der Laienbewegung „Regnum Christi“ wurde ausführlich berichtet, seit etwa 12 Jahren vor allem auf dieser website. Die deutschen Theologen an den Universitäten hielten sich bis jetzt bei dem Thema angstvoll zurück. Denn die Legionäre Christi sind immer noch sehr mächtig und sie haben sehr (!) viel Geld…

Hier kann nur an einige Tatsachen erinnert werden: Den ständigen sexuellen Missbrauch an Minderjährigen und jungen Erwachsenen durch den Ordenspriester und tatsächlich so genannten „Generaldirektor“ seines Ordens Pater Maciel; sein zölibatäres Doppelleben mit Frauen und die Zeugung von Kindern; die maßlose finanzielle Gier, die Verlogenheit, sein frommes Gehabe, “Christus ist mein Leben“, heißt eines seiner Bücher; seine tiefe und innige Freundschaft mit dem jetzt Heiligen polnischen Papst Johannes Paul II, dieser Papst war sich nicht zu schade, öffentlich Pater Maciel „ein Vorbild der Jugend“ zu nennen, auch mit Kardinälen im Vatikan, in Mexiko, in Spanien hatte Maciel innige „reiche“ Beziehungen usw.

Doch nun gibt es etwas Neues: Der für das Ordensleben weltweit zuständige Kardinal Joao Braz de Aviz im Vatikan muss nun öffentlich zugeben: Schon seit 1943 war es dem Vatikan, den dortigen Behörden, also auch wohl dem damaligen Papst (Pius XII.) bekannt, welche Untaten Pater Marcial Maciel praktizierte, für weitere aktuelle Informationen klicken Sie hier. Der Vatikan schwieg, nur von 1956 bis 1959 wurde er aus Rom entfernt, vor allem wegen eklatanter Drogenabhängigkeit; man „untersuchte“ seinen „Fall“, fand aber – wie zu erwarten – nichts Schlimmes. Schlimm waren für den Vatikan und die Bischöfe nur die wenigen so genannten linken Priester und die Arbeiterpriester. Ein sexueller Verbrecher aber wurde, weil sehr wohlhabend, und nach außen sehr dogmatisch orthodox, geschont. So konnte Maciel 1959 zurück nach Rom und sein Treiben fortsetzen. Es gab etliche sehr deutliche Stellungnahmen von Opfern der sexuellen Gewalt durch Pater Maciel, vor allem von ehemaligen Ordensmitgliedern; aber nichts geschah. Und erst kurz nach dem Tod von Papst Johannes Paul II. konnte Papst Benedikt XVI. den alten Priester Maciel, den er nach einigen Recherchen öffentlich einen Verbrecher nannte, höflich bitten, sich doch bitte bitte zurückzuziehen und den Mund zu halten. An eine Überstellung des selbst von ihm selbst, dem Papst, bezeichneten Verbrechers an die staatlichen Justizbehörden dachte Papst Benedikt XVI. gar NICHT. Auch diese Verbrechen sollten also wie üblich kirchenintern behandelt werden. Maciel aber bleibt nach dieser so freundlichen Behandlung durch den Papst nicht, wie befohlen, in Rom, sondern fliegt in die USA, wo er sich versorgen lässt und dann dort stirbt .. und in aller Stille in sein mexikanisches Heimatdorf überführt wurde.

Von einem Prozess gegen ihn, von einem Ernstnehmen der Opfer keine Spur. Der Klerus regelt alles „unter sich“. Die Opfer des Missbrauchs sind eigentlich egal.

Selbstverständlich ist davon auszugehen, dass die Ordensmitglieder, die Legionäre, die ja in seiner unmittelbaren Nähe wohnten und ihn von Besuchen direkt kannten, von dem Treiben ihres so hoch verehrten Ordensgründers Maciel wussten. Man plante ja schon eine Heiligsprechung… Aber nach der Freilegung der verbrecherischen Taten durch Maciel wurde der Orden nicht etwa aufgelöst: Nein, er besteht munter weiter, schließlich braucht die Kirche diese vielen jungen „Legionäre“ und auch ihr Geld. Und so reisen die jungen Legionäre durch die Welt, predigen, betteln als Millionäre um Geld bei den Armen, halten Vorträge, wie kürzlich in Berlin ausgerechnet zum Gedenken an Romano Guardini. Wann werden sie eine von vielen neuen „Großgemeinden“ übernehmen?

Was am wichtigsten ist: Kardinal Joao Braz de Aviz muss nun zugeben: Seit 1943 hat der Vatikan die Verbrechen Maciels verheimlicht und geschützt. Kein Papst, kein Kardinal kam auf die Idee, diesen Herrn der staatlichen Justiz zu übergeben. Alles wurde „unter dem großen vatikanischen Deckel gehalten“. Der Klerus hält eben zusammen! Die Klerus-Gesetze sind wichtiger als die Menschenrechte. Bis heute! Voltaire würde in dem Zusammenhang vielleicht sagen: „Ecrasez l infame“…

Jetzt beginnt aber auch – hoffentlich – die Zeit der historischen Forschungen zum Dauerthema „Zölibatärer Klerus und sexueller Missbrauch“, diese Forschungen aber müssen weit über das 20. Jahrhundert hinausgehen: Es gilt, den sexuellen Missbrauch durch Priester in Orden und Gemeinden freizulegen, als fundamentalen Teil, als Struktur der Klerus-Geschichte. Aber Klerus-Geschichte ist weithin im Katholizismus identisch mit “allgemeiner” Kirchengeschichte.

Für Kardinal Joao Braz de Aviz ist es jedenfalls “ein furchtbarer Irrtum”, so wörtlich, zu glauben, der sexuelle Missbrauch durch Priester sei ein zeitgenössisches Phänomen. „Wir stehen eigentlich erst am Anfang der Erkenntnisse“. Und wie lange die Geduld der Mitglieder dieser Kirche noch reicht mit diesem Klerus, ist eine andere Frage. Es könnte ja sein, dass sehr bald gebildete Katholiken entdecken: Die göttliche Wirklichkeit ist in mir, wie Meister Eckart lehrt und viele andere. Wofür dann noch diese Klerus-Kirche?

Wie die Kirche früher, im 17. Jahrhundert, mit dem sexuellen Missbrauch durch Priester umging, kann man am Beispiel des Ordens der Schulpriester, auch Piaristen, genannt, nachlesen. Ich habe darüber berichtet, bisher ohne größere Aufmerksamkeit etwa der Medien. Jedenfalls gab es einmal eine Zeit, als ein Orden des sexuellen Missbrauchs wenigstens zeitweise aufgelöst wurde. Dieser Beitrag enthält auch eine Stellungnahme von Matthias Katsch, vom „Eckigen Tisch“.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.