Ein kleines Dankeschön und ein Hinweis von Christian Modehn
Darf ich das Wort originell noch verwenden, bei der Inflation dieses Begriffes, verwendet von den vielen, die heute alle so originell oder sogar kreativ sein wollen? Ich möchte die Qualität des Originellen, im Sinne des Neues Entdecken, des Freilegens dessen, was viele sehen, aber nicht wahr-nehmen, auf Karl Schlögel doch gern beziehen. Es ist für mich und sicher viele andere Leser zweifelsfrei: Karl Schlögel hat ein umfassendes erhellendes und helles Werk hervorgebracht, stets erklärend, gut recherchiert, gut lesbar. Er hat publiziert, vor allem durch langjähriges eigenes Erleben vertieft, zur Sowjetunion, zu Russland und zu Osteuropa. Am 7. März 2018 wird Karl Schlögel 70 Jahre alt. Ich gratuliere.
Unmöglich ist es, die ganze Vielfalt der Themen seiner Forschung zu erwähnen. Ich erinnere mich etwa an seine Studien, in „Lettre“ oder der Berliner Zeitung, über die Bahnverbindungen von Berlin – Lichtenberg nach Sibirien; Themen des Alltags, könnte man denken, aber es sind Studien, die das „Andere“ unserer Berliner Nachbarschaft erschlossen haben. Ich schätze besonders die eher dem Umfang nach kleine, aber inhaltlich große, weil anregende Studie „Archäologie des Kommunismus. Oder Russland im 20. Jahrhundert“. Mit Fotos, 111 Seiten, erschienen in der Carl Friedrich von Siemens Stiftung, München.
Um nur zwei Beispiele aus dieser Veröffentlichung zu nennen: Wer das Alltagsleben in der Sowjetunion verstehen will, sollte sich mit Schlögel für die „Kommunalkas“ interessieren, also jene sehr geräumigen, ehemals bourgeoisen Altbauwohnungen in Moskau oder Leningrad, wo bis zu 10 Familien dann lebten und leben mussten. Oder man sollte in dem genannten Buch („Archäologie des Kommunismus…) lesen, welche Rolle die Küche als kommunikativer und wohl auch oppositioneller Ort in der Zeit nach Stalin spielte. Ja, auch dies, dass für die Menschen in der Sowjetunion Reste von individueller Freiheit gab, etwa in den Datschen und während der Urlaubszeiten… Man lese die Beobachtungen über die Bedeutung der Palme (S.84) als Zierpflanze in offiziellen Gebäuden, es ist auch dieser Sinn für Details, für „Übersehenes“, mit dem Schlögel die Mentalitäten erschließt.
Schlögels Hinweise zur russischen Annexion der Krim und zu den Aggressionen gegen die Ukraine zeigen auch: Dass es in Russland heute eine „Flucht in den Ideen und Formenbestand des sowjetischen wie des imperialen Russland“ gibt. „Denkmäler, die schon einmal gestürzt und in Museumsparks gelagert wurden, sollen auf ihre Sockel zurückkehren“. Was für eine Regression. Unter Putin nehmen die Ressentiments machtvoll zu… „Für alles, was nicht funktioniert und falsch gelaufen ist“, ist der Westen ist schuld… Nur die Bürger Russlands, meint Schlögel, können aus dieser Sackgasse herausfinden. Werden sie die Kraft der gemeinsamen Opposition finden? Ist die russisch – orthodoxe Kirche heute das sprichwörtliche Opium des Volkes (Karl Marx)? Wird jemals die Zusammenarbeit der Kirche mit Putin nd Co. ein Ende haben? Ist diese Kirche überhaupt fähig zur tiefgreifenden Reform? Darüber würde ich sehr gern weitere Studien von Karl Schlögel lesen.
Copyright: Christian Modehn Religionsphilosophischer Salon Berlin