Im Mai findet der 2. Ökumenische Kirchentag in München statt. Wieder verhindern die katholischen Bischöfe das gemeinsame Abendmahl mit Protestanten, obwohl theologisch heute nichts mehr dagegen spricht und auch die Mehrheit der Katholiken laut Umfragen dafür ist. Die römische Zentralgewalt will sich machtvoll durchsetzen. Und die Protestanten wollen in der Sache nicht “protestieren”, also Widerstand leisten. Bezeichnenderweise findet wenige Tage vorher das Gedanken an den großen Reformator Philipp Melanchthon statt. Er hat sich stets für die Einheit der Kirchen ausgesprochen, er war um des hochgeschätzten Friedens willen sogar bereit, auch das Papsttum als organisierende Struktur, nicht aber als Herrschaftsinstrument, anzuerkennen. Und er war bereit, sich auch mit den damals noch als Gegnern wahrgenommenen Reformierten um Calvin zu verständigen. Aber auch diese Bemühungen Melanchthons scheiterten. Er schrieb 1530 Worte, die heute von drängender Aktualität sind:
“Man wird sich noch lange streiten, bis es den Heiden ein Greuel ist. Da disputieren sie über das Abendmahl, gleich als ob sie in den Himmel gesehen und Jesus gefragt hätten, wie er denn die Worte: „Das ist mein Leib“ verstanden habe. Diese Theologen werden es hier auf Erden nicht klären. Es gehört sich wohl nicht für uns schwache Menschen, alles ergrübeln und erforschen zu wollen. Genug ist zu wissen und zu glauben, was zu unserem Heil nötig ist. Das übrige macht nur Zank. Woran Jesus gewiss keinen Gefallen hat”.
Und kurz vor seinem Tod 1560 schrieb er:
“Jetzt ist ein eisernes Zeitalter angebrochen. Da bekämpfen sich Menschen, die eigentlich in der Verbundenheit derselben Religion die engsten Verbündeten sein müssten. Meine Krankheit tut mir nicht so weh wie der große Jammer um das Elend der heiligen christlichen Kirchen. Das Elend entsteht aus der unnötigen Trennung, aus der Bosheit und dem Mutwillen der Menschen, die sich aus unmenschlichem Neid und Hass abgesondert haben”.
Der sonst so friedlich sanfte Reformator Melanchthon konnte sich nicht bremsen, als er das unevangelische Gehabe und Verhalten katholischer Bischöfe damals erlebte:
„Bischof heißt nicht =bi de schoof=, also =bei den Schafen=, wie der Prediger Johann von Kaysersberg einmal gesagt hat. Die heutigen Bischöfe lassen sich durch keine Etymologie und Wortspielereien bewegen, da muss man etwas anderes beibringen. Bischof heisst also sarkastisch gesagt: =Bies de Schof=, also =Beiße die Schafe=. Denn das passt besser auf die gegenwärtigen Bischöfe, weil sie weder die wahren Aufseher über ihre Gemeinden sind noch Hirten oder gar Hüter ihrer Schafe. Sie beißen ihre Schafe“.
Entnommen: Uwe Birnstein. Der Humanist. Was Philipp Melanchthon Europa lehrte. Wichern Verlag, 2010, S. 111 und 82 und 95.