Beschneidung in Finnland und Schweden, Beschneidung im “alten Ägypten”, “Fest der Beschneidung des Herrn”

Beschneidung in Finnland und Schweden; Beschneidung im “alten Ägypten”; “Fest der Beschneidung des Herrn”.

Bitte beachten Sie auch den neuen Beitrag des prot. Theologen Prof. Wilhelm Gräb, Berlin. (Publiziert am 20.7.2012) zum Thema Beschneidung.

In den Diskussionen über die religiös motivierte Beschneidung von Jungen wurden  im „religionsphilosophischen Salon“  erneut einige Fragen aufgeworfen und einige bislang wenig beachtete Aspekte genannt, die wir sozusagen als „Maginalien“ weitergeben möchten:

1 – Rechtliches

2 – Historisches

3 – Theologisches und Kunsthistorisches: Die Beschneidung Jesu in der katholisch geprägten Kunst.

Eintrag am 23 .Juli 2012:Abgeordnete im Bundestag handeln offenbar übereilt: “Nach der Bundestagsresolution zum Thema Beschneidung werden jetzt immer mehr Zweifel laut”: Tagesspiegel vom 23. 7. 2012, Seite 4

1 – In Finnland wurden Ende 1999 und in Schweden am 1. 10. Oktober 2001 über Beschneidungen bei Jungen, die ohne medizinische Notwendigkeit vorgenommen werden, neue gesetzliche Bestimmungen erlassen.

„Ombudsman Riitta-Leena Paunio bemerkte, dass diese Operation ohne medizinische Begründung nicht empfohlen ist, die betroffenen Kinder sollten dazu befragt werden und ihre Zustimmung dazu geben. Sie sagte, das Finnische Parlament müsse die religiösen Rechte der Eltern über ihre Kinder aufwiegen gegen die Verpflichtung der Gesellschaft, ihre Kinder vor rituellen Operationen ohne unmittelbaren Vorteil für sie zu schützen. Mit sofortiger Wirkung ist nun in solchen Fällen die Zustimmung beider Elternteile erforderlich“. (http://www.geburtskanal.de/index.html?mainFrame=http://www.geburtskanal.de/Wissen/B/Beschneidung_Geschichte.php&topFrame=http://www.geburtskanal.de/header.html)

– Die – übrigens vom Bundesministerium für Gesundheit empfohlene Website „geburtskanal.de   berichtet weiter auch über Schweden:  “Am 1.10.2001 trat in Schweden ein neues Gesetz in Kraft, das Beschneidungen ohne medizinische Begründung bei Jungen, die älter als 2 Monate sind, generell verbietet. Beschneidungen an jüngeren Babies dürfen nur noch unter Betäubung vorgenommen werden. Schweden ist damit das erste Land der Welt, das rituelle Beschneidungen, die ohne Zustimmung der Betroffenen vorgenommen werden, per Gesetz einschränkt“.

2 – Ist die jüdische Religion sozusagen die „Erfinderin der Beschneidung“?  Historisch gesehen sicher nicht. Es gibt Reliefs in Ägypten, die die Beschneidung etwa im Jahr 2420 v.Chr. zeigen. In einigen Hinweisen zur Geschichte der männlichen Beschneidung wird daran erinnert, dass die Priester im „alten Ägypten“ der Pharaonen von der Beschneidungspraxis nubischer Sklaven beeindruckt waren. „Daher führten sie die Beschneidung auch in Ägypten ein. Die Juden lernten dann dort diese Praktik“. (so eine Publikation von „geburtstkanal“)

3 – Es gab einmal in der römisch – katholischen Kirche einen weit verbreiteten Reliquienkult um die zu verehrende „Vorhaut Christi“. Und es gab sogar einen Festtag der Beschneidung Jesu am 1. Januar!  Warum hat die katholische Kirche das „Fest der Beschneidung Christi, des Herrn“  im Jahr 1969 abgeschafft und in das Hochfest der Gottesmutter Maria umbenannt?

Der katholische Theologe Prof. Christoph Dohmen schreibt:

„Man kann nur darüber spekulieren, was die Abschaffung dieses Festes bestimmt hat. Denn offizielle Erklärungen wurden dazu nicht abgegeben. Lediglich

pastorale Notwendigkeiten. Den Beginn des bürgerlichen Jahres auch kirchlich zu begehen, wurden hier und da ins Feld geführt.

Da erscheint es fast ein wenig als Ironie, wenn man bedenkt. dass die Kirche in früheren Jahrhunderten sich durch die Gestaltung

des 1. Januar gerade von den profanen Feiern des Jahresbcginns absetzen wollte. Und Martin Luther hat gegen die

kirchliche Neujahrsfeier geradezu gewettert und stattdessen eine Predigt zur Beschneidung Jesu oder zum Namen Jesu angeraten“.

(Prof. Christoph Dohmen, Alttestamentler in Regensburg, in der Zeitschrift Bibel und Liturgie 2007).

Im katholisch – jüdischen Dialog – so ist zu hören – wirkt die Abschaffung des Festes der Beschneidung des Herrn im Jahr 1969 (!)  heute eher peinlich. Denn, so wird vermutet, verbirgt sich dabei eine Form, Jesus von Nazareth aus seiner konkreten jüdischen Geschichte zu lösen?  Oder, so vermuten andere Beobachter, hatten die Kirchenführer allmählich Angst bekommen vor einem Fest, das ausdrücklich das sonst religiös und theologisch kaum besprochene “männliche Glied” in den Mittelpunkt eines katholischen Festtages stellt?  Zu einer gewissen und allseits bekannten Leibfeindlichkeit der Kirchenführung würde diese These vielleicht passen.

Zur Darstellung der Beschneidung Jesu in der Kunst: Da geben wir die Frage eines Lesers gern weiter, der wissen möchte: Wie deuten Kunsthistoriker etwa die drei hier genannten Arbeiten? Ist die Größe des Messers besonders auffällig und viel sagend? Wie ist es zu deuten, dass Jesus bei der Beschneidung offenbar bei vollem Bewußtsein ist?   Es handelt sich um nur eine kleine Auswahl von Arbeiten zu dem Thema: aus einem Altar in Brabant, (jetzt in Berlin), einem Gemälde von Guido Reni und einem Gemälde von Friedrich Herlin. Bei Herlin erscheint das Messer in Übergröße.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Rainer M. Woelki und der Theologe Karl Rahner

Rainer M. Woelki und die Theologie Karl Rahners

Siehe auch den Beitrag: Das theologische Profil Kardinal Woelkis LINK

Die Auseinandersetzung über die theologische Doktorarbeit von Rainer M. Woelki, (Erzbischof und Kardinal),  eingereicht an der Opus Dei Universität “Santa Croce” in Rom (2000), hat sehr viele Leser dieser website interessiert; auch die Tatsache, dass der erste Betreuer der Arbeit (der Spanier Antonio Miralles vom Opus Dei) kein Deutsch spricht; auch der zweite Betreuer (Klaus Limburg,) ist Mitglied des Opus Dei. Nebenbei: Man muss nicht explizit Mitglied im Opus Dei sein, um wie das Opus zu denken und zu handeln. Woelki sagt, er sei nicht Mitglied dieses “Werkes Gottes”…

Nun haben sich einige unserer Leser in die Doktorarbeit vertieft, die ja äußerst schwer zu erreichen und einzusehen ist.

Vor allem die Rezeption des Denkens des weltweiten bekannten Konzilstheologen und Jesuiten Karl Rahner hat einige unserer Leser zu tieferen Nachforschungen ermuntert. Es fällt auf, dass die wirklich wichtigen Arbeiten Karl Rahners zum Promotionsthema „Die Pfarrei“ von Woelki nicht beachtet wurden. Gerade diese Arbeiten aber sind das, was man Ausdruck einer modernen Theologie nennt, in denen Zukunft eröffnet wird. Diese Arbeiten, noch einmal, wurden von Woelki nicht herangezogen. Es geht ja hier gar nicht um Rahner im engeren Sinne, sondern darum, wie man im Jahr 2000 eine theologische Doktorarbeit in dieser Begrenztheit schreiben kann. In den systematischen Überlegungen der Doktorarbeit überwiegen Zitate aus Konzilsdokumenten und Zitate von päpstlichen Erklärungen. Das zeugt von absoluter Treue zum Lehramt. Katholische Theologie wird so offenbar als fleißige Repetition offizieller Texte von Offiziellen und Herrschenden verstanden. Über diesen Begriff von Theologie ließe sich eigens diskutieren.

Es ist bezeichnend, dass in der Doktorarbeit Woelkis über “Die Pfarrei” (nicht der theologisch naheliegende und treffendere Begriff “Gemeinde” steht im Mittelpunkt, sondern sozusagen die amtliche Institution “Pfarrei”) etwas ausführlichere Diskussionen über bedeutendere (deutschsprachige) Theologen ausdrücklich auf “die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts” begrenzt sind. Erwähnt werden dabei Franz X. Arnold, Pius Parsch oder ein gewisser Constantin Noppel, und eben Karl Rahner, den Woelki bei dieser zeitlichen Begrenzung seines Themas dann eben auch nicht weiter beachten muss. Man könnte also denken, die Arbeit Woelkis wäre eine historische Arbeit über die katholische Pfarrei vor dem 2. Vatikanischen Konzil. Tatsächlich aber will der Text als systematische Arbeit auf die Gegenwart bezogen sein. Von daher ist das Ausblenden und Verdrängen der wirklich neuen, wegweisenden Arbeiten Karl Rahners SJ zum Thema Pfarrei bzw. Gemeinde  eigentlich ein Skandal.. Hätte man diese Arbeit in der  benachbarten staatlichen Fakultät in Bonn (wo Woelki damals in unmittelbarer Nachbarschaft lebte) oder in Münster an der dortigen staatlichen theologischen Fakultät angenommen? Das müssen Fachtheologen  aus dem Bereich systematische und praktische Theologie beantworten, falls Sie sich die Mühe machen, diesen eigentlich unerreichbaren Text Woelkis zu finden. Der Text wird offenbar sehr gern “unzugänglich” gehalten und wurde nicht in einem Verlag publiziert. Vielleicht kommt es nur auf den Dr. Theol. Titel an, ein solcher Titel macht sich besser für einen Kleriker mit Karrieremöglichkeiten. Interessanterweise wagt sich kein hochbezahlter Theologieprofessor an einer staatlichen Universität, also existentiell/finanziell relativ geschützt, an das Thema: Welche theologischen Doktorarbeiten werden an päpstlichen Universitäten in Rom geschrieben, und vor allem: Warum werden sie geschrieben? Wer wählt warum diese Themen aus?

Ein aktueller Hinweis: Interessant ist, dass Woelki, sozusagen nun Experte für die Notwendigkeit von “Pfarreien” für das katholische Leben,  Ende 2012 im Erzbistum Berlin deklarierte: Von den bestehenden 105 Pfarreien im Erzbistum werden bis 2020, also in 5 Jahren, nur noch 30 (in Worten dreißig) übrigbleiben. Großpfarreien also müssen entstehen, weil der Klerus fehlt. Kirchliches Leben hat sich bitte schön einzig nach dem Klerus zu richten, das ist die klerikale Botschaft der Herren der Kirche. Bei dem zunehmenden Priestermangel wird es – bei diesem Denken – dann im Jahr 2040 vielleicht nur noch drei oder vier Pfarreien in Berlin geben…Die Gläubigen haben dann längst die spirituelle Weite gesucht; und die Bischöfe werden wieder klagen, wie böse und atheistisch doch die Welt geworden ist.

Zurück zur Reduzierung der Pfarreien im Erzbistum Berlin, das die Hauptstadt und das Land Brandenburg sowie Vorpommern umfasst. Der Grund für die Entscheidung Woelkis, der ja Pfarrei – Spezialist ist: Vor allem: Der Priestermangel. Denn in dem Opus Dei gemäßen Denken Woelkis kann es nur “Pfarreien” geben, wenn zölibatäre Kleriker diesen Pfarreien vorstehen. In seiner Doktorarbeit aus der Santa Croce Universität heißt denn auch das entscheidende Kapitel: “Das Amt als Repräsentation Christi” bzw als Unterkapitel “Die sakramentale Vergegenwärtigung Christi durch den Kleriker“. Weil im zölibatären Kleriker also Christus  sakramental (zeichenhaft) gegenwärtig wird, kann nur dieser  Christus darstellende  Priester Pfarreien leiten. Der Kleriker, also der zölibatäre Priester, ist für christliche Gemeinden absolut unersetzlich in dieser Sicht; so will es Gott selbst, könnte man sagen. Wohin diese Theologie genannte tatsächliche Ideologie führt, sieht man etwa in Lateinamerika, wo Katholiken mangels Priestern zu Tausenden zu anderen Konfessionen abwandern oder eben sich selbst ihre eigene private Spiritualität entwickeln. Papst Franziskus spricht oft davon. Bischof Erwin Kräutler, Xingu, Brasilien, fordert jetzt, dass endlich aus den brasilianischen Basis Gemeinden selbst Laien als priesterliche Leiter der Eucharistie zugelassen werden. In Rom wird man über ihn schmunzeln, Kräutler wird sicher mit 75 Jahren sicher sofort pensioniert und das alte Denken herrscht danach auch am Xingu weiter. Bischof Helder Camara forderte ähnliches, Kardinal Arns auch, alle wurden ausgelacht und ausgegrenzt und bestraft. Ähnliche Vorschläge der niederländischen Dominikaner wurden selbstverständlich von den Herren der Kirche sofort verboten (2005).

Viele Leserinnen dieser Berichte hier bitten dringend um Erklärungen dieser hochkomplexen Kleriker – Ideologie, die die Doktorarbeit ausdrückt. Sie fragen: Stammen diese Texte aus dem 16. Jahrhundert? Wir empfehlen in solchen Fragen eher Karl Rahner SJ zu lesen, etwa das Kapitel “Eine entklerikalisierte Kirche” in seinem Buch “Strukturwandel der Kirche als Aufgabe und Chance” (Freiburg 1972), Seite 61 ff.

Deutlich wird jedenfalls: Diese Doktorarbeit der Santa Croce Universität ist Ausdruck eines explizit klerikalen Denkens. Wer vor 15 Jahren solches klerikal Denken als das seinige offenbarte, solllte sich zumindest jetzt öffentlich davon distanzieren und sagen, was er wirklich unter einer Gemeinde versteht, die dem Evangelium des armen Jesus von Nazareth folgen will, der ja bekanntlich keine Kirche gründete und gründen wollte.

Für weitere Hinweise zu Rainer M. Woelki, aus aktuellem Anlaß und aus religionsphilosophischem bzw. religionskritische Denken publiziert, klicken Sie bitte hier.

Nun hat der katholische Magdeburger Bischof Gerhard Feige sehr behutsam den Mut gefunden, sanft Kardinal Woelki zu kritisieren. Dieses Ereignis eines bescheidenden Mutes unter Bischofskollegen verdient sicher Aufmerksamkeit, zur Lektüre klicken Sie bitte hier.  Gelesen am 13. 7. 2014 sogar in dem ultrakonservativen kath.net

Die Wochenzeitung “Christ und Welt” berichtet in der Ausgabe 30/2014 auf Seite 3 von der Pressekonferenz des neu ernannten Erzbischofs von Köln am Samstag 19.Juli 2014. Da fragt, so wird berichtet, ein Journalist nach dem Opus Dei. Christ und Welt schreibt: “Beim Opus Dei wird er (Woelki) unwirsch. Dazu habe er schon so viel gesagt (so viel??, wo? CM), die Frage nach dem Opus Dei (gemeint sind die Sympathien Woelkis für diese Geheimorganisation CM) könne man streichen. Es stimmt, Woelki hat seine Mitgliedschaft ausdauernd bestritten….aber das gilt für viele Themen, die an diesem Morgen zu Sprache kommen. Im Raum sitzen einige Opus-Dei-Leute, das mag die Antwortfreude mindern”, so Christ und Welt.  Und unsere Freude wird gemindert: Wenn die Redakteure schon Opus Dei Leute im Saal als solche erkennen, warum werden sie nicht namentlich genannt? Wieder einmal beherrscht die Angst einen Journalismus, der sich christlich nennt. Immerhin heißt es auf der selben Seite in Christ und Welt über die Opus Dei Uni Santa Croce in Rom, wo Woelki sein Doktorarbeit einreichte: “Unter Theologen an staatlichen Universitäten gilt sie als päpstliche Schmalspurhochschule”. Und weiter fast wörtlich das, was wir seit Jahren schreiben:”Dissertation werden (dort) so sparsam veröffentlicht, als müßte man sie verstecken”.

Für den religionsphilosophischen Salon: Christian Modehn.

Ich habe Ende der neunzehnhundertsiebziger Jahre mit Karl Rahner in München zusammengearbeitet und mit ihm die Bücher “Theologie der Befreiung” und “Volksreligion”, beide bei Kohlhammer, herausgegeben. Außerdem ist in der Gesamtausgabe der Werke Rahners in Band 31, Seite 194 – 200, ein Interview von mir mit Rahner abgedruckt. Der Titel, an dem uns beiden lag: “Zu einer offenen Kirche”.

Wir bieten im folgenden einige Zitate von Lesern der Website zur mangehalften Rahner Rezeption durch Rainer M. Woelki, mitgeteilt Ende 2011:

“Rainer M. Woelki ist nicht entfernt imstande, das komplexe Denken Karl Rahners auch nur darzustellen. Er hätte sicher die zwei Aufsätze “Friedliche Erwägungen…” und “Zur Theologie der Pfarrei”, die er ja beide zitiert,  genauer vergleichen müssen, dann hätte er es vermieden, eine so theologisch äußerst schlichte und exklusive Festlegung auf das „Ortsprinzip“ der Pfarrei zu betreiben. Karl Rahner hat sich ja bekanntlich auch nach 1966 sehr viel zum Thema Pfarrei und Gemeinde geäußert und auch publiziert…”

“Offensichtlich benutzt Rainer M. Woelki in seiner Darstellung nicht die wichtigen Texte Karl Rahner insgesamt. Schließlich fehlen völlig die späteren wichtigen Texte Rahners zu den Basisgemeinden, zum „Strukturwandel der Kirche“ usw. Woelki schließt seine Auseinandersetzung mit den Rahner-Texten Mitte der sechziger Jahre ab. Autoren, wie Joseph Ratzinger, zitiert er hingegen bis zum Jahr 2000, also dem Jahr seiner Promotion. Ist das bezeichnend?  All die wichtigen späten Texte Rahners zur Gemeinde und Basisgemeinde hätte der Doktorand Woelki leicht finden können, aber offenbar interessierten ihn die Texte über den „Strukturwandel der Kirche“ nicht. Dabei wären gerade diese Vorschläge Rahners angesichts der tiefen Krise der römischen Kirchen (Priestermangel, Zusammenlegung von Pfarrgemeinden, einfach deswegen, weil es so wenige zölibatäre Priester gibt usw.) sehr inspirierend. Aber eine Opus Dei Universität (und ein dort offenbar freiwillig promovierender Theologe)  können es sich vielleicht nicht leisten, den von Rahner und anderen vernünftigen Theologen vorgeschlagenen Strukturwandel der Kirche (Überwindung der Zölibatsverpflichtung, Basisgemeinden, die von qualifitierten Laien geleitet werden usw). auch nur leise zu denken”. Ein Leser schreibt: “Diese Arbeit Woelkis ist völlig überflüssig, sie ist veraltet, und wurde wohl nur geschrieben, um einen Doktortitel zu erhalten.”

copyright: religionsphilosophischer salon berlin.

 

 

Philosophie lebt in Frankreich heute – Wandlungen und Neubeginn

Philosophie in Frankreich heute: Wandlungen und Neubeginn

Von Christian Modehn

Die Erinnerung an Jean – Jacques Rousseaus 300. Geburtstag führt weiter zu der Frage: Wie geht es „der“ Philosophie in Frankreich heute? Die Tageszeitung Le Monde (Paris) hat in ihrer Ausgabe vom 23. Juni ein recht umfangreiches Dossier zu dem Thema publiziert unter dem Titel: „Le nouveaux clients de la philo“ (Die neuen Kunden der Philosophie). In dem Beitrag von Nathalie Brafman und Nicolas Weill werden interessante Perspektiven mitgeteilt, wir wollen nur einige hervorheben. Sie zeigen, dass in Frankreich, einmalig in Europa, die Philosophie immer noch eine große öffentliche Bedeutung hat, also alles andere ist als eine marginale Disziplin an den Universitäten.

1.

„Seit etwa 40 Jahren werden Debatten mit Philosophen sehr gut besucht, das Publikum wünscht Gespräche mit Philosophen, deren Bücher so gut verkauft werden, dass  Romanautoren darüber vor Neid erbleichen“, so die Autoren.

2.

Dieser ersten globalen Einschätzung in Le Monde steht die Tatsache gegenüber, dass in den Schulen Philosophie Pflichtfach ist. 500.000 Abiturienten haben in diesem Jahr eine Abschlussprüfung in Philosophie gemacht. Seit Beginn des 19. Jahrhunderts ist das so, dahinter stand die Idee, auf diese Weise gute Bürger heranzubilden. Bis heute werden die Themen und Fragen zur Abschlussprüfung in Philosophie auch in Büchern publiziert.

3.

Der Philosophieunterricht in den Schulen ist hingegen weithin bei den Schülern unbeliebt. „Er ist zu weit entfernt vom Alltag“, heißt es.  „Die Schüler nehmen Philosophie als ein sehr schwieriges Thema wahr, sie finden dort kein Mittel, wirklich voran zu kommen“, so wird Cécile Victorri zitiert, Philosophie  – Lehrerin in Sarcelles. Es gibt zwar eine nationale Forschungsgruppe zum Philosophieunterricht (Greph), aber die hat bisher keine tief greifenden Reformen im Unterricht durchsetzen können.

4.

In den Universitäten, so Le Monde, hat Philosophie jetzt einen schweren Stand. Selbst in der berühmten Universität Nanterre („Mai 68“) wurde die Philosophie reduziert und mit anderen Wissenschaften verschmolzen zu „Humanités“, also Humanwissenschaften. Die Strategie, die bisher eigenständige Philosophie mit anderen Wissenschaften zu verschmelzen, setze sich immer mehr durch, heißt es. „Wenn Philosophie nur noch Medizinern angeboten wird, die eine bestimmte Ethik suchen, dann ist das nicht eigentlich mehr philosophische Arbeit“, so Anne Fraisse, Präsidentin der Universität Montpellier III.

5.

Außerhalb der Universitäten geht es der Philosophie hingegen sehr gut, so wird ausdrücklich betont. Le Monde erwähnt auch das wunderbare Kulturradio „France culture“, wo die philosophischen Sendungen eine sehr große Beachtung finden, besonders die Sendung „Les nouveaux chemins de la connaissance“ (Die neuen Wege der Kenntnis). 430.000 Personen laden sich zum Beispiel die Manuskripte dieser Sendung pro Monat herunter.

6.

Von einzelnen Philosophen werden Bücher in sehr hohen Auflagen verkauft: Besonders die Werke des populären, eher materialistisch – hedonistisch – atheistisch orientierten Philosophen Michel Onfray, er hat seine eigene Volksuniversität in Caen, Normandie. Viel verkauft werden auch die Bücher von Luc  Ferry und  -das freut uns besonders! – die Arbeiten von André Comte – Sponville. Im Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon wurde schon vor einigen Jahren auf die ausgezeichneten, aber leicht zugänglichen Arbeiten des in Paris lebenden freien Philosophen verwiesen.

7.

In Paris wurden Mitte der 1990 Jahre die „philosophischen Cafés erfunden, die Verdienste der Gründung kommen dem unvergessenen Marc Sautet (1947 – 1998) zu, das von ihm begründete Café philo im Cafe Phare an der Place de la Bastille setzt seine Arbeit unermüdlich weiter, auch wenn Le Monde im allgemeinen ein nachlassendes Interesse an diesen populären Debatten feststellt.

8.

Im Jahr 2008 wurde die „Université conventionelle“ in Paris gegründet, eine Initiative, an verschiedenen Orten in der Hauptstadt Philosophie auf hohem Niveau zu lehren, gratis und meist am Abend, damit Menschen aus allen Berufen an den Kursen teilnehmen können. Uns freut, dass diese Initiative auch eigene Angebote hat  zur Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phie, im Augenblick zur Apokalypse. Dieser Initiative wird eine große Bedeutung zugeschrieben.

9.

Heute, so berichtet Le Monde, wird Philosophie vor allem durch das Internet verbreitet. Auch die altehrwürdige „Société de philosophie“, gegründet 1901, hat viel besuchte Internet – Auftritte. Die Université conventionelle  hat 300 Besucher pro Tag auf ihrer website.

10.

Wichtig bleiben trotzdem die philosophischen Zeitschriften. Auch da ist Frankreich führend, etwa mit dem „Magazine philosophie“, das monatlich (Verbreitung ca. 46.000 Exemplare, am Kiosk zu haben) erscheint, inzwischen wird es in etwas knapperer Form auch in Deutschland publiziert. Auch andere Monatszeitschriften, wie Esprit oder Etudes oder Débat bringen regelmäßig viele philosophische Beiträge.

11.

Es gibt zahlreiche bedeutende Philosophie Festivals, etwa im schönen St. Emilion (verbunden mit Wein – Proben) oder in Lille, wo das Festival „Citéphilo“ einen sehr guten Ruf hat. „Aber wir haben niemals nachgegeben, die Philosophie leicht zu machen“, betonen die Verantwortlichen, Gilbert Glasman und Leon Wisnia.

12.

Schade ist, dass Le Monde in dem Beitrag nicht ausführlich von dem bekannten und seit Jahren bewährten „Collège International de Philosophie“ in Paris 5 spricht. Wir werden darauf zurückkommen.

Im ganzen haben wir den Eindruck, dass die Wege des kritischen philosophischen Nachdenkens in Frankreich sehr vielfältig und lebendig sind. Das Interesse an Philosophie ist wohl ein Beweis dafür, dass die kritische Demokratie als Projekt weiter besteht. Darüber hinaus wird Philosophie als Lebensorientierung geschätzt, in Zeiten abnehmender Konfessionsbindungen auch dies ein interessanter Hinweis auf den religiösen „Umbruch“.

Beschneidung – Eine kritische Frage

Beschneidung – Eine kritische Frage

Von Christian Modehn

Ein Hinweis vorweg, veröffentlicht am 5. Jui 2012:

Uns freut es, dass im Tagesspiegel vom 5. Juli 2012 auf Seite 8 ein vernünftiger und sehr lesenswerter Beitag von Georg Ehrmann, dem Vorsitzenden der Deutschen Kinderhilfe, publiziert wurde. Der Beitrag zeigt, dass der Religionsphilosophische Salon mit seinem Kommentar (vom 28.6.) in der Frage nicht allein steht. “Eine schmerzhafte und belastende Operation” ist der Titel des Kommentars, dem wir auch weite Verbreitung in religiösen Kreisen wünschen, die uralte Traditionen unbedingt für etwas Göttliches halten und höher einschätzen als Menschenrechte.

Am 12. Juli 2012 weisen wir darauf hin, dass in “DIE ZEIT” an diesem Tag auf Seite 54 ein sehr lesenswerter Beitrag  des Strafrechtlers Prof. em. Rolf Dietrich Herzberg gedruckt ist, als Antwort auf die polemischen Ausführungen des Philosophen Robert Spaemann eine Woche zuvor. Herzberg schreibt u.a.: “Was die Kölner Richter verurteilen, ist allein die empathielose Bagatellisierung dessen, was man wehrlosen Kindern antut, und die darin liegende Mißachtung des Grundrechts auf körperliche Unversehrheit”. Herzberg zitiert außerdem den integrationspolitischen Sprecher der Grünen, Memet Kilic, der u.a. auf den Tatbestand einer merkwürdigen “multireligiösen Ökumene” in diesem Fall hinweist:” …bei mir kommt der Verdacht auf, sie (= die Vertreter von Judentum, Kirchen und Islam) verteidigten ihren eigenen Machtbereich. Die Glaubensgemeinschaften, die auf den Stammvater Abraham zurückgehen, fordern zum Gebrauch der Vernunft auf. Das heißt: Neue Einsichten erlauben es, alte Praktiken zu ändern”. Genau dies ist die begründete Meinung des religionsphilosophischen Salons. PS.: Leider ist der wichtige Beitrag von Rolf Dieitrich Herzberg nicht im Internet (bis jetzt) lesbar…

Am 14. 7. weisen wir hin auf einen neuen Link, eine weitere Marginalie,  zum Thema Beschneidung im Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon. Dann verweisen wir auf ein Interview (20.7.2012) mit dem  protestantischen Theologen Prof. Wilhelm Gräb, Humboldt Universität zu Berlin.

Am 28. Juni haben wir einen Kommentar publiziert, nach einigen Diskussionen im Re­li­gi­ons­phi­lo­so­phi­sch­en Salon, der sich auf das sogen. „Kölner Beschneidungsurteil“ bezieht. Aufgrund einiger Anfragen wollen wir noch einmal betonen, dass unser Kommentar lediglich anregen will, über den Zusammenhang von religiösen Traditionen und dem, was aufgeklärte Vernunft meint, nachzudenken. Selbst wenn man heute von einer Pluralität von „Vernunft“ ausgeht, bleibt doch die Frage, wie bestimmte Traditionen zur Vernunft in Beziehung gesetzt werden können. Das gilt nicht nur für die Beschneidungsproblematik. Die Frage, in welcher Weise sich religiöse Traditionen heute vernünftig ins Gespräch bringen lassen und wie diese Traditionen heute noch ohne weiteres gelten können, ist nach wie vor der Diskussion wert, gerade wenn diese religiösen Traditionen, mit Verweisen auf Heilige Schriften, als Rechtfertigung von Macht und Verfügung über andere Menschen verwendet werden.

Der Religionsphilosophische Salon kann die plötzlich aufgetretene Debatte über die religiös motivierte Beschneidung nicht ignorieren. Denn dabei handelt es um einen Konflikt zwischen religiösen Traditionen und Ansprüchen der Menschenrechte, also der allen zugänglichen und immer wieder neu zu debattierenden Vernunft.

Selbstverständlich muss eine Demokratie religiöse Traditionen respektieren und zulassen, dass diese sich auch rituell Ausdruck verschaffen in religiösen Räumen.

Es muss aber in einer Demokratie immer gefragt werden: Sind bestimmte religiöse Traditionen und Überzeugungen möglicherweise auch Ausdruck einer fundamentalistischen Haltung: Ist die Beschneidung von Knaben – so alt und vielleicht auch ehrwürdig diese Tradition auch sein mag – tatsächlich in Religionen noch vertretbar, die wirklich im Heute leben wollen, also durchaus argumentativ religiöse Bräuche verdeutlichen wollen? Oder will man gar nicht im Heute leben und lieber argumentationsfern einfach alte Bräuche fortsetzen, weil man glaubt, sie stifteten Identität? Kann Religion – im allgemeinen gesagt – bestehen, die argumentationsfern Bräuche heilig findet, bloß weil sie uralt sind? Also: Welche vernünftigen, allen zugänglich zu machenden Argumente sprechen für die Beschneidung der Babies und Jungen?  Wir sehen kein Argument. Es ist, wie so oft im religiösen Feld, immer nur dieselbe Antwort: Es ist halt lange, lange … Tradition.

Das wäre ohne weiteres zu respektieren, wenn mit dieser langen  Tradition nicht über andere Menschen verfügt würde: Über Kinder wird bestimmt, sie können die Entscheidung ihrer Eltern nicht mehr rückgängig machen, Beschneidung bleibt auf ewig Beschneidung.

Da stoßen sich tatsächlich Vorstellungen von der unantastbaren Würde des Menschen, also Menschenrechte, mit der langen religiösen Tradition. Gegen die doch bisher kaum ein Beschnittener aufbegehrt hat, wie zu hören ist. Also sind alle Beschnittenen als Beschnitte rundum glücklich? Wer will das wissen?  Wurde jemals danach gefragt? Wurde jemals dokumentiert, wie viele alte Männer mit ihrem Messer auf den Dörfern die Kinder und Jungs verletzten? Wer hat das alles dokumentiert an Grausamkeit?

Die Debatte darüber jetzt ist also durchaus sinnvoll, weil sie nach der Vernunft religiöser Traditionen fragt. Und da werden weitere Fragen berührt: Etwa im Katholizismus: Dort beruft sich das Papsttum gern  zur Rechtfertigung der eigenen Macht auf das Wort, das im Neuen Testament Jesus zugeschrieben wird: „Du bist Petrus der Fels“, soll Jesus gesagt haben, offenbar den künftigen Vatikan vor Augen, „und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen“.  Erstens wollte und konnte Jesus von Nazareth – vom ganz nahen Kommen des Gottesreiches überzeugt – keine Kirche bauen. Und außerdem: Er sagte – wenn überhaupt – dieses Wort zum Fischer Petrus. Aber benutzt wird dieses Wort bis heute, um das Papsttum und den Vatikan zu rechtfertigen. Darf man das Ideologie statt Theologie nennen?

Was hat das mit der Beschneidung zu tun? Sehr viel: In beiden Fällen handelt es sich um das Festhalten an sehr alten religiösen Traditionen und Überlieferungen. Um Ideologien. Die aber – so scheint uns – vor der kritischen Vernunft kein Bestand mehr haben.  Vor wem oder was sollten denn auch religiöse Traditionen Bestand haben, wenn nicht vor der Vernunft?  Oder will man prinzipiell Religion als unvernünftig etablieren? Wer das tut, und das tun heute viele, wird zum Totengräber des Religiösen, weil sich das Religiöse jeglicher Argumentation entzieht..

Wobei es im Falle des Streites um die Beschneidung so enden wird: Eine Einschränkung oder gar ein Verbot der Beschneidung sei politisch und praktisch nicht durchsetzbar. Also: Ende der Debatte um des so genannten lieben Friedens willens… Schließlich haben sich die Leiter und Führer der Juden, Muslime und Katholiken zusammengeschlossen: Sie verteidigen gemeinsam die langen, langen Traditionen. Wenn eine Tradition fällt, fallen auch andere. Deswegen ist interreligiöse Einheit angesagt.

copyright:christian modehn, berlin.