Hinweise von Christian Modehn
In die sich auch in Deutschland bildende Trauergemeinde reiht sich auch der „Haupt-Geschäftsführer“ des katholischen Hilfswerkes für Lateinamerika „ADVENIAT“ (Essen) ein.
Pater Michael Heinz svd schreibt in einer knappen offiziellen Erklärung: „Mit dem Tod von Ernesto Cardenal verlieren wir einen bedeutenden Fürsprecher und Anwalt der Armen. Mit ihm ist eine einflussreiche Stimme für Frieden und Gerechtigkeit in Lateinamerika verstummt.“ „Völlig verstummt“ ist Cardenal, wie alle großen Poeten, sicher nicht; seine Werke, seine Bücher, stehen nach wie vor zur Lektüre auch auf Deutsch bereit.
Bedenklicher, wenn nicht gar zynisch, ist die Formulierung von Pater Heinz: „…verlieren wir“… Wer ist dieses „Wir“: Offenbar auch das katholische Hilfswerk Adveniat? Es ist wohl so, dass die heutigen Verantwortlichen von „Adveniat“ jetzt Ernesto Cardenal als einen der „ihren“ betrachten.
Aber bei so viel Vereinnahmung des Dichters, Priesters, Kulturministers und Befreiungstheologen durch „Adveniat“ heute wäre es dringend geboten gewesen: Zu erinnern, wie dieses Hilfswerk für Lateinamerika früher den Aufstand, die Revolution in Nikaragua gegen den Diktator Somoza bewertet hat. Vor allem, wie Adveniat“ dann mit seinem tatsächlich hoch umstrittenen „Studienkreis Kirche und Befreiung“ unter der Leitung des Adveniat-Chefs damals, Bischof Franz Hengsbach, Befreiungstheologen wie Ernsto Cardenal pauschal und dumm als „Kommunisten“ schlecht zu machen versuchte und mit allen Mitteln der Medien (auch dann mit Hilfe der Reagan-Regierung) verteufelte. Das ist alles bekannt und wissenschaftlich nachgewiesen und dokumentiert worden!
Man lese etwa in der Zeitschrift der Jesuiten „ORIENTIERUNG“ (Zürich) von Ende Dezember 1977 nach, LINK, wie es heftige, aber wirkungslose Proteste vonseiten prominenter Theologen in Deutschland gegen diese Verbindung von „Adveniat“ mit den reaktionären katholischen Kräften in Lateinamerika gab. Bischof Hengsbach, Adveniat-Chef, ließ es bekanntlich auch nicht nehmen, vom bolivianischen Diktator Banzer eine hohe Ehrung entgegen zu nehmen usw…
Es hätte anlässlich des Todes von Ernsto Cardenal den „Geschäftsführern“ und „Hauptgeschäftsführern“ von Adveniat gut getan, sich für diese mit viel Spenden-Geldern betriebene Campagne gegen die Befreiungstheologen – auch gegen Ernesto Cardenal – zu entschuldigen. Dass dem Priester Ernesto Cardenal 1985 die Ausübung des priesterlichen Amtes verboten wurde in einer gemeinsamen Aktion von Papst Johannes Paul II. mit dem erklärten Gegner der Befreiungstheologen Kardinal Joseph Ratzinger (Chef der Glaubenskongregation) ist bekannt. Priester, die in Polen das kommunistische Regime kritisierten, wurden auch finanziell kirchlich sehr deutlich unterstützt. Priester, die das Elend des armen Volkes in Nicaragua endlich beseitigen halfen, wie Ernsto Crdenal, wurden vom Vatikan bestraft, lächerlich gemacht und verunglimpft, isoliert.
Heute ist es allen katholischen Führern in Nicaragua peinlich, dass ausgerechnet der damals größte Feind Cardenals, Erzbischof Obando von Managua, den heutigen Diktator Daniel Ortega ins Präsidentenamt gehieft hat. Warum? Weil Daniel Ortega dem Kardinal im Falle seiner Wahl versprach, ein totales Verbot der Abtreibung in Nicaragua zu betreiben. Das tat dann Ortega auch als Präsident sofort. Nebenbei: Bekanntlich ist der absolute Schutz des ungeborenen Lebens vielen katholischen Führern bis heute absolut wichtiger als der Schutz des geborenen Lebens.
Dass sich Cardenal von dem einstigen revolutionären Führer und heutigen Diktator Ortega deutlich distanzierte, hat sich allgemein herumgesprochen.
im Peter Hammer Verlag, Wuppertal, sind viele Werke Cardenals noch zu “haben”. Dass Cardenal eng mit dem Mystiker Thomas MERTON verbunden war, kann hier nur erwähnt werden. LINK.
Kurzum: Etwaa mehr Selbstkritik hätte den Geschäftsführern von Adveniat jetzt gut getan, haben sie Angst vor Spenden-Einbußen?
Ein Lektüre-Tipp in dem Zusammenhang: “Wer tötete Erzbischof Romero? Klicken Sie hier.
PS.: Ich habe am 23. 11. 1975, S. 373, einen etwas längeren Beitrag über Ernesto Cardenal “Mönch – Dichter – Revolutionär” in der katholischen Wochenzeitung des Herder Verlages “Christ in der Gegenwart” veröffentlichen “können”, muss ich sagen, dank der eher “liberalen” Haltung des Chefredakteurs Manfred Plate.
Und dann noch am 25.2.1979 einen zweiten Beitrag “Den Stacheldraht zerschneiden”, ebenfalls in “Christ in der Gegenwart”, S. 65 f. Freiburg i.Br.
Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.