Für die Homoehe und die Adoption
Stellungnahme des katholischen Bischofs Jacques Gaillot, Paris
Von Christian Modehn
Der Religionsphilosophische Salon hat schon mehrfach auf den französischen Bischof Jacques Gaillot hingewiesen, auch auf Buchpublikationen, wie den – relativ – neuen Titel: “Die Freiheit wird euch wahr machen“, Reimund Meier Verlag 2010. Diese Aufmerksamkeit für Bischof Jacques Gaillot geschieht nicht nur aus theologischen Gründen, weil er als eine absolute Ausnahmegestalt unter katholischen Bischöfen ungeschützt und öffentlich (!) vernünftige und moderne Positionen vertritt. Vor allem auch, weil er im Rahmen unseres Interesses an Religionskritik deutlich macht, wie sich etwa die römische Kirche von der Last uralter, vernünftig nicht mehr nachvollziehbarer Lehren und Vorurteilen befreien könnte. Die Betonung liegt auf dem „Konditionalen“…
Bischof Jacques Gaillot, geboren am 11. 9. 1935, war von 1982 bis 1995 Bischof von Evreux in der Normandie. Dann wurde er auf Druck (ultra-) konservativer Kreise in Politik und Kirche vom Papst abgesetzt; er wurde mit dem Titel des imaginären Wüstenbistums Partenia ausgestattet. Seit 1995 lebt Bischof Jacques Gaillot in einem Zimmer des Hauses der Ordensleute „Väter vom Heiligen Geist“, auch „Spiritaner“ genannt, in Paris, 5. Arrondissement. Er ist immer noch aktiv, vor allem als Referent bei internationalen Konferenzen und als engagiertes Mitglied von Vereinen, die Obdachlose und Flüchtlinge („Les Sans-Papiers”) unterstützen.
Wir haben auf unserer website mehrfach darauf hingewiesen, dass Bischof Gaillot öffentlich und angstfrei als katholischer Bischof für den Respekt gegenüber homosexuellen Menschen eintritt. So hat er als Bischof von Evreux der damals viel gelesenen Schwulen Zeitung „gai pied“ im Jahr 1989 ein Interview gegeben und die völlige Gleichberechtigung der Schwulen und Lesben auch in der Kirche eingefordert. Neben vielen entsprechenden Äußerungen in seinen zahlreichen Büchern hat Bischof Gaillot auf seiner website www.partenia.org auf die Dringlichkeit des Welttages gegen die Homophobie hingewiesen: Er schrieb am 17. Mai 2009: „In mehr als 80 Ländern (oft in solchen, wo der Islam die offizielle Religion ist) geht die Repression gegen Homosexuelle weiter. Auf Homosexualität steht die Todesstrafe in Saudi Arabien, im Iran, in Mauretanien, Nigeria…In dieser Beziehung ist auch die abendländische Geschichte nicht minder niederschmetternd. Homosexuelle wurden als Sünder betrachtet, als Kranke, als Verbrecher. Während der Inquisition mussten sie einen hohen Tribut zahlen. Unter dem nationalsozialistischen Regime wurden Zehntausende von Homosexuellen deportiert. In der heutigen französischen Gesetzgebung bleibt vor allem noch die Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Eltern und die Nichtzulassung der Ehe unter Personen desselben Geschlechtes bestehen.
Der Kampf um Freiheit und Gleichheit wird noch lange dauern“.
Inzwischen hat Bischof Gaillot erneut eindeutig Stellung bezogen in dem „Kampf um Freiheit und Gleichheit“: Am 18. April 2013, also in der Zeit, als es in ganz Frankreich Massen – Proteste und Randale gegen die gesetztliche Einführung der Homoehe gab und katholische Kreise an vorderster Front für die ausschließliche Ehe von Heterosexuellen kämpften, genau in diesen Tagen erklärte Bischof Jacques Gaillot: „Die französische Gesellschaft bereitet sich darauf vor, mit der Annahme des Gesetzes über die Ehe von Homosexuellen eine Schwelle zu überschreiten. Wenn das der Fall wird (inzwischen ist es der „Fall“, CM), wird es ein Ereignis sein, das eine große Rolle spielt in der Geschichte unseres Landes, es handelt sich um einen beträchtlichen demokratischen Fortschritt, und der ist vergleichbar mit der Abschaffung der Todesstrafe im vergangenen Jahrhundert. Die Anerkennung der Ehe zwischen Personen des gleichen Geschlechts sowie auch ihr Recht, eine Familie mit Kindern zu gründen, wird immer mehr in Frankreich wie anderswo eine Realität. Man wird erleben: Diese Ehe, sooft diffamiert, lässt niemand (also die Heterosexuellen, CM) sein Recht verlieren; diese Ehe ist in keiner Weise eine Bedrohung für die so genannten normalen Familien; sie ist auch kein Rückschritt für die Gesellschaft und noch viel weniger stellt diese Ehe das Ende der Kultur und Zivilisation dar“.
Damit nimmt Bischof Gaillot Bezug auf die heftige verbale Unterstützung der oppositionellen, konservativen Kreise durch die katholischen Bischöfe Frankreichs. Gaillot ist wieder einmal der einzige katholische Bischof, der öffentlich den Mut hat, für die Sache der Vernunft und das ist die Sache des Respektes einzutreten. Angesichts der heftigen, von offizieller katholischer Seite sicher indirekt mit befeuerten Auseinandersetzungen, die zu Gewalttätigkeiten gegenüber Schwulen führten, erklärt Bischof Gaillot: „Aber man kann diese Entwicklung nicht mehr stoppen. Die Anerkennung der Homo – Ehe gehört fest zu einer mächtigen Bewegung der Moderne, die im Laufe der Jahre, die unantastbaren Rechte des Individuums und seiner Autonomie für wertvoll und wichtig erachtet. Das Individuum steht für uns im Mittelpunkt. Von daher auch die Bedeutung, die den Liebes – Beziehungen zwischen Individuen zuerkannt werden. Das Recht des Staates folgt endlich der Entwicklung unserer moralischen Vorstellungen. Die Liebe zwischen zwei Personen des gleichen Geschlechts ist ein fundamentales Menschenrecht!… Was die Adoption von Kindern angeht: Das neue Recht öffnet sicher einen Weg in die Zukunft. Denn die Adoption von Kindern ist eine freie Wahl, sie geschieht aus Liebe. Endlich kommen wir raus aus bloß biologischen Vorstellungen der Ehe… Wir alle sind von diesen positiven Entwicklungen betroffen. Besteht unsere Verantwortung (als Bischöfe) nicht darin, die Freiheit wieder zum Leben zu erwecken? Dies ist die Freiheit zu lieben“.
Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon.