Der Islam in Spanien heute. Ein aktueller Buchhinweis

Islam in Spanien heute: Ein neues Buch von Ignacio Cembrero

Hinweise von Christian Modehn. Siehe auch den Beitrag über die Mezquita, die “Moschee-Kathedrale” in Cordoba, klicken Sie hier.

Spanien: Das Land, in dem einige Jahrhunderte (von 711 bis 1492) Muslime, Christen und auch Juden halbwegs friedlich unter muslimischer Herrschaft zusammenlebten, bis die katholische „Rückeroberung“ definitiv erfolgreich war. Spanien: Das Land also mit etlichen Jahrzehnten durchaus auch multi-kultureller (und philosophischer !) Blüte unter islamischer Herrschaft („al andalus“). Das Land, das nur wenige Kilometer von der islamischen Welt (Marokko) entfernt ist; das Land, das zwei kleine Enklaven auf marokkanischem Boden besitzt, Melilla und Ceuta; Spanien, das Land, in dem es am 11. März 2004 („11-M“ als Symbol in Spanien) ein schreckliches islamistisches Attentat am Hauptbahnhof Atocha, Madrid, gab; das Land, in dem heute 2 Millionen Muslime leben (etwa 4 Prozent der Bevölkerung): Dieses nicht mehr nur katholische Land ist nicht nur von zunehmender Kirchendistanz und vom Atheismus geprägt, sondern eben auch vom Islam, diese Tatsache ist hierzulande relativ unbekannt. „Das Niveau der Islamophobie ist in der spanischen Gesellschaft eher schwach und die radikalen antiislamischen Parteien sind irrelevant“, sagt der Cembrero in seinem Buch, (S.18). Lediglich in Katalonien spielt die rechtsextreme Partei PxC („Plataforma per Catalunya“) eine gewisse Rolle auf lokaler Ebene (S. 97 und 99).

Allen, die Spanisch lesen können, empfehle ich das neue Buch des Journalisten und Islam-Spezialisten Ignacio Cembrero. „La Espana de Alà“, erschienen im April 2016 im Verlag „La esfera de los libros“, Madrid, 389 Seiten, 21,90 Euro. Ignacio Cembrero ist Journalist, hat in Paris Politikwissenschaften studiert, für „El Pais“ und „El Mundo“ gearbeitet, er wurde für seine Studien und Veröffentlichungen mehrfach ausgezeichnet.

Aus der Fülle der Informationen, die dieses im Reportage-Recherche-Stil geschriebene Buch enthält, nur einige Hinweise: Bei einer Pressekonferenz am 24. April 2016 hat Ignacio Cembrero festgestellt: „Die Ankunft von Immigranten (aus der islamischen Welt) ist eher eine Chance als eine Bedrohung für Spanien. Sie bringt Dynamik ins Land und ist eine Art Anregung für das Land, das sie aufnimmt, aber ein Verlust für die Länder, aus denen die Immigranten kommen“. „Sie sind bei uns willkommen nicht aus altruistischen Gründen, sondern weil wir sie brauchen“, sagt Cembrero im Vorwort seines Buches (S. 17). Die islamische Bevölkerung in Spanien ist zahlenmäßig viel schwächer als in anderen europäischen Ländern, und auch die Anzahl der Konflikte mit dieser Bevölkerung ist im ganzen gesehen geringer als etwa in Frankreich oder Belgien, so der Autor. Den höchsten Anteil an islamischen Bürgern Spaniens haben die Enklaven Ceuta und Melilla.

Zum ersten Mal wird aber auch eine bislang geheim gehaltene Karte veröffentlicht, die das Innenministerium erarbeitet hat. Diese Karte dokumentiert die Regionen, in denen es Konflikte mit islamischen Bevölkerung gibt, da steht Barcelona und Katalonien an der Spitze.

Wenn es nun eine gewisse Radikalisierung der jungen islamischen Bevölkerung gibt: Dann sieht der Autor die Gründe in der Schwierigkeit, eine Identität zu finden: Diese jungen Leute fühlen sich weder als Spanier noch als Algerier oder Marokkaner. Was ihnen eine eigene, von anderen abgegrenzte Identität gibt, ist die muslimische Religion. Dabei ist der – auch finanzielle – Einfluss islamischer Staaten auf das religiöse Leben der Muslime in Spanien beachtlich, wobei die verschiedenen theologischen Schulen miteinander konkurrieren. 20.000 SpanierInnen (christlicher Herkunft) gelten als Konvertiten zum Islam. „Früher wären diese Leute bei der politischen Linken gelandet, aber heute sind es junge Menschen mit einem Leben ohne bestimmte Strukturen, die nun die islamische Religion förmlich umarmen (einige in der radikalen Form), um auf diese Weise die Globalisierung zu bekämpfen….“

Langsam stellt sich Spanien auch in seinen Hotels und Restaurants auf die muslimische Bevölkerung und die muslimischen Touristen ein (immerhin ca. 2,6Milionen jährlich, S: 329); so gibt es etwa zwei HALAL Hotels (S. 320) und Imbisse (Burger King), die die Halal- Gesetze respektieren. (S.25).

Interessant sind auch die Hinweise, die der Autor zu Melilla und Ceuta bietet, dort sind mehr als die Hälfte der Bürger (also Spanier) islamischen Glaubens. Das Zusammenleben dort ist im ganzen von Respekt und Toleranz geprägt. Muslime haben dort ihre eigenen Parteien (S. 296), und bilden die zweitstärkste politische Kraft (als Opposition) noch vor den Sozialisten PSOE ( S. 296). Die (auch ökonomische) Zusammenarbeit mit Marokko ist alles andere als zufriedenstellend; die Abwehr von Flüchtlingen durch den monströsen Grenzzaun bekannt. „Die Wirtschaftsleistung in beiden Enklaven geht immer mehr zugrunde“ (S. 316). „Aber es werden von spanischer Seite keine hilfreichen Verhandlungen mit der EU geführt“, meint der Autor, um die Zukunft der Enklaven auch wirtschaftlich zu retten. „Die beiden Enklaven werden eines Tages ganz von der muslimischen Bevölkerung bestimmt sein, aber die beiden Städte könnten dann schon (wirtschaftlich) ruiniert sein“ (ebd.).

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin

 

 

 

Muslime dürfen in der Moschee-Kathedrale von Cordoba nicht beten

Eine Moschee als eine Kathedrale: In der Mezquita von Cordoba dürfen nur Christen beten.

Ein Hinweis von Christian Modehn. Siehe auch den Hinweis zum Islam in Spanien heute. Klicken Sie hier.

Nur zweimal haben im vergangenen Jahrhundert Katholiken und Muslime gemeinsam in der „Mezquita-Catedral“, der „Moschee-Kathedrale“, in Cordoba gebetet: Am Freitag, den 13. September 1974, geschah das kleine Wunder: Zum ersten Mal seit 1236 konnten Muslime wieder in der prachtvollen Moschee beten. Im Jahr 1236 hatte König Ferdinand III. die kirchliche Übermacht über die Moschee errungen, auch deswegen wurde er im Jahr 1671 heilig gesprochen, seitdem durfte Allah in der einstigen Moschee nicht mehr angerufen werden. Ferdinand wird immer mit einem Schwert ausgestattet als Drachentöter (der Muslime) dargestellt.

Im Herbst 1974 fand jedenfalls ein erster „Islamisch-christlicher Kongress“ in Cordoba statt, unter den Teilnehmern waren Theologen und Politiker „von beiden Seiten des Mittelmeeres“. Der damalige Bischof von Cordoba, José Maria Cirard Lachiondo, (1917- 2008), hatte den muslimischen Teilnehmern das Gebet in dem Gebäude gestattet, das eben seit 1236 fest unter katholischer Leitung und Herrschaft steht. Um 800 wurde die Moschee errichtet. „1974 wurde aber wieder gemeinsam zum gemeinsamen Gott gebetet“, schrieb damals die bekannte Zeitung ABC (Madrid): Man befinde sich auf einem gemeinsamen Weg, dem Weg des Glaubens an Gott“ schrieb der Schriftsteller José Antonio Carro Celada.

Am 24. März 1977 gab einen zweiten islamisch-katholischen Kongress in Cordoba. Die Christen seien bewegt gewesen vom Gebet der Muslims, berichtete Bischof Cirard Lachiondo, und das Echo in der muslimischen Welt auf diese Tagung und die gemeinsamen Gebete war außerordentlich. „Die Muslime haben voller Respekt und in der Gesinnung des Gebets auch die christliche Liturgie begleitet, in der das Evangelium verkündet wurde“. Am 14. September 1977 feierte der Bischof auch eine Messe, an der die Muslims teilnahmen: „Sie und wir beten denselben Gott an“, sagte der Erzbischof.

„Aber dies war nur die Blume eines einzigen Tages“, bemerkt in poetischer Form, aber voller Bitterkeit, der Journalist Ignacio Cembrero. Das heißt: Heute sind die Katholiken wieder die alleinigen Herren eines Gebäudes, das als Moschee erbaut wurde und nach außen hin als Moschee erscheint mit einer in die Mitte hinein gepflanzten Kirche, Seitenaltäre voller Heiligenbilder wurden in die Moschee eingefügt. Jetzt ziert auch ein kitschiges Gemälde der (im Herbst 2016) dann offiziell heiligen Mutter Teresa, der großen Nächsten-Liebenden, den katholischen Raum. Das Gebäude wird in offiziellen katholischen Publikationen seit Jahren nur noch „catedral“ genannt.

Der Journalist Ignacio Cembrero hat vor einigen Tagen eine große Reportage vorgelegt über den Islam in Spanien, „La Espana de Alà“ ist der Titel seiner Studie, sie umfasst 389 Seiten und ist im Verlag „la esfera de los libros“ in Madrid erschienen, das Buch kostet 21,90 EURO. Über die kurze Zeit eines Miteinanders von Katholiken und Muslims im gemeinsamen religiösen Gebrauch der Mezquita-Moschee von Cordoba wird auf den Seiten 332 ff. berichtet. Nicht erwähnt wird, dass der dialogfreundliche Erzbischof von Cordoba bereits 1978 diese Stadt verlassen hat und ins urkatholische, vom Opus Dei beherrschte Pamplona, Navarra, versetzt wurde. Erwähnt wird hingegen, dass im Jahr 2006 die Mesquita-Catedral als Eigentum der Kirche offiziell eingetragen wurde, das Haus heißt jetzt offiziell: „Santa Iglesa Catedral de Cordoba“. Inzwischen wurde eine Basis Organisation gegründet, die an das „patrimonio de todos“, das Erbstück von allen, erinnert: Im Sinne der UNESCO-Erklärung ist diese Mezquita-catedral ein Weltkulturerbe (seit 1984), ist also interkulturell und interreligiös zu verstehen. Bischof Juan Antonio Asenjo wehrte sich gegen die Umwandlung der Kathedrale in ein interreligiöses Gotteshaus. Er glaubte darauf verweisen zu können, dass die Moschee über den Fundamenten von einer einst christlichen, westgotischen Kirche errichtet wurde. Deswegen könne jetzt nicht wieder eine aktive Moschee dort etabliert werden. Die einstige Moschee soll also wie ein Museum bleiben. Der Islam ist vorbei, heißt so das offizielle katholische Wunschdenken?

Der heutige Bischof von Cordoba (Demetrio Fernandez Gonzalez) betont, so zitiert Ignacio Cembrero: “Ein  gemeinsames Gebet von Muslims und Christen ist nicht möglich“ (Seite 337). Der Bischof meint im Blick auf das 2. Vatikanische Reformkonzil (1962-65), dass darin die Katholiken aufgefordert nur allgemein aufgefordert werden, Muslims zu respektieren. Der Journalist Ignacio Cembrero schreibt auf Seite 334:“ Los guardias de seguridad no les permiten rezar y a vezes se lo impiden por la fuerza“: „Das Wachpersonal erlaubt den Muslims nicht zu beten und manchmal verhindern sie das Gebet mit Gewalt“.

So also sieht der auch von offizieller römischer Seite so viel beschworene Dialog zwischen Katholiken und Muslimen aus in dem muslimisch-katholischen Gebäude, der mezquita-catedral zu Cordoba, Andalusien, Spanien.

Eine wichtige Beobachtung: Der Flyer, die der Besucher der Mezquita-Kathedrale beim Kauf einer Eintrittskarte in allen möglichen Sprachen erhält, spricht eine deutliche Sprache: Es wird eindringlich darauf verwiesen, dass die Muslime im 8.Jahrhundert die ursprüngliche Kathedrale San Vicente “zerstörten”, “um eine Moschee zu bauen”. Es wird auch daran erinnert, dass während der Bauphase unter Alhakén II. byzantinische, also christliche Künstler und Architekten, das Bauwerk gestalteten. Es gab also einmal eine islamisch-christliche gemeinsame künstlerische Arbeit! Aber dann glaubte der heilige König Ferdinand III. nach der Eroberung (der Flyer spricht von “Wiedergewinnung”) die Moschee nur dadurch in “Besitz zu nehmen”, dass er die Moschee einer, so wörtlich, “Purifikation”, also einer Reinigung, unterzog, also das Gebäude vom Geist der Muslime befreite, säuberte: “Jeder Stein wurde Christus geweiht”, heißt es in dem offiziellen kirchlichen Flyer. Schließlich wird behauptet: Der Besuch der Kathedrale (der Flyer spricht auf die Gegenwart bezogen immer nur von Kathedrale, nicht von Mezquita!) sei, so wörtlich, ein “Mittel gegen den Pessimismus”, warum eigentlich? Schließlich soll die “Nostalgie nach Gott” geweckt werden, dem christlichen Gott, natürlich. Die langatmigen Hinweise auf diese “Mutterkirche des Bistums Cordoba”, auf das Domkapitel, den “Lehrsitz des Bischofs” dort, zeugen von einer strengen klerikalen Mentalität der Kirchenführung dort. “Wir Kleriker sind die Herren des Gebäudes”, das ist die Botschaft!

Das neu erschienene Buch “La Espana de Alà” bietet einen weiteren interessanten Hinweis zur Bedeutung von “al andalus” in der islamistischen, terroristischen Szene. Als Elitesoldaten  der USA im Mai 2011 das Versteck von Osama bin Laden attackierten, “entdeckten die Militärs unter seinen 39 Büchern auch ein Buch über das muslimische Spanien, Christianity and Islam in Spain von Charles Reginald Haines”, so Cembrero. “Bin Laden hat es wohl gefallen, dass von 756 bis 1031 in Cordoba ein unabhängiges Kalifat etablierte”.  Und für Bin Laden war es die große Katastrophe, dass  dieses Kalifat in Spanien scheiterte. “Die Vertreibung der Muslime aus Spanien war für ihn die Katastrophe, die sich niemals an anderen Orten (etwa Palästina) wiederholen darf” (S. 320). Die Videos, die für den terroristischen Einsatz für al quaida werben, haben denn auch den bezeichenden Titel “al andalus”. (S. 321). Auch der IS spricht in ähnlicher Weise von einer ersehnten Wiederkehr des “al andalus”, in einer Videobotschaft vom Mai 2015 wurde von Raqqah aus die Rückeroberung von al andalus angekündigt (S. 321).

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.