In Berlin wird ein Exil-Museum entstehen – ein Vorschlag zur Vielfalt der Themen.
Ein Hinweis von Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.
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In Berlin wird ein „Exilmuseum“ entstehen, auf dem Gelände des ehemaligen Anhalter – Bahnhofs in Mitte: Im Vordergrund die gepflegte Ruine eines Entrées in den Bahnhof, dahinter soll dann das große neue Museums-Gebäude dominieren.
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Vom 8. September bis zum 9. Oktober 2023 finden in Berlin die „Tage des Exils“ statt, mit einem umfangreichen, vielfältigen Programm. Das Programm ist mit seinen 50 Veranstaltungen auf das künftige Museum bezogen. LINK.
Für den Religionsphilosophischen Salon Berlin LINK. ein Anlass, an die Vielfalt im Verstehen von Exil zu erinnern. Schließlich fordern die Veranstalter selbst auf, dass sich „Interessierte einbringen“ (S. 13 des Programmheftes). (Über die Veranstaltungen siehe LINK)
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Exil ist als Erfahrung des Verbanntseins, als Entwurzelung aus der bekannten „heimatlichen“ Welt, alles andere als nur auf Vergangenheit bezogen. Wie viele Menschen allein in Berlin sind heute Exilierte? Ein aktuelles Museum der Gegenwart also könnte wohl entstehen.
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Ins Exil wurden und werden einzelne, auch Familien, getrieben: Sie verlassen fluchtartig ihr Land, aus Angst vor den Repressalien der faschistischen oder kommunistischen oder fundamentalistischen religiösen Machthaber.
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So sehr die Erfahrung des Exils im 20. Jahrhundert im Mittelpunkt des künftigen Museum steht und damit auch der Zwang ins Exil durch die Nazis… Es sollte darüberhinaus nicht vergessen werden:
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Exil ist ein Thema und mehr als ein bloßer Begriff der Religionsgeschichte. Dazu nur kurze Hinweise, sie sind als Inspirationen gemeint für ein künftiges umfassendes Museum des Exils in Berlin.
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Man denke etwa an das Judentums, das in den Texten der hebräischen Bibel, des „Alten Testaments“, häufig von EXIL spricht. Besonders im Zusammenhang des „Babylonischen Exils“ (597-539). Das Besondere: im Exil in Babylon hat das gläubige Volk Israel nicht seinen Glauben aufgegeben, unter dem Perserkönig Kyros II. kehrten einige Israelis nach Jerusalem zurück, andere blieben in Babylon und schufen dort kreativ den (babylonischen) Talmud.
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In der Geschichte der Kirchen gibt es Erfahrungen des Exils seit Anbeginn, als Verfolgtwerden und Vertriebenwerden einzelner Christen oder Gruppen. Sie waren dem sich orthodox nennenden Herrscher – Klerus zu eigensinnig in ihrer Interpretation des Glaubens. Konfessionsgeschichte ist immer auch Exils-Geschichte, das muss man deutlich sagen und dann auch darstellen:
Nur einige wenige Beispiele von Exils-Erfahrungen.
Mitglieder der protestantischen Kirche der Waldenser.
Mitglieder der protestantischen Kirchen Böhmens.
Mitglieder der protestantischen Kirche Frankreichs.
Mitglieder Remonstranten – Kirche Hollands.
Mitglieder der Russisch-orthodoxen Kirche etwa ab 1917.
Mitglieder katholischen Kirche Chiles, Argentiniens, Brasiliens, die als „Links-Katholiken“ („Christen für den Sozialismus“, „Befreiungstheologen) aus ihren Ländern ins Exil getrieben wurden (nach Spanien, Frankreich, Costa Rica…)
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Exil als Erfahrung von Philosophen: Dies ist ein Thema, das gegenüber den Exils – Erfahrungen von Literaten und Schriftstellern eher unterbelichtet ist. Nur einige Hinweise: Descartes lebte im Exil Hollands, Pierre Bayle ebenso, Hannah Arendt in den USA, von Walter Benjamin wäre zu sprechen, von Theodor Lessing … Karl Jaspers suchte Zuflucht in der Schweiz…
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Ein schwieriges, aber dringendes Thema:
Das innere Exil, die „innere Emigration“, als politisch-soziales Geschehen, dem Abweichler ausgesetzt werden: Sie werden von den ideologisch-christlichen Machthabern heute zwar nicht mehr verbrannt, aber sie wandern aus den religiösen Institutionen von selbst aus, um geistig, theologisch und vor allem menschlich zu überleben. Die „inneren Emigranten“ oder „inneren Exilanten“ bleiben oft pro forma in den von ihnen innerlich, vom Gewissen her, verachteten Institutionen oder sie steigen aus und gründen ganz neue Orte des religiösen Lebens. Ich denke, der katholische Theologe Leonardo Boff (Brasilien) hat nach den Auseinandersetzungen mit der römisch-katholischen Institution den Weg der inneren Emigration gesucht, er hat dann das katholische Ordensleben aufgegeben und neue Zentren einer ökologischen Befreiungstheologie geschaffen. Auch der Priester und Poet Ernesto Cardenal (Nicaragua) ist ein „Exilant“ der katholischen Kirche oder der Priester, Theologe und Poet Herman Verbeek (Niederlande). Oder auch der französische Priester und Theologe Joseph Turmel...Bekannt ist auch Pfarrer Jean Meslier (1664-1729), der als Atheist weiterhin seinen Dienst als katholischer Priester leisteste … aus Angst vor Verfolgung veröffentlichte er nicht seine persönliche theologische bzw. atheistische Überzeugung. LINK…. Dies sind nur einige Namen des wichtigen Themas der inneren Emigration, des freiwillig gewählten „inneren Exils“. Dieses innere Exil kann eine sehr fruchtbare und schöpferische Lebensphase sein. Darauf weist Jan Assmann hin in einem Interview mit der Philosophie – Zeitschrift „Hohe Luft“ (Hamburg) Heft 4/2022, S. 55f. im Blick auf Karl Jaspers.
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Konvertiten sind dann eine ganz besondere Kategorie der Exilierten, sie haben als Vertriebene eine neue „geistliche Heimat gefunden“ und sollten die Chance haben, diesen „neue geistlichen Ort “ mit ihren Erfahrungen zu verbessern.
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Über die ins geistige Exil getriebenen Intellektuellen im Islam und Judentum wäre zu sprechen, damals … und heute.
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Erstaunlich bleibt, dass die Kirchen in Berlin (etwa auch die entsprechenden Akademien) im Programm der „Tage des Exils“ nicht erwähnt werden, also wohl kein Interesse am Thema haben? Dabei wäre doch interessant die Frage: Sind die vielen tausend Christen, die seit Jahren schon aus den Kirchen austreten, eigentlich auch Menschen, die in ein geistliches Exil „auswandern“, also in ein selbstgewähltes Exil? Welches Profil hat dann dieses Exil? Diese Frage könnte man doch theologisch, philosophisch und soziologisch bearbeiten…
Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin