Wer aus der katholischen Kirche austritt… Achtung, der wird nicht gerettet!

Ein Hinweis von Christian Modehn am 30.1.2022.

1.

Sehr viele tausend Katholiken treten seit Jahren und jetzt, 2021/2022, immer mehr, aus der katholischen Kirche aus. Die Zahlen sind bekannt, nur 2 Beispiele: Im Jahr 2020 sind 221.390  Katholiken in Deutschland aus der katholischen Kirche ausgetreten; 2019 waren es 272.770.

Unser Thema ließe sich natürlich auch auf evangelische und orthodoxe Kirchen beziehen, hier aber bleiben wir bei der Focussierung auf die römisch-katholische Kirche.

2.

Der „Religionsphilosophische Salon Berlin“ erinnert daran, dass in der offiziellen Lehre des 2. Vatikanischen Reformkonzils (1962-1965), man beachte: REFORM-Konzil, diese Sätze zu lesen sind: „Diese pilgernde Kirche (also die jetzige römisch-katholische Kirche) ist zum Heile notwendig…Darum können jene Menschen nicht gerettet werden, die um die katholische Kirche und ihre von Gott durch Christus gestiftete Heilsnotwendigkeit wissen, in die sie aber nicht eintreten ODER IN IHR NICHT AUSHARREN WOLLEN“. Lassen wir den zuerst genannten Aspekt beiseite, dass es offenbar Menschen gibt, die die Heilsnotwendigkeit dieser Kirche zwar kennen, aber aus bösem Willen (?) nicht Kirchenmitglied werden wollen. Hier geht es um Aktuelleres:

3.

Denn wer in der katholischen Kirche nicht AUSHARRT, „kann nicht gerettet werden“. Das steht in dem zentralen Konzilsdokument „Dogmatische Konstitution über die Kirche“, am 21.11. 1964 feierlich im Vatikan verkündet. Diese dogmatische Konstitution hat den Titel „Lumen Gentium“, „Licht der Völker“, gemeint ist Christus als das Licht der Völker. Die Kirche aber behauptet dann in den folgenden Sätzen stolz, dass „Christi Herrlichkeit auf dem Antlitz der Kirche widerscheint“ (so gleich am Anfang dieser dogmatischen Konstitution, im §1). Diesen “Widerschein” der Herrlichkeit Christi” in der Kirche kann jeder überprüfen angesichts des sexuellen Missbrauchs durch Kleriker und des Umgangs der Kleriker mit den Opfern heute. Aber das ist ein anderes Thema. Hier geht es um die Tatsache, dass Katholiken, die aus der Kirche austreten, NICHT GERETTET werden. Klassisch formuliert: Nicht in den Himmel kommen.

4.

Das muss man erst mal realisieren: Diese also von der Herrlichkeit Christi umstrahlte Kirche lässt es sich nicht nehmen, noch im Jahr 1965 hoch offiziell zu lehren, dass bestimmte Menschen nicht gerettet werden: Nämlich die Menschen, die diese Kirche verlassen, in der Konzilssprache: „nicht ausharren“. Das steht im § 14! Das Wort „ausharren“ ist vom Konzil treffend gewählt: Ausharren ist eine Haltung eher Leidender, Unterdrückter, Unzufriedener, die alle Zähne zusammenbeißen und „ausharren“. Sollen das die Kirchenmitglieder sein? Wahrscheinlich, es geht bei den verbliebenen Mitgliedern nur noch ums Ausharren…Und Warten auf bessere Zeiten, bessere Kirchen.

Und um diese unfreundliche Theologie des 20. Jahrhunderts noch einmal zu unterstreichen, heißt es ein paar Zeilen weiter im Konzilstext: „Nicht gerettet wird aber, wer, obwohl der Kirche eingegliedert, in der Liebe nicht verharrt und im Schoße der Kirche zwar dem Leibe nach, aber nicht dem Herzen nach verbleibt.“  Plötzlich wird die Mitgliedschaft in der römischen Kirche als Beziehung der Liebe beschrieben. Für uns wichtig: Nun sind also auch noch jene vom ewigen Heil ausgeschlossen, die zwar noch Kirchensteuern zahlen (etwa in Deutschland), also dem „Leibe nach“ katholisch sind, ohne aber vollumfänglich, also „dem Herzen nach“, der Kirche anzugehören, jedenfalls in der Sicht des Klerus. Die voller Liebe dem Papst und den Bischöfen gehorsam liebend, dem Herzen nach,  verbunden sind, nur die werden gerettet. Man möxchte sagen: Wer als Kirchensteuerzahler nur Heiligabend die Messe besucht, gehört nur dem “Leibe nach” der Kirche, hat also wenig Chancen auf ewige Rettung.

Und man ist erstaunt, dass diese Zurückweisung von Erlösung und “Rettung”  in einem anderen, zentralen Text des 2. Vatikanischen Konzils noch einmal wiederholt wird: Naheliegend in dem “Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche”, am 7. Dez 1965 im Petersdom  feierlich verkündet. Dort ist in §7 nicht nur von der “Notwendigkeit der Kirche” die Rede, sondern abermals von denen, die aus der Kirche austreten, die Konzils”väter”, mehr als 2000 Bischöfe sprechen nicht austreten, sondern von “nicht ausharren”. Wer nicht ausharrt, wird also “nicht gerettet”.

5.

Extra ecclesiam nulla salus“, also „Außerhalb der (katholischen) Kirche kein Heil, keine Erlösung“: Dieser bekannte Spruch des Kirchenvaters Cyprian von Karthago (200-258) wird 1965 von allen Konzils“vätern“, also den Bischöfen und dem Papst, erneut gelehrt. Dieser Spruch wurde schon vom Konzil von Florenz (1438-1445) als Dogma gelehrt…Dieses Dogma wurde also von den mehr als 2000 versammelten Bischöfen des 2. Vatikanischen Konzils einmal mehr „aufgewärmt“…Denn dies ist der bekannte Wahn der römischen Kirche: Was irgendwann einmal, in Vorzeiten, unter bestimmten kulturellen Bedingungen,  als Dogma formuliert wurde, ist auf ewig Dogma. Wandel, Veränderung, Lebendigkeit sind nicht Sache dieser Kirche. Das Ganze ist etwas Totes, siehe Erich Fromms Analysen.

6.

Es ist schon merkwürdig, dass in allen Debatten über Kirchenaustritte von bischöflicher Seite heute diese Lehre des Konzils verschwiegen wird. Die Bischöfe schämen sich hoffentlich ein bißchen, solches noch 1965 hoch offiziell gesagt und verbindlich gelehrt zu haben. Oder aber die Bischöfe wissen: Wenn wir an diese dogmatische Lehre des Konzils heute erinnern und sie auch lehren, dann treten noch mehr KatholikInnen aus der Kirche aus. Was ja durchaus wahrscheinlich wäre. So wird also von den Bischöfen um des Erhaltes des großen Geldes aus Kirchensteuern willen die reine „Wahrheit“ des Konzils diplomatisch-ökonomisch verschwiegen. Geld ist eben auch für Bischöfe dann doch wichtiger als das alte Dogma.

7.

Würde es die vielen tausend „Ausgetretenen“  stören, wenn sie nach offizieller Kirchenlehre also „nicht gerettet“, d.h.himmlisch, göttlich,  verdammt sind? Ich vermute, der Gedanke daran würde die „Ausgetretenen“ nicht stören, weil sie über die Kleingeisterei der Kirchenführung und des Konzils längst erhaben sind.

8.

Vielleicht sind die „Ausgetretenen“ sogar die besseren TheologInnen, weil sie wissen: Gott, wenn er sich dafür überhaupt interessiert,  ist unendlich größer als diese Kirchen-Organisation des Klerus, der mit seinen anmaßenden Verureteilungen nur seine Allmacht erhalten will. Aber diese Allmacht geht zu Ende.

9.

Diese Herren haben sich in ihrem Dogmen-Wahn über Gott gestellt. Sie haben vorgegeben, genauso viel wie Gott zu wissen, was die ewige Rettung und Verdammnis der Menschen angeht. Was für eine Schande diese Anmaßung. Klassisch – theologisch formuliert: Was für eine Irrlehre.

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

 

 

 

 

Kirchenmitglied sein – ohne Kirchensteuer zu zahlen

Die Kirchen in Deutschland müssen sich neu erfinden
Ein Vorschlag von Christian Modehn

1.
Noch länger sollten die Kirchen die immer höher werdenden Austrittszahlen nicht ignorieren oder nur mutlos kommentieren in immer denselben üblichen Floskeln. Radikale Reformen, die ein Überleben und vielleicht wieder lebendiges Leben der Kirchen sichern könnten, sind notwendig. Ob diese Reformationen (also nicht bloß oberflächliche „Reformen“ oder „Reförmchen“) getan werden, ist bei der Behäbigkeit der Kirchenbürokraten unwahrscheinlich. Dennoch kann ja noch einmal von den Reformationen gesprochen werden. Sozusagen als Übungen derer, die sich dem heiligen Sisyphus verpflichtet wissen.
2.
Es könnte ja sein, dass die Kirchen als Orte der Kommunikation und einer vernünftigen, reflektierten christlichen Spiritualität weiter bestehen wollen: Dann gibt es nur eine Chance, dies wurde schon hundertmal von Theologen und Soziologen gesagt, dann gibt es nur eine Chance: Ein radikaler Wandel nicht nur der Strukturen, sondern auch der klerikalen Mentalitäten und vor allem: Eine Entrümpelung der Kirchenlehre, also der Dogmatik und der Ethik, und damit eng verbunden: Eine heutige, nachvollziehbare Sprache, auch in Gottesdiensten ist die Konsequenz. „Der Herr sei mit euch“ als Grußwort in Gottesdiensten versteht heute nur noch ein gebildeter Theologe oder Historiker. „Welcher Herr denn“, fragte mich kürzlich ein Freund, „soll denn mit mir sein?“ Mit anderen Worten: Die Kirchensprache sollte nicht länger esoterisch sein bzw. mit einer frühmittelalterlichen Sprachwelt verbunden bleiben.
3.
Die Zahlen, eine Erinnerung:
Immer mehr Christen in Deutschland geben ihre Kirchenmitgliedschaft auf: Im Jahr 2019 sind mehr als eine halbe Million Mitglieder der evangelischen und katholischen Kirche aus den Kirchen ausgetreten. Sie sind in die Amtsstuben staatlicher Behörden gegangen und haben dort in einem gar nicht spirituellen, sondern sehr nüchternen, wenn nicht banalen Akt gegen eine Gebühr ihren Kirchenaustritt erklärt. Basta. Kirchenaustritt und Aufkündigung, die Kirchensteuer zu bezahlen, sind bekanntlich identisch. Und keine Kirchengemeinde oder gar ein Bischof interessiert sich für den „Ausgetretenen“, kein Kleriker fragt nach. Ist ja auch egal, noch geht es den Kirchen (materiell) sehr gut… Und eine Nachfrage, ein Interesse, wäre bei der hohen Anzahl der Ausgetretenen auch zu viel verlangt?
4.
Mehr als eine halbe Million Kirchenmitglieder allein im Jahr 2019 weniger: Wenn dieser Trend anhält, und alles spricht dafür, werden in 10 Jahren die Kirchen mindestens 5 Millionen Mitglieder durch Austritt verloren haben, ganz abgesehen von den „Sterbefällen“ der ohnehin älteren Mitglieder. Natürlich werden einige Beobachter zurecht froh sein, wenn die bestens ausgestatteten Kirchen in Deutschland mit ihren prächtig bezahlten Bischöfen (z.B.: Monatsgehalt von Kardinal Marx, München: 11.500 Euro) dann auf Macht, Privilegien und Einfluss wohl verzichten müssen. Das wäre theologisch gesehen auch eine gute Entwicklung, wenn die Kirchen sich wieder etwas dem Vorbild, dem armen Jesus von Nazareth annähern, den auch die Bischöfe bekanntlich als „Kirchengründer“ verehren.
Andererseits gibt es auch einige Soziologen und Theologen, die den allgemeinen und prinzipiellen menschlichen Wert von Kirchen-Gemeinden als Orten des Zusammenseins unterschiedlicher Menschen hoch einschätzen. Und den Zusammenbruch solcher kommunikativen Orte (schon heute) sehr bedauern. Dass Kirchengemeinden auch Räume einer kritischen, reflektierten Spiritualität sein sollten, ist für mich selbstverständlich, aber eben einer kritisch – reflektierten christlichen Spiritualität, jeglicher christliche Fundamentalismus, jegliches charismatisch-naive Verhalten ist für mich ausgeschlossen.
5.
Der zentrale Vorschlag: „Du brauchst keine Kirchensteuer mehr bezahlen und trotzdem Mitglied der Kirche bleiben!“
Also: Jeder und jede kann Kirchenmitglied bleiben, auch wenn sie keine Kirchensteuern mehr zahlen wollen. Und die Kirchen und ihre Gemeinden freuen sich darüber. Weil ihnen das Dabeisein spirituell interessierter Menschen wichtiger ist als die Tatsache, dass diese als Christen auch die staatlich eingezogene Kirchensteuer bezahlen. Auf den Geist, die Gemeinschaft, kommt es dann den Kirchen an, nicht aufs Geld. Welch ein Kontrastprogramm inmitten der kapitalistischen Gier. Die Gemeinden und Kirchenleitungen freuen sich also über diese endlich vollzogene Entkoppelung von Kirchenmitgliedschaft und Kirchensteuer, weil sie eben wirklich gern finanziell ärmer ausgestattet sind, aber menschlich und spirituell eine große Weite und Großzügigkeit leben.
6.
Es muss also jetzt in dieser Zeit eines beginnenden Untergangs der so genannten Volkskirchen die Möglichkeit gegeben werden, eine Variante zur bisherigen absoluten Verklammerung von Mitgliedschaft und Kirchensteuer-Zahlung zu realisieren. Und zwar sehr schnell, alsbald, weil es sich ja in der Sicht der Kirchenleute selbst um die Einschränkung einer „Katastrophe“ handelt. Davon sprach etwa Gabriele Höfling am 19.7.2019 auf der (offiziell katholischen) website katholisch.de bezogen auf die Ergebnisse Austritte im Jahr 2018. Verwendet wurde neben „Katastrophe“ treffend auch die Qualifizierung „Desaster“.
7.
Es wäre dann im Laufe der Zeit zu prüfen, ob diese Möglichkeit einer alternativen Kirchenmitgliedschaft (ohne Kirchensteuerzahlung !) von den „Austrittswilligen“ angenommen und entwickelt wird. Es muss damit gerechnet werden, dass sogar viele, die nicht an einen Kirchenaustritt direkt dachten, dann doch diese Variante „Kirchenmitglied ohne Kirchensteuer-Zahlung“ bevorzugen. Wäre das schlimm? Spirituell gesehen auf keinen Fall!
7.
Mit diesem „alternativen Modell“ der Kirchenmitgliedschaft wird sich selbstverständlich ein Umbau der Strukturen der Kirchen wie von selbst vollziehen müssen: Die Gehälter der Pfarrer werden sinken, die großen Apartments und Dienstwohnungen der Bischöfe, Kirchenräte, Ordinariatsräte usw. werden aufgegeben müssen zugunsten kleinerer billigerer Wohnungen. Die alten schönen Behausungen, Paläste, werden teuer vermietet. Es wird also ein ganz anderes Finanzierungs-System der deutschen Kirchen realisiert. Das finanzielle Niveau der Kirchen in Deutschland wird sich etwas dem Niveau anderer europäischer Kirchen anpassen. In Frankreich erhält ein Bischof ein Monatsgehalt von 1.300 Euro. Europäische Kirchensolidarität könnte so real werden.
8.
Noch wichtiger: Die Gemeinden, nun freiwillig etwas verarmt, bieten nun, im Geiste aber erneuert, reformiert, viel Raum für Initiativen verschiedener Art, spirituell, sozial, politisch usw. Wenn es so ist, dass viele der „Ausgetretenen“ auch mit den dogmatischen Lehren und ethischen Weisungen der Kirchenführung nicht einverstanden waren, dann wird man als Gemeinde und Kirche dies respektieren und sie einladen, wo sie nun in der Kirche bleiben wollen, dass sie ihre eigenen Ideen gestalten und durchsetzen. So kann gemeinsam auch eine reformierte, „verschlankte“, auf das Wesentliche begrenzte Theologie und Dogmatik entwickelt werden.
9.
Keine Gräben ziehen zwischen Glaubenden und Atheisten
Dies scheint mir dringend zu sein, dass die Christen endlich aufhören, sich gegenüber den so genannten Atheisten, Skeptikern, Humanisten, „Ausgetretenen“ abzugrenzen. Wichtiger ist: Alle Menschen, was sie auch immer glauben, (auch Atheisten glauben ja an etwas, an das Nichtvorhandensein Gottes z.B.), sind zuerst Menschen. Sie haben die Humanität gemeinsam, sicher auch eine gemeinsame philosophische Haltung des Humanismus.
10.
Christliche Gemeinden sollten darum auch offene Gesprächsforen sein für Atheisten, Skeptiker usw. Christen sollen entdecken, was sie von diesen Menschen lernen können. Vielleicht sind sie „Fremd-Propheten“, wie der katholische Theologe Edward Schillebeeckx sagte, also „Propheten“ für die Christen, die eine neue Fraglichkeit erzeugen, und damit eine neue Lebendigkeit.
11.
Eine Zusammenfassung: Sie wurde angeregt durch die Ausführungen von Malte Lehming im “Tagesspiegel” vom 5.7.2020, Seite 4.
Fromme Christen stehen nicht automatisch frommen (was heißt das schon) Muslimen näher als etwa den Atheisten, wie Malte Lehming vermutet. Nein: Alle Menschen stehen als Menschen einander nahe und schätzen sich als Menschen, wenn sie denn die Menschenrechte als die oberste Norm für ihr Leben anerkennen.
12.
Entscheidend ist also: Was den Zusammenhalt einer Gesellschaft und eines Staates leistet, ist nicht zuerst die unterschiedliche religiöse Überzeugung. Entscheidend und an oberster Stelle stehen die universal geltenden Menscherechte, die Vernunft und der Respekt des demokratischen Rechtsstaates. Erst danach, an zweiter Stelle der Relevanz, kommt, förmlich als private Überzeugung, der je unterschiedliche religiöse Glaube. Und der kann nur so lange öffentliche Geltung beanspruchen, als er eben die universal geltenden Menschenrechte und den demokratischen Rechtsstaat respektiert.
13.
Ökumene unter Christen, Juden, Muslimen ist theologisch interessant, weil da Unterschiede deutlich werden in den Dogmen usw.. Aber diese Ökumene hat vor allem Sinn, wenn alle drei Religionen erkennen: Nicht unser unterschiedlicher Glaube, sondern unser Menschsein im Sinne der Menschenrechte verbindet uns. Und die Vernunfterkenntnis befreit uns alle von Glaubenstraditionen, die dem heutigen Empfinden von Menschlichkeit widersprechen…Eine Ökumene von drei fundamentalistischen Religionen wäre ein Horror. Erst müssen Religionen sich durch Vernunfterkenntnis vom Fundamentalismus befreien, dann können sie miteinander beten und plaudern.
13.
Insofern haben diese Kirchensteuer/Kirchenaustritts-Debatten auch zu einer tieferen Erkenntnis der Rolle der Kirchen, Weltanschauungsgemeinschaft und Religionen im Staat gebracht: Religionen stehen gegenüber den Menschenrechten an zweiter Stelle. Das heißt: Keine religiöse Weisheit, kein religiöses Prinzip, kann beanspruchen, unmittelbar als solche politische und gesetzliche Geltung zu haben.
14.
Am wichtigsten ist: Wer aus der Kirche austritt, nimmt nicht unbedingt “Abschied von Gott”, wie der Titel von Malte Lehming suggeriert. Im Gegenteil: Wer aus der Kirche austritt, sucht seinen eigenen Gott, weil der offiziell verkündete und von den Kirchen gelebte “Gott” leider irgendwie “passé” ist. Vielleicht aber findet er ihn in den Kirchen doch wieder, wenn Kirchen Orte der Freiheit des Geistes werden.

Copyright: Chrisian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin