Wenn Arbeit zum Götzen wird
Das „philosophische Wort zur Woche“ fällt diesmal etwas kürzer aus; es ist wieder ein provokativer Anstoß nicht nur zum Nachdenken, sondern zur „Lebensorientierung“, d.h. zur Veränderung bisheriger Praxis.
Der bekannte Philosoph Byung – Chul Han, Berlin –Basel, inzwischen in Karlsruhe, hat im Jahr 2009 ein äußerst lesenswertes Buch veröffentlicht mit dem Titel „Duft der Zeit“. Der Untertitel: Ein philosophischer Essay zur Kunst des Verweilens.
Das Buch ist eine anspruchsvolle philosophische Meditation über die Wiedergewinnung der Muße und der Kontemplation. Dass es ohne die üblichen schnell formulierten Tipps und Ratschläge auskommt, braucht eigentlich nicht eigens betont zu werden. Es geht um Philosophie.
In seinem Schlusskapitel schreibt Han über die vita contemplativa, das kontemplative, das besinnliche Leben. Es ist eine ganz und gar nicht veraltete Haltung, sie bietet Impulse, die so selbstverständliche Hochschätzung, wenn nicht Vergötterung von Arbeit, neu, d.h. kritisch zu sehen.
„Das Leben, das sich dem maschinellen Arbeitsprozess angleicht, kennt nur Pausen, die arbeitsfreie Zwischenzeit, in der man sich von der Arbeit erholt, um sich dem Arbeitsprozess wieder voll zur Verfügung zu stellen. So stellen auch =Entspannung= und =Abschalten= kein Gegengewicht zur Arbeit dar. Sie dienen der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit…
In Wirklichkeit ist die Arbeitsgesellschaft eine Gesellschaft, in der die Arbeit sich, abgelöst von der Lebensnotwendigkeit, zu einem Selbstzweck verselbständigt und absolut setzt. …Die Totalisierung der Arbeit verdrängt andere Lebensformen und – entwürfe. (S 92 f).
(Darum ist das nicht mehr Arbeiten können, das nicht mehr Arbeiten müssen, für so viele Menschen auch Ursache für eine tiefe Krise: diese Menschen sind sozusagen den Gott Arbeit losgeworden, müssen „gottlos“ leben;, werden aus der Gemeinde der Arbeitsgläubigen rausgeschleudert; dass dieser Gott auch Geld beschafft, ist natürlich eine Tatsache. Aber die kapitalistische Gesellschaft ist so gebaut, dass sie an eine der Menschenwürde entsprechende Verteilung des Geldes an die Nicht – Arbeitenden gar nicht denkt. Wer den Gott Arbeit losgeworden ist, soll sozusagen mit Hartz IV in einer Art Vorhölle schmoren, der Vorhölle, die die Gott (Arbeits – ) Gläubigen geschaffen haben, diese Zeilen sind ein ergänzender Kommentar von Christian Modehn)
Aber noch einmal zu Byung – Chul Han: Worauf kommt es dem Philosophen an? Auf das Innehalten, das Verweilen. „In der Konsumgesellschaft verlernt man das Verweilen. Die Konsumgegenstände werden so schnell wie möglich verbraucht und verzehrt, damit Platz für neue Produkte und Bedürfnisse geschaffen wird. Das kontemplative Verweilen setzt Dinge voraus, die dauern“. (ebd).
Das anregende Buch „Duft der Zeit“ ist im Transcript Verlag , Bielefeld, erschienen.