Total schwarz und „nur schwarz“:
Anläßlich des Tages gegen den Rassismus (21. März)
Ein Exempel: Die Dominikanische Republik
Von Christian Modehn
An einem Tag wenigstens einmal alle geistige Energie verwenden, um über den Rassismus nachzudenken und um dann praktische und damit politische Schritte zu tun: Was kann ich tun, um einer Gesellschaft und einer Welt ohne Rassismus näher zu kommen? Das heißt: Einer Welt von unterschiedlichen und gleich berechtigten Menschen, die ohne eine feindliche Abgrenzung von den „anderen“, den zu Feinden Gemachten, leben kann. Vielleicht beginnt philosophisch alles damit, den Begriff der Identität neu verstehen und alle Behauptungen zurückzuweisen, die auf eine geschlossene und ewig fixe Form („Identität“) des eigenen Daseins insistieren. Das gilt auch für religiöse Identitäten, die angeblich dogmatisch ewig bleiben müssen.
Der 21. März wurde von den Vereinten Nationen zum “Internationalen Tag zur Überwindung von Rassendiskriminierung” erklärt. Im Jahr 1979 wurde dieser Gedenktag ergänzt: Alle Mitgliedsstatten sollten eine alljährliche Aktionswoche der Solidarität mit den Gegnern und Opfern von Rassismus organisieren. Der Hintergrund: Am 21. März 1966 wurden bei einem Massaker in Sharpeville, Süd – Afrika, Menschen ermordet, Schwarze in diesem Rassisten Regime, die für ihre Rechte als Menschen eintraten. Wer von unseren Freunden im Religionsphilosophischen Salon hat in den letzten Jahren überhaupt einmal etwas von diesem Tag gegen den Rassismus gehört? Warum sind solche Tage nicht im Mittelpunkt des Interesses? Wer verhindert dieses Interesse? Warum sind banale Ereignisse, etwa des Unterhaltungs – Business, wichtiger als solche Tage des Denkens, Gedenktage? Wer will eine solche (Un)Kultur bei uns?
Überall gibt es Probleme damit, dass einige Menschen sich besser und wertvoller fühlen als die vielen anderen. Es gibt versteckten und kaum sichtbaren Rassismus auch in allen europäischen Ländern, die sich aller Beachtung der Menschenrechte rühmen. In Frankreich z. B. werden die Roma verfolgt und ausgegrenzt und abgeschoben; von den rassistischen Baumaßnahmen ganz zu schweigen, den Banlieus, den Bannorten, wo die Verarmten, d.h. meist die Ausländer, abgesetzt werden als die „Überflüssigen“ und letztlich Nutzlosen. In Deutschland pflegen manche Kreise einen Generalverdacht gegen Menschen, die nicht dem eigenen Kulturkreis entstammen und der eigenen traditionellen christlichen Tradition angehören. Tausend weitere Beispiele sind möglich.
Wir weisen – wieder einmal – auf ein uns gar nicht so fernes Land hin, die Dominikanische Republik, ein Land, über das wir seit vielen Jahren berichten, zuletzt über die erfreuliche Eröffnung des „museo de la resistencia“ in der Hauptstadt Santo Domingo. Die Dominikanische Republik wird von zwei Millionen Touristen pro Jahr besucht, ohne dass die Touristen auch im entferntesten etwas von der politischen und leider auch rassistischen Tradition dieses eigentlich so schönen Landes mitbekommen. Darum auch diese Hinweise.
Tatsache ist, dass nach dem Erdbeben vom 12. Januar 2010 in Port au Prince, der Hauptstadt des benachbarten Haiti, eine beachtliche Welle der Solidarität von Menschen der Dominikanischen Republik festzustellen war. Es wurden schnell Hilfsgüter zu den vielen tausend Haitianern ohne Obdach gebracht. Das ist bemerkenswert, weil es tief sitzende Vorurteile gibt gegenüber „den“ Haitianern unter den Leuten in der Dominikanischen Republik. Darüber ist viel geschrieben worden, auch in zahlreichen wissenschaftlichen Untersuchungen; es wurde an den Rassismus des Diktators Trujillo erinnert, an die endlosen Behauptungen, „der dominikanische Mensch“ sei „eigentlich“ ein Weißer, ein Spanier. Je mehr so etwas behauptet wird, um so mehr Glauben findet dieser Wahn: Dabei sind aber nur 8 % der Dominikaner Weiße, so die neuesten Untersuchungen, alle anderen sind Mulatten oder Schwarze, fast genauso schwarz, wie die verhassten Nachbarn, die Haitianer. Solche Studien zur Farbe der Menschen – eigentlich selbst schon rassistisch – werden tatsächlich angestellt. Die verhassten „sehr schwarzen“ Haitianer, etwa eine Million Menschen auf „dominikanischen Boden“, werden zu untersten und schlecht bezahlten Arbeiten herangezogen. Auch das wird seit Jahren wissenschaftlich dokumentiert und von Menschenrechts Organisationen verbreitet.
Nun behauptet die offizielle Delegation auf einer UNO Tagung, dass der dominikanische Staat nicht rassistisch ist. Das mag zwar im Blick auf die Verfassung so sein. Antirassismus ist ein Begriff, der sich in Büchern und Gesetzestexten besonders wohl fühlt. Tatsache aber ist, dass die staatlichen Organe, wie die Polizei, massiv Haitianer nach wie vor bedrängen, misshandeln und willkürlich außer Landes weisen. Noch im September 2011 wurden 80 haitianische Migranten in Navarete zusammengetrieben und willkürlich außer Landes gewiesen. Lokale Quellen berichten, dass viele der Ausgewiesenen bereits mehr als 10 Jahre in der Dominikanischen Republik gelebt und gearbeitet hatten. Mindestens 30 der Ausgewiesenen waren Mitglieder einer Vereinigung, die für die Rechte von haitianischen Arbeitern kämpfte. Selbst Kinder haitianischer Eltern, auf dominikanischem Boden geboren und deswegen per geltendem Recht dominikanische Staatsbürger, werden über die Grenze getrieben. Dies sind nur Beispiele von vielen, wie tatsächlich in der Praxis Rassismus übelster Art fortbesteht. „Der Staat“ schaut weg und ist wohl ganz froh, dass diese „Tiefschwarzen“ aus dem Land verwiesen werden und ein Klima der Angst unter den Verbliebenen Haitianern erzeugt werden. Die meisten Haitianer leben in elenden Hütten, am Rande der Städte der Dominikanischen Republik. Jetzt wird berichtet, dass Kinder aus Haiti unbegleitet in den dominikanischen Städten umherirren, als Arbeitssklaven oder als „Sex – Objekte“ missbraucht werden. Und „der Staat“ schaut zu. Nun hat sich die katholische Bischofskonferenz Haitis bei einer Pressekonferenz in Santo Domingo zu der Erklärung verführen lassen, es gebe in der Dominikanischen Republik keinen Rassismus, sondern nur „schlimme Einzelfälle“. Wer hat diese Stellungnahme bezahlt? Wer hat die katholischen Bischöfe Haitis bestochen, solches zu sagen, wo alle Priester und Nonnen an der Basis von offenem Rassismus sprechen, der sich zwar gebessert hat nach dem 12. 1. 2010, aber der fortbesteht…
Wir weisen aber gern darauf hin, dass es vor allem ein Zentrum des Jesuitenordens ist, das den Haitianern seit 15 Jahren beisteht. Der Leiter des „Servicio Jesuita“, Pater Mario Serrano, organisiert immer wieder Konferenzen zum Thema, sein Werk bietet Rechtsberatung und soziale Hilfe auch in Dajabon, an der Grenze. Der „Servicio Jesuita“ für die Haitianer ist mit dem Kulturzentrum BONO der Jesuiten in Santo Domingo verbunden. Dort wiederum treffen sich viele Gruppen der Zivil- Gesellschaft, das Zentrum BONO ist ein Lichtblick in der politisch – sozialen Szene im Land. Dabei darf nicht übersehen werden, dass eine gewisse Müdigkeit unter den Engagierten um sich greift. Zu sehr ist die politische Kultur eher als Unkultur wahrnehmbar: Laut der Umfrage von Greenberg – Diario Libre vom März 2012 sehen 51% der Menschen die Kriminalität als das größte Problem der Dominikanischen Republik, gefolgt von der Arbeitslosigkeit (38%), den Lebenserhaltungskosten (26%), dem Drogenhandel (23%), der Korruption (19%), der Bildung (16%), Stromausfälle (12%) und das Gesundheitswesen (7%).
Am 20. Mai 2012 wird es Präsidentschaftswahlen geben. Wird es eine Wende zu mehr Demokratie sein und ein Nein zum faktischen Rassismus ?
Copyright: Christian Modehn.