Faschistische Wurzeln der „konservativen Revolution“: Charles Maurras

Ein Hinweis von Christian Modehn (anlässlich des Geburtstages von Charles Maurras am 20.4. 1868).

Angesichts der politischen Wende (bzw. „Revolution“) nach rechts und rechtsextrem in ganz Europa ist es nötig, an die „Gründerväter“ dieser Ideologie zu erinnern. Dabei wird eine Figur aus der rechtsextremen Ecke wieder hoch gespielt: Der französische Schriftsteller Charles Maurras (20.4.1868 bis 16.11.1952). Die Renaissance dieses Vordenkers der politischen Bewegung „Action Francaise“, „die unverkennbar faschistische Züge trägt“, so Ernst Nolte, 1971 und auch der Soziologe Zeev Sternhell, ist nicht nur auf Frankreich beschränkt. Wer die ideologischen Wurzeln des rechtsextremen Denkens auch in Deutschland heute freilegen will, muss sich leider mit Charles Maurras auseinandersetzen. Ausdrücklich weist etwa Wolfgang Kowalsky in seinem Buch „Kulturrevolution?“ (1991) darauf hin, dass alles heutige Gerede von „konservativer Revolution“ in der Action Francaise und damit in Maurras seine Bezugspunkte hat (S.28).

Maurras hatte ein Ziel: Die republikanische, die demokratische und linke Kultur zu bekämpfen und zu zerstören, dies gehörte förmlich zur „Kultur“ jener beträchtlichen Kreise, die die Französische Revolution pauschal als Katastrophe bewerteten. Maurras gehörte wie Edouard Drumont zu den Wortführern des militanten Antisemitismus seit der Affäre Dreyfus. Der massive Einfluss der Action Francaise und damit von Maurras bis heute verdankt sich nicht der direkten politischen Aktion, man arbeitete vielmehr im entscheidenden „Vorfeld“ der ideologischen Bildung und geistigen Verführung und Verblendung. Die Ideologie von Maurras ist ein Plädoyer für die wesentliche Ungleichheit der Menschen, für das Führerprinzip, für den Antisemitismus, für die Gewalt bei innenpolitischen Konflikten….Zum besonderen Profil von Maurras: Er nannte sich Atheist, aber katholisch. Damit wollte er sagen: Der christliche Glaube interessierte ihn nicht (da ist ja auch von Brüderlichkeit die Rede), sondern nur die katholische Kirche als möglichst machtvolle Institution, sie hat für die antidemokratische Ordnung zu sorgen. (Siehe ein treffendes Zitat von Jean-Claude Guillebaud am Ende dieses Beitrags)

Unter dem Kollaborateur und Nazi-Freund Marschall Pétain kam Maurras zu großen Ehren: Pétain stand Maurras sehr nahe und Maurras predigte „die blindeste Ergebenheit“ gegenüber dem nazifreundlichen Pétain. (vgl. Kowalsky, S. 33). Im November 1944 wurde Maurras verhaftet; er wurde verurteilt, und, wie in solchen Fällen beinahe üblich, vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen, im März 1952. Kurz danach starb er…

In katholischen Kreisen ist Maurras und seine Action Francaise bis heute präsent: Erzbischof Marcel Lefèbvre war mit der Action Francaise verbunden und seine traditionalistischen Pius – Brüder sind gewiss keine Maurras Verächter. Denn entschiedene Vertreter der modernen Demokratie und der Menschenrechte sind sie bekanntermaßen nicht. Traditionalistische Klöster, die sich wieder formal mit dem Papst versöhnt haben, wie das Benediktinerkloster Le Barroux, erwähnen Charles Maurras voller Hochachtung noch heute wie einen großen vorbildlichen Denker. Der Abt von Le Barroux gedachte kürzlich, bei einer Trauerfeier für den Front National Anhänger und Freund dieses Klosters Jean Madiran, auch des alten „Meisters“ Charles Maurras in einer Predigt. http://www.nd-chretiente.com/dotclear/public/documents/2013_Documents/2013.08.08_Jean_Madiran_obseques_Dom_Louis-Marie.pdf

Dabei muss daran erinnert werden, dass Papst Pius XI. die katholischen Mitglieder der Action Francaise exkommunizierte. So viel Antisemitismus war dem Papst dann doch zu viel. In langwierigen Versöhnungsversuchen zwischen Rom und der Action Francaise zeigte sich dann Papst Pius XII. großzügig: Angesichts des Kommunismus wollte er einen starken, geschlossenen Katholizismus, eben wieder auch mit Maurras und den Seinen. Maurras hingegen entwickelte sich dann, wie nicht anders zu erwarten, zur stärksten Stütze des Anti – Demokraten Marschall Pétain… Es ist diese übliche Blindheit, wenn nicht das Wohlwollen der katholischen Kirchenführung für rechtsextreme Ideologen, die wieder auch im Falle von Maurra auffällt. Man muss als Reaktionär nur „antikommunistisch“ sein, um die Gunst der römischen Kirche zu gewinnen, die ganze Tragik und der Niedergang der lateinamerikanischen Befreiungstheologie (Leonardo Boff etc.) ist nur so zu verstehen.

Nebenbei: Es verdient weitere Untersuchungen, wie die angeblich so streng weltfernen Karmelitinnen im Kloster von Lisieux darum kämpften, dass sich Maurras und die Action Francaise mit dem Papst aussöhnten. Solche Begeisterung für die Versöhnung verdeckte sicher auch gewisse Sympathien der streng im Kloster lebenden Nonnen für Mauras und Co. In dem Karmelitinnen Kloster in Lisieux lebte bekanntlich die hoch gelobte Mystikerin Theresia von Lisieux (1873 – 1897, heilig gesprochen 1925). Ihre leibliche Schwester und dortige Nonne unter dem Namen Mère Agnès setzte sich für Maurras ein…Die Action Francaise hatte ihre Ideologie weit im Katholizismus verbreitet, bis ins Priesterseminar der Franzosen in Rom, mit dem „einschlägigen“ Spiritanerpater Le Floch. (Vgl. https://www.cairn.info/revue-histoire-monde-et-cultures-religieuses1-2009-2-page-33.htm). Marcel Lefèbvre, der spätere Traditionalistenführer empfing dort als Mitglied im Spiritanerorden seine theologische ideologische Ausbildung.

Der Schriftsteller Jean-Claude Guillebaud schreibt: “En réalité, on voit réapparaître au cœur de l’extrême droite française un courant de pensée qu’il faut bien qualifier de catholicisme athée. L’expression se réfère à une formule de Charles Maurras, fondateur de l’Action française : « Je suis athée, mais catholique. » Maurras voulait dire par là que le message évangélique ne l’intéressait pas, mais qu’il voyait dans l’Église une institution garante de l’ordre social”. Quelle:  Jean-Claude Guillebaud: http://www.lavie.fr/debats/bloc-notes/qui-sont-les-catholiques-athees-16-08-2016-75561_442.php

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