„Da kann ich nichts machen“: Dem alltäglichen Slogan der Unvernunft widerstehen

Hinweise von Christian Modehn

Ich wurde kürzlich gefragt, wie ich denn für Schüler und andere „Anfänger“ in der Philosophie, argumentativ, also philosophisch, auf das ständig vorgebrachte Bekenntnis „Da kann man, kann ich, nichts (mehr) machen“ antworte.

Diese Aussage „Da kann man nicht machen“ bezieht sich auf Schwerwiegendes, auf das Entgleisen der Demokratie heute, auf die maßlose und tötende Gewalt neoliberaler Ökonomie, auf die zunehmende Stärke von autokratischen Politikern, auf die Unfähigkeit, etwa ökologisch das Richtige zu tun usw.

Jeder und jede kann sich an weitere Beispiele eines Verlustes von Menschlichkeit und Würde in den letzten Monaten erinnern, etwa an die Zunahme der Lüge, an die Verwirrung, so dass viele gar nicht mehr fake, Fälschung, und Wahrheit unterscheiden können. Wir leben zudem in einer Gesellschaft, in der Anonymität in Äußerungen normal wird. Offenbar gibt es bei anonymen Schreibern in ihrer häufigen Aggression noch eine letzte Scham, sich öffentlich zum eigenen Namen zu bekennen?

Der Ausgangspunkt zum Thema „Da kann ich nichts machen“

Wir sind als religionsphilosophischer Salon selbstverständlich der Vernunft verpflichtet, weil wir wissen: Der Mensch ist zwar mehr als Vernunft (d.h. Nachdenken, Argumentieren, Logik, Ethik usw.), aber ohne den beständigen Gebrauch der Vernunft und deren dauernden Pflege als Übung ist der Mensch nichts. Gar nichts. Er ist dann ein kluges Tier, das den jeweiligen Wallungen seiner Sinnlichkeit im totalen Egoismus nachgibt. Wird diese Haltung real, dann ist das später oder schon jetzt noch versteckt der Startschuss für einen „Krieg aller gegen alle“.

Also: Was kann philosophisches Nachdenken als Ergebnis zeigen zu dem eben etwas ausführlicher skizzierten Spruch: „Da kann ich nichts machen“. Ich versuche, meine Position „einfach“ zu erklären, sie verdankt sich Erkenntnissen von Karl Otto Apel und Jürgen Habermas.

Die Aussage „Da kann ich nichts machen“ muss man übersetzen und neu formulieren, dann heißt sie: „Da hilft keine Vernunft und da hilft kein von der Vernunft geleitetes Handeln“.

Viele, die so denken, ziehen sich dann ins Private zurück und verstopfen sich Ohren und Augen und wenden die eigene Vernunft nur noch alltäglichen, technischen Fragen zu. Privatisierung ist gewünscht von denen, die uns große Probleme bereiten, Neoliberale Ökonomen und Autokraten….

ABER: Es ist doch anders: Denn mit dem Satz „Da kann man nichts machen“ ist keineswegs ein totales Ende des Nachdenkens/Reflektierens und dann auch des Handelns gemeint.

Beweis: Ich sage ja meine Meinung „Da kann ich nichts machen“ tatsächlich mir selbst und anderen nun einmal in Begriffen, Worten, in einem Satz, der logisch strukturiert ist. Und auf das Verstehen anderer sozusagen automatisch, aber implizit setzt.

Entscheidend ist die weitere Erkenntnis: Indem ich das denke, ist mein Denken und Reflektieren und Sagen ja gerade nicht an ein Ende gekommen. Denn ich schaue förmlich reflektierend und tätig noch auf die Aussage „Da kann ich nichts machen“. Ich erhebe mich förmlich denkend über diese Aussage.

Ich denke also weiter, über den gesagten Satz hinaus; die Reflexion ist keineswegs am Ende, ich muss mich nicht verabschieden aus dem Reflektieren und Handeln. Denn die Vernunft zeigt sich gerade im „Raufschauen“ überlegen gegenüber dieser Vermutung „Da kann ich nichts mehr machen“…

Die Vernunft, der Geist, zeigt sich also als der Lebendige und dadurch als der Überlegene gegenüber der vermuteten Situation „Ich kann da nichts mehr machen“. Damit ist noch nicht gesagt, was ich denn nun konkret im einzelnen tun soll. Ich entdecke nur die Gewissheit, mit meinem Satz „Da kann ich nichts machen“ gerade nicht in einer Sackgasse, gerade nicht am Ende, gerade nicht in der „Verzweiflung“ zu sein.

Wenn es also eine überlegene Kraft des Denkens, der Vernunft, des Geistes evidenterweise gibt, wenn sich diese Erkenntnis der Überlegenheit des Geistes sich selbst von sich aus (!) sich mir zeigt und sich mir beim Nachdenken als unabweisbar, als von mir nicht zerstörbar, aufdrängt: Dann kann der nächste Schritt nur sein:
Schauen und prüfen und fragen, wo ich was in der vermeintlich aussichtslosen Situation kritisch nachdenkend dann tun kann.

Ich kann die angeblich total schwarze Einschätzung der Verachtung meiner Gegenwart („Alles ist Blödsinn, ich kann nichts mehr tun in diesen Verhältnissen“) beiseite schieben. Ich kann also „Einstiegsorte“ für die Kritik und das denkende Handeln finden in dem angeblich total Falschen und Aussichtslosen. Denn diese „Einstiegesorte“ der Kritik gibt es. Ist es nur die Faulheit des Nachdenkens, verbunden mit tiefer Resignation in diesem Leben, die mich hindert, die Verhältnisse auf Einbruchstellen der Verbesserung zum Besseren und Gerechten abzuklopfen? Die Vernunft bleibt lebendig auch in den angeblich aussichtslosen Verhältnissen.

Die berühmte und hoch angesehene Migrationsforscherin Nika Foroutan spricht etwa auch von einem allgemeinen Pessimismus, „der als einzigen Ausweg aus einer verachteten Gegenwart nur die komplette Zerstörung alles Bestehenden übrig ließ“ (TAGESSPIEGEL, 22. Juli 2018, Seite 3).

Diese Ideologiekritik ist entscheidend: „Ich kann nichts mehr machen“ ist eine Ideologie, die den Herrschenden sehr gut gefällt und förmlich von ihnen verbreitet wird. Wer sich solchen Sprüchen aus Denk – Bequemlichkeit anschließt, fördert reaktionäre Kräfte, die alles auf die Zerstörung des Bestehenden setzen. Diese Leute gab es etwa in der Weimarer Republik, auch Intellektuelle reden solchen Wahnsinn: „Durch Zerstörung zum Heil“, Carl Schmitt stand solchem Denken nahe, heute sind es Leute wie Stephen Bannon, der Freund und Berater von Mister Trump: Er denkt in diesen apokalyptischen Dimensionen „durch totale Zerstörung des sowieso Sinnlosen zum Heil“. Auch Evangelikale folgen mit ihrer totalen Hingabe an den Staat Israel wegen der Armageddon Prophezeiung diesem Wahn….Stephen Bannon schmiedet bereits wirksame Netze, wenn er sich mit Weidel (AFD), Le Pen usw. trifft. Es geht diesen Leuten um eine rechtsradikale, d.h. zerstörerische Wende in Europa. Es geht um Nationalismus, und dieser ist immer Krieg!

Damit will ich sagen: Man zerstört sein eigenes Denken, wenn man sich an diesen Spruch weiter hält „Da kann ich nichts machen“.

Wer daran festhält, lebt in einem Denkwiderspruch. Wie lange man mit einem Denkwiderspruch seelisch gesund leben kann, ist eine weitere Frage. Viele Menschen würden im technischen Bereich etwa, in Fragen der Finanzplanung usw. niemals mit Widersprüchen zur Vernunft leben können. Nur im Bereich der inneren Vernunft, des Geistes, glauben viele, auf Dauer in gewisser Weise schizophren leben zu können.

Was also vernünftig festgehalten werden? Unser Geist lässt sich nicht von angeblich aussichtslosen Situationen einschüchtern und einsperren. Die einzige Tatsache, die wir durch die Vernunft nicht überwinden können, ist der eigene Tod. Aber auch zu ihm können wir gedanklich, poetisch, atheistisch, religiös je unterschiedlich Stellung nehmen. Die Diktatoren wussten und wissen auch heute genau: Die Zerstörung des Denkens, der Gedankenfreiheit im Rahmen von „Gehirnwäschen“ ist am wichtigsten für die Vernichtung menschlicher, d.h. frei denkender Personen.

Hören wir also mit diesen dummen, zur Faulheit führenden Sprüchen „Da kann ich nichts machen“. Jeder suche ich einen Ort, wo er seinen Widerstand gegen die herrschende Unvernunft leben kann…

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin