Sexueller Missbrauch seit Jahrzehnten im Vatikan bekannt. Neue Dokumente zur Pädophilie von Marcial Maciel. Mit einem Kommentar aus Zentralamerika.
Kein Treffen mit Missbrauchsopfern in Mexiko
Nebenbei: Es ist außergewöhnlich, aber wahr: Dass ein Ordensgründer, langjähriger Ordensoberer und Papst-Johannes Paul II. Freund auf der deutschen wikipedia Seite zu seinem Namen sehr treffend auch mit einem Verweis auf seine “Lebenspartnerin Norma Baños” und eines seiner Kinder “Normita Rivas Banos” vorgestellt wird, gelesen am 6. 2. 2017. Gemeint ist Pater Marcial Maciel. Seine Ordensgemeinschaft “Legionäre Christi” (sowie das Regnum Christi) bestehen bis heute. Alle Bilder etc. des Ordensgründers wurden vor einigen Jahren aus den Häusern der Legionäre entfernt. So hat dieser Orden förmlich keinen Gründer mehr oder einen solchen, über den die Mitglieder in der Öffentlichkeit absolut schweigen. Warum wurde nie von einem Journalisten oder Religionswissenschaftler (katholische Theologen dürfen sich mit solchen Themen nicht befassen) diese Frage ausführlich aufgearbeitet: Warum braucht der Vatikan einen solchen Orden? Wer hat im Vatikan und anderswo (materielles, persönliches, politisches) Interesse daran, dass dieser Orden mit dem verheirateten und noch stärker pädophil aktiven Gründer Pater Marcial Maciel heute noch besteht? Ist es nur das viele Geld, das dieser Orden noch heute hat (“die Millionarios Cristi”) ?
Von Christian Modehn
Papst Benedikt XVI. weilt in Mexiko – und gleichzeitig erscheint dort am Samstag, 24.März 2012, ein Buch, das die pädophilen Verbrechen von Pater Marcial Maciel, dem Ordensgründer der Legionäre Christi, in einen über alles bisher Bekannte noch weiteren historischen Rahmen stellt. Maciel war Chef des katholischen Ordens der Legionäre Christi und „Vater“ der Laienbewegung „Regnum Christi“, er lebte von 1920 bis 2008. Beide Gemeinschaften haben heute ca. 60.000 Mitglieder weltweit, vor allem in Schulen und Hochschulen (sowie in Priesterseminaren, angefangen bei solchen für „Knaben“) sind sie aktiv.
Marcial Maciel war ein sehr enger Freund von Papst Johannes Paul II., er begleitete ihn z.B. auf den „Pastoral – Reisen“ nach Mexiko und finanzierte auch etliche Aktivitäten dort. Viele vatikanische Behörden wußten von den Verbrechen Maciels, aber sie schwiegen, nicht zuletzt, weil Maciel und sein Orden sehr viel Geld hatte.
Jetzt legen einige Autoren ein Buch vor, das in 212 Dokumenten belegt, dass die Klagen gegen die Pädophilie des Ordensgründers der Legionäre Christi „schon seit 1944 in Dokumenten nachweisbar sind”. So José Barba, einer der Autoren, und zwar „in aller Klarheit war dies bekannt“. José Barba hat mehrfach über die Legionäre Christi publiziert, er selbst wurde auch von seinem „Ordensvater“ Maciel sexuell missbraucht. Die Dokumente stammen aus den Archiven verschiedener vatikanischer Institutionen und umfassen die Jahre von 1944 bis heute!
Das Buch hat den Titel „Der Wille, nicht zu wissen“ (La voluntad de no saber, erschienen im Verlag Random House Mondadori, Mexiko, mit einer Startauflage von mehr als 6.000 Exemplaren, was für mexikanische Verhältnisse viel ist). Das neue Buch versammelt 212 Dokumente, die neben dem sexuellen Mißbrauch auch die Morphin – Abhängigkeit Pater Maciels etwa im Jahr 1954 belegen.
Mit der Veröffentlichung der Dokumente wollen die Autoren eine website schalten: http://www.lavoluntaddenosaber.com
Mexikanische Stimmen hoffen, dass nicht aufgrund höherer kirchlich – staatlicher Gewalt diese website wieder abgeschaltet wird. Denn die freundliche Zusammenarbeit von konservativer „frommer“ Regierung und der Hierarchie ist eng. Und soll durch den Papstbesuch noch enger werden, schließlich wollen die Bischöfe konfessionellen Religionsunterricht in staatlichen Schulen durchsetzen. Typisch für Mexiko ist, dass der Papst nicht die Opfer des sexuellen Missbrauchs in Mexiko treffen wird; die mexikanischen Bischöfe hätten davon abgeraten, heißt es in Rom. So sehr “respektiert” man also eine bestimmte Bischofskonferenz im Vatikan. Die Bischöfe wissen es also besser als die Opfer, was wichtig und geboten ist. Die Opfer sind in Mexiko besonders zahlreich, u.a. durch die starke Präsenz der Legionäre Christi. Auch diese Ordensleute wünschen offenbar, dass die Verbrechen nicht besprochen werden. Dabei hatte sich Benedikt XVI. bei früheren Auslandsreisen großzügiger gezeigt, er hatte einige Opfer getroffen. Ausführlichere Informationen dazu bietet die spanische Tageszeitung EL PAIS.
copyright: christian modehn, berlin
Wir weisen auf den ausführlichen Kommentar hin in:
http://bernardobarranco.wordpress.com/tag/jose-barba/
Ein Freund unseres Religionsphilosophischen Salons aus Zentralamerika schickt uns den folgenden Beitrag nach dem Papstbesuch in Mexiko, übermittelt am 29.3. 2012, leider anonym hier wiedergegeben, weil nun einmal kirchliche Hierarchen offene Äußerungen nicht nur nicht mögen, sondern auch die Autoren bestrafen, wie damals schon, im Mittelalter und den folgenden Jahrhunderten.
Der am 29.3. 2012 übermittelte Text hat den Wortlaut:
Das Konfliktthema in den Medien: Es gab keinen Termin mit dem Papst mit den Opfern von sexuellem Missbrauch. Das hat Wellen geschlagen, weil auch insbesondere die Opfer von Marcial Maciel, dem Legionärs – Ordens – Gründer, die Anwesenheit in hunderten internationalen Presseleuten nutzten, um ein neues Buch vorzustellen mit Dokumenten (den sogenannten „Vati – Leaks“) aus Vatikanischen Archiven (insbesondere der Abteilung für die Ordensleute). Sie belegen, dass schon seit den 1950 ziger Jahren Berichte über Maciel (Missbrauch und Drogen) im Vatikan vorhanden sind. Im Grunde ist das seit Jahren bekannt, aber jetzt auch mit Originaldokumenten belegt. In Fernsehkanälen war das ein wichtiges Thema.
Meine Vermutungen dazu:
Es gibt interne Auseinandersetzungen im Vatikan: Kardinal Sodano wird wie ein Mafia-Boss eingeschätzt. Er verteidigte Papst Johannes Paul II (auch weiterhin), er weiß sicher (zu) viel. Und (zu) viele haben in diesem, an eine Mafia erinnernden Club, den sogen. „Dreck am Stock“: Etwa Pio Laghi, Prigione in Mexiko, etc.; diese Kirchenführer haben weiterhin zu viel Macht. Papst Bendikt XVI. hat da wohl nicht die Kontrolle und das Durchsetzungsvermögen…
Die mexikanische Bischofs – Konferenz wollte nicht dieses Thema „Missbrauch“. Mexiko ist noch unendlich weit weg von der europäischen Kultur der Offenlegung. In Mexiko gibt es viel mehr noch Unaufgeklärtes als in Deutschland, es gibt wohl keine Rechtskultur. Und der pädophile Ordenschef Maciel ist mehr “Sündenbock” (“gut, dass er tot ist und damit ist das Problem weg”). Also: die mexikanische Bischofkonferenz wollte beim Papstbesuch das politische (und nicht innerkirchliche ) Thema von Gewalt und Frieden. Sie wollte das Thema Kirche als gesellschaftliche Kraft der moralischen Erneuerung. Ob das glaubwürdig ist, angesichts des Schweigens über die Opfer?
copyright: christian modehn