Willensfreiheit – eine Illusion?
Fragen, Perspektiven, Probleme
Anlässlich unseres Salon – Gesprächs am 11.9. 2009
Es wird immer stärker von naturwissenschaftlicher oder populär- wissenschaftlicher Seite darauf hingewiesen: Die Freiheit, besonders die Willensfreiheit, sei nichts als eine Illusion. Alle Handlungen, die wir in unserem Denken als freie Handlungen erleben, seien schon vorweg im Gehirn determiniert. Das menschliche Subjekt, die Person, seien nichts als überholte Wahnvorstellungen.
Offenbar unterstützen einzelne Experimente diese Theorie. Aber kann man aus solchen Experimenten gleich eine ganze Weltanschauung basteln?
Die Fragen bleiben:
Ist diese Theorie so allumfassend und allgemein gültig, „dass wir uns von der Idee der Willensfreiheit verabschieden müssen“, wie der auf en „Naturalismus“ fixierte Philosoph Michael Schmidt – Salomon in einem Interview mit dem hpd behauptet? Konsequenterweise sagt dann Schmidt Salomon im Blick auf Auschwitz (wo die Täter seiner Meinung nach auch ohne Willensfreiheit handelten): „Denn aus Auschwitz lernen heißt, auf die Idee des Bösen zu verzichten“ (ebenfalls hpd). Er plädiert dafür, „die Programmierung des Menschen in Richtung freier Wille, Schuld und Sühne aufzugeben“.
Hinter der Debatte um die Willensfreiheit steht durchaus der Versuch, das Menschenbild des Humanismus und der neuzeitlichen Philosophie aufzuheben.
Im Salon wurde die Frage gestellt:
Soll eine angeblich schöne neue Welt entstehen, in der das Erleben von Gut und Böse, in der die Stimme des Gewissens, keine Rolle mehr spielt?
Beeinflussen und prägen institutionskritische Ideologien (etwa die Abwehr von moralisierenden Kirchen und staatlichen Institutionen) diese Entwicklung dieses Menschenbildes „ohne Willensfreiheit“?
Will man die Öffentlichkeit darauf vorbereiten, doch nichts tun zu können, weil doch alles determiniert ist?
Offenbar kann und will Schmidt Salomon doch nicht auf einen Rest von Willensfreiheit verzichten, wenn er schreibt: “Wer weiss, dass er sich in der Vergangenheit nur in der Weise verhalten konnte, wie er sich unter den gegebenen Bedingungen verhalten musste, der wird zurückliegende Fehlentscheidungen (also doch, CM) wohl bedauern und auch daran arbeiten, künftig anders zu reagieren“….
Kann man „anders reagieren“, wenn es keine vom Menschen gestaltete Willensfreiheit gibt?
Abgesehen von dieser offenbar widersprüchlichen Theorie der „Willenlosigkeit“ wurde philosophisch in dem Salon deutlich:
Wir erleben unsere bewusste Entscheidung als freie Wahl.
Je mehr Bildung, je mehr Reflexionsfähigkeit und kritische Selbstdistanz ein Mensch hat, desto deutlicher erlebt er seine Freiheit und seine freie Handlungsfähigkeit.
Wir freuen uns, wenn wir eine gerade getroffene Entscheidung auch wieder schnell revidieren können.
Wir erleben Kreativität des Geistes (Kunst, Musik, Literatur usw.) ALS Ausdruck von freier Kreativität und ALS etwas Schönes und Gutes.
Wir können eingefahrene Verhaltensmuster aufgeben und frei uns für andere Wege entscheiden.
Im KZ haben sich Menschen freiwillig für andere Mithäftlinge geopfert und sind an deren Stelle freiwillig in den Tod gegangen. Waren diese sich hingebenden Menschen determiniert?
Ist die Musik Mozarts, sind die Werke Picassos determiniert?
Sind die Aussagen von Michael Schmidt Salomon Ausdruck von Determinationen?