Ausgegrenzt und totgeschlagen
Der Welttag zur Beseitigung der gegen Frauen hat seinen Ursprung in der Dominikanischen Republik
Von Christian Modehn
Soldaten töten. Sie töten einander. Und sie töten Frauen, die sie nicht selten zuvor vergewaltigt haben. Kommt es zu Friedensverhandlungen, reden nur die Krieger. Heute, am Internationalen Tag gegen Gewalt gegen Frauen, erinnern Betroffene und Hilfsorganisationen an ein himmelschreiendes und alltägliches Unrecht weltweit. Und an das Land, in dem dieser Tag mit guten Gründen ausgerufen wurde
Die Opfer der Gewalt, vor allem Frauen mit ihren Kindern, sollen beteiligt werden, wenn eine bessere Gesellschaft aufgebaut wird: Diese Forderung hat der UN-Sicherheitsrat schon im Jahr 2000 in einer entsprechenden Resolution verabschiedet. Bis jetzt wird sie kaum beachtet. »Es stünde der neuen Bundesregierung gut zu Gesicht, im Kampf gegen sexualisierte Kriegsgewalt eine aktive, prominente Rolle zu übernehmen und politischen Bekenntnissen Taten folgen zu lassen«, sagt Monika Hauser, Gründerin der Frauenrechtsorganisation medica mondiale. Diese Initiative steht medizinisch wie auch therapeutisch traumatisierten Frauen und Mädchen in Kriegsgebieten und Krisenregionen bei.
Auch wenn die Waffen schweigen, ist Grausamkeit gegen Frauen alltägliche Realität. »Jede dritte Frau ist heute Opfer körperlicher Gewalt«, betont die neue Studie der Weltgesundheitsbehörde. Fast eine Milliarde Frauen werden heute ausgebeutet, verstümmelt, vergewaltigt, als Sklavinnen gequält, zwangsweise verheiratet: »Epidemisch ist die Brutalität gegen Frauen heute«, so die Studie. In allen Ländern sind Frauen Opfer wild gewordener Grausamkeit. Die Täter sind Männer und mit ihnen die Systeme, in den »die Herren« als wertvoller gelten als Frauen.
Was kann »man(n)« dagegen tun? Zunächst einmal: Sich informieren und nachdenken, zum Beispiel heute, am Welttag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen. Dieser Tag wurde 1999 ausgerufen. Ausgerechnet in einem Land, das ganz tief vom Wahn des Machismo, der männlichen Überlegenheits-Ideologie, geprägt ist: der Dominikanischen Republik, heute touristisches Traumziel der Karibik.
Dort wurden drei Schwestern – Patricia, Minerva und Maria Teresa Mirabal – am 25. November 1960 von den Schergen des Diktators Trujillo hingeschlachtet. Die drei hatten das »Verbrechen« begangen, ihre Gatten im Gefängnis zu besuchen. Wie ihre mutigen Frauen waren diese im Widerstand engagiert gegen das Trujillo-Regime. Es wurde 30 Jahre lang von den USA und dem Vatikan unterstützt.
»Tötende Gewalt gegen Frauen gehört auch heute zu unserem Alltag. Sie geschieht in den Wohnungen und Unterkünften dominikanischer Familien«, berichten die großen Tageszeitungen Listin Diario oder El Caribe. Allein 2012 wurden 198 Freundinnen und Gattinnen zuhause von ihren Partnern, etwa im Alkoholrausch, zu Tode geprügelt. Darüber hinaus hat das Komitee für die Verteidigung der Frauenrechte in Lateinamerika festgestellt, dass dort jede fünfte Frau im Alter zwischen 15 und 49 Jahren mindestens einmal körperliche Gewalt erlebte. Durch intensive Aufklärungsarbeit seien diese Gewalttaten jetzt etwas seltener geworden, betont Francisco Brito, der Generalstaatsanwalt in Santo Domingo, der Hauptstadt.
Aber Frauen bleiben dort Opfer männlicher Herrschaft: So hat die Dominikanische Republik eines der schärften Verbote jeglicher Abtreibung. Die Politik folgt dabei konsequent den Weisungen der Kirchenführung unter Kardinal Jesus Lopez Rodriguez. Er sorgt jetzt noch für weitere Diskriminierung von Frauen, Kindern und Männern: Seit der Änderung der dominikanischen Verfassung im Jahr 2010 sind Ausländer, die im Land geboren werden, nicht mehr automatisch dominikanische Staatsbürger. Von den neuen Gesetzen sind Menschen aus Haiti betroffen, die für einen Hungerlohn auf den Zuckerrohr-Plantagen schuften oder auf den Baustellen miserabel bezahlte Hilfsdienste verrichten. Das Gesetz gilt perfiderweise rückwirkend, so dass jeder Ausländer, also jede Haitianerin, jeder Haitianer, jetzt staatenlos ist. Aber der Kardinal schätzt diese neue Gesetzgebung. Wie viele andere im Land hat er Angst vor den »schwarzen Horden« aus dem total verarmten Nachbarstaat Haiti. Die Pariser Tageszeitung Le Monde berichtete kürzlich über diese Denkweise des Kirchenfürsten.
Die mindestens 300.000 staatenlosen Haitianer sind nun eine Art Freiwild, das je nach Laune der Polizei ins Elend Haitis zurückgebracht werden kann. Und Frauen werden vor der Ausweisung noch schnell vergewaltigt…
Der kritische Jesuit Pater Mario Serrano aus Santo Domingo ist über sein eigenes Land empört: »Wer zum Beispiel heiraten will, braucht einen Pass. Die staatenlos gemachten Haitianer sind auch vom Sozialsystem ausgeschlossen.« Der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Dominikanische Republik wegen des offenkundigen Rassismus verurteilt. Geändert hat sich bisher nichts.
Über den Widerstand der drei Schwestern Mirabal informiert das neue Widerstandsmuseum in Santo Domingo. Ihre Geschichte erzählt auch die dominikanische Schriftstellerin Julia Alvarez in ihrem sehr anregenden Roman »Die Zeit der Schmetterlinge« (Piper Verlag).
Mehr über die Frauenrechtsorganisation »medica mondiale« erfahren Sie in Köln – und im Internet.
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