Reformation in Spanien: Casiodoro de Reina: “Einfach nur Protestant sein”.

Von Christian Modehn.    Dieser Beitrag erschien Ende 2016 in kürzerer Fassung in der empfehlenswerten Zeitschrift PUBLIK-FORUM

Kaum sind Juden und Muslime vertrieben oder zur Konversion gezwungen, da wird in Spanien die Inquisition gegen „alles Lutherische“ aktiv. Der erste Bericht von Protestantenverfolgung datiert aus dem Jahr 1524 in Valencia. Vor allem die Gebildeten, im Adel und im Klerus, verlangen nach einer biblischen Spiritualität; sie weisen den volkstümlichen Aberglauben zurück. Und sie sind gut informiert: Über die zahlreichen Häfen gelangen reformatorische Schriften ins Land, viele Bücher von Reformatoren werden jedoch von der Inquisition entdeckt und sofort verbrannt, wie in San Sebastian.

Dabei sind Spanier an Erasmus von Rotterdam genauso interessiert wie an den Schriften Luthers. Vor allem in Klöstern des damals sehr einflussreichen Hieronymiten-Ordens verfügen die Mönche über erste spanische Ausgaben des Neuen Testaments. Im Kloster San Isidro del Campo bildet sich um die Cripiano de Valera, Juan Pérez de Pineda und Antonio del Corro eine Art Begeisterung für reformatorische Schriften. Einer der maßgeblichen reformgesinnten Mönche im Kloster San Isidro in Sevilla ist der Hieronymit Casiodoro de Reina. Er weiß, dass sich nur kleine Zirkel (etwa in Valladolid) und Gruppen in Klöstern für Reformation und Humanismus interessieren. Strukturierte evangelische „Gemeinden“ gibt es nicht.

Casiodoro de Reina wurde 1520 in der Nähe von Badajóz geboren. Freie theologische Debatten sind verboten. Kaiser Karl V. will Spanien mit aller Gewalt als letzte katholische Bastion verteidigen. Reformgesinnte Mönche, wie der prominente Casiodoro, werden verdächtigt, insgeheim Juden geblieben zu sein. Er sieht für sich keine Chancen zum Überleben. 1557 flüchtet er nach Genf, weitere Mönche, auch aus anderen Klöstern, folgen ihm. Casiodoro de Reina, obwohl eher mit Luther vertraut, flieht ins Zentrum Calvins: Für ihn spielen die unterschiedlichen reformatorischen Lehren keine große Rolle. Er ist ein Reformator, der „nur“ evangelisch sein will mit starker Bindung an den Humanismus von Erasmus. Casiodoro lehrt: „Niemand darf wegen seines persönlichen Glaubens verfolgt oder gar verbrannt werden“, kritische Worte gegen Calvin, der die Verbrennung des theologischen „Abweichlers“ Michel Servet, auch er ein Spanier, 1553 betrieben hatte. „Genf hat sich in ein neues Rom verwandelt“, urteilt Casiodoro. Auch die von führenden Reformatoren heftig kritisierten „Wiedertäufer“ sind für ihn „Brüder im Glauben“. Als „liberaler Protestant“ muss er Genf verlassen, nachdem er 1559 ein offenes „Glaubensbekenntnis“ publiziert hat. Seit der Zeit leidet Casiodoro unter der Engstirnigkeit aller christlichen Kirchen, auch wenn er, von der materiellen Not gedrungen, Pastorenämter unterschiedlicher Konfessionen annimmt. Als unbequemer Denker kann er in keine (geistliche) Heimat finden. Der spanische Katholizismus hat ihn, im Symbol seines Bildes, öffentlich verbrannt; im Rahmen der volkstümlichen Spektakels „Autodafé“. König Philipp II. setzt sogar Spione gegen ihn ein, ein Kopfgeld lässt er ausschreiben. Er erhält den offiziellen Ehrentitel „Chef-Häretiker“ … und bedankt sich für diese Verurteilung mit einer Studie über „Die Kunst der spanischen Inquisition“. Um 1557 ist der protestantische Glaube in Spanien öffentlich ausgelöscht, die dort lebenden Protestanten sind verbrannt. In Pamphleten dokumentieren die Evangelischen in westeuropäischen Ländern diese Schandtaten.

Von Genf gelangt er zum ersten Mal nach Frankfurt am Main, dann zieht er weiter nach London, wo ihm Königin Elisabeth I. großzügigerweise den Aufbau einer spanisch sprechenden „Flüchtlingsgemeinde“ gestattet. 1562 wird er sogar zum Pastor der „Kirche von England“ ordiniert. In London heiratet er. Hier beginnt er mit der Übersetzung der gesamten Bibel aus dem Hebräischen und Griechischen ins Spanische. Unter den zerstrittenen Protestanten in London wird er verleumdet und muss nach Antwerpen fliehen. Bettelarm kann er dort weiterarbeiten. Seine Übersetzung der spanischen Bibel wird 1569 in Basel veröffentlicht, wegen des Titelblattes mit dem Bären spricht man nur von der „Biblia del Oso“. Die dogmatischen Calvinisten in Genf sind empört, dass Casiodoro diese große Arbeit ohne ihre Zustimmung gemacht hat.

Immer auf der Suche nach einer Bleibe, um seine Studien fortzusetzen, irrt er quer durch Europa, man sieht ihn in Heidelberg, sogar in Frankreich, in Basel. Als Handwerker kann er sich am Leben halten. Seine letzten Lebensjahre verbringt er in Frankfurt am Main, er wird Bürger dieser Stadt. Für die Gemeinde der spanischen Flüchtlinge wird er zum lutherischen Pastor ordiniert. Er stirbt am 15. März 1594. Zu dieser Zeit hat die Inquisition alle Spuren protestantischen Lebens in Spanien total ausgelöscht.

Noch während des Bürgerkrieges wurden die wenigen Evangelischen verfolgt, sie mussten flüchten. Nach dem 2. Weltkrieg waren alle nicht-katholischen Bibelübersetzungen verboten. Protestantisches Leben musste sich in privatem Rahmen abspielen, evangelische Gebetsstätten duften nach außen nicht erkennbar sein. Erst nach dem Ende der Franco Diktatur können dort Evangelische frei leben. Heute nennen sich etwa 400.000 Spanier „Protestanten“.

Literaturhinweis: Manuel de Leon, 1946 Historiker, er hat u.a. publiziert: „Los protestantes y la espiritualidad evangélica en la España del siglo XVI” 2 tomos, 1600 páginas, Der Text ist im Internet als PDF Datei verfügbar: http://www.saavedrafajardo.org/Archivos/Libros/Libro0778.pdf

Zur Bibelübersetzung von Casiodoro de Reina: http://www.protestantes.net/enciclopedia.asp?id=620

Copyright: Christian Modehn, Religionsphilosophischer Salon Berlin.

Trump widerstehen. Thomas Jeffersons Vorschläge und ein Hinweis von Peter Sloterdijk

Ein Hinweis zum 20. Januar 2017: Mister Trump wird US-Präsident und er befindet sich als (zukünftiger) “Mauerbauer” in bester Gesellschaft mit dem Mauerbauer Walter Ulbricht, DDR.

«Der Geist des Widerstands gegen die Regierung ist bei gewissen Gelegenheiten so wertvoll, dass ich mir wünsche, er möge immer lebendig bleiben. Ich mag ein bisschen Rebellion dann und wann. Sie ist wie ein Sturm in der Atmosphäre.»

Das schrieb der spätere US – Präsident Thomas Jefferson 1787 als Botschafter in Paris, in den Monaten vor der Französischen Revolution. Die Hoffnung der Menschen, die sich nicht nur ihre Vernunft bewahrt haben, sondern  – im Unterschied zu Mister Trump – auch einen letzten Rest von Anstand und Wahrhaftigkeit, werden auf diesen “Sturm des Widerstands” gegen Trump hoffen und alle Möglichkeiten suchen, vernünftig den Geist des Widerstands gegen diese Regierung zu leben. Sie werden sich dabei nicht national einschließen, sondern auch die besonders Betroffenen, etwa die Mexikaner und Lateinamerikaner im allgemeinen, unterstützen im Widerstand gegen die verbrecherische Mauer, die Mister Trump an der Grenze zu Mexiko bauen will. Der letzte, der eine ganz große Mauer baute, war 1961 der kommunistische Diktator Walter Ulbricht. Trump ist also – wieder mal – in “bester Gesellschaft”.

Der Philosoph Peter Solterdijk schrieb am 24. November 2016 in “Die Zeit”, Seite 49, einen meines Erachtens eher wenig beachteten Text. Slolterdijk rechnet nämlich ganz schlicht damit, dass alsbald die Frage auftritt, wie man die Zeit nach Trump gestalten solle. Der Philosoph Sloterdijk schreibt dann: “Die Chance von Donald Trump, die ersten zwei Jahre seiner Amtszeit zu überleben, liegt vermutlich bei kaum mehr als zehn Prozent”. Slolterdijk nennt die USA weiter eine bloß hypothetische Demokratie, weil in dieser stets umstrittenen, “wackligen”  Demokratie der politische Mord eine, so wörtlich von Sloterdijk, “aktive Option”  ist. Im Falle eines Ausscheidens von Trump wäre dann Pence, der Vizepräsident, so Sloterdijk, der “richtige Trump-Nachfolger”… “Auf seine Mediokrität ist Verlass”.

Lassen wir diese heftigen Spekulationen Sloterdijks… Inspirierend sind auch die Überlegungen des US Literaturwissenschaftlers Mark Greif in der TAZ vom 14.1. 2017 Seite 03 veröffentlicht. Der ernstgemeinte Titel des erregten Autors Greif: “Ausflippen! Jetzt!” Zur Lektüre des TAZ-Artikles klicken Sie hier.

Zur (hoffentlich eintretenden) Möglichkeit der Amtsenthebung des Herrn Trump als US-Präsident schreibt der Berliner Politologe Prof. Christian Lammert, klicken Sie hier.

Auch der Philosoph Immanuel Kant kann in der heutigen vernetzten Welt niemals der Maxime von Mister Trump zustimmen: “Make America great again”. Wenn auch Deutschland diese Maxime für die eigene Politik gelten lassen würde: “Mach Deutschland wieder groß”. Oder Österreich: “Mach Österreich(-Ungarn) wieder groß”. Oder Russland:”Mach die Sowjetunion wieder groß” usw.: Wenn dieser Maxime jeder Staat heute in einem neuen nationalistischen Wahn folgen würde, hätten wir schnell den totalen Weltkrieg. Darum: Diese Maxime als Regierungsprogramm von Mister Trump ist kriegerisch, ist gefährlich, sie gehört verboten zu werden. Kant sagt: “Diese kriegerische Maxime hat wie jede andere kriegerische Maxime kein Recht. Sie entspricht nicht der Würde der Menschen und der Würde der Menschheit. Diese Maxime ist lebensgefährlich, sie muss überwunden werden”. Kant kann nur diese Maxime ertragen: “Make America democratic and human again”. Oder: “Gestaltet Deutschland und Europa und die Welt s0, dass die Würde und die Gleichheit jedes Menschen respektiert wird”.

Noch einmal, auch aus religionsphilosophischen Gründen, zurück zu Jefferson und nem Aufruf zum Widerstand: Jefferson war von 1801 bis 1809 der 3. Präsident Amerikas, er ist der Autor der Unabhängigkeitserklärung; ein einflussreicher Staatstheoretiker. Die Trennung von Kirche und Staat in den USA geht auf ihn zurück. Als Präsident nannte er für sich keine Religionszugehörigkeit, obwohl anglikanisch erzogen.

Interessant ist: Er zerschnitt seine Bibel, um die für ihn entscheidenden Textstellen für sich zusammenzustellen, Aussagen, die vor der kritischen Vernunft Bestand haben. Es entstand die „Jefferson – Bibel“. Er sagte: „Der Korruption des Christentums stehe ich in der Tat ablehnend gegenüber, aber nicht den wahren Prinzipien Jesu. Ich bin ein Christ in dem Sinne, wie Jesus es wollte.“ Als Propagandist für kirchenfeindliche Strömungen ist der dritte US-Präsident völlig ungeeignet.

Copyright: Christian Modehn Berlin

Für die Vielfalt, nicht nur im Glauben. Ein Interview mit Prof. Johan Goud, Den Haag

Für die Vielfalt, nicht nur im Glauben

Ein Interview mit dem Theologen und Pastor der Remonstranten-Kirche Prof. em. Johan Goud (Den Haag):

Die Fragen stellte Christian Modehn

Zwei Fragen beziehen sich unmittelbar auf die Theologie: Die Freiheit ist entscheidend für Remonstranten, auch die Selbstbestimmung des einzelnen, seinen Glauben zu leben auf seine je individuelle Art. Haben deswegen die Remonstranten de facto kein allgemein verbindliches Glaubensbekenntnis? Ebenso gilt die weitere Frage: Was hält Remonstranten zusammen bei der akzeptierten Glaubens-Pluralität? Und warum ist Pluralität der religiösen Überzeugungen ein Vorteil?

Aber zunächst zur aktuellen politischen Situation in den Niederlanden, dort sind Parlaments-Wahlen am 15. März 2017, mit der Prognose, dass die populistische und rechtslastige Partei PVV stark wird): Was können Christen in den Niederlanden, was können Remonstranten, jetzt tun gegen Wilders und die PVV?

Johan Goud:

Diese Frage betrifft auch den Populismus, der sich im Augenblick in der ganzen Welt regt und der in den Niederlanden verbunden ist mit dem Namen Weiterlesen ⇘